In meinem ersten Roman habe ich Inquits noch sehr reichlich verwendet. Manche dieser Dialoge wirken heute auf mich so, wie der Eintopf schmeckt, wenn sich beim Nachsalzen der Deckel vom Salzstreuer löst. Inquits sind eine Ursache, wenn nicht sogar die Hauptursache dafür, warum Dialoge auch in veröffentlichten Werken häufig so schrecklich dröge wirken. Sie unterbrechen, bremsen und verkaufen überdies Leserin und Leser regelmäßig für blöd.
„Ich bin einverstanden“, nickte er.
Das ist natürlich doppelt blöd, weil niemand einen Satz nicken kann.
Aber selbst die „erlaubten“ und deshalb so häufig verwendeten Inquits, wie „sagte“ oder „fragte“ oder „antwortete“, sind fast immer überflüssig.
„Mir ist schlecht“, sagte er.
„Hast du wieder Muscheln gegessen?“, fragte sie.
„Nein,“, antwortete er.
Oder alternativ:
„Mir ist schlecht“, stöhnte er.
„Hast du wieder Muscheln gegessen?“, wollte sie wissen.
„Nein,“, antwortete er.
Die Alternativen sind auch nicht wirklich besser, auch wenn sie den üblichen Einheitsbrei aus „sagte“, „fragte“ und „antwortete“ ein klein wenig auflockern.
Und, klar, es geht immer auch noch schlimmer:
„Und du kannst sagen, was du willst“, sagte er, „ich sage dir, heute wird es noch regnen.“
Okay finde ich hingegen Toms leicht ironischen Hybriden:
"Vielleicht wirst du ja trotzdem nicht schwanger", orakelte Susi.
Solche Inquits haben ihre Reiz, finde ich. Aber sie müssen passen, sonst kann es sehr schnell peinlich werden.
Auch mit Anjas erweiterter Inquit-Formel bin ich einverstanden, die direkte Rede zu unterbrechen und sie dann wieder fortzuführen. Das mache ich in meinen Texten sogar sehr gerne:
„Was ist los mit euch?“ Moira deutete auf die vier Gläser. „Hat man euch unter Drogen gesetzt? Paulo ist ein wundervoller Mensch ...“
„Und vor allen Dingen ein wundervoller Tänzer.“
„... und wenn alle Männer so wären wie er ...“
„... hätten wir ein paar Probleme weniger. Sicher. Und stattdessen ein paar neue.“
Moira seufzte. „Ich hatte einen wundervollen Morgen. Und von euch beiden lasse ich mir die Laune nicht vermiesen.“ Ein Grinsen erschien in ihrem Gesicht. „Ich hasse euch.“
Caitlin erwiderte das Grinsen ihrer Mutter. „Ich liebe dich auch, Mom.“
Für mich bestehen Sinn und Zweck von Inquits einzig darin, Eindeutigkeit herzustellen. Zum Beispiel: wer spricht? Wie auch in diesem Beispiel braucht es dazu aber nicht notwendigerweise eines Inquits. Wozu ein Inquit verwenden, wenn bereits aus dem Gesagten hervorgeht, wer gerade spricht? Dennoch können Inquits, so wie Anja sie definiert, die elegantere Lösung darstellen, um einen Sachverhalt zu vermitteln. Und ohne sie wäre die direkte Rede in manchen Fällen sogar missverständlich. Um beim Beispiel der zitierten Dialogzeilen zu bleiben:
- Vier von ursprünglich fünf Personen sitzen an einem Tisch. Mindestens drei der vier Anwesenden haben etwas getrunken.
- Gesprochen wird über die nicht mehr anwesende Person (Paulo).
- Lediglich zwei der vier Anwesenden (Moira und Caitlin) sprechen miteinander.
- Mindestens eine weitere anwesende Person teilt offensichtlich Caitlins Meinung über Paulo.
- Es wird deutlich, dass Paulo schwul ist.
- Trotz ihrer Worte denkt Moira über den Sachverhalt letztendlich nicht anders als Caitlin und der hier stumm gebliebene Gesprächsteilnehmer.
Das alles wäre ohne die Unterbrechungen der direkten Rede nur durch umständliche Umschreibungen zu vermitteln. Und was den letzten Punkt betrifft, würde die „nackte“ direkte Rede hier das Gegenteil dessen suggerieren, was tatsächlich gemeint ist, und das sogar in zweifacher Hinsicht.
Mit Inquits halte ich es so wie mit vielem Anderen: so wenig wie möglich und so viel wie nötig. Dabei ist weniger die Dosierung das ausschlaggebende Kriterium als vielmehr die Platzierung.
Herzliche Grüße,
Jürgen