Darf's ein bisschen Klischee sein? ;)

  • Ich lese gerne Fantasy, Thriller und Krimis. Früher habe ich auch gerne mal locker-leichte Frauenromane gelesen, bis ich die Klischees darin nicht mehr ertragen konnte, denn es ist immer dasselbe: Graue, eher schüchterne Maus trifft auf unfassbar gut aussehenden Mann (Typ: harte Schale, weicher Kern), nach einigem Hin und her finden sie zueinander, landen natürlich irgendwann im Bett in einem Feuerwerk der großen Gefühle (inkl. multipler Orgasmen natürlich), danach folgt nochmal ein kleines Drama und in rund 80 % der Fälle ist sie am Ende ungeplant schwanger, alle freuen sich aber riesig darüber und/oder es wird geheiratet und sie leben glücklich und zufrieden ... und so weiter. :rolleyes:

    Offensichtlich scheinen sich diese Geschichten immer wieder sehr gut zu verkaufen. Zum Glück habe ich inzwischen aber auch die ein oder andere Autorin entdeckt, die bei Frauenromanen nicht so tief in den Klischeetopf greift. Denn zum Entspannen nach einem anstrengenden Tag sind solche Bücher doch ab und an mal ganz schön (finde ich ;)).


    Sicherlich kommen auch in meinen Büchern ab und an Klischees vor. Ich persönlich mag es aber, wenn mich ein Buch auch überrascht und mal etwas passiert, was ich so nie erwartet hätte. Wobei das auch häufig bedeutet, dass es eben nicht unbedingt das Happy End gibt, das man als Leser erwartet hat.

    Was bevorzugt ihr als Leser?

    Und wie haltet ihr es beim Schreiben (lasst ihr in einem Thriller oder Krimi auch mal den Bösewicht "gewinnen")?

  • Bei dem Wort Klischee verzieht sich bei vielen von uns das Gesicht spontan zu einer Grimasse. In jedem Fall ist dieser Begriff negativ besetzt. Einerseits.

    Andererseits sind die meisten Klischees unausrottbar.


    Meiner Meinung nach hat das zum einen sehr viel mit Selbstvergewisserung zu tun, zum anderen mit dem Wunsch, die Kontrolle zu behalten.

    Und nichts hat ein so starkes Selbstbeharrungsvermögen wie das Gekannte und Bekannte.

    Überdies enthalten Klischees immer auch einen wahren Kern. Ansonsten hätten die darin enthaltenen Vorstellungen niemals zum Klischee werden können. Und wenn wir ehrlich mit uns sind, spiegeln sie häufig unsere eigenen unreflektierten Meinungen, Vorurteile, Ängste und Sehnsüchte. Aber weil wir doch eigentlich intelligente, weltoffene, coole, reflektierende und differenzierende Individuen sind, müssen wir uns von Klischees auf einer rationalen Ebene natürlich distanzieren.;)


    Während der Alzheimerjahre meiner beiden Eltern bestand meine einzige „Freizeitaktivität“ im Schauen von Fernsehserien. Und das bis zum Exzess. Deutlich favorisiert habe ich zwei Gruppen: auf der einen Seite die eher harten Serien wie Dexter, Criminal Minds, Bones, CSI etc., auf der anderen Seite die oft zuckersüßen und fast immer klischeetriefenden Kuschelserien wie Friends, How I met your mother, Dharma and Greg, Will and Grace etc.


    Ich glaube, die damals weitgehend unbewusste Absicht hinter meiner Auswahl bestand wesentlich darin, keine Überraschungen erleben zu wollen. Gut und Böse sowie deren Verkörperungen, das Verhalten der Protagonisten, die Dramaturgie ... all das sollte, musste im Rahmen des Vorhersehbaren bleiben.


    Grundsätzlich ist es wohl so, dass bei der Auswahl dessen, was wir lesend, schauend oder hörend konsumieren, die aktuelle Lebenssituation eine maßgebliche Rolle spielt.


    Obwohl ich persönlich bei Büchern doch andere Maßstäbe anlege. Ein Buch zu lesen verlangt von mir ungleich mehr Zeit, Konzentration und auch eigene Teilnahme, als eine Serie zu schauen. Weshalb ich das Gefühl hätte, mich selbst zu verscheißern, würde ich meine fürs Lesen verfügbare Zeit und Energie an vorhersehbare, klischeebeladene Geschichten verschwenden.

    Und was für das Lesen eines Buches gilt, versuche ich erst recht auf das Schreiben eines solchen anzuwenden. Für mich ist es ein Qualitätsmerkmal einer Geschichte, wenn deren Verlauf sowie die Entwicklung der Figuren weitgehend unvorhersehbar bleiben. Was ich hingegen sehr, sehr gerne mache, ist, mit Klischees zu spielen. Die Frage nach dem Happyend bleibt von all dem aber zunächst einmal unberührt. Zumal statt des erwartbaren Happyends ein in seiner Ausgestaltung unerwartetes Happyend häufig die reizvollere Variante ist.



    Herzliche Grüße,


    Jürgen

  • Wo wir schon bei Fernsehserien sind ...: als nur kuschelig habe ich z. B. "Will and Grace" nicht in Erinnerung. Was Serien auf jeden Fall tun, auch die klischeebeladenen - und nach irgendeinem Muster funktionieren sie ja alle: Sie sorgen für Ablenkung. Und das hat man in manchen Lebenssituationen bitter nötig.


    Zurück zum Buch: Ich habe letztes oder vorletztes Jahr "The Woman in the Window" von A. J. Finn verschlungen - und da muss man nun kein Genie sein, um zu verstehen, was da dahintersteckt. Für mich muss es nicht die "hohe Literatur" sein. Wenn ein Roman gut gemacht ist, lasse ich mich gerne auch auf klassische "U-Genres" ein (ja, ich weiß, die Unterscheidung ist längst nicht mehr in, es gibt auch eine Menge Überschneidungen, ich nenne es trotzdem mal so).

  • Und was für das Lesen eines Buches gilt, versuche ich erst recht auf das Schreiben eines solchen anzuwenden. Für mich ist es ein Qualitätsmerkmal einer Geschichte, wenn deren Verlauf sowie die Entwicklung der Figuren weitgehend unvorhersehbar bleiben. Was ich hingegen sehr, sehr gerne mache, ist, mit Klischees zu spielen.

    Ja, das mag ich auch. Immer wieder schön, wenn man als Leser so ein Buch erwischt (auch, wenn es dann mal kein Happy End gibt).


    Interessanter Aspekt mit der Zeit, die man investieren muss für Serie vs. Buch. ;) Eine Serie, die einen nicht vollends überzeugt, kann man ja immer noch gut nebenbei gucken. Ich muss zugeben, ich gucke fast alles nur nebenbei, weil es mich nicht genug beschäftigt, nur eine Serie/einen Film zu gucken. Das geht bei Büchern nicht, aber wenn mich ein Buch nach spätestens 70-80 Seiten nicht überzeugt hat, breche ich es ab. Da quäle ich mich dann nicht bis zum Schluss durch.

    Für mich muss es nicht die "hohe Literatur" sein. Wenn ein Roman gut gemacht ist, lasse ich mich gerne auch auf klassische "U-Genres" ein (ja, ich weiß, die Unterscheidung ist längst nicht mehr in, es gibt auch eine Menge Überschneidungen, ich nenne es trotzdem mal so).

    Für mich auch nicht. Im Gegenteil: Ausgelastet bin ich ausreichend durch Job und Weiterbildung, da brauche ich nicht noch beim Lesen abends Futter für's Hirn. Da will ich mich entspannen und einfach gut unterhalten werden. :)

    Ich fand es nur irgendwann frustrierend, wie viele Frauenromane sich immer wieder der gleichen Klischees bedienen. Aber das ja auch durchaus erfolgreich, denn es wird gelesen. Manche Autoren haben bereits über 20 Bücher rausgebracht, aber im Prinzip sind es manchmal bloß andere Namen und Handlungsorte und der Rest doch ziemlich ähnlich.

  • Schreiben kann man alles. Ob man es dann auch publizieren darf, ist eine andere Frage. Denn gerade im Unterhaltungsroman (oder muß man schon sagen Trivialroman?) sind die Erwartungen, nicht nur der Leser, sondern auch der Verleger recht klar definiert. Und da diese Art von Literatur in erster Linie zum Gelderwerb produziert wird (mit irtgend etwas müssen die Verlage ja auch die Lyrikbände und Literaturpreiskandidaten-Germanistenromane quersubventionieren), ist man wenig geneigt, Experimente zu wagen, sondern fährt auf bewährten Gleisen. Und auch die Leser wollen unterhalten werden. Dazu gehört auch, daß sie nach der Lektüre ein gutes Gefühl einnehmen und nicht deprimiert, verwirrt oder verängstigt zurückbleiben.


    Ein kluger Mann in einer Fernsehserie hat es einst so schön auf den Punkt gebracht: "Die Leute wollen nichts neues und keine klugen Einfälle. Denn neues macht ihnen Angst, und kluge Ideen lassen sie sich dumm vorkommen."


    Freilich kann man sich auch die Frage stellen, ob es heutzutage überhaupt noch irgend etwas neues gibt, angesichts der Millionen existierender Bücher.

  • Sicherlich kommen auch in meinen Büchern ab und an Klischees vor. Ich persönlich mag es aber, wenn mich ein Buch auch überrascht und mal etwas passiert, was ich so nie erwartet hätte. Wobei das auch häufig bedeutet, dass es eben nicht unbedingt das Happy End gibt, das man als Leser erwartet hat.

    Was bevorzugt ihr als Leser?

    Und wie haltet ihr es beim Schreiben (lasst ihr in einem Thriller oder Krimi auch mal den Bösewicht "gewinnen")?

    Ich kann Happy Endings nicht leiden.


    Frau trifft Mann, verliebt sich, er erwidert schließlich ihre Gefühle, nach einem kurzen Streit versöhnen sich beide, Heiraten, sie wird schwanger und alle sind glücklich... (Würg!<X)


    Bei mir gewinnt fast immer das Böse, sogar in den Fantasyromanen. Da siegt beispielsweise der dunkle Vampir über den "guten" Vampirjäger oder der Superheld wird von seinem eigenen Helfer besiegt.


    Schreiben ist unheimlich abwechslungsreich und jeder hat so seine Vorlieben ;) Meine Feder ist eben schwarz und die Schrift meist rot ;) :evil:

  • Dass so viele Liebesromane mit schnulzigem Ende verlangt und verkauft werden, lässt tief in die gegenwärtige Befindlichkeit der Leute blicken. Menschen, die in diesem existenziellen Bedürfnis wirklich befriedigt sind, würden nicht auch noch ständig davon lesen wollen.


    Dass sich viele Menschen nicht auf Neues einlassen können, zeigt ebenfalls, dass die Leute schon von den Unwägbarkeiten ihres derzeitigen Alltags absolut überfordert sind.


    Und dann gibt's noch so etwas wie die Erziehung zu einem Lesegeschmack. Und da nehme ich seit Jahr(zehnt)en eine extreme Talfahrt wahr: Was gerade im Liebesromanbereich oft auf den Bücherstapeln liegt, läuft Heftromanen mühelos den Rang ab. Sogar sprachlich.

  • Dass so viele Liebesromane mit schnulzigem Ende verlangt und verkauft werden, lässt tief in die gegenwärtige Befindlichkeit der Leute blicken. Menschen, die in diesem existenziellen Bedürfnis wirklich befriedigt sind, würden nicht auch noch ständig davon lesen wollen.

    War das denn mal anders? Gab es eine Phase, wo Eskapismus kein Verkaufsargument war? - Ich würde vermuten nein, und wenn doch, dass das womöglich ein Jahr war, in dem die Buchverkäufe drastisch einbrachten, in dem keiner mehr ins Kino ging und der Fernseher quasi immer aus war.

  • Und da nehme ich seit Jahr(zehnt)en eine extreme Talfahrt wahr: Was gerade im Liebesromanbereich oft auf den Bücherstapeln liegt, läuft Heftromanen mühelos den Rang ab. Sogar sprachlich.

    Ich glaube, jedes Jahrzehnt und jede Generation hat da so seinen Anteil. Der Bergroman, der Arztroman, der Waldbauernbub-Roman und was weiß ich, was es da noch gibt, hatten schon immer ihre Leserschaft. Genauso wie die Pendants für Kerle: Jerry Cotton und Komplizen haben sich sprachlich dem Unvermögen der heutigen Schreibergenerationen ebenso angepasst.

    Ich erinnere mich, dass meine Mutter mit Begeisterung Anne Gordon's Anquelique-Zyklus las. Heute sind's halt Rosamunde Pilcher und und Uta Danella.

  • Der Begriff "Klischee" umfasst nicht alles, was hier erwähnt wurde, denn in diese Reihung gehörten noch Stereotypen, Epigonentum und vieles mehr.


    Warum lesen Menschen Arztromane? Genauer: Warum lesen weibliche Menschen jenseits der Vierzig Arztromane? Warum lesen Menschen Superheldencomics? Genauer: Warum lesen männliche Menschen diesseits der Vierzig Superheldencomics? Warum werden Groschenromane gelesen, oder Schema-F-Thriller, oder x-te Abklatsche von Harry Potter oder Frodo Beutlin? Die Antwort ist immer die gleiche: Weil man bekommt, was man erwartet. Deshalb raucht man die gleiche Zigarettensorte, isst die gleiche Schokoladensorte, deshalb hat man Lieblingsspeisen, Lieblingsorte, Lieblingsmenschen. Weil Menschen Gewohnheit bevorzugen. Weil sie sich wohl und sicher fühlen, wenn sie nicht überrascht werden. Es kann sich sehr, sehr schön anfühlen, genau das zu bekommen, was man erhofft hat.


    Es ist natürlich ein bisschen vielschichtiger. Gerade bei Traumwelten (graue Maus bekommt Supermann oder grauer Mäuserich Superfrau) werden aus zweiter Hand idealisierte Lebensentwürfe gelebt, die für viele unerreichbar sind.


    Und es ist nicht leicht, das zu bedienen. Als Leser mag ich's selbst nicht, aber als Autor habe ich Hochachtung vor Leuten, die es schaffen, unaufhörlich das gleiche zu schreiben, ohne immer dasselbe zu liefern.

  • Definitiv geht das auch anders. Ich möchte hier jetzt keine politische Diskussion vom Zaun brechen, aber ich bin u.a. gelernte Bibliotheksassistentin (in der DDR: Bibliotheksfacharbeiterin), und die Tatsache, dass da nicht annähernd so viele Schmonzetten in den Regalen standen, bedeutete nicht, dass die Läden und Bibliotheken leer blieben. Und die Leute konnten den Anteil in den Büchern, der sie politisch auf Kurs bringen sollte, schon identifizieren und ausblenden.


    Was nicht heißt, dass leichte Lektüre nicht auch gewünscht war, aber gegen ein bisschen mehr Tiefe, auch in der Unterhaltungsliteratur, hatten (und hätten) wahrscheinlich die wenigsten was einzuwenden.


    Jede Verlagslandschaft zieht sich ihre Leserschaft auch heran. Allein die sprachliche Ebene von manchen Büchern, die inzwischen oft auf den Stapeln liegen, lässt mich manchmal sprachlos zurück.

  • Definitiv ist das nicht einfach, davon lebe ich ja. Aber irgendwie lässt es mich auch mit offenem Mund zurück.


    (Und wenn ich dermaleinst den Millionenbesteller geschrieben haben werde, nebenher natürlich, steige ich da sofort aus ... :-) .)

  • Ich habe mal gehört, dass das gegenwärtig so um die 20.000 Exemplare seien (ist wahrscheinlich auch reihenabhängig), wovon aber die Hälfte remittiert wird und in Sammelbänden ihre zweite (dritte, vierte) Chance bekommt.


    Stimmt, so gesehen bin ich ja schon Bestsellerautorin ... ;-)