Elisabeth und das geschriebene Wort

  • Liebe Literatur-Freunde,


    sicherlich kennen wir es alle - sich mit einem guten Buch hinsetzen, um mit keiner Menschenseele reden zu müssen und einfach für uns sein. Seinen eigenen Gedanken nachhängen, vielleicht auch was schreiben. Doch oft ist es erfrischend und inspirierend, sich mit anderen Menschen auszutauschen, die die gleiche Leidenschaft haben wie man selbst. Deshalb bin ich hier.


    Mein Name ist Elisabeth, ich bin 25 und lebe in Potsdam. Ich gehe einem 9-5 Job nach, der ungemein unkreativ uninspirierend und unspannend ist. Im Lesen und Schreiben gehe ich auf und genieße den Rhythmus eines Textes mehr als dessen Handlung. Und hier noch ein kleiner Gedankenspaziergang zum geschriebenen Wort:



    Geschriebene Worte waren mir schon immer lieber als gesprochene. In Unterhaltungen bin ich Zuhörer statt Kommentator, Verständnis erlange ich durch Lesen statt durch Hören. Worte auf Papier, schwarz auf weiß, sind Beständigkeit im Vergleich zur Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes, welches im Moment des Aussprechens die Welt schon wieder verlassen hat.


    Worte zu Formulieren und Niederzuschreiben erfordert Aufwand, mehr als leicht dahergesagte Worte. Das Bewusstsein, das physische Festhalten, verdeutlicht uns ihre eigentiche Bedeutung. Niemand erinnert exakte Wortlaute ohne sie aufgeschrieben zu haben, wogegen das geschriebene Wort bleibt und durch wiederholtes Lesen in Erinnerung gerufen werden kann. Wie wäre es uns sonst möglich Autoren der vergangenen Jahrhunderte zu entdecken, deren geschriebene Worte uns in ihre Welt eintauchen lassen?


    Auch persönliche tiefgreifende Erlebnisse können durch Unterhaltungen zwar besprochen und analysiert werden - sie bieten die Möglichkeit eine andere Perspektive auf Dinge zu bekommen und seinen Standpunkt anzupassen. Eine schriftliche Selbstreflexion bietet jedoch eine nahezu unerschöpfliche Quelle neuer Erkenntnisse.


    In diesem Sinne, einen schönen Sonntag!

    Elisabeth

  • Herzlich willkommen!

    Worte zu Formulieren und Niederzuschreiben erfordert Aufwand, mehr als leicht dahergesagte Worte.

    Ich kann mich diesem Gedanken nicht ganz anschließen. Das geschriebene Wort kommt uns nachhaltiger vor, weshalb wir ihm die größere Tragweite beimessen, aber meiner Erfahrung nach stimmt das nicht oder wenigstens nicht immer. Tatsächlich nehmen das vorsichtige Formulieren und Niederschreiben den Worten oft einen Teil ihrer Authentizität und möglicherweise sogar ihrer Ehrlichkeit; was wir sagen und spontan aussprechen, das hat einen kürzeren Weg, und ist insofern weniger gefiltert. Diese qualitative Haltung geht also mit Verzicht einher, meine ich. Und in einer Zeit, in der sich Leute anonym geschriebene Worte um die Ohren hauen, die man vor zwei Jahrzehnten noch niemandem von Angesicht zu Angesicht gesagt hätte, sind Zweifel im Hinblick auf diese Kategorisierung umso erforderlicher. Menschen spielen auch mit der Wertschätzung für das geschriebene Wort, und diese Spiele sind nicht immer gut gemeint.

  • Tatsächlich nehmen das vorsichtige Formulieren und Niederschreiben den Worten oft einen Teil ihrer Authentizität und möglicherweise sogar ihrer Ehrlichkeit; was wir sagen und spontan aussprechen, das hat einen kürzeren Weg, und ist insofern weniger gefiltert.

    Lieber Tom, herzlichen Dank für eine Auseinandersetzung mit dem Text!


    Ich stimme dir zu, dass die Spontanität verloren geht, wenn man stundenlang über Texten sitzt und ihnen den letzten Schliff verleiht. Bei der Ehrlichkeit würde ich jedoch widersprechen wollen. Ich denke dabei an jemanden, der sich Zeit nimmt, sich hinsetzt, einen aufrichtigen Brief schreibt - nicht an irgendwelche anonymen Hasskommentare auf Facebook oder Fake-News. Sicherlich ist eine kritische Auseinandersetzung mit jedem geschriebenen (und auch gesprochenem) Wort notwendig; es ist nicht wahr, nur weil es geschrieben steht.


    Vermutlich ist eher der Charakter, weniger die Ausdrucksform - sei es schriftlich oder mündlich - entscheidend.


    P.S. Kurz zuvor hatte ich eine Unterhaltung mit jemandem, der ständig "Sachen nur so dahin gesagt hat", jeder Meinung zugestimmt und nicht eine Sekunde vor dem Sprechen nachgedacht hat - wahrscheinlich war das ausschlaggebend!