Fabio Geda: Ein Sonntag mit Elena

  • Über Brücken


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    Der titelgebende Sonntag findet in Turin statt, zeitlich in der Nähe des Jahrtausendwechsels, und erlebt wird er vom Vater und Großvater, der vor acht Monaten seine Frau bei einem Autounfall verloren hat, der zu seiner aktiven Zeit überall in der Welt Brücken gebaut hat (Achtung, Metapher) - und heimliche Liebschaften pflegte, von denen die drei Kinder wissen, die Ehefrau aber vielleicht nicht wusste. Er bereitet am Vormittag dieses Sonntags in der großen, leeren Wohnung, in der die Familie ihr gesamtes gemeinsames Leben verbracht hat, ein Festessen vor, denn eine der beiden Töchter will mit Mann und Kindern zu Besuch kommen. Er kocht viel, er kocht zum ersten Mal überhaupt in seinem Leben, sich akribisch an die fast heilige Rezeptsammlung haltend, die die Frau hinterlassen hat. Doch eine Enkelin fällt vom Baum, bricht sich den Arm und muss ins Krankenhaus, also wird das Essen ausfallen. Der Mann geht spazieren und landet im Skaterpark, wo er die junge Elena und ihren Sohn Gaston kennenlernt. Nach einigem Hin und Her lädt er die beiden, die unter der Geldnot der Frau leiden, dazu ein, bei sich zu Hause das Essen zu verzehren, das er für die Familie zubereitet hat. Sie verbringen den restlichen Tag bei ihm.



    Diese Geschichte, die die Geschichte einer Familie ist, erzählt die Tochter Guilia, die Theaterregisseurin geworden ist, und die immer glaubte, ihr Vater würde diesen Beruf, diese Berufung nicht akzeptieren. Sie erzählt von diesem Tag, sie erzählt aber auch vom Davor und Danach, von Kindheiten und vom Erwachsenwerden und vom Erwachsensein, sie springt in die Zukunft. Der Mikrokosmos ist komplex und kompliziert, aber man umkreist einander ja doch, und man kann nicht anders. Eigentlich will man auch nicht anders - so sind Familien eben.



    Es geht in diesem Wohlfühlroman, der sehr poetisch geschrieben ist, aber dramaturgisch wenig bietet, um Liebe, um Bindungen, um Enttäuschungen, um Offenheit, um Selbstverwirklichung und um Verständnis füreinander. Es geht um die Über-Brückung von Missverständnissen, von Hindernissen, auch und vor allem von solchen, die man sich selbst in den Weg legt. „Ein Sonntag mit Elena“ ist äußerst sanft, atomsphärisch dicht, sehr einfühlsam und auch kunstvoll erzählt, löst aber nicht gerade spannungsbedingte Atemnot aus. Am Ende steht die überwiegend unbeantwortete Frage, was das sollte, und leider wird dieser Makel durch Kunstfertigkeit und Poesie nicht ausgeglichen. Das gibt der Geschichte leider etwas Lapidares.


    ASIN/ISBN: 3446267956