Heinrich Steinfest: Das grüne Rollo

  • Breitgetretene Kurzgeschichte mit flacher Pointe


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    Über vier Jahre lang stand dieses Buch an verschiedenen Positionen in meinem Regal mit den noch zu erlebenden Abenteuern. Es wartete geduldig darauf, gelesen zu werden, aber es wurde immer wieder von Neuerscheinungen zurückgedrängt, deren Titel, Autoren oder/und Klappentexte spannender klangen. Gekauft hatte ich „Das grüne Rollo“ ohnehin nur, weil es von jenem Schriftsteller ist, der die großartigen, klugen und originellen „Cheng“-Krimis verfasst, allerdings mit Titeln wie „Das himmlische Kind“ oder dem im Ansatz guten, jedoch teilvergurkten „Der Allesforscher“ auch schon genrefremde Ausflüge unternommen hat, die nicht immer glücklich ausgegangen sind. Möglicherweise war es auch das, was mich abhielt, was mich immer wieder nach anderen Romanen greifen ließ.


    Ich habe eine Weile gesucht, aber in meiner Sammlung keinen auch nur annähernd so dämlichen Buchtitel wie „Das grüne Rollo“ gefunden, was daran liegen mag, dass ich keine Einrichtungs- und Dekorationsbücher wie „Die gelbe Kaffeemaschine“, „Der blaue Teppich“ oder „Die rote Kommode“ lese. Spaß beiseite – der Titel ist wirklich doof. Und auch wenn das grüne Rollo, das genauso gut eine Tapete oder eine Tür sein könnte, eine wichtige Rolle spielt, gehört dieser doofe Titel zu all den Ablenkungsmanövern, die Steinfest aufbaut, um die flache und enttäuschende Pointe dieser auf zweihundertneunzig Seiten breitgetretenen Kurzgeschichte so lange wie möglich zu verheimlichen.


    Bis dahin erzählt er als viel zu altersweiser Ich-Erzähler von Theo, der im ersten Teil des Romans, der im Jahr 2010 spielt, zehn Jahre alt ist, und an dessen lichtschutzlosem Zimmerfenster plötzlich und fortan in jeder Nacht um exakt 23.02 Uhr ein grünes Rollo auftaucht, das sich alsbald als Portal in eine eigentümliche, leicht grünlich gefärbte Parallelwelt erweist, die von Männern mit im Gesicht angewachsenen Ferngläsern beherrscht wird, und in der ein Mädchen namens Anna, das sich als seine Schwester entpuppt, unterschiedlichen Arten von Dauerfolter ausgesetzt ist, aus denen sie jeweils von Theo befreit werden muss.


    Im zweiten Teil ist Theo beinahe fünfzig und Astronaut auf dem Weg zum Mars, aber plötzlich taucht das beinahe vergessene Rollo wieder auf und zieht Theo abermals in diese grüne Welt, in der jetzt Krieg herrscht. Und im dritten, kürzesten Teil folgt die Erklärung.


    Was sich wie ein phantasieloser Fantasyroman liest, wie ein Genreausflug von jemandem, der eigentlich viel lieber zu Hause geblieben wäre und deshalb Küchenmesser, Labradorweibchen und Lauftrainer mit semimagischen Eigenschaften ausstattet, wird am Ende zu etwas verknotet, das zumindest mir nur noch ein - von einem genervten Stöhnen begleitetes - „Im Ernst?“ abgerungen hat. Aber auch bis dahin stimmt in dieser Geschichte nicht viel, tanzen Unlogik, ermüdende erzählerische Kunstgriffe, ein altkluger Ton, fett aufgetragene Metaphorik und eine gänzlich blasse Hauptfigur ein armseliges und ermüdendes Ringelreihen.


    „Das grüne Rollo“ ist nichtssagend, erzählt aber auch nichts, und wer es noch im Regal mit den ungelesenen Büchern zu stehen hat, sollte es dort auch besser lassen. Einer der schwächsten Steinfests, der sich allmählich zu einer Art Haruki Murakami in einer schwäbischen Light-Version entwickelt.


    ASIN/ISBN: 349230933X

  • Schade eigentlich, denn HS kann es eigentlich.

    Steinfest gehörte bis zum "Allesforscher" zu meinen deutschsprachigen Lieblingsautoren, aber mit seiner Murakamiisierung kann ich nur wenig anfangen. Ich habe aber gestern gesehen, dass 2019 noch ein "Cheng"-Band erschienen ist, der bisher an mir vorbeiging - den werde ich auch noch lesen. Aber "Der Chaufeur", also die "Geschichte, die alles vereint" (Kronen-Zeitung), und die im vergangenen Jahr erschienen ist, werde ich mir schenken.


    ASIN/ISBN: 3492061486