Inspirationshilfen

  • Hallo 42er,

    da ich neu hier bin, möchte ich mich schnell vorstellen: Franz, 29, geboren und lebend in Italien (wie gesagt kurz).

    Ich bin durch Zufall auf dieses Forum gestoßen und wollte Fragen ob ihr mir helfen könnt.

    Da ich mich selbst als Anfänger bezeichnen würde, bräuchte ich eure Unterstützung für ein Geschichte die ich gerade schreibe. Leider habe ich sehr wenig Erfahrung mit Erzählungen die über 20 Seiten gehen (habe bis jetzt fast ausschließlich Kurzgeschichten, Videospieltexte, Songs und Gedichte geschrieben).

    Was macht ihr wenn ihr irgendwo "feststeckt"?

    Mir kommt vor ich suche nur noch in Fachbüchern nach passenden Fakten, damit die Story Sinn ergibt, die Charaktere zu ihren Handlungen passen und die Welt nicht aus einander bricht.

    Ps.

    Hört ihr während ihr schreibt Musik, oder was hält euch konzentriert?

    Entschuldigt bitte, sollte dieses Thema hier nicht hinpassen.

    „Sono pessimista con l'intelligenza, ma ottimista per la volontà.“ — Antonio Gramsci

  • Manchmal ist dieses "Feststecken" auch ein Zeichen dafür, dass eine Story, dass ein Plot einfach nicht funktionieren will, dass man sich dramaturgisch in einem Deadlock befindet, weil die Idee doch nicht so gut war, wie man anfangs glaubte. Man hat sich zwischen Klischees und Epigonentum verheddert, oder die Figuren sind nicht so ergiebig, die Geschichte dünnt aus. Aus dem fulminanten Anfang ist etwas Homöopathisches geworden. Man steckt nicht fest, man ist tatsächlich verreckt. Das ist ein guter Zeitpunkt, um das Werk, so, wie es bisher ist, noch einmal sehr kritisch zu lesen - und darauf zu prüfen, ob sich das Projekt überhaupt lohnt.


    Wenn das nicht der Fall ist, sondern man einfach ein bisschen ausgepowert ist, die Kreativenergie versiegt, das Niveau nicht gehalten werden kann, dann gibt es die üblichen Techniken. Einfach weitermachen, ganz unkritisch, Augen zu und drauflos ohne Beachtung der Qualität. Und dann nimmt man sich das später noch einmal vor, Hauptsache, man schreibt. Um ehrlich zu sein, fällt mir diese Vorgehensweise schwer, weil ich den Text und meine Figuren dann zu hassen beginne, weil ich das Gefühl habe, dass es immer schlimmer wird. Deshalb pausiere ich dann lieber, löse mich vom Text, lasse alles für ein paar Stunden oder Tage einfach in Ruhe. Und danach nähere ich mich langsam wieder, möglichst entspannt. Schreibblockaden dieser Art sind bei mir meistens ein Zeichen dafür, dass ich mich etwas übernommen habe.

  • Genau diese beiden Techniken, die Tom beschreibt – inneren Zensor ausschalten und weiterschreiben + liegen lassen und später wieder angehen – sind die beiden grundlegenden Techniken, mit Blockaden bei der Textarbeit umzugehen. Grundsätzlich meine ich, gehört aber schon vom Beginn der Arbeit an einem Text die Bereitschaft dazu, diesen Text aufzugeben, wenn er sich als nicht brauchbar erweist. Das Dilemma ist, dass dem Schreibenden nicht selten die Objektivität fehlt, das beurteilen zu können. Hilfreich können die Meinungen anderer sein - aber Vorsicht ist geboten, denn diese Aussagen sind nicht immer wertfrei und wenn doch, dann immer noch an den Geschmack der Kritisierenden gebunden. Trotzdem - es ist in der Regel hilfreich, zumindest solche Meinungen einzuholen. Und bevor man einen Text endgültig aufgibt, ihn zerreißt oder in den digitalen Papierkorb wirft, immer noch etwas warten. Mit etwas zeitlicher Distanz wächst auch der Abstand zur eigenen Geschichte.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Das Dilemma ist, dass dem Schreibenden nicht selten die Objektivität fehlt, das beurteilen zu können.

    Oder die Ehrlichkeit, sich dieser Erkenntnis zu beugen. Ich vermute durchaus, dass viele erkennen und wissen, dass und wann eine Geschichte verreckt ist, aber sie klammern sich an die Hoffnung, dass da doch noch was zu retten ist.

  • Es ist aber auch ein scheiß Gefühl, wenn einem der Text "verreckt" und jede Reanimation aussichtslos ist. Ich bemerke, dass ich eine solche endgültige Diagnose mit Nulllinie und Todeszeitpunkt immer so gut wie möglich vermeide und mich dann lieber in eine zart kaschierende Selbstlüge (der guten Deckkraft wegen auch manchmal in Kombo mit einem Bier) flüchte, während sich der Text klammheimlich wie von selbst zu den Akten im Giftschrank legt und ich ähm einfach vergesse, dass er jemals existiert hat. Wenn es gut läuft.


    Soll heißen: Ich fürchte, dass ich nicht so die knallharte Kaltschnauze bin und oft eher bis zuletzt hoffe ... :heul


    Lass deinen Text einfach mal angucken, Franz, in einer BT-Runde. :)

  • während sich der Text klammheimlich wie von selbst zu den Akten im Giftschrank legt

    Ich lese mich immer mal wieder durch meinen "Giftschrank". Manchmal entdecke ich dabei dann halbfertige Texte von vor ein paar Jahren, die mir mit etwas Abstand sogar ganz gut vorkommen. Und manchmal mache ich die dann fertig.

    “Life presents us with enough fucked up opportunities to be evaluated, graded, and all the rest. Don’t do that in your hobby. Don’t attach your self worth to that shit. Michael Seguin

  • Vielen Dank für die Antworten, ich bin froh zu lesen, dass meine Taktik des "einfach weiter" auch von anderen angewandt wird. Was mir in diesen Tagen geholfen hat war der Kauf eines Whiteboard. Ich habe meine Ideen einfach auf die Tafel geknallt und es hat sehr geholfen, zwar habe ich jetzt eine gigantische Tafel im Haus stehen, die nirgends Platz hat, aber es hat geholfen. Ich glaube manchmal sieht man den "einfachen" Weg aufgrund der ganzen Details vor Augen nicht.

    „Sono pessimista con l'intelligenza, ma ottimista per la volontà.“ — Antonio Gramsci