Horror-Psycho gesucht

  • "Da liegt es richtig gut, das Zelt“, ätzte John zu Mandy, „es einfach da liegenzulassen. Du wusstest doch genau, dass wir es heute Abend aufstellen wollten.“

    „Stell dich nicht so, an, Honey“, säuselte Mandy und schob wie beiläufig eine Strähne ihres blonden Haars beiseite, gab aber auf, als sie bemerkte, dass John sie gar nicht ansah. Merkwürdig, dachte sie. Es war ihr noch nie aufgefallen, dass John hinten keine Augen hatte. Andererseits trägt er das Haar hinten so lang, dass es ihm in den Nacken fällt.

    „Tut mir leid“ presste sie routiniert aus ihren hyalurongepumpten Lippen und die Lüge perlte wie gewohnt leicht über ihr Lippgloss. „Wird nie wieder vorkommen, Okay?“

    „Schon gut“, knurrte John. „Ich hätte selber dran denken können, aber ihr auch.“ Jetzt drehte er sich um und warf strafende Blicke auf den traurigen Rest der Truppe.

    Waldo hatte seinen Pfadfinderhut tief in die Stirn geschoben uns las von einem Klemmbrett ab.

    „Waldo meldet: Trupp vollständig. Schlage vor, dass wir in dem alten Haus dort oben auf dem Hügel unser Nachquartier aufschlagen. Sieht verlassen aus, und hier draußen pisst es wie aus Eimern.“

    Weiter hinten auf dem steilen Anstieg näherten sich Bud, Rachel und Jason. Der Regen fiel ihnen ungebremst in die Augen, aber sie bemerkten es nicht, da sie mit dem Leben an sich schon überfordert waren.

    „Okay. Sechs Leute. Sieht aus, als wären wir vollständig“, sagte John schließlich, dankbar, dass sie nicht mehr waren. Immer wenn er die zweite Hand zum Abzählen benutzen musste, wurde es schwierig. Schweigend gingen sie weiter. Johns Schritte hallten hohl und hölzern, als er auf die Veranda holperte.

    „Dann mal rein in die gute Stube“ rief John und freute sich, dass die Tür so bereitwillig aufschwang, obwohl sich niemand im Inneren des dunklen Flurs zeigte.

    Gar nicht darüber nachdenken, dachte John und schritt in das Haus. Ich bin ein Quarterback, ich sehe gut aus und nachher wenn alle schlafen, können Mandy und ich endlich…“


    Am nächsten Morgen waren sie alle tot. Der unheimliche Wiedergänger aus den Potatoe Mountains hatte wieder zugeschlagen.

  • Sheriff Clive Clark und sein Debuty Mark Masterson waren die ersten am Tatort. Sie schoben sich die restlichen sieben Donuts ein, stiegen aus ihrem Ford, dessen Federung vor Erleichterung aufstöhnte, und hievten ihre ingesamt 250 Pfund zur verlassenen Hütte. One-Hand-John, der beste Quarterback der Highschool-Mannschaft von Monroe, war seit Tagen verschwunden.

    "Der Junge hat letztens vier Touchdowns in einem Spiel geschafft", keuchte Sheriff Clark, als er wieder zu Luft gekommen war.

    Debuty Masterson presste seine Hände in die weichen Hüften und japste: "Und deshalb suchen wir ihn hier?"

    "Ne Bergwanderung war ganz bestimmt nicht meine Idee."

    "Wessen dann?"

    "Wessen wohl? Die Bürgermeisterin natürlich. Sagt, dass hier in den Potato Mountains dauernd Halbstarke verschwinden."

    "Ich sag dir, wir finden hier nichts, bloß diese alte Jagdhütte."

    Der Sheriff und sein Debuty bemerkten, dass die Tür der Hütte jetzt offen stand. Dahinter lag schleimige Dunkelheit, die keineswegs einladend war. Aber es roch verdammt gut nach Rührei und Speck. Die beiden Cops zogen ihre 357er-Magnums, ihre doppelläufigen Schrotflinten, ihre beiden Ingram Vaillant, ihre Smith&Wessons, ihre AK-47 und ihre Kampfmesser, atmeten schwer und traten in die Hütte.


    Am nächsten Morgen waren auch sie tot. Der unheimliche Wiedergänger aus den Potatoe Mountains hatte schon wieder zugeschlagen.

  • Bürgermeisterin Deborah Goodwinter, von ihren wenigen Freunden auch liebevoll Double Donut genannt, walzte schnaufend die drei Stufen zum Rathaus empor. Schwungvoll, was in ihrem Fall hieß, dass sie die schwere Tür aus Redwood einfach mit der Masse ihres Körpers aufdrückte, bis sie gegen die Wand knallte, trat sie in den marmorgefliesten Flur und blieb einen Moment stehen, um sich mental auf die nächste Etappe vorzubereiten. Jetzt musste sie nur noch zehn Schritte über die Fliesen stapfen, die Tür zu ihren Büro aufschließen und dann würde sie erst einmal ausruhen. Wenn sie Glück hatte, hatte ihre Assistentin Betty bereits den Sechserpack Donuts auf ihrem Schreibtisch deponiert. Dies und die Aussicht, dazu eine Tasse feinsten Mokka to go vom neu eröffneten Delikatessenladen auf der Main Street zu genießen, ließ sie fast in einen Galopp verfallen.


    Sie hatte noch nicht einmal den Lichtschalter betätigt, als Betty, die aussah, als hätte man einem langbeinigem Kleiderständer eine blonde Perücke und Körbchengröße Doppel-D angetackert, durch die Seitentür ins Büro trat.

    „Oh my Gosh, Majorette Goodwinter. Der Reporter vom Woodlock Evening Star wartet bereits seit einer Stunde, und ich kann Sheriff Clark nicht erreichen. Und den Deputy genau so wenig.“


    „Eins nach dem anderen, Kindchen.“ Vergeblich suchte Deborah den Tisch nach Donuts und Kaffee ab und ließ sich schließlich erschöpft in den schweren Ledersessel fallen. „Geht es um diesen einarmigen Quarterback und seine Freunde von der Nicholas High?“

    Betty nickte eifrig, wobei ihr wallend wogender Busen im Takt ihres Nickens rhythmisch auf den Schreibtisch klatschte. Deborah verzog missbilligend das Gesicht Sie hasste es, wenn Betty das machte. Schlimm genug, dass die Männerwelt schon nichts von ihr wissen wollte, aber wenn Betty einen Raum betrat, verstummten alle Gespräche und sie fühlte sich trotz ihrer 180 Kilo als wäre sie Luft.

    „Packen Sie ihr Gemelk endlich fester ein“, grummelte Deborah ungnädig, „und dann setzen Sie sich in Bewegung und bringen mir Kaffee und einen Zwölferpack gefüllte Donuts.“

    „Aber was ist mit dem Reporter?“ Betty klimperte mit den Wimpern, die jedes Reh neidisch gemacht hätten.

    „Solange ich weder Sheriff Clarke noch Deputy Masterson erreiche, werde ich einen Teufel tun, die Gerüchteküche anzuheizen. Am Besten, Sie nehmen diesen Reporter mit. Ich bin überzeugt, dass er in ihrer Begleitung auf andere Gedanken kommen wird.“

    Betty runzelte irritiert die Stirn. „Puh, Majorette Goodwinter. Da verlangen Sie aber ganz schön viel auf einmal. Können Sie das aufschreiben?“ Sie klimperte mit den Augenlidern.

    In den letzten acht Jahren, seit Deborah Goodwinter Bürgermeisterin von Monroe war, hatte sie gelernt, dass es wenig Sinn hatte mit Betty zu diskutieren. Sie stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus und griff nach einem Stift.


    1.) Kaffee aufsetzen

    1. a) Reporter bitten, dass er mich begleitet

    2.) Zur Main Street fahren zum New Deli Shop

    3.) Parken

    4.) 12 gefüllte Donuts besorgen. Clive sagen, dass er es auf meine Chefin anschreiben soll

    5.) Wieder zum Rathaus fahren

    6.) Kaffee der Bürgermeisterin bringen

    7.) Donuts der Bürgermeisterin bringen

    8.) nicht vergessen, gelegentlich zu atmen


    Deborah lass sich alles noch einmal durch. Eine neue Assistentin mit einer Aufmerksamkeitsspanne größer als dem eines Glühwürmchens wäre zu schön. Dann strich sie Punkt acht wieder, wobei sie eine grimmige Genugtuung spürte: Vielleicht bestand ja noch Hoffnung.


    Betty nahm strahlend den Zettel entgegen. Angestrengt las sie, dann runzelte sie wieder die Stirn.

    „Aber das mit der Eins, Eins a, dann zwei. Das versteh ich nicht.“

    „Machen Sie es einfach der Reihe nach, Kindchen, Eins nach dem anderen. Ich bin überzeugt, dass Sie das schaffen.“

    Bettys Stirnrunzeln verschwand.

    „My Goshness, warum haben Sie das nicht gleich gesagt. Sie machen es mir aber auch nicht gerade leicht, was.“

    Deborah nickte und rang sich ein Lächeln ab.

    „Sie können jetzt gehen, Kindchen. Und denken Sie daran: Immer alles schön der Reihe nach.“

    Betty lachte. „Haha, klar, Majorette Goodwinter. Bin ja nicht blöd. Wissen Sie was? Ich streiche ihre komischen Zahlen und Alfabetziffern einfach durch. Das bringt mich nur durcheinander. Ich mach dann einfach Häkchen dran, wenn ich eine Aufgabe erledigt habe. So wie in der Schule früher.“

    Die Tür schlug hinter ihr zu und Deborah vergrub ihr Gesicht zwischen den Händen. Womit habe ich das verdient, dachte sie und spürte zum wiederholten Male Verzweiflung. Aber Sie durfte nicht aufgeben. Denn es gab einen Grund, warum sie sich vor acht Jahren um das Amt der Bürgermeisterin beworben hatte. Denn das neuerliche Verschwinden jugendlicher Wandergruppen konnte nur eines bedeuten. Der Wiedergänger hatte angebissen. Schon seit Jahren animierten FBI CIA, DEA, NRA, und die Homeland Security überall in den USA die Jugend, öfter in die Natur zu gehen. Es war eines der am besten gehüteten Staatsgeheimnisse, und sie, Deborah, war vermutlich der einzige Mensch im Umkreis von fünfhundert Meilen, der davon wusste. Der einarmige John war ein zu willfähriger Lockvogel gewesen – niemand würde ihn vermissen – und die anderen High School Dropouts auch nicht.

    Sie öffnete die Schublade ihres Schreibtischs und zog ein verstaubtes Sprechfunkgerät hervor, aber erst als sie die Batterien gewechselt hatte, erwachte es zum Leben.

    „Delta Lima Echo Foxtrott. Wendigo ist gelandet. Wiederhole: Wendigo ist gelandet.“ Sie schaltete das Gerät aus. Wenn alles gut ging, bekam gerade jemand in Nevada eine SMS von einem nicht registrierten Mobiltelefon zugeschickt. So oder so. Jetzt würden Dinge in Gang kommen, die schon seit Jahrzehnten geplant waren. Die Secret Alien Special Task Force trainierte seit dem Koreakrieg für diesen Moment. Seit dem Vorfall in Area 51.

    Höchste Zeit, dass sie einmal zeigten, wofür sie ihr Geld bekamen.

  • Vor 12 Uhr trank Buster Malone seinen Kaffee schwarz und mit einem guten Schuss von Vlad's Zauberwodka mit Zimtnote. Nach 12 Uhr ließ er den Kaffee weg. So handhabte er das immer, weshalb er am Morgen jenes regnerischen Freitags, an dem alles beginnen sollte, mit Kaffee und Zigarillo in der Kantine des Rathauses auf Debby "Double-Donut" Goodwinter wartete. Und mit sich haderte.

    Keine Frage, Buster Malones Karriere war im Arsch. Nach dem zehnten Aufenthalt in der Entzugsklinik war ihm nur noch der Woodlock Evening Star geblieben, ein Lokalblatt des Potato-Countys, das hauptsächlich aus Wald- und Wiesennews, Cartoons, Heiratsanzeigen, Waffenwerbung für Rednecks und Leserbriefen bestand. Doch das Central-Hospital in Woodlock bot die besten Lebertransplantationen in Malones Preisklasse.

    Während Malone bereits eine Stunde auf Double-Donut wartete, rauchte er Kette und trank vier Kaffee mit Zimtgeschmack. Er war der einzige, der in der Rathauskantine rauchen durfte.

    Pressefreiheit.

    Als Betty in die Kantine trat, warf Malone ein Pfefferminz ein. Sie war ein Traum, keine Frage. Vollbusig, schlank, und vermutlich ein Achtel so alt wie er. „Guten Morgen, Busty, es tut mir leid, dass Sie warten mussten, wir sind gerade sehr mit einer absoluten Geheimsache beschäftigt, die ich Ihnen gegenüber nicht erwähnen darf.“

    Malone steckte sich einen weiteren Zigarillo an. Jetzt war Fingerspitzengefühl gefragt. „Natürlich, aber eine Stunde ist schon ungewöhnlich.“

    „Nein, ganz und gar nicht. Wenn man auf der Suche nach ein paar verschwunden Teenagern und dem Sheriff ist, dann ist das nicht viel.“ Betty sah auf ihren Zettel und atmete ein paar mal ein und aus.

    „Da haben Sie recht, Betty, da haben Sie recht. Wo fängt man da nur an zu suchen?“

    „Also mich brauchen Sie das nicht fragen, ich weiß von nichts, aber ganz unter uns würde ich ja sagen, man geht in die Funkzentrale des Woodlock-PD und schaut sich die GPS-Daten von Sheriff Clarks Einsatzwagen an.“

    „Das könnte man tun, stimmt“, erwiderte Malone und machte sich eine mentale Notiz, „wenn man auf der Suche wäre, nicht?“

    „So ist es. Ich soll jedenfalls ein paar Besorgungen für Majorette Donut machen, möchten Sie mitkommen?“

    „Ein andermal gern, Betty.“

    Er sah, wie sie ein Kreuzchen auf ihren Zettel machte, kein Häkchen. Also schloss Malone, dass Betty mal wieder Double-Donuts Ablenkungsmanöver war. Das letzte Puzzlestück, das Malone brauchte. Ja, die Indizien waren eindeutig.

    Der Wiedergänger war zurück.

    Die Regierung hatte ihn mit ein paar entbehrlichen Teenagern angelockt. Dann hatte er sich noch zwei saftige Cops zum Nachtisch geangelt, die dem Staat spätestens in fünf Jahren mit Typ-II-Diabetes auf der Tasche gelegen wären. CIA, DEA, NSA, Homeland, sie waren vermutlich schon alarmiert worden. Und vielleicht würde es ihnen diesmal gelingen, das Monster wieder einzufangen, das ihnen vor mindestens zehn Jahren abhanden gekommen war und seit dem wütete.

    Malone verließ die Kantine.

    Diese heiße Story würde er sich nicht entgehen lassen. Er würde sich ins Auto setzen und die nahen Waldhütten abklappern. Und wenn sich irgendwo eine Tür öffnete, würde er nicht eintreten ...

  • S.A.S.T.F – Secret Alien Special Task Force



    Die Sonne brannte heiß vom wolkenlosen Himmel. Jeff saß im Schatten der Veranda, etwas abseits der ganzen Offiziershäuser, und noch weiter enfernt von den Barracken, aber ohnehin musste er sich bereits seit Jahrzehnten nicht mehr mit irgendwelchen Kameraden um die Belegung der dreistöckigen Etagenbetten streiten. Was für ein Glück, dass er sich damals freiwillig gemeldet hatte.


    Zufrieden nippte er an einer Dose eiskaltem Dr Pepper, verzog aber augenblicklich angewidert das Gesicht. Björk –, das Zeug schmeckte von Jahr zu Jahr widerlicher, dabei hatte er Dr Pepper immer geliebt.


    Angeekelt schüttete er den Inhalt der Dose auf den staubigen Boden, was sofort eine der ungewöhnlich großen Kakerlaken – die in wahren Heerscharen Fiftyone bevölkerten, auf den Plan rief. Ihre Flügel vibrierten aufgeregt, als sich ihre Fühler gierig auf den nassen Boden senkten. schon bald drauf hörte er ein leises Rülpsen und der Geruch von Zimt, Cola und Orangen stieg Jeff in die Nase, begleitet von einer subtilen Duftnote die verdächtig nach dem Abfluss in der Küche roch.

    „Alter Feinschmecker“, sagte Jeff anerkennend und sah der Kakerlake eine Weile zu. Es war Toby, das erkannt er an der Delle auf dem Rücken. Seit rund vierzig Jahren wohnte sie hier, fast so lange wie er. Jeff seufzte. Ein bisschen mehr Strahlung bei den damaligen Atomtests hätte ihm vielleicht auch ganz gut getan. Mit seinen 93 Jahren sah er zwar immer noch so jung aus, als wäre er ein frischgebackener Rekrut, der es gar nicht erwarten konnte Sir, ja, Sir zu brüllen und Liegestütze im vorauseilendem Gehorsam zu machen, aber dummerweise bewahrte ihn sein unnatürlich jugendlicher Teint nicht davor, dass er sich langsam ziemlich kaputt fühlte. Trotz der allgegenwärtigen Hitze in Nevada spürte jeden Tag die Gicht. Oft kam er sich vor wie ein altes Auto, dem man von außen nicht ansah, dass unter der Oberfläche alles nur noch von Schweißnähten, Kunstharz und Lack zusammengehalten wurde. Trotzdem war er dankbar, dass sein Metabolismus die Kraft des Atoms zu seinem Vorteil hatte nutzen können.

    Erstaunlich war das.

    Noch erstaunlicher als sein jugendliches Gesicht war freilich, dass die Airforce es seit dreißig Jahren versäumt hatte, ihn in den Ruhestand zu versetzen. Ein Umstand allerdings, über den er nicht unglücklich war. Seitdem sie Kip in Pension geschickt hatten – bei ihm hatte es erstaunlicherweise mit dem Ruhestand geklappt – hatte er das Haus für sich alleine. Und das seit fast dreißig Jahren. Das Wetter war gut, der Gehaltsscheck kam pünktlich jeden Monat und er hatte nicht viel mehr zu tun, als einmal die Woche die Seitenwaffe zu reinigen und den Motor der Douglas C54 zu starten. Denn wäre es jemals zu einem Einsatz gekommen, wäre es sein Job gewesen, seine Kameraden ins Kampfgebiet zu fliegen. Trotz seines immer schlechter werdenden Gedächtnisses hatte Jeff sofort gewusst, dass es ein Riesenfehler gewesen wäre, in der Verwaltung nachzufragen, wen er im Ernstfall eigentlich hätte transportieren sollen. Bis auf ihn waren seine ehemaligen Kameraden der S.A.S.T.F nämlich schon längst dickbäuchige Strandgänger in Florida und genossen ihren Ruhestand – falls sie überhaupt noch lebten. Die letzte Postkarte von Kip war aus einem Altenheim aus Nebraska gekommen, und auch das war schon wieder zehn Jahre her. Eigentlich war es ein Wunder, dass noch niemand gefragt hatte, warum er eigentlich den ganzen Tag auf der Veranda saß und Banjo übte, aber er würde einen Teufel tun, sie mit der Nase draufzustoßen, dass er hier eigentlich nichts zu tun hatte. Denn so langsam die Verwaltung auch arbeitete: Sie würden nicht lange brauchen, um herauszufinden, dass er nicht nur keinen direkten Vorgesetzten hatte, sondern auch, dass das ganze S.A.S.T.F. Projekt offensichtlich vor Urzeiten bewilligt worden war, nun aber weder der Air Force noch der Army zugeordnet werden konnte. Nein. Schlafende Hunde sollte man lieber nicht wecken.


    Der Humvee rutschte über die staubige Auffahrt, als er eine Vollbremsung hinlegte. Kaum stand der schwere Wagen, als auch schon die Tür aufgerissen wurde und ein sichlich überfordert wirkender Staff Sergeant eilig ausstieg. Auch die Tür auf der Beifahrerseite wurde aufgerissen. Ein nervös aussehender junger Soldat in Tarnuniform rannte kurz daruf ums Auto und warf sich mit dem Gewehr im Anschlag auf den staubigen Boden und richtete den Gewehrlauf – offensichtlich in Ermangelung potenzieller Ziele, auf die Fliegengittertür der Veranda.

    „Sir, alles gesichert, Sir.“

    „Weitermachen, Private Jones“, bellte der Staff Sergeant, dann runzete er die Stirn, als er Jeff musterte.

    „Spreche ich mit Special Task Force Agent Jeff Hummingbird?“

    „Sie stehen direkt vor ihm“, antwortete Jeff. „Was kann ich für Sie tun Sergeant? Greifen die Russen an? Oder die Chinesen?“

    „Sir, ich muss Sie bitten, sich auszuweisen. Sie tragen Zivil und sind mir persönlich nicht bekannt.“

    Jeff kramte seinen Dienstausweis aus der zerbeulten Gesäßtasche seiner Jeans. Das Gesicht des Staff Sergeants nahm eine verwirrten Ausdruck an.

    „Wie lange sind Sie denn schon bei der Truppe, Sir, wenn ich fragen darf. Derartige Dienstausweise habe ich im Militärkundemuseum gesehen, dachte nicht, dass die überhaupt noch ausgegeben werden.“

    „Ich bin lange genug bei der Airforce, Staff Sergeant. Hätten Sie jetzt die Güte, mir den Ausweis zurückzugeben und mir endlich zu sagen, worum es geht?“

    „Sir, ja, Sir“, bellte der Staff Sergeant. „Ich soll Ihnen diesen Umschlag eigenhändig übergeben und sie müssen ihn vor meinen Augen öffnen, dürfen mir aber nicht sagen, was drin steht. Kam gerade mit Prio 1 über unseren Washington Kanal, Sir.“

    „Danke Sergeant.“

    Der Mann platzte fast vor Wichtigkeit, als er ihm einen gelben, dick wattierten und versiegelten Umschlag überreichte, trat aber sofort ein Schritt zurück. Offensichtlich wollte er auf jeden Fall vermeiden, mehr zu sehen, als gut für ihn war.

    Jeff brach das Siegel und zog ein paar Blätter hervor.

    „Ich warte im Wagen auf Anweisungen von Ihnen“, sagte der Staff Sergeant hastig und ging zurück zum Humvee. Jeff nickte geistesabwesend. Die jungen Leute waren die Hitze einfach nicht mehr gewohnt, und der Humvee hatte eine Klimaanlage. Nur sein Untergebener lag nach wie vor bäuchlings im heißen Sand der Auffahrt. Anscheinend war ihm langweilig, denn er war dazu übergegangen, abwechselnd den Gewehrlauf zwischen Fliegengittertür und dem danebenliegenden Badezimerfenster wandern zu lassen.

    „Alles safe hier, Special Agent Sir“, sagte er ohne den Kopf zu heben.

    Jeff strich sich über die Augen. Er musste erst einmal die Lesebrille holen und dann würde er sich auf den Schaukelstuhl auf der Veranda setzen und lesen, was man eigentlich von ihm wollte. Verdammt: War das womöglich sein Rauschschmiss?

  • Korrekte Anwendung des Kansas City Shuffle - du lässt alle Welt nach rechts blicken und gehts nach links.


    (Aus dem Handbuch für Privatdetektive und Presseleute)



    Buster Malones erste Station war also die Funkzentrale des Woodlock-PD, in die er bereits fünfzehn mal eingebrochen war. Um hinein zu kommen, existieren theoretisch zwei Möglichkeiten: Tagsüber und nachts. Tagsüber war der Laden mit vier Officers besetzt, darunter Polanski und Tenpenny, die sich eine Gehirnzelle teilten. Nachts gab es einen altersschwachen Wachhund mit schwerem Reflux. Wenn man seinen Geruchssinn behalten wollte, brach man also am Tag ein, was Buster Malone stets nach dem gleichen Schema tat: Ein brennende Tüte mit Hundekot am Haupteingang und einen Rasenrechen neben den Fahrertüren beider Einsatzwagen. Sprich, Malones Antwort auf den Kansas City Shuffle.


    Klappte auch diesmal. Nach dem Klingelputz traten Polanski und Tenpenny die brennende Tüte aus und gerieten in Streit, weil sie sich besudelt hatten, woraufhin die beiden anderen Officers zu ihren beiden Streifenwagen rannten, um Verstärkung zu holen und sich, Bäng, Bäng, ausknockten. Genug Zeit für Malone. Er betrat das WPD durch den offen stehenden Hintereingang, tippte den Code 1-2-3-4 zur Funkzentrale ein und entlockte der dortigen streng geheimen High-Tech die GPS-Daten des letzten Aufenthaltsorts von Sheriff Clark. Während sich Polanski und Tenpenny gegenseitig die Knarren an die Rübe hielten und anbrüllten, verließ Malone das WPD zum sechzehnten Mal.


    Buster Malone hatte in seinem Leben schon viel gesehen. 93jährige Elitesoldaten, die wie Mittfünziger aussahen und mit Kakerlaken befreundet waren, Pfadfinder, die kein Zelt aufbauen konnten, und so weiter. Aber das, was er bei den GPS-Koordinaten in den Potato-Mountains vorfand, erstaunte selbst ihn, ja, hätte ihn unter 3 Promille vielleicht auch schockiert. Statt der Lichtung und der zentralen, malerischen Jagdhütte, die auf der Wanderkarte neben zwinkernden Grizzlies und Thumps-up-Eichhörnchen verzeichnet waren, klaffte hier ein tiefschwarzer Krater von geschätzten 120 Fuß Radius im Boden. Nahe Bäume waren rußgeschwärzt, der Streifenwagen war auf Kühlboxgröße zusammen geschmolzen und fünf Ornithologen, erkennbar an Fernglas und Handbuch, hingen wie gerupfte und verkohlte Hühner in den Ästen. Buster Malone trank einen Schluck, dann war er sich sicher: Diese immense Energieentladung konnte nur von einem Quantenverschränkten-Doppelhelix-Teleport-Unter-Skleronomen-Zwangsbedingungen bei wechselpoligem Eigenmagnetfeld in Stasis stammen.


    Daran gab es keinen Zweifel. Und es gab keinen Zweifel, wer über das Equipment dafür verfügte. Erstens die Chinesen, weil sie alles kopierten. Aber die Chinesen waren weit weg. Zweitens die Narcos, weil man mit dieser Technik auch Crystal kochen konnte wie ein junger Gott. Oder drittens
    die Secret Alien Special Task Force aus Area 51 ...

  • Befehl war Befehl, da gab es nichts zu rütteln.

    Jeff wusste zwar, dass er die in die Jahre gekommene Douglas notfalls auch alleine fliegen konnte, ganz anders aber sah es mit der Kampfbereitschaft der S.A.S.T.F. aus. Das Zielgebiet lag in der Nähe irgendeiner gottverlassenen Kleinstadt namens Monroe in Wisconsin. Oder war es Monroe in Michigan? Er wusste es nicht mehr, aber die Richtung war ohnehin fast die gleiche, und er würde während des stundenlangen Flugs noch genug Zeit haben, die Einsatzbefehle zu studieren.

    „Toby, wir machen einen Ausflug“, sagte er zu der Kakerlake, die gerade dabei war die Überreste eines Pastrami-Bagels zu inspizieren. Eigentlich traurig, dachte Jeff während Toby flink seinen Arm raufkletterte, eigentlich traurig, dass ich auf meine alten Tage ran muss. Offensichtlich hatte man die S.A.S.T.F. in Washington noch nicht vergessen, auch wenn das Oberkommando der irrigen Annahme zu sein schien, dass er einen vollen Zug kampferprobter Spezialagenten transportieren würde.

    Toby stieß ein leises Zirpen aus und machte es sich in der Brusttasche von Jeffs Fliegerjacke gemütlich.

    Der Humvee draußen stieß ein lautes „Honk“ aus.

    „Komme ja schon“, rief Jeff, obwohl er wusste, dass der Staffsergeant ihn nicht hören konnte. Er schulterte sein Marschgepäck und trat vor die Tür.

    „Alles safe hier, special Agent Sir“, bellte der Rekrut, der mit seinem Gewehr an Jeff vorbei zielte. Jeff trat auf ihn zu.

    „Was ist eigentlich genau ihre Aufgabe hier, mein Junge?“ Der junge Rekrut schitzte aus allen Poren. Auch diesmal ließ er die Umgebung keine Sekunde aus den Augen.

    „Sie sind ein Geheimnisträger, Sir“, bellte er. „Ich bin nur ein kleines Rädchen im Getriebe unserer großartigen Armee und unserer noch großartigeren Airforce. Ich schütze Sie, Sir. Sie, den Geheimnisträger, Sir Special Agent Sir. Gott schütze Amerika, Sir.“

    „Aha“, antwortete Jeff. In der Army schien sich so manches verändert zu haben, nicht nur das Dr Pepper.


    Fünf Minuten später saß Jeff im Cockpit seiner Douglas und sah mit einem mulmigen Gefühl aus dem Seitenfenster. Vier Meter unter ihm stand der Staff Sergeant während sich der Gefreite hinter einer Kiste mit abgereicherter Uranmunition verschanzt hatte und scheinbar wahllos das vordere und das hintere Hangartor mit dem Lauf seiner Waffe in Schach hielt.

    „Alles safe hier, Staff Sergeant Sir und Special Secret Agent Sir“, brüllte er über den Lärm der vier Propeller hinweg.

    Der Staff Sergeant schien kein so lautes Organ zu besitzen, denn er musste mit beiden Händen einen Trichter vor dem Mund bilden, damit Jeff ihn überhaupt hören konnte.

    „Wo sind ihre Männer?“, brüllte er.

    Jeff arbeitete die Checkliste routiniert ab und gab ein wenig mehr Gas.

    „Sind schon an Bord“, brüllte er zurück.

    „Aber ich habe niemanden gesehen“, rief der Staff Sergeant.

    „Ist ja auch geheim“, rief Jeff. „Und jetzt: Aus dem Weg. Die Mission ruft.“

    Der Staff Sergeant machte ein unglücklich wirkendes Gesicht, salutierte dann aber.

    Die Douglas rollte unter ohrenbetäubenden Lärm aus dem Hangar.

    So eine gottverdammte Scheiße, dachte Jeff. Das letzte Mal war er vor vierzig Jahren geflogen. Die einzige Fähigkeit, die er zur Not auch blind beherrschte, war das wöchentliche Starten der vier Motoren. Hoffentlich würde ihm wieder einfallen, was es mit den ganzen anderen Knöpfen, Griffen, Schaltern, Hebeln und Rädchen auf sich hatte.

    Vor lauter Konzentration, biss er sich fast die Zungenspitze ab.

    „He, 272558“, tönte es aus dem Kopfhörern. „Startfreigabe auf Startbahn Drei.“

    Jeff sah sich suchend um. Es schien, dass sich auch bei den Markierungen so einiges geändert hatte. Früher hatte es nur eine einzige Start- und Landebahn gegeben, da war die Wahl nicht schwer gefallen. Jetzt aber kreuzten zahlreiche betonierte Abzweigungen seine Route. Wo, zum Henker, sollte er nun hin?

    „272558. Sind Sie lebensmüde? Sie kreuzen gerade die Landebahn. Begeben Sie sich unverzüglich…“

    Jeff stellte entnervt den Funk ab. Er würde es so machen wie er es damals während der Ausblildung gelernt hatte. Ein anständig langes Stück Weg ohne Schlaglöcher und Vollgas. Sollten sie doch ihre Pisten behalten, er brauchte sie nicht.


    Obwohl er vollen Schub gab, kam die alte Douglas nur quälend langsam auf Touren. Jeff biss die Zähne zusammen. Eigentlich hätte er schon längst abheben müssen, dabei hatte er noch nicht einmal etwas geladen und der knochentrockene Sandboden war mindestens so gut wie Beton. Nur die Tanks hatten sie ihm bis zum Bersten gefüllt. Seltsam war das. Trotz der röhrenden Motoren hörte Jeff die Sirenen der Basis aufjaulen und in der Ferne sah er Menschen die auf einmal anfingen, zu rennen. Was ging hier vor sich? Kamen die Russen oder galt die Aufregung seinem etwas unorthodoxen Startmanöver? Er knallte den Hebel für den Schub bis zum Anschlag und schaltete den Funk wieder ein.

    „ … abbrechen. Wiederhole: Flug 272558 unter allen Umständen aufhalten“. Der unbekannte Fluglotse verstummte, als ein Schuß knallte. Kurz darauf hörte er eine inzwischen vertraute Stimme aus dem Kopfhörer: „Alles safe hier.“ Das Jaulen der Sirenen hörte auf und erneut folgten Schüsse. Jeff schaltete den Funk wieder ab. Was, zum Teufel, ging hier vor sich?

    Der Zaun um die Basis war nur noch 50 Meter entfernt, als die Maschine endlich abhob. Sofort zog er das Fahrwerk ein, spürte aber eine kurze Erschütterung, als er den Zaun touchierte. Das war knapp gewesen. Die alte Kiste war so träge, als hätte sie einen Lastwagen mit Ziegelsteinen im Bauch.

    „Was hälts du von Kanada“, fragte Jack, während er die Instrumente kontrollierte. „Ich habe den Sold der letzten vierzig Jahre dabei, das sollte für eine Weile langen.“ Zufrieden korrigierte er den Kurs. Sicherheitshalber erstmal nach Südwesten. Dort würden sie ihn nicht vermuten. Und dann würde er im Tiefflug Kurs auf die Rocky Mountains nehmen und sich dann im Zickzack seinem Zielgebiet nähern. Höchte Zeit, endlich die Befehle genau zu studieren. Denn auch wenn er nicht vorhatte, zurückzukehren: Er war es der Airforce verdammt noch mal schuldig, dass er wenigstens den Auftrag ausführte – so gut er es eben alleine bewerkstelligen konnte.

  • John V machte sich langsam Sorgen. Mom und Dad schienen One Hand John Abwesenheit noch nicht bemerkt zu haben, was allerdings auch daran liegen konnte, dass sie vierzehn Kinder hatten. Sieben Jungen und sieben Mädchen, wobei die Mädchen alle Mary hießen und die Jungen alle John.

    „Erspart Zeit zum Nachdenken“, hatte Johns Vater ihnen einmal erklärt. John V war sich nicht sicher, ob seine Eltern eigentlich jemals gemerkt hatten, dass One Hand John vor vier Jahren, beim Unfall mit der selbstgebauten Gatling Gun, einen Arm verloren hatte.

    Aber John V war Kummer gewohnt. Er galt als das schwarze Schaf der McCoys, einer alterehrwürdige Hillbilly-Sippe , die in den Dreißigern den Weg aus den Appalachen nach Detroit und später in die Potatoe Mountains gefunden hatte.


    Abgesehen vom Umzug der Großeltern hatte sich seitdem freilich nicht allzuviel an den Traditionen geändert. Geld war immer knapp und Mom und Dad hatten fleißig für Nachwuchs gesorgt – zumindest so lange, bis die Mary VII geboren war, dann hatten sich die ehelichen Aktivitäten vor den Fernseher verlagert.

    John V war zehn Jahre alt und aus der Art geschlagen, denn er stellte gerne Fragen, die weder Sue I bis VII noch die anderen Johns geneigt waren, zu beantworten.

    „Nimm deinen Klotzkopf und schlag ihn an ’nen Baum, hatte John II ihm vorgeschlagen, als er ihn einmal gefragt hatte, ob er ihm sein Teleskop (was er im einzigen Kaufhaus in Monroe geklaut hatte), leihen könne. John V hatte verneint. Die anderen Johns hatte dreckig gelacht, da die McCoys selbst in der (nicht unbedingt genetisch weitverzweigten) Verwandschaft bekannt waren für ihren feinsinnigen Appalachenhumor, den sie sich über all die Generationen bewahrt hatten.

    John II hatte ihm eine Kopfnuss verpasst. Dann hatte John V die Sterne gesehen. Das Teleskop hatte John II ihm natürlich nicht gegeben, sondern hatte es am Tag darauf einem Kumpel für ein bischen Hasch und Moonshine verhökert.

    So war das Leben bei den McCoys.


    Jetzt stand John V zusammen mit Sue IV, die acht Jahre alt war, vor dem abgrundtiefen Loch. Das heiß, eigentlich wären sie gerne an den Rand getreten, um hinunterzusehen, denn soweit John V wusste, machte man das so.

    In den Filmen traten die Leute immer an den Rand des Lochs und sagten Sachen wie: „Mein Gott, was zur Hölle kann so etwas verursacht haben?“ Meistens Leute in aufgepumpten grünen oder weißen Plastikanzügen. Sie trugen Raumfahrerhelme und schnorchtelten noch wichtigere Sachen in ihre Mikrofone, während die Bilder ihrer Helmkameras von wichtigen Leuten in irgendwelchen Geheimbunkern begutachtet wurden.

    „Sehen sie diese Ablagerungen? Das ist gesintert, meterdick! O mein Gott: Meiner Meinung nach haben wir es hier mit den Auswirkungen einer uns völlig unbekannten Waffe zu tun, deren Energie wir nicht einmal annäherungsweise mit unseren geheimsten Laseranlagen produzieren können. Lassen sie uns der Wahrheit ins Auge blicken, Mr. President: Ich fürchte, das Schicksal der Menscheit steht auf dem Spiel…“


    Der einzige allerdings, dem John V ins Auge blickte, war John II.

    „Fünf Dollar“, sagte der und stellte sich vor den einzigen Durchlass. Er hatte das riesige Loch sorgfältig mit Abbsperrband umzäunt, dass er um etliche verkohlte Baumstämme gewickelt hatte.

    Police Line – do not cross stand darauf.

    „Woher hast du das Band“, fragte John V verwundert. Den einzigen Draht, den John II zum Sheriff Department hatte, waren die unzähligen unfreiwilligen Besuche in den Arrestzellen. Vier Stück gab es, und es gab keine einzige, in der sich die McCoys noch nicht an den Wänden verewigt hatten.

    „Hab meine Beziehungen spielen lassen“, antwortete John II geheimnisvoll, dann wurde seine Miene ernst. „Fünf Dollar für die Besichtigung, oder ich brech dir beide Arme.“

    „Heh, ich bin dein Bruder, weiß du noch?“

    „Eben“, sagte John VI ungerührt. „Kein Verwandschaftsrabatt.“

    „Weiß der Sheriff eigentlich, was du hier so treibst?“

    „Der Sheriff ist in der Hölle, wo er hin gehört. Polanski hat jetzt das sagen hier. Und ich bin sein Partner.“

    John V starrte ihn ungläubig an.

    „Polanski? Der ist doch zu blöd sich die Schuhe zuzubinden. Der und dein Partner?“

    „Na und? Erstens gibt es Klettverschlüsse und zweitens ist er der Dienstälteste. Mich braucht er fürs Denken. Du darfst mich übrigens The Brain nennen. War meine Idee, hier Eintritt zu verlangen. Wenn sich das Loch erst rumspricht, werden die Leute in Scharen strömen und ich werd reich.“

    Widerstrebend zog John V einen zerknüllten Fünf-Dollar-Schein aus der Jeans. Er wusste ohnehin, wo das Geldversteck seines Bruders war. Das würde er sich zurückholen. Mit Zinsen.

    „Und ich“, fragte Sue IV empört.

    „Fünf Dollar“, antworteten John V und John II wie aus einem Mund und sahen sich einen Moment lang überrascht an. Zwei McCoys, eine Antwort.

    John V lächelte still in sich hinein: Inzucht hatte auch etwas Gutes, wenn man in der Familie so auf eine Wellenlänge schwamm.