Recherche und korrekte Darstellung in Roman, Erzählung

  • Normalerweise stört mich so etwas auch kaum, aber hier geht es um den Beginn der Kausalkette, die sich durchs ganze Buch zieht. Sowohl die Sahne, als auch die aus ihr folgende, tödliche, brutale, horrormäßige Verletzung sind von großer Relevanz für die gesamte Erzählung. Als würde ein Buch damit beginnen, dass ein Öltanker auf dem Bodensee sinkt, und das löst dann alles mögliche aus. Es gibt aber nur sehr, sehr wenige Öltanker auf dem Bodensee. Sehr, sehr, sehr wenige.

  • Mich stören vielmehr die ganzen Spielverderber, die immer alles "total unlogisch" finden.

    Selbst wenn man mich zu diesen "Spielverderbern" zählen sollte, ich komm nun mal aus der journalistischen Ecke, und in meinem Job gehörten Recherchen dazu. Das kann ich nun bei Büchern, die in einer realen Jetztzeit spielen weder verleugnen noch ablegen.


    Vor allem erinnere ich mich an einen Bericht über Johannes Mario Simmel, als er auf dem Höhepunkt seines Erfolgs war, in dem es hieß, bei seinen Beschreibungen stimme alles von vorn bis hinten: "Wenn er eine Telefonzelle an der XY-Straße beschreibt, dann steht genau diese Telefonzelle auch an der XY-Straße ." Aber Simmel wat ja auch von Hause Journalist. Vielleicht haben wir da eine Macke.

  • Selbst wenn man mich zu diesen "Spielverderbern" zählen sollte, ich komm nun mal aus der journalistischen Ecke, und in meinem Job gehörten Recherchen dazu.

    Es liegt mir fern, dich als "Spielverderber" bezeichnen zu wollen. Ich bin ja so froh über diese Diskussion hier ")"

    Ich halte Eifer bei der Recherche für eine Tugend, falls das noch nicht deutlich geworden sein sollte. Nur nicht für Selbstzweck.

    “Life presents us with enough fucked up opportunities to be evaluated, graded, and all the rest. Don’t do that in your hobby. Don’t attach your self worth to that shit. Michael Seguin

  • Normalerweise stört mich so etwas auch kaum, aber hier geht es um den Beginn der Kausalkette, die sich durchs ganze Buch zieht. Sowohl die Sahne, als auch die aus ihr folgende, tödliche, brutale, horrormäßige Verletzung sind von großer Relevanz für die gesamte Erzählung. Als würde ein Buch damit beginnen, dass ein Öltanker auf dem Bodensee sinkt, und das löst dann alles mögliche aus. Es gibt aber nur sehr, sehr wenige Öltanker auf dem Bodensee. Sehr, sehr, sehr wenige.

    Sprühdosen, die unter Druck stehen, können erstaunliche Kräfte freisetzen:

    https://www.spiegel.de/panoram…zte-gefahr-a-1165048.html

  • Hier geht es um Sahnesyphons, die mit Stickstoff oder anderen nichtentzündlichen Gasen betrieben werden, Christian, und nur um die Folgen des freigesetzten Drucks.

  • Ben, um auf deine Antwort zurück zu kommen:



    Dann drücke ich mich klarer aus, auch auf die Gefahr hin, dass man mich mal wieder falsch versteht.

    In 90% der Medienberichterstattung wird der Zugführer mit dem Lokführer gleichgestellt, obwohl beide im Bahnbetrieb zwei völlig verschiedene Aufgaben haben. Soweit zu meinem Beispiel...


    Ich habe nach einem besonders verunglimpfenden Bericht eines namhaften Käseblattes, hier in der Region bereits einen Vorschlag gemacht. Die "Experten" der Zeitung dürfen bzw. sollten sich mit den echten Experten unterhalten, so sieht für mich Recherche aus.


    Und jetzt folgt noch ein Beispiel aus einem meiner Manuskripte: Ein Teil der Geschichte spielt auf einem Gehöft. Durch intensive Recherche erfuhr ich z.B. was der Unterschied zwischen Weide und Koppel ist.


    Was ich damit noch mal sagen möchte: Wer Recherchieren will, findet auch Antworten. Es ist nur die Frage, ob und in welchem Umfang, dies zum jeweiligen Genre gehört.



    War das klar genug?

  • Zitat

    Zitat von No_Name Greenhorn Was mir in diesem Zusammenhang eher aufstößt, sind grobe Fehler in Berichten oder Fernsehsendungen von ach so seriösen Zeitungen und Fernsehsendern.


    Ist mir jetzt etwas zu pauschal die Schelte.

    Wie wärs denn damit: Praktisch jedes Mal, wenn ich in der Zeitung über ein Thema lese, worin ich mich wirklich auskenne, entdecke ich Fehler. Da könnte man schnell schliessen, dass dies anderen mit ihrem Fachwissen ebenso geht und kein Fachthema fehlerfrei dargestellt wird.


    Einmal überführt sinkt also das Vertrauen in die Zeitung auch dort, wo man sich selber nicht so genau auskennt. Dies schadet in der Zeitung dem Ansehen der Journalisten und im Roman individuell dem Lesegenuss.


    Kurz: Ein Fehler deutet auf weitere Fehler.


    "wie ein Kartoffelsack" ist dabei nicht mal ein Fehler, sondern bloss ungeschickt (ausser es wird einem Protagonisten in den Mund gelegt?).

  • In 90% der Medienberichterstattung wird der Zugführer mit dem Lokführer gleichgestellt, obwohl beide im Bahnbetrieb zwei völlig verschiedene Aufgaben haben. Soweit zu meinem Beispiel...

    Naja, wenn ich mal die Definition eines Zugführers bei Wikipedia heranziehe: "Mit Zugführer, Zugchef oder Zugsführer bezeichnet man bei einem Eisenbahnunternehmen einen Mitarbeiter, dem die Verantwortung für die Sicherheit und ordnungsgemäße Abwicklung einer Zugfahrt übertragen ist." könnte man durchaus auf die Idee kommen, es sei ein Lokführer gemeint. Vor allem auch, weil der heutige Beruf eines Lokführers nicht mehr mit dem vergleichbar ist, was man sich gemeinhin drunter vorstellt.


    Aber egal, Im Grund genommen hast du recht. Und zumindest in Lokalredaktionen müssen die Redakteure Fachleute auf vielen Gebieten sein. Das soll nur eine Erklärung, aber keine Entschuldigung sein.

    Andererseits, das habe ich zumindest in meiner Ausbildung gelernt, schreibt man in der Zeitung nicht für die zehn Fachleute, sondern soll Menschen, die von einem Thema völlig unbedarft sind, auf 60 Druckzeilen die Welt erklären. Da fehlt dann oft schon der Platz, um zu erklären, was der Unterschied zwischen Zug- und Lokführer ist. Da bin ich dann auch schon dagesessen und hab gesagt: "Scheiß drauf. Dann war's der Lokführer, da kann sich auf jeden Fall jeder was drunter vorstellen."


    Den Unterschied zwischen Fachmann und Journalist habe ich immer so gezogen: "Ein Fachmann weiß viel über wenig, ein Journalist weiß wenig über viel."

  • Naja, wenn ich mal die Definition eines Zugführers bei Wikipedia heranziehe: "Mit Zugführer, Zugchef oder Zugsführer bezeichnet man bei einem Eisenbahnunternehmen einen Mitarbeiter, dem die Verantwortung für die Sicherheit und ordnungsgemäße Abwicklung einer Zugfahrt übertragen ist." könnte man durchaus auf die Idee kommen, es sei ein Lokführer gemeint. Vor allem auch, weil der heutige Beruf eines Lokführers nicht mehr mit dem vergleichbar ist, was man sich gemeinhin drunter vorstellt.

    Siehst du, damit hast du schon mehr recherchiert als die meisten Journalisten. Ich werde hier nicht weiter zum Thema Lokführer Fachsimpeln, dass wäre O.T.


    Wenn ich für ein Projekt in der Firma eine Präsentation vorbereite, sammle ich Daten und Fakten zum Thema, ich Recherchiere. Denn wenn ich Fachlich korrekt dastehen möchte, ist gute Recherche eben ein Muss.


    Erzähle ich jemandem eine Geschichte aus meiner Kindheit, so interessieren mein Gegenüber meist nicht ob ich damals eine blaue oder grüne Hose Trug, als ich in die Pfütze fiel, was zählt ist die Story also der Inhalt der Geschichte.


    Ich bin Perfektionist/in was glaubst du, wie oft ich mein Manuskript umschrieb, weil einfach zu viel auf die Besonderheiten eingegangen wurde, damit die Experten zufrieden sind.


    Es ist für mich ein Unterschied ob ich schreibe: "Das braune Pferd mit den schwarzen Haaren stand auf der eingezäunten Weide."


    Oder aber: "Der Braune Mustang mit seiner stolzen schwarzen Mähne stand auf der Koppel!"

  • "Daten- und Faktensammeln" ist nicht das gleiche wie Recherche, Greenhorn. Recherche hat oft eine stark investigative Komponente, während Du davon sprichst, die richtigen Statistiken für Dein Präsentationsthema zu akquirieren, das ist Informationssammlung. Der Begriff "Recherche" wird oft in dieser Weise falsch eingesetzt. Einige Autoren behaupten, sie würden recherchieren, indem sie beispielsweise ergoogeln, wie der Marktplatz im Ort heißt, den sie von ihren Figuren durchqueren lassen. Auf die Frage des Lesungspublikum, ob man selbst dort gewesen sei, wird dann "Nein, das habe ich recherchiert" geantwortet. Recherche ist ein Vorgang, bei dem man möglichst viel über die Hintergründe, Ursachen, Folgen und sonstigen Kausalitäten eines Vorgangs oder Vorfalls herauszufinden versucht. Das andere ist schlichtes Nachschlagen. Das ist vermutlich auch das, was Du für Deine Präsentationen machst.

  • Das finde ich einen wirklich guten Punkt. Von euch beiden. Denn wenn ich die Fakten weiß, ist es ja noch nicht getan. Das fällt mir immer noch oft auf. Ein Setting wird einfach dann gut, wenn es auch in Krimis genau so erfunden und ausgestaltet wird, als sei es SciFi oder Fantasy. So als wäre eben dieser Marktplatz einmalig und neu. Dadurch, dass ich weiß, wie er heißt und wo da ein Kiosk ist, ist ja noch nichts gewonnen.

    Und mit dieser Herangehensweise wählt man plötzlich auch ganz andere Schauplätze aus, es geht eher um einzigartige Szenen, die die Handlung oder die Protagonisten am allerbesten erkennbar machen.


    Es ist etwas wie beim Fotografieren. Nur dadurch, dass alles, was im Bild ist, wirklich existiert, ist es ja noch kein gutes Bild. Auch da spricht man von "Bildkomposition", auch wenn man eigentlich nur Sachen abbildet, die es schon gibt.

    “Life presents us with enough fucked up opportunities to be evaluated, graded, and all the rest. Don’t do that in your hobby. Don’t attach your self worth to that shit. Michael Seguin

  • Siehst du, damit hast du schon mehr recherchiert als die meisten Journalisten.

    Ich gehe da mit Tom konform. Ich habe Fakten geprüft. Ich bezeichne die Überprüfung der Rechtschreibung eines Wortes im Duden auch nicht als Recherche.

    Aber es war immer ein gutes Argument gegenüber dem Lokalchef zu behaupten "ich geh mal recherchieren", wenn man eine zusätzliche Pause einlegen wollte. Dann ging man halt die Cafépreise in der Kantine recherchieren. 8)

  • "Daten- und Faktensammeln" ist nicht das gleiche wie Recherche, Greenhorn. Recherche hat oft eine stark investigative Komponente, während Du davon sprichst, die richtigen Statistiken für Dein Präsentationsthema zu akquirieren, das ist Informationssammlung. Der Begriff "Recherche" wird oft in dieser Weise falsch eingesetzt. Einige Autoren behaupten, sie würden recherchieren, indem sie beispielsweise ergoogeln, wie der Marktplatz im Ort heißt, den sie von ihren Figuren durchqueren lassen. Auf die Frage des Lesungspublikum, ob man selbst dort gewesen sei, wird dann "Nein, das habe ich recherchiert" geantwortet. Recherche ist ein Vorgang, bei dem man möglichst viel über die Hintergründe, Ursachen, Folgen und sonstigen Kausalitäten eines Vorgangs oder Vorfalls herauszufinden versucht. Das andere ist schlichtes Nachschlagen. Das ist vermutlich auch das, was Du für Deine Präsentationen machst.

    Wieder etwas gelernt, danke :)

  • Medien wie der "Spiegel" beschäftigen ganze Abteilungen, die die Beiträge, die von Journalisten vorgelegt wurden, vor dem Erscheinen noch einmal auf den Wahrheitsgehalt und die Korrektheit der Fakten überprüfen. Die Journalisten haben recherchiert und gesammelt, zusammengestellt und verfasst, und bevor die Texte publiziert werden, findet eine abschließende Faktenüberprüfung statt. Das ist keineswegs überall so, und es funktioniert auch nicht immer verlässlich (siehe "Causa Relotius"), aber es wird eben angenommen, dass selbst bei gewissenhafter Vorarbeit auch mal ein Lok- als Zugführer durchgehen kann.

  • aber es wird eben angenommen, dass selbst bei gewissenhafter Vorarbeit auch mal ein Lok- als Zugführer durchgehen kann.

    AAAAAAH, da sehe ich rot...ich würde am liebsten jedem einzelnen dieser Journalisten eine Woche lang mit dem Regelwerk auf die Finger klopfen, wenn er die zwei Worte vertauscht.


    Aber das ist eben der "Tick" von mir, korrekte Berufsbezeichnungen...es kann so schwer sein. Wobei sich mir nicht erschließt, warum es da immer so viel Diskussion drüber gibt, früher hat es doch auch geklappt.


    Und um meinen Nebensitzer, der mir sonst die Tastatur um die Ohren kloppt, zufriedenzustellen, die korrekte Berufsbezeichnung des Lokführers der eine volle, 3 Jährige Ausbildung genossen hat, lautet: Eisenbahner im Betriebsdienst, Fachrichtung Lokführer und Transport (Versucht das drei Mal hintereinander zu sagen ;)

  • Eisenbahner im Betriebsdienst, Fachrichtung Lokführer und Transport (Versucht das drei Mal hintereinander zu sagen

    Versuch das nur ein Mal in der Zeitung zu schreiben - wenn's keine Glosse ist - und es wird nicht nur deine Tastatur konfisziert, sondern es werden dir auch benutzte Zahnstocher unter die Fingernägel gehämmert.

    Obwohl der schätzungsweise drei Druckzeilen lange Begriff natürlich freien Journalisten, die nach Zeile honoriert werden, sehr entgegen käme.

  • Der letzte Satz war jetzt auch mehr als Scherz gemeint, aber gut.

    Mir wäre es schon recht, wenn es ein bisschen freundlichere Presse für meinen Berufsstand gäbe, alles andere ist Ansichtssache.

    Zum Thema Recherche: Ich suche gerade nach der Speisekarte und den Uniformen vom „Orient Express" um 1939 herum. Ein Teil meines nächsten Romans spielt in eben diesem, aber natürlich wird niemand ermordet, dieses Thema ist genug behandelt worden ;)


    Kennt jemand zufällig irgendwelche Details zum Kleidungsstil aus dieser Zeit?

  • Der letzte Satz war jetzt auch mehr als Scherz gemeint, aber gut.

    Naja, die Sache mit den Fachleuten gerecht werden kann für einen Redakteur auch nach hinten losgehen. Eine meiner früheren Kollegen war Gerichtsreporter und schrieb sehr fachbezogen über Ermittlungsverfahren, Anklagen und Prozesse. Obwohl er sehr auch anders konnte, wollte er eben vor seinen volljuristischen Kritikern, mit denen er täglich Umgang hatte, bestehen. Bis ihm der Chefredakteur eines Tages sagte, er solle für die 99.900 Leser und nicht für seine 100 Juristen schreiben. Schließlich arbeite er für eine Tageszeitung und nicht fürs juristische Wochenblatt.


    Und da ist schon was dran.