Zuerst kam mir Leo Tolstoi in den Sinn: „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“
Ich würde ihn abwandeln wollen in: "Jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich und glücklich.“
Der Roman "Wenn das Leben dir eine Schildkröte schenkt" handelt von so einer Familie. Die Autorin erzählt die Entwicklung über vier Generationen. Thematisiert werden: Krieg, häusliche Gewalt, Vergewaltigung, Homosexualität, dramatische Unglücke, Panikattacken, Krebs, Trennung, Selbstmordversuch, Immigrationshintergründigkeit, Alzheimer, Adoptionsprobleme, Geschwistertwist usw usf, der Wahnsinn einer ganz normalen Familie eben. Wer meint, dass so viele "Konflikte" in keinen Roman dieser Welt passen, dem sei dieser anempfohlen. Ich denke, der Spagat ist der Autorin bestmöglich geglückt, ohne allzu sehr durch Klischees oder Stereotypen verkürzen zu müssen. Alle Figuren haben ihre eigenen Probleme und ihren eigenen glaubhaften Charakter und wirken nicht konstruiert. Das schafft Heike wohl auch, weil sie die Geschichten mit wechselnden personalen Erzählern und auch episodenweise in der Ich-Perspektive erzählt.
Dieses Buch ist ein Aufruf zur Toleranz, es zeigt, dass es gut ist, wenn man auch mal durch den Weitwinkel auf all das familiäre Gewusel schaut und auch die Größe hat, andere sein lassen zu können wie sie eben gerade sind, nicht alle gleichmachen zu wollen, weil die vermeintlich glücklichen Familien nach Tolstoi so zu sein haben.