Mich würde interessieren, ob Leute die nichts mit BDSM am Hut haben, mit dieser Einleitung etwas anfangen können?
Es handelt sich um das Vortwort meines Romans
E. L. James ist nicht ganz unschuldig daran, dass ich dieses Buch geschrieben habe. Ich werde mir nicht anmaßen, ihr Werk literarisch zu bewerten, das haben die Verkaufszahlen getan. Auch muss man ihr zugutehalten und dankbar sein, dass sie das Thema BDSM salonfähig gemacht und die literarischen pornografischen Grenzen so weit verschoben hat. 20 Jahre früher wäre ihr Buch wohl alleine wegen der Entjungferungsszene auf allen existieren Indexen gelandet. Doch wenn man damit wirbt, dass eine Geschichte einen Hintergrund zu einem bestimmten Thema hat, muss man auch damit rechnen, dass Leute sich äußern, die von diesem Thema Ahnung haben, weil sie dieses Thema leben und nicht nur darüber recherchiert haben. Kurz gesagt, in der BDSM-Szene wurde es inhaltlich zerrissen. Warum?
Ich beschränke mich dabei auf eine Szene.
Als Christian Grey Anastasia zum ersten Mal sein Spielzimmer zeigt, fragt sie ihn, ob er Sadist sei.
Darauf antwortet er „Nein ich bin dominant“.
Sadismus ist ganz klar seine primäre Neigung, was E. L. James auch in den Fortsetzungen selber eingesteht. Auch gibt es in der ganzen Geschichte keinen Hinweis darauf, dass er wirklich dominant im Sinne des BDSM ist. In den Fortsetzungen beweist er hingegen sogar, wie wenig dominant er ist. Jede erfahrene Sub würde ihn ohne seinen Reichtum auslachen, wenn er ihr wie ein verliebter Schuljunge hinterherrennen würde. Man könnte 50 Shades of Grey wegen der sadistischen Neigung von Christian, als S/M Geschichte bezeichnen, doch BDSM ist mehr als in dieser Geschichte beschrieben wird.
Was ist BDSM?
Die Frage präzise zu beantworten, wäre etwa so umfangreich, wie zu erklären, was Sport ist, ohne eine der vielen Sportarten zu vergessen. Trotzdem wage ich mal den Versuch!
Da alle Rollen von allen Geschlechtern ausgefüllt werden können, versuche ich mich so neutral wie möglich auszudrücken.
Wer den Begriff BDSM hört, denkt als Außenstehender sofort an Peitschen, Ketten, Dominas und Leute die geschlagen und gequält werden, doch hat dieses wenig mit BDSM zu tun, sondern mit SM. Was ist da der Unterschied?
SM kann, muss aber nicht Teil von BDSM sein. Es sind zwei Fetische (Sadismus und Masochismus) die sich gegenseitig ergänzen und leichter zu erklären als zu verstehen sind. Wer keine der beiden Neigungen hat, wird schnell mit Unverständnis reagieren. Gerne wird hier das Wort pervers in seiner negativsten Form benutzt.
Genauso treffen beim BDSM zwei Fetische (Dominanz und Devotheit) aufeinander und ergänzen sich. Ob es sich also um SM oder BDSM handelt, entscheidet die Neigung (Masochismus und Sadismus = SM + Devotheit und Dominanz = BDSM). Alle drei Kombinationen sind dabei möglich. Reiner SM, reiner BDSM oder beides gemischt. Irrtümer entstehen dadurch, dass oft zwei oder mehr Fetische gleichzeitig bedient werden.
BDSM ist ein Akronym. B = Bondage/Fesseln; D = Disziplin und Dominanz; S = Submissivität und Sadismus; M = Masochismus. Man darf aber nicht den Fehler machen zu glauben, nur weil Fesseln im Spiel sind, ist man beim BDSM. Auch beim SM ist es nicht ungewöhnlich, mit Fesseln zu arbeiten, nur dienen sie hier alleine dem Wehrlosmachen des Passiven (Masochisten), ist also Mittel zum Zweck.
Während im BDSM das Fesseln und gefesselt werden schon ein eigenständiger Fetisch ist (Rigger + Ropebunny). Dabei muss gar keine sexuelle Handlung stattfinden. Der Fetisch hierbei ist erst einmal das Machtgefühl des Rigger und das Ausgeliefertsein des Bunny, die beide erregen. Natürlich wird dann oft diese Session fortgeführt, in der es zu S/M oder sexuellen Handlungen kommt.
Wie erklärt man nun also einer außenstehenden Person BDSM/SM, damit sie es zumindest ansatzweise versteht?
BDSM spielt sich mehr im Kopf als im Bett ab. Man kann sich BDSM als Rollenspiel vorstellen, in dem es vordergründig darum geht, sexuelle Neigungen/Fetische auszuleben. Wie ernst man diese auslebt, entscheiden die Partner selber. Es kann sich alleine auf den sexuellen Bereich beschränken und außerhalb des Schlafzimmers führen die beiden Partner eine normale Beziehung. Es kann aber auch weiter in den Alltag gehen und bis zur völligen Unterwerfung des submissiven Teils in einer 24/7 TPE (Total Power Exchange = dauerhafter Machtaustausch/Machtübergabe) führen. Auch kann es von lockerem Spiel bis zur Annahme einer Lebenseinstellung gehen, wo sich beide dauerhaft festen Regeln unterwerfen. Was man jedoch dabei nie übersehen darf, ist, alles geschieht einvernehmlich zwischen erwachsenen Menschen. Eine(r) wird nur solange Sklave von jemandem sein, wie es dessen Wille ist, sein Sklave sein zu wollen. Beim BDSM unterwirft sich der submissive Partner aus freiem Willen und gibt erst dadurch jemandem die Dominanz über sich. Kompliziert machen es Switcher, die beide Rollen ausleben, teilweise sogar innerhalb einer Session.
Warum unterwirft sich eine Person einer anderen oder liefert sich ihr aus?
Ist sie masochistisch veranlagt, ist der Beweggrund Schmerzen zu empfangen, die sie dann in sexuelle Erregung verwandelt. Das hört sich für jemanden, der dieses Erlebnis noch nie hatte, erst einmal unverständlich an. Am ehesten können das Ausdauerathleten nachempfinden, die im Verlauf ihrer Disziplin einen Punkt erreichen, an dem der Körper an seine Grenzen gelangt und dadurch Glückshormone ausstößt. Joggerorgasmus ist ein Begriff, den sie vielleicht schon einmal gehört haben.
Ist die Person devot veranlagt, ist es vielschichtiger. Doch der Hauptgrund ist immer sich durch Abgeben der Verantwortung so weit zu befreien, dass man sich in seiner Erregung fallen lassen kann.
Was viele jetzt überraschen wird, ist: Dies ist keine Neigung, die Frau exklusiv hat. Der Anteil devoter Männer und Frauen ist etwa gleich hoch. Viele normale Beziehungen sind streng genommen sogar femDom/maleSub Beziehungen. Die Frau entscheidet, was Mann anzieht, kauft seine Kleidung, bestimmt was es zu essen gibt, welche Möbel gekauft werden und mindestens die Farbe des Autos. Der Mann gibt also die Verantwortung über Bereiche seines Lebens an seine Partnerin ab, wenn auch meistens weniger wegen einer devoten Neigung, sondern zur Sicherstellung des Hausfriedens und um sich von dieser Verantwortung zu befreien. BDSM muss also nicht zwingend etwas mit Sex zu tun haben. Wie z. B. bei der Spielart Dom Daddy Little Girl/Dom Mummy Little Boy oder auch gleichgeschlechtliche Kombinationen. Hierbei „spielt“ der/die Little die Rolle eines Minderjährigen, was sogar bis zum Babyalter mit Fläschchen, Brustgeben und Windeln gehen kann. Je jünger Little spielt, desto seltener hat diese Form der Beziehung einen sexuellen Aspekt. BDSM macht also nicht aus, wie pervers man im Bett ist.
Haben sie schon mal ihrem Partner beim Sex die Augen verbunden, gar gefesselt oder mit der flachen Hand auf seinen Po gehauen? Willkommen in der Welt des BDSM! Nein, keine Angst, das macht sie noch nicht pervers.
Ich habe das Buch auch nicht geschrieben, um Vanillas zum BDSM zu bekehren. Wer mit seinem Blümchensex glücklich ist, soll auch ruhig dabei bleiben.
Vielmehr möchte ich Interessierten diese Welt mit einer spannenden, unterhaltsamen und mitunter witzigen Geschichte aus der Sicht eines Insiders näherbringen. Alle dort beschriebenen Handlungen sind keine Erfindungen – ich habe sie selbst erlebt. Nur bei der Gestaltung der Umgebung, habe ich mir die künstlerische Freiheit genommen, diese zu optimieren. Außerdem habe ich die Verwendung von Kondomen unterschlagen, um die erotische Stimmung einzelner Szenen nicht zu stören. Selbstverständlich würde in der Realität jeglicher vaginale und anale Geschlechtsverkehr nur safe ausgeführt werden. Allenfalls zwischen René und Jennifer wäre es eine gemeinschaftliche Entscheidung und beim Oralverkehr eine Entscheidung des passiven Parts. Wenn der Fetisch Sperma ist, macht es die Verwendung eines Kondoms sehr kompliziert.
Der zweite Grund, dieses Buch zu schreiben ist: Nach Fifty Shades of Grey kamen viele Männer auf die Idee, das finde ich geil, möchte ich auch mal mit einer Frau machen. Es gehört mehr dazu, Dom zu sein, als eine Frau auszupeitschen. Zuallererst muss man sich bewusst sein, dass man für zwei Personen die Verantwortung trägt. Denn der submissive Part gibt jemandem nur Macht über sich in dem Vertrauen, dass dieser sich seiner Verantwortung bewusst ist, ihr gerecht wird und dieses Vertrauen nicht über vorher verabredete Grenzen hinaus missbraucht. Dann muss ein Dom eine Art Magier sein, der seiner/m Sub die Illusion der vollkommenen Kontrolle geben muss. Das benötigt eine gute Planung, viel Arbeit und ist anstrengend, aber auch lohnend. Dom sein kann man nicht lernen, man ist es oder ist es nicht. Ausnahme bildet da höchstens eine nur beim Sex gespielte Dominanz.