Erfolgsfaktoren

  • Hallo alle,


    habt Ihr Euch schon mal gefragt, warum sich manche Romane, vor allem manche Reihen gut verkaufen und andere nicht? Oder eher: Warum manche Bücher enorm viele Leser finden und andere nicht?


    Mir gehts dabei jetzt nicht um die Frage nach Vermarktung und Werbestrategien. Sondern nach den Methoden, Techniken, wie auch immer man es nennen will, die einige Autoren verwenden.


    Auf die Idee zu diesem Thread bin ich gekommen, weil gerade der neue Harry-Hole-Roman von Jo Nesbö erschienen ist und ich mich erinnern kann, dass Herr Nesbö mal in einem Interview gesagt hat, diese Reihe sei (sinngemäß) "immer eine sichere Sache". Sprich: Auch der neue Harry Hole wird wieder gut einschlagen.


    Klar kann man jetzt viel über Massengeschmack sagen und auch darüber, dass die Masse sich gerne mit wenig Niveau zufriedengibt. Aber das alleine kann es nicht sein. Irgendwas bedienen diese Erfolgsautoren auch, und das machen sie zum einen mit großem Geschick, und zum anderen muss das Ergebnis nicht zwangsläufig trivial sein, nur weil es viele Leser mögen.


    Mag jemand darüber diskutieren? Ich habe Jo Nesbö als Autor genannt, aber es gibt noch viele andere, über deren Romane man hier sprechen könnte. Sofern Interesse da ist.


    Im Krimi-Genre fiele mir noch der vielgescholtene Herr Fitzek ein. Hera Lind war früher mal höchst populär, aber das ist vielleicht schon zu lange her, als dass man jetzt noch über ihren Erfolg spekulieren könnte.


    Aktuell ist ja auch Jojo Moyes sehr gefragt, allerdings habe ich noch keines ihrer Bücher gelesen.


    Die Reihe ist sicher noch sehr weit erweiterbar.

  • Ich habe gerade die Wissenschaftsthriller von John Darnton gelesen und so ging es mir: Hatte ich den ersten, "Der Versuch" per Zufall gelesen, war ich noch im Rausch des Gelesenen, wobei es um künstliche Intelligenz, Stammzellenforschung und Cyberspace auf höchst rasante Weise ging, habe ich sofort den "Zwillingspark" hintergelesen und mir "Neandertal" bestellt, aber noch nicht gelesen. Ich hätte mir nie weiteres Bücher von diesem Schriftsteller bestellt, wenn er nicht mit fundiertem Wissen, Recherche und fiesen Cliffs mich beim ersten so in der Mangel gehabt hätte. "Zwillingspark" war auch hochspannend und interessant - wie der dritte Thriller wird, mal sehen, ob sich hier ein ähnliches Muster des Romanaufbaus ergibt.

  • Wir - naja - einige von uns - ICH - meine Familie, viele andere auch - sind Netflix, Amazon, Game-of-Thrones, Vikings, House of cards ... endlos erweiterbar - Serienaffin.

    Serien schauen und Serien lesen ist in. Das hat sich schon vor Jahren so entwickelt. Ich erinnere mich an Elisabeth George und ihre Reihe um Komissar Lindlay (oder so) - wirklich daran erinnern kann ich mich nicht, Namen sind eh nicht meins - aber das habe ich gelesen, jedes Buch, jedes weitere Buch - nicht, weil die Fälle so spannend waren, sondern weil ich wissen wollte, wie es privat mit ihm weitergeht. Und mit seiner Kollegin. Und mit dem Pathologen - keine Ahnung. Irgendwann wurde es doof. Irgendwann wird es immer doof - aber bis dahin? Darauf bauen Serien auf, auf dem privaten Umfeld, den Geschichten des Personals. Denen wollen wir als Leser folgen, wie im Fernsehen.

    Serien gab es schon immer - Dallas, Denver, Die Lindenstraße.
    Das ist eine Art Voyourismus, man nimmt Teil an anderen Leben. Das funktioniert gut.
    Und so funktionieren auch Reihen, die nicht das selbe Personal haben, aber die gleiche Thematik.
    Das kenne ich, hier bin ich gleich zuhause. Ich werde überrascht, aber nicht so sehr, dass ich mich unwohl fühle.
    Ich weiß irgendwie was mich erwartet und kann mich darauf einstellen, aber die Textur ist ein wenig anders.


    Keine Ahnung, ob das deine Frage beantwortet.

    Bei mir ist es so, wenn ich dem Verlag ein neues Thema anbiete, fragen sie gleich: wie viele Bücher werden es denn? Wir hätten gerne mindestens drei.
    Nächstes Jahr wir bei R&L ein Stand-alone Roman erscheinen. Meine Lektorin glaubt immer noch nicht, dass ich nur EIN Buch zu einem Thema schreiben kann. Mal sehen, ob ich sie überrasche. ")"

  • Achso - warum funktioniert das binden an die Reihe? Weil der Autor, die Autorin (mit den Gendersternchen bin ich überfordert, kann mir das jemand bitte beibringen?) , es drauf hat, den Leser an sein Personal, an sein Setting zu binden.

    Weil man wissen will, wie die Reihe weitergeht.

    Weil man am Haken hängt.

    Ich meine, Anja - das ist doch jetzt keine überraschende Antwort. Du meinst vermutlich etwas ganz anderes.

  • Das Binden an eine Serie funktioniert deshalb so gut, weil der Leser/Zuschauer auf einen oder mehrere besonderere Charaktere stösst, die er toll findet und ihn begeistern und der Autor eine Welt schafft, in einen in den Bann zieht. Beides sorgt dafür, dass man sich teilweise wie ein kleines Kind auf die nächste Folge und möchte unbedingt wissen, wie es mit seinem persönlichen Liebling weitergeht oder sich eine Welt entwickelt. So ist mir das z. B. bei Game of Thrones ergangen. Das Ende war enttäuschend, aber das kann auch daran liegen, dass die Erwartunghaltung bei einer guten Serie von Folge zu Folge steigt und es bei einer Serie schwierig ist, diese Niveau zu halten oder immer wieder zu übertreffen. In den ersten vier Staffeln war das noch so, nahm dann aber vor allem rapide bei der finalen Staffel 8 ab.

  • Ich glaube, die wollten die Serie einfach nur noch fertigstellen, um dann an anderen Projekten zu arbeiten. Zudem war der Druck bestimmt immens, die Serie zeitnah fortzusetzen, weil die Fans gierig auf Nachschub gewartet haben und der gute Martin da nicht mehr hinterhergekommen ist. Der wird bestimmt nur noch eine grobe Richtung vorgegeben haben und so wirkt das Ende auch. Besonders unrealistisch fand ich die Reaktion vom Grauen Wurm. Also ich hätte da eine heftigere und unnachgiebigere Reaktion erwartet. Aber da hatten die Autoren nicht den Mut am Ende eine weitere geliebte Hauptperson zu opfern.

  • Da war ganz viel nicht mehr stimmig und nicht mehr im Sinne des Autors (hoffe ich).

    Aber Serien haben eine Endzeit. Autoren haben die auch, wenn sie nicht aufpassen.

    Ich lese schon lange keine Elisabth Gearge Bücher mehr, keine Tanja Kinkel .. ich habe den jüngsten Martin Walker mit Bauchschmerzen gelesen. Überlege noch, ob ich weiter Linda Castillo lesen möchte. Und dann denke ich - vielleicht will auch der ein oder andere bald keinen Renk mehr lesen, weil ich zu wenig innovativ, neu, überraschend - wie auch immer - bin.

    Auch das macht Bauchschmerzen.

  • Romane oder Serien funktionieren im Mainstream vermutlich dann am Besten, wenn die Thematik sich nicht allzu weit von der Lebenswirklichkeit der LeserInnen entfernt und die Charaktere sympathisch sind, oder, falls moralisch fragwürdig, (z.B. Dexter, Tom Ripley) zumindest Neugier erwecken oder einen plausiblen Grund haben, so zu handeln, wie sie es eben tun. Und sie müssen Klischees erfüllen. Frauen die aus irgendwelchen Gründen nach Paris fahren, finden dort in einem Klub IMMER einen geheimnisvollen Fremden, mit süßem Wuschelkopf, in den sie sich verlieben und der Wahlweise ein Café betreibt, oder eine schnucklige Buchhandlung. Werden sie älter, fahren sie in die Bretagne, wo schweigsame bretonische Fischer mit wettergegerbter Haut aber unendlich zärtlichen Händen am Pier schon Schlange stehen, um ihre haselnussbraunen Augen zur Schau zu stellen und der Wind pfiff von der See und die Gischt vermischte sich mit den Freudentränen ob dieser ungeheuren Erkenntnis dass die Liebe all die Jahr nur auf sie gewartet hatte und während das Schiff rollte und mit einer Heftigkeit an den Tauen riss, dass sie schon befürchtete, sie würden reißen, schaute er sie nur mit seinen ozeantiefen Augen an, zog sie fester in der engen Koje an sich und dann explodierte sie in seinen Armen und die Wellen sangen draußen von Liebe.


    Ich glaube, jetzt bin ich abgeschwiffen. Will sagen, die Charaktere bleiben bei erfolgreiche Serien oft statisch, verlassen ihre Rolle nicht und befriedigen durch ihre Berechenbarkeit die Erwartungshaltung der Leser. Gefällt die erste Folge, weiß man, dass die Chancen gut stehen, das auch die Folgebände gefallen. Attraktiv ist es dann, wenn die Charaktere so weit vertraut sind, dass man den Band einer solchen Reihe von Anfang an gut lesen kann, ohne sich erst einmal an neue Namen gewöhnen zu müssen.

    Warum das bei manchen AutorInnen besser klappt, als bei anderen, hängt, denke ich, davon ab, wie attraktiv/neugierig machend ProtagonistInnen und Setting gewählt wurden – (Piet Kluntje – Der sweigsame Austernfischer von Pellworm würde vermutlich nicht so gut funktionieren), und natürlich von der Beherrschung des Handwerks. Insofern unterscheiden sich erfolgreiche Serien da durchaus nicht von Einzelromanen.

  • So, da bin ich jetzt mit meiner Antwort, zwar etwas später als geplant, aber doch.


    Ulli, Du hast schon recht, an Fernsehserien hatte ich ursprünglich nicht gedacht. Aber wenn ich mir Eure Beiträge durchlese, dann denke ich sogar, dass man vieles, was bei Serien funktioniert, auf Romanreihen übertragen kann.

    Elisabeth George ist ein gutes Beispiel. Ich habe ihre Romane früher auch gelesen, allerdings sind mir ihre Hauptfiguren irgendwann so auf den Geist gegangen, dass ich die nicht mehr treffen wollte:). Ist schon eine Weile her, aber wenn ich mich richtig erinnere, dann haben die sich eben kein Stück weiterentwickelt, und das fand zumindest ich langweilig.


    Linda Castillo lese ich auch ganz gerne. Ich glaube, hier liegt die Faszination in dem Umfeld: Amishe leben für uns in einer anderen Welt. Man schaut in sie hinein, muss aber nicht selber nach den Regeln leben. Und ich finde, dass sie ihre Ermittlerin weiterentwickelt.


    Ein Autor, der keine Serien schreibt, der aber doch unglaublich oft gelesen wird, ist der nicht ganz umumstrittene Herr Fitzek. Ich habe mir ein paar seiner Bücher als Hörbücher angehört. Und ich muss zugeben, auch wenn ich seine dauernden Vorgriffe und die gnadenlos vielen Cliffs durchschaubar finde ... ich hab schon immer weiter hören wollen. Und wenn ich mal auf harmlose, aber spannende Unterhaltung kann, dann würde ich auch wieder auf seine Bücher zurückgreifen.

    Gerade bei Fitzek kann man gut sehen, dass da einer nicht gerade ein Meister der schönen Sprache ist. Aber er kann Spannung erzeugen. Das weiß man vorher, und deshalb kaufen die Leute seine Bücher, auch wenn sie dort nie demselben Personal begegnen. Sein Trick ist so einfach - und doch so effektiv: Cliffhanger, Cliffhanger, Cliffhanger. Und Vorgriffe ("hätte ich damals schon gewusst ... ich hätte alles ganz anders gemacht"),


    Etwas anders finde ich es bei Nesbö. Ich gebe zu, ich bin ein Nesbö-Junkie. Und das, obwohl auch seine Technik so durchschaubar ist: Der Täter hat es IMMER auf Harry Hole abgesehen. Und Hole gewinnt immer. Ab einem bestimmten Punkt hat er zwar in jeder Folge wieder keine Arme mehr, keine Beine mehr, keinen Kopf mehr (ein bisschen wie in dieser Szene aus den "Rittern der Kokosnuss"^^), aber er macht weiter. Er wird ins Koma geschossen ... Und im nächsten Roman ist er wieder da. Was es bei Nesbö ist, weiß ich gar nicht so genau. Spannung? Das Setting in Norwegen? Oder der gebrochene Charakter seines Ermittlers. Alkoholiker, mal trocken und endgültig fertig mit der Sucht, dann doch wieder rückfällig, mal stabil, mal komplett am Ende. Und natürlich trotz allem der beste Ermittler Oslos ...


    Und damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich will keinen dieser Autoren kopieren. Mich fasziniert nur, dass manche so unglaublich viel Erfolg haben und die Frage, warum sie ihn haben. Kann sein, dass das einfach irgendwann so eine Eigendynamik bekommt. Erfolg, dann immer offensivere Werbung durch die Verlage, dadurch noch mehr Erfolg. Aber die Autoren müssen ihr Niveau auch halten, sonst sind sie doch irgendwann vergessen. Oder besser: Sie müssen die Erwartungen IHRER Leser immer aufs Neue erfüllen.


    Ich stelle bei uns im deutschen Sprachraum oft so einen Neid auf die ganz Erfolgreichen fest. Je erfolgreicher, umso größer die Bemühungen, dem Autor nachzuweisen, dass er aus literarischer Sicht eine Niete ist.


    Aber mir geht es auch gar nicht ausschließlich mit den Serienautoren aus der "reinen" Unterhaltung so. Ich lese auch die Romane von Isabel Allende immer wieder gerne. Sie kann einfach gut erzählen. Und dann gibt es Autoren wie den Isländer Jon Kalman Stefansson, dessen Romane sich zwar nicht in Auflagenstärke wie die von Herrn Fitzek oder Herrn Nesbö verkaufen, aber doch immer noch gut. Und er schreibt im Gegenteil eher anspruchsvoll. Den lese ich weniger zur reinen Unterhaltung, sondern weil mir seine Sprache einfach richtig gut gefällt. Sonderlich handlungsgetrieben sind die Bücher nun wirklich nicht.


    Ich finde diese Art von Analysen immer interessant: Warum wirkt ein Autor bzw. wirken seine Texte, wie sie eben wirken. Was führt zum Erfolg?


    Und, Ulli: Ich wünschte, ich hätte das mal, dass ein Verlag gleich fragt, ob es auch bestimmt eine Trilogie wird:). Du hast es wirklich geschafft. Aber ich kann Deine Sorge auch nachvollziehen. Denn es kann ja wirklich vorkommen, dass Leser weiterziehen. Müssen sie aber nicht. Mein Tipp rein aus der Theorie: Bleib dem treu, was Deine Leser an Deinen Texten mögen, aber pass einfach auf, dass Du nicht anfängst, Dich selber zu kopieren. Dann solltest Du den Erfolg auch halten können. Ich wünsch Dir jedenfalls viel Glück dabei!