• Mit einiger Verblüffung habe ich die Tage gelesen, dass einer Figur aus einem Buch (das auch verfilmt wurde) eine eigene TV-Serie gewidmet worden ist. Man kennt das: mit Hannibal Lecter z. B. ist es ähnlich gegangen. Ich rede von einem Spin-Off von „Einer flog über das Kuckucksnest“, aber nicht mit dem Jack Nicholson-Charakter, sondern einer der furchteinflößendsten Frauenfiguren, die ich bis dahin gekannt habe: Schwester Ratched. Nun schwanke ich zwischen „denen fällt auch nichts neues mehr ein“ und „könnte interessant sein“.


    So alt ist das Phänomen noch nicht, oder? Aus Serien entstehen manchmal neue Serien, das kennt man schon aus „Dallas“-Zeiten - und in Wahrheit hat es das wahrscheinlich schon viel früher gegeben.


    Ich bin, wie gesagt, zwiegespalten: vielleicht staune ich sogar mehr, wie man einen Stoff ausquetschen kann - und der Urheber, wenn er es denn erlebt, dürfte auch davon profitieren (es sei denn, er hat Nebenrechte abgetreten).

  • Mir ist spontan die Serie "Cheers" eingefallen, woraus 1993 der Ableger "Frasier" entstand. Von Cheers kannte ich einige Folgen und als eine Kollegin das gehört hat, meinte sie, dass ich unbedingt Frasier schauen müsse, weil das viel besser sei. ;) Mir hat Frasier sehr gut gefallen, daher muss ich sagen: warum also kein Spin-off, wenn es die Zuschauer gut unterhält.


    Die Avengers-Reihe hat allerdings so viele Ableger (Film und Serie), dass ich da etwas den Überblick verloren habe. Da finde ich auch nicht alle Spin-offs so gelungen und habe mich auch schon gefragt, ob denen nichts Neues mehr einfällt, weil die da jede Figur derart ausschlachten müssen. :rolleyes:

  • Manchmal sind Spin-Offs profitabler als das Original - das "Star Trek"-Franchise ging erst so richtig mit "TNG" los, und dann folgten mit "Voyager", "DS9", "Enterprise", "Discovery" und "Picard" bislang fünf weitere Ableger. Die Serie "Better Call Saul" als Spin-Off der "Kultserie" "Breaking Bad" hat den Vorgänger - wirtschaftlich und was die Rezeption anbetrifft - zur Verblüffung vieler tatsächlich abgehängt (fünf Staffeln, jede Menge Preise). Wenn etwas auserzählt ist oder aus anderen Gründen beendet werden musste, aber sehr erfolgreich war, können die Produzenten den Erfolg des Originals zumindest ein Stück lang mitnehmen, ohne eine neue Marke platzieren zu müssen. Sehr oft geht das allerdings auch in die Hose. Eine der bislang erfolgreichsten Serien der Fernsehgeschichte - "Friends" (1994 - 2004) - bekam mit "Joey" einen Spin-Off, der trotz vermeintlich starker Besetzung mitten in der zweiten Staffel verreckt ist. Einige der bereits produzierten Folgen wurden nicht mehr ausgestrahlt. Und was aus "Baywatch Nights" geworden ist, weiß ich, der schon das "Original" scheiße fand, nicht.


    Man kann aber viel weiter zurückgehen. Es fing mit "Mickey Mouse" an und hat inzwischen auch einige Ableger, ein ganzes, kleines Universum. Das teilweise unüberschaubare Superhelden-Graphic-Novel-Geschehen mit seinen vielen Verflechtungen, Timelines und Reboots basiert letztlich auf einer Handvoll Vorgänger, die entweder Sidekicks bekamen, oder auf Gegner/unerwartete Helfer trafen, denen dann eigene Reihen gewidmet wurden.


    Ich finde das eigentlich cool, wenn man tolle Figuren und/oder Settings entwickelt hat, die irgendwie ihr natürliches Ende erreicht haben, aber es gibt etwas, das darüber hinaus geht. So ist es im "richtigen Leben" ja auch. Andererseits ist das manchmal auch nur besonders perfides Merchandising. In der Literatur gibt es das Phänomen natürlich auch, da werden Nebenfiguren zu Hauptdarstellern, es werden Prequels und Sequels entwickelt, und so weiter. Die Vampirwelle, die vor einigen Jahren über die Belletristikwelt geschwappt ist, hat eine Vielzahl von Spin-Offs generiert, und von Epigonen. Aber all das bedient das Bedürfnis der Konsumenten, in der Erlebniswelt bleiben zu können, die liebgewonnenen Figuren noch etwas näher kennenlernen zu dürfen, und das funktioniert manchmal gut und manchmal überhaupt nicht.

  • Eins der schönsten Serienenden, das ich je gesehen habe, und das gleichzeitig verhindert hat, dass später irgendein Spin-Off generiert werden konnte, war das Ende von "Six Feet Under". Da kniee ich heute noch nieder. Es war hochemotional (wirkt aber in dieser wunderbaren Emotionalität nur, wenn man die Serie tatsächlich gesehen hat).

  • Kerstin: Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich an dieses Serienfinale denke, und obwohl es dreizehn oder vierzehn Jahre her sein muss, kann ich mich noch genau daran erinnern, wie es war, als wir diese letzte Folge dieser großartigen Serie gesehen haben. Das war in jeder Hinsicht sensationell.

  • Ich kann mich an diverse Serien-Spin-Offs erinnern (von denen ich nur manche selbst gesehen habe): „Der Denver Clan“ hatte „Die Colbys“, „Beverly Hills 90210“ hatte „Melrose Place“, „Grey’s Anatomy“ hatte „Private Practice“ – wo man eine Ärztin in eine schicke Privatpraxis an der Westküste ausgelagert. So etwas sehe ich mehr als Zweitverwertung: Man siedelt eine erfolgreich eingeführte Figur um, strickt eine neue Story drumherum, besetzt die üblichen Rollen, und guckt, was man aus dem ursprünglichen guten Ruf noch herausquetschen kann. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, wenn man Geld mit etwas verdient, allerdings sind manche Spin-Offs auch deutlich schlechter – oder werden von mir nur als schlechter empfunden, wer sagt denn, dass Spin-Offs immer dieselben Zielgruppen ansprechen sollen. Heute – oder ist das auch schon wieder vorbei? – gibt’s z. B. „Young Sheldon“ als Spin-Off zu „The Big Bang Theory“, in der die Kindheit einer Figur thematisiert wird - man versetzt eine Figur nicht an einen anderen Ort, sondern in eine andere Zeit. Das kann gut sein, muss aber nicht. Vielleicht bin ich aber auch nur nostalgisch, denn selbst bei Fortführungen wie bei „Akte X“ denke ich: Damals war’s gut, heute sind die Schauspieler nur älter.


    Bei „Six Feet Under“ hat man im Finale alles richtig gemacht. - Was daraus wird, wenn man einen Stoff zu Tode schindet, hat man an „Dexter“ gesehen: Irgendwann wurde es nur noch haarsträubend und willkürlich. Handlungsstränge versandeten, vormals starke Charaktere ließ man auf unwürdige Art und Weise sterben – und ausgerechnet da hat man sich (aber eigentlich konsequent, nämlich schlecht) eine Hintertür für eine Fortsetzung offengelassen, indem der titelgebende „Held“ ja dann doch gar nicht tot war, während man Schwester Brenda (eigentlich auch nicht die schlechteste Wahl für ein Spin-Off) im Krankenhausbett hatte sterben lassen. Wie wahrscheinlich nicht selten, gehen solche Vorgänge mit einem Wechsel im Autorenteam einher: eigentlich hätte Dexter schon viel früher sterben sollen. Stattdessen folgten weitere Staffeln, die die Serie dann konsequent demontierten.


    Eigentlich ist das eine beeindruckende Sache, eine Figur erschaffen zu haben, die „mehr als ein Leben hat“. Ob das immer so im Sinne des Erfinders war, ist eine andere Frage.

  • Erinnert sich noch wer an "The Mentalist"? Da hat man die Serie auch zu Tode geritten. Eigentlich war sie mit der dritten Staffel auserzählt, aber da sie so gut ankam, hat man flugs einen völlig unlogischen neuen Bösewicht herbeigezaubert. Und als der dann nach der fünften Staffel auch erledigt war, wurde kurzerhand ein Teil des Teams zum CIA verfrachtet, damit das Spiel weitergehen konnte. Oder war's das FBI? Egal, für die letzte Staffel kamen auch noch die beiden Akteure zusammen - das langweiligste Serienliebespaar ever.


    Oder Homeland. Was mal eine richtige gute und inspirierende Serie war, wurde durch die Fortsetzungen vollkommen vernichtet. Bei dieser Serie tut es mir eigentlich am meisten leid. House of Cards genauso. Ach, es gibt viele Beispiele, wo weniger mehr gewesen wäre. Leider wohl nicht mehr Geld, und daran liegt‘s wahrscheinlich, dass oft kein Ende gefunden wird. Ich find eigentlich Filme und Serien mit schnellem Ende, wo man gern noch mehr gehabt hätte, am besten. Die lassen einen oft nicht los, anders als die, wo dieser unwürdige Selbstmord in Raten begangen wird.


    Ist aber ein bisschen OT, denn es ging ja ursprünglich um Spin-Offs. Wenn auch die Motivation oft die gleiche ist.

  • Zwei Miniserien, die mich sehr beeindruckt haben, und die leider fortgesetzt werden, sind "Little Fires Everywhere" (Amazon Prime) und "The Morning Show" (apple tv+). Eigentlich ist in beiden jeweils ersten Staffeln der Plot zuendeerzählt worden, aber es sind zweite Staffeln in Produktion. Andererseits gibt es aktuelle Serien, die mich vor Glücklichsein beim Zuschauen fassungslos machen, und bei denen ich darauf hoffe, dass sie ewig weitergehen, etwa "The Marvelous Mrs. Maisel" (Amazon Prime).

  • ... Miniserien, die mich sehr beeindruckt haben, und die leider fortgesetzt werden, sind "Little Fires Everywhere" ...

    Als ich die letzte Folge der bestehenden Staffel gesehen hatte, habe ich gedacht: Wie soll man das noch toppen. Nachdem ich das (Hör-)buch von Celeste Ng längere Zeit weggelegt hatte (wegen, wie ich fand, deutlicher Längen im Mittelteil) und nun gestern beendet habe, finde ich: Sogar was die Buchvorlage angeht, liegt durch das relativ offene Ende eine Fortsetzung nahe. Für das Buch will ich jetzt nicht sprechen, was die Serie angeht, meine ich: Doch, die Charaktere von Mia und Pearl und von Izzy sind noch nicht ausreizt. Da könnte noch was Gutes kommen. (Und was die Besetzung von Pearls Vater mit einem ehemaligen "Grey's Anatomy"-Darsteller angeht, würde ich wetten (auch wenn's anderweitig naheliegt): Die Rolle könnte in einer 2. Staffel deutlich ausgebaut sein.)