Dialekte- Gehören sie in ein Schriftstück, oder ist man ohne besser dran?

  • Hallo zusammen :)


    Nachdem mir hier schon viel geholfen wurde, melde ich mich mit der nächsten Frage, die vielleicht etwas komisch klingen mag.


    Ich befasse mich seit vielen Jahren mit den verschiedenen deutschen Dialekten und ihren eigenheiten.


    Im Aktuellen Manuskript würde ich daher sehr gerne ein wenig auf die regionalen Klischees eingehen, gerne auch mit wörtlicher Rede. Ist es angebracht, dafür auch in Dialekt zu schreiben oder ist das ein literarisches No-Go?


    Um zu verdeutlichen was ich meine, ein kleines Beispiel: "Ick freu mir!"

  • Kein literarisches No-Go, nein. Alles geht, was gut gemacht ist und gut rüberkommt. Allgemein würde ich zum vorsichtigen Dosieren raten. Eine Nebenfigur in meinem Roman hat anfangs durchgehend platt geschnackt, ich hatte geplant, es soll familiär- vertraut klingen, aber es war zu viel. Aufgesetzt, fremdkörperartig. Ein paar Einsprengel sind geblieben, gerade so viel, dass man (hoffentlich) beim Lesen das Gefühl hat: Ah, das ist Papa. Das ist "zu Hause". Bei einer Hauptperson kann ich es mir nur schwer vorstellen. Scheint ein Don't zu sein, wie ja auch im Fernsehen. Da schwäbelt immer nur die Gehülfin, nie der Kommissar!

  • Ich empfehle die Lektüre der Hagener Trilogie von Frank Schulz. Besser kann man das kaum machen.


    ASIN/ISBN: 349925798X

  • Ja, albern oder stereotyp darf es nicht wirken, oder wie Fernsehdialekte, also quasi Dialekte light. Frank Schulz hat die Dialekte in eine eigene Lautsprache transkribiert. Man denkt erst: Heilige Scheiße, was ist das denn?, aber wenn man es eine Weile liest, ist es absolut hinreißend. Man muss sich allerdings darauf einlassen.


    Allerdings mögen das viele Leser nicht, und Film- und Fernsehzuschauer ebenso. Es gab meiner Erinnerung nach bei den Büchereulen mal eine Umfrage dazu, und überraschend viele haben dort angemerkt, sie würden Dialekte überhaupt nicht gerne lesen. Ich muss zugeben, dass es mich (außer bei Frank Schulz) auch eher nervt.


    Was hast Du denn genau vor, NoName?

  • Guten Abend zusammen :)


    Eure Antworten spiegeln mein persönliches Gefühl wieder, also kann ich getrost weiter machen.


    Tom , in meinem neuen Manuskript, spielen Teile der Geschichte in der Stadt. Mein Hauptcharakter trifft mit seinen Freunden auf eine Gruppe einheimischer, die gegenüber den "Unbekannten" natürlich misstrauisch sind.


    So entwickelt sich ein Gespräch zwischen den "Süddeutschen Eindringlingen" und den "Berlinern" die sich wiederum mit wenigen Sätzen in alter Manier über die Eindringlinge lustig machen.

    Ein Beispiel(Dialekt sprechen ist leichter als ihn zu schreiben)


    Person A: "Dit sin bestimmt Schwaben, die ham ja nich ma Geld für'n jescheiten Bahnhof!"


    Person B: " Abbr onser Flughafa isch im Gegasatz zu eierm scho fertig!"

  • Könnte man meinen, dass war ja eben nur ein Beispiel. Ich gehe sehr oft, sehr bewusst auf diese Klischees ein, Bayern und Sachsen bekommen da ebenso ihr Fett weg, wie Schweizer und Italiener.


    Gerade im Bereich der verschiedenen Lebensweisen und Vorurteile die da aufeinander treffen, steckt viel Potential für eine witzige Geschichte, wie uns schon andere Autoren gezeigt haben.

  • Das ist Klischee pur, Greenhorn. Wenn die Zielgruppe 70+ ist und wegen latenter Ironieunfähigkeit in einem Spezialheim eingelagert wurde, geht das. Sonst eher nicht. Das hat man zuletzt in den Neunzigern gemacht. Im Jahr 2020 würde man so etwas subtiler anlegen, wenn überhaupt.

  • In unseren Krimis (Sören und ich) wird Schwäbisch gschwädzt, weil und wenn die im Ländle spielen. Allerdings schriftlich weniger, als bei Lesungen. Mündlich haue ich das Schriftdeutsch gerne übersetzt raus. Geschrieben ist das eher suboptimal, zumal es ja nicht nur den einen schwäbischen Dialekt gibt ;)

    Bei mir würde das:

    Person B: " Abbr onser Flughafa isch im Gegasatz zu eierm scho fertig!"

    anders aussehen:

    "Abr oiser Flughafe isch em Gegasadz zu euram scho ferdig!"

    So gesehen - lieber sein lassen.

  • So einen richtig verunglückten Dialekt hat Karl May in seinem Kolportageroman "Der Weg zum Glück" benutzt und damit bis heute für Heiterkeit für seinen "erfundenden" bayerischen Dialekt (a echt boarische Ohrwaschern) gesorgt.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Hallo Greenhorn,


    auch mir erschliesst sich nicht, warum diese Klischees einen Text lesenswerter gestalten.


    Aber die Verwendung von Dialekten halte ich generell für akzeptabel.

    M. E. verläuft die Grenze des Erlaubten dort, wo die Umgangssprache beginnt. Schliesslich verstösst sie m. W. gegen die gängigen Sprachnormen. Aber auch diese wird verwendet, um einen kreativen Effekt zu erzielen (z.B. in Dialogen).

    Die Verwendung von Dialekten ist m. W. grundsätzlich kein Problem.

    Insgesamt ist es also sicherlich legitim, diese zu verschriftlichen. Natürlich muss es dann besonders gut gemacht sein.

  • Ich befasse mich seit vielen Jahren mit den verschiedenen deutschen Dialekten und ihren eigenheiten.

    Vielen ist zum Beispiel nicht bewusst/bekannt, dass zum Beispiel Schwaben und Badener zwar Baden-Württemberger sind, aber sich in ihrem Dialekt unterscheiden. Auch darauf sollte man achten. Und in Kehl, nahe der Grenze zu Frankreich sprechen die Menschen anders als in Freiburg oder Karlsruhe.

  • Ich war mal in einem sächsischen Dorf und habe da bei einem Fest gelesen ("Mönchgrüner Literaturweinfest" oder so), und da waren Leute aus dem Nachbardorf zu Besuch, aber wenn die jeweiligen Dorfbewohner miteinander Dialekt gesprochen haben, konnten die Bewohner des einen Dorfes die Bewohner des anderen Dorfes nicht mehr verstehen.


    99,999999999 Prozent der Leser würden einen alemannischen Dialekt nicht erkennen, und einen badischen auch nicht viel mehr. Die meisten Leute kennen das Sächseln, das Bayerische, den angeblichen Berliner Dialekt (den tatsächlich niemand spricht), das Schwäbische und vielleicht noch Plattdeutsch, oder eine Version davon. Alle anderen sind mit Dialekten überfordert. Oder: Mit allen anderen Dialekten sind die meisten überfordert.


    Das Beispiel von Greenhorn aber ist Klischee-Slapstick-Zeug. Da geht es nicht wirklich um Dialekte, und an seiner Stelle würde ich darauf verzichten. Das ist irgendwie das Niveau der "HörZu"-Witzseite von 1978.

  • Ich stimme Silke zu, Dialekt bzw. Dialektfärbungen lieber auf Lesungen gesprochen (und auch gerne nachgeäfft) als geschrieben. Da kommt der Witz einfach besser rüber. Schwäbisch zu lesen fällt außerdem selbst mir als Schwabe saumäääßig schwer.


    Ob man das jetzt aber darf oder nicht? Keine Ahnung :)

  • In irgendeinem meiner Romane* sächselt jemand, und ich habe das - aber nur einen Satz - im Buch lautsprachlich wiedergegeben. Und das habe ich dann bei einer Lesung in Sachsen eingebaut. Kam nicht gut an. Der Rest zum Glück schon, deshalb hat man mich am Leben gelassen.


    (*Ich glaube, es sind die alten Herren auf dem sinkenden Hausboot in der Schleuse. Also in "Leichtmatrosen".)

  • Wenn die verwendeten Sätze mit dem entsprechenden Dialekt wenig zu tun haben, würde ich sie lieber weglassen. Heute gibt es schliesslich die gängige Meinung, dass Dialekte schützenswerter Teil der deutschen Sprache sind. Früher dachte man teils etwas anders. Daher kommen vielleicht auch die Klischees.


    Wenn ich Dialekte verwenden würde, dann wohl nur einzelne Begriffe davon, damit nichts schiefgehen kann. :)