Freiheit ist nicht alles. Eine Stellungnahme zu den jüngsten Ereignissen im Forum.

  • Ich habe mich geirrt, und ich muss mich dafür entschuldigen. Ich war der Meinung, man müsse Freiheiten um jeden Preis und gegen jeden vermeintlichen Angriff verteidigen, aber das ist Blödsinn. Man muss auch die Vorfahrtsregel nicht um jeden Preis einhalten. Es ist sinnvoll, auf ein Recht zu verzichten, sich auch mal zurückzunehmen, wenn nämlich dadurch andere zu Schaden kämen, die nichts weiter als einen dummen Fehler gemacht haben. Man fährt Leute nicht tot, nur weil man im Recht ist. Es ist keine Einschränkung von Freiheit, Leute vor den Kadi zu zerren, die jemanden plattgemacht haben, weil derjenige trotz zu gewährender Vorfahrt versehentlich weitergefahren ist. Aber, ja, es gibt tatsächlich Menschen, die selbst vor dem Kadi noch der Meinung sind, sie hätten den Vorfahrtsnehmenden überfahren MÜSSEN, um ihm zu zeigen, wie wichtig die Freiheiten und ihre Rechte jederzeit sind. Diese Haltung findet nach meinem Eindruck sogar immer mehr Verbreitung.


    Das hier ist kein öffentlicher Raum, sondern ein Forum, das ein kleiner Autorenverein betreibt. Der kleine Verein finanziert das - übrigens recht kostenintensive - Forum aus den Beiträgen seiner Mitglieder, die außerdem viel Arbeit investieren, um dieses Ding am Leben zu halten (ohne ein Wort des Dankes zu erwarten, weil das sowieso nicht käme). Das betrifft nicht nur die Administration, sondern die grafische Gestaltung, Wartungsarbeiten, aber auch inhaltliche Strukturen, letztlich sogar Beteiligung gegen den eigenen Willen, weil die Entscheidungslage im Moment sagt, dass wir das fortführen möchten, obwohl die Resonanz in den letzten Jahren gesunken ist. Das ist eine Entwicklung, die viele ähnliche Veranstaltungen betrifft, weil die "sozialen" Medien Kommunikationsenergie verbrennen, aber es mag uns auch stärker als andere betroffen haben, weil hier Leute - versteckt hinter falschen Avatarbildchen und Pseudonymen - auf den Tisch kacken, die denken, es wäre ein öffentlicher Tisch. Ist er nicht. Der 42erAutoren e. V., der das hier betreibt, ist der Tischbesitzer. Er genießt das Hausrecht, er macht die Regeln, und er muss sich für nichts davon rechtfertigen. Wenn der Betreiber festlegt, dass der Vokal "E" im Forum nicht mehr verwendet werden darf, dann ist das so und muss hingenommen werden, wenn man weiter dabei sein will. Meinungsfreiheit muss hier nicht verwirklicht werden, weil das eine private Angelegenheit ist - und keine öffentlich-rechtliche, die dem Proporz genügen muss. Deshalb ist der Zensurvorwurf totaler Blödsinn. Ich muss mich auch dafür entschuldigen, dass ich mich diesem Blödsinn angeschlossen habe. Es ist keine Zensur, es ist kein Angriff auf die Freiheit, wenn der hellbraunen Gülle, die hier unaufhörlich verklappt wird, der Kampf angesagt wird. Wir müssen das nicht dulden, zumal das bei jeder noch so absurden Gelegenheit geschehen ist. Das ist ein Autorenforum. Wenn Texte verfasst werden, die das thematisieren, oder Bücher besprochen oder Branchenvorfälle diskutiert - gerne. Aber ständig in pathologisch bedenklicher Weise diesen hirntoten Standpunkt vorzutragen, und dann nicht einmal in eigenen Worten, sondern durch simples Verlinken irgendwelcher Texte, denen man sich vermeintlich inhaltlich anschließt, das müssen wir hier nicht ertragen. Es gibt Foren für Leute, die sich bei derlei gefallen. Dies hier ist keines.


    Ich weiß nicht, ob es alle mitbekommen haben, aber im Ergebnis der "Schredderecke"-Threadverschiebung meiner Yücel-Besprechung und vielen nachfolgenden - auch internen - Diskussionen hat sich Christian aus dem Forum verabschiedet und seine Tätigkeit als Administrator und Moderator niedergelegt. Etwas, das er ehrenamtlich und u.a. zu Eurem Nutzen getan hatte, und er hat ziemlich großen Aufwand betrieben, um uns zu helfen. Die Gegenleistung bestand seiner bescheidenen Meinung nach darin, dass er so auch für den Fortbestand der Besprechungsecke gesorgt hat, die er sehr wichtig fand, nicht zuletzt für sich selbst. Diese Besprechungsecke ist nie als Angebot für arrogante und zweifelsohne hochgebildete Leute gedacht gewesen, die da mit ihren Texten vor anderen angeben können, um diese anderen dann ins Lächerliche zu ziehen, weil sie ja noch nicht so gut schreiben können wie sie selbst. Die Besprechungsecke war immer als Angebot auf Augenhöhe gedacht. Es gab ganz früher mal das Erziehungskonzept, Kindern möglichst früh zu sagen, dass sie scheiße sind, weil das Leben sie dann später wenigstens nicht enttäuscht. Dieses Konzept ist nicht ohne Grund im Orkus der Pädagogikgeschichte verschwunden. Wir haben andere Zeiten, bessere Zeiten, wenn es darum geht, gemeinsam zu lernen, Entwicklungen zu begleiten, anzuschieben, zu kanalisieren, zu achten und zu fördern. Tolerantere, offenere. Und wir haben gelernt, dass jemand, der andere mit Scheiße beschmiert, diese vorher selbst an den eigenen Händen hatte, wo immer Reste davon bleiben werden.


    Freiheit ist mir wichtig, deshalb neige ich zu Wutausbrüchen, wenn ich einen Angriff auf Freiheiten diagnostiziere. Aber Freiheit ist nicht immer das Wichtigste. Eine auf Null ausgedünnte soziale Struktur, die sich immerhin ihrer grenzenlosen Freiheit rühmen kann, ist nichts weiter als Bullshit. Freiheit heißt auch Verantwortung, heißt Haltung, Freiheit bedeutet, auch dafür einzustehen, was man für wichtig hält, statt es nur zur eigenen, morbiden Freude auszunutzen. Leute nämlich, die das tun, sind genau wie die, die jemanden absichtlich überfahren, weil er ihnen die Vorfahrt genommen hat.


    Ich möchte mich noch einmal entschuldigen. Ich lag falsch. Wir sind hier aufeinander angewiesen, das ist eine Veranstaltung, die nur gemeinsam funktioniert. Und wenn einzelne nicht damit aufhören, das zu sabotieren, dann muss man dagegen angehen, fertig.


    Dies ist meine persönliche Meinung, es sind meine eigenen Worte. Ich spreche nicht für den 42erAutoren e. V. oder seine Mandatsträger, aber ich hoffe, es ist in dessen bzw. deren Sinne.

  • Freiheit ist nicht alles. Dem widerspreche ich ausdrücklich.

    Es gibt aber auch das, was man eine Außenwirkung nennt und die findet statt, auch wenn man keine internen Diskussionen und Zusammenhänge kennt. Dein Posting, lieber Tom, liest sich wie die Ergebenheitsadresse und Selbstgeißelung des Mitglieds vor seiner Partei. Ich habe verfehlt, ich wußte es nicht besser, ich bestrafe mich selber, ich bin ein Menschlein, das irrt - die Partei irrt nicht.

    Ich fand solche Auftritte immer mehr als entwürdigend und konnte sie nur entschuldigen mit großem Druck und der Androhung von Repression.

    So wird das ja wohl hier nicht sein, oder doch, ich sehe ehrlich gesagt nicht recht durch. Betätigt mich aber in dem seit 50 Jahren aktiv Gelebtem: Hüte dich vor Parteien, Vereinen, Menschenansammlungen und jeglichen Strömungen, die den Gang der Schafe bestimmt.

  • Kann ich bestätigen. Hier hat es überhaupt keinen Druck gegeben. Von keiner Seite. Wer, lieber Uve, hätte den auch ausüben können? Worin hätten denn die Druckmittel des Vereins bestehen sollen?


    So etwas gibt's, dass Menschen aus freien Stücken ihre Meinung ändern. Und ganz im Gegenteil ist das für mich nicht ein Zeichen des "EInknickens" vor Gruppenzwang (den es ja, wie gesagt, nicht gab), sondern eines, das von innerer Größe zeugt. Das können nicht viele.

  • Ich rede nicht von Dingen, über die ich nichts weiß. Also bspw. "Druck ausüben". Ich vermute auch nichts und wenn ich was vermuten würde, wäre das auch schnuppe. Ich bin nur erstaunt über diese Ergebenheitsadresse - und meine Vorbildung in der Diktatur des Proletariats läßt mich 30 Jahre später nur die Augen reiben.

    Eigentlich wollte ich auch die Schnauze halten, aber "Freiheit ist nicht alles", mit diesem Satz fängt es nicht erst an, sondern ist mittendrin in einem Zustand einer unglaublichen Selbstüberschätzung oder wohlwollend formuliert: Gedankenlosigkeit. Von Leuten, die ihr ganzes Leben niemals Unfreiheit kennengelernt haben. Und ich meine wirklich Unfreiheit, die der Rede, der Bewegung und sogar Unfreiheit in der Wahl seiner Freunde.