Tom im "Literaturcafé" über politische Korrektheit beim Schreiben und benachbarte Themen

  • Zitat

    (Und, bitte Manuela, hör auf damit, immer gleich "Gefällt mir" zu klicken, wenn ich zu diesem Thema einen Beitrag schreibe. Danke. ;) )


    Applaus von der falschen Seite?

    Kuck doch bitte mal, wer in diesem Thread die meisten Likes abgegeben hat. ;)

    Vielleicht sollten wir überlegen, diese dämlichen (schon wieder so eine Microaggression!) Likes abzuschaffen? Ich halte sie für überflüssig.


  • Vielleicht sollten wir überlegen, diese dämlichen (schon wieder so eine Microaggression!) Likes abzuschaffen? Ich halte sie für überflüssig.

    Genau! :dafuer

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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Nein, kein Applaus von der falschen Seite, sondern einfach ein bisschen albern. Außerdem: Es fraktioniert, es reduziert Inhalte auf das zustimmende Votum, gerade bei solchen Diskussionen. Bei Texten und Rezensionen ist es nicht schlecht, weil es simples, positives Feedback signalisiert, aber hier und in vergleichbaren Gesprächen ist es ein Spaltpilz. Ich finde, man kann sich das durchaus ein paar Worte kosten lassen, wenn man zustimmt. Dann kann man auch verdeutlichen, welchem Teil man zustimmt, denn die Beiträge sind ja meistens nicht eben kurz. ;)

  • Ich hoffe, hier lesen auch jene mit, die grundsätzlich alles liken, was sich negativ/kritisch mit deinem Artikel befasst. Und da ich großteils, ich betone: großteils mit deinen nachfolgenden Statements, die mir großteils schon eher als Verteidigungsreden erscheinen, einverstanden bin, erlaubte ich mir, dies likend auszudrücken. Es wird nicht mehr vorkommen.

  • Toms Text, den ich übrigens immer noch für brillant halte, greift einen ganzen Themenkomplex auf, der an dem Begriff Politische Korrektheit hängt. Auf die meisten Beobachtungen und Beispiele wird in dieser Diskussion aber gar eingegangen. Was ist mit den Mikroaggressionen und dem Sensitive Reading? Mit der übertriebenen Sicherheitsvorstellung? Mit der Erwartung, sich die Welt schön und passend zu schreiben? Mit der Diversität und dem damit zusammenhängenden Identitätsdenken? All das sind Themen, die angesprochen werden und über die man kontrovers diskutieren kann.


    Ich sehe bei den meisten Kritiken aber weniger eine Argumentation als eine Art Therapieversuch. So hätte er es nicht sagen sollen, der Ton ist nicht richtig usw. Es wird mehrmals behauptet, der Text sei zu lang und dann wird festgestellt, er beleuchte nicht alle Seiten. Ja was denn? Mein Eindruck ist, den meisten Kritikern passt die ganze Richtung nicht, und die Reaktionen, die der Text auslöst, zeigen ja, dass da ein wunder Punkt getroffen ist.


    Ich habe der Text auch deshalb gern gelesen, weil er erfrischend polemisch und provokant ist. Ja, ich mag gut geschriebene Polemiken und Provokationen. So wie ich auch kontroverse und dabei konstruktive Diskurse mag. Dieser Text ist keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern ein Statement, hier bezieht jemand eine klare Position und stellt sich auch der Kritik und der Diskussion.

  • Mit etwas Fassungslosigkeit nehme ich zur Kenntnis, dass Dieter Nuhr offensichtlich ein Musterbeispiel an politischer Unkorrektheit sein soll. Sprechen wir wirklich von dem gleichen Dieter Nuhr? Ich finde ihn immer noch sehr anregend und unterhaltsam, gerade weil er keine bestimmten Positionen bedient, sondern mit seiner Satire in alle Richtung zielt. Das hebt ihn wohltuend ab von dem schulmeisterlichen Belehrungskabarett, das inzwischen ja zum Standard geworden ist.


    Aber inzwischen wird ja selbst einem Ralf König vorgeworfen, seine Zeichnungen seien rassistisch. Hierzu muss ich leider Dieter Nuhr zitieren: Wie soll man das als Satiriker noch überbieten.

  • Ich lese die ganze Zeit mit und würde auch gerne noch antworten - bin aber leider in einem Zeitstrudel gefangen.


    Ich habe allerdings auch ganz stark das Gefühl, dass hier aneinander vorbei geschrieben wird und dass es mehr um persöhnliche Befindlichkeiten, als um Inhalte geht.


    Und es ist ein ganz, ganz großer Unterschied zwischen: "Das wird man doch noch sagen dürfen" und "Das ist so nicht politisch korrekt formuliert und muss geändert werden".


    Achtsamkeit anderen gegenüber im täglichen Leben ist das eine - aber wenn ich schreibe, dann will ich keine Zensur im Kopf haben.
    Ist ja schon albern, wie all die alten Kinderbücher umgeschrieben werden soll.

  • Toms Text, den ich übrigens immer noch für brillant halte, greift einen ganzen Themenkomplex auf, der an dem Begriff Politische Korrektheit hängt. Auf die meisten Beobachtungen und Beispiele wird in dieser Diskussion aber gar nicht eingegangen.

    Was ist mit den Mikroaggressionen und dem Sensitive Reading? Mit der übertriebenen Sicherheitsvorstellung? Mit der Erwartung, sich die Welt schön und passend zu schreiben? Mit der Diversität und dem damit zusammenhängenden Identitätsdenken? All das sind Themen, die angesprochen werden und über die man kontrovers diskutieren kann.

    So ist es. Aber es wundert mich nicht.


    Da ein einfaches "Like", wie ich sehe, hier offensichtlich als intellektuell ungenügend empfunden wird, stattdessen diese verbale Äußerung. Und weil zudem gefordert wurde, etwaiges Wohlgefallen an einem Beitrag auch zu begründen, erfolgt auch das:


    Ich weiß nicht, ob Tom erwartet hat, mit seinem Text eine bei aller möglichen und verständlichen Leidenschaft (die ja durchaus provoziert wird) trotzdem intellektuell redliche Diskussion zu entfachen. Ich jedenfalls war mir bereits beim Vorab-Probelesen sicher, dass die Wespen, in deren Nest der Text machtvoll hineinstößt, den Verfasser desselben verbal kreuzigen werden. Da viele der Thesen und Schlussfolgerungen Toms zum schleichenden Verlust von Gedanken-, Rede- und Schreibfreiheit nachgerade nicht widerlegbar sind, hängt man sich bei den Gegenreden an Begriffen auf (Kondom, Tyrannei etc.) und übt sich in Beschwichtigungsformeln ("Geht´s auch weniger dramatisch?" o. ä.)

    Eine faire kontroverse Diskussion (wie nicht nur von Siegfried vermisst) um die vielen hochsensiblen Punkte, die Tom anführt und erläutert, war nie zu erwarten. Nicht, wenn man den Geist kennt, von dem die WortführerInnen der meisten Protestsbeiträge beseelt sind.

  • Ich wollte etwas Ähnliches in einem längeren Beitrag formulieren. Ingrid, Du spielst herunter, was nach meinem Dafürhalten auch ein Beispiel für sehr deutliche und gewaltkonnotierte Tyrannei ist (und beispielsweise nicht nur "ein bisschen Wind" - ich stelle mir den umgekehrten Fall vor, dann wären die Medien längst aktiv), und versuchst nach meinem Dafürhalten, den oft wirklich hasserfüllten, kompromisslosen Widerstand gegen den von mir formulierten Standpunkt zu relativieren, es als Einzelfälle darzustellen, die es längst nicht mehr sind, aber in der Hauptsache geht's auch hier darum, vom Thema abzulenken. Heike, Du drehst beispielsweise den Vergleich - das Kondom steht nicht zuletzt für simple "Verhütung" - mit Deiner viriltoxischen Auslegung in eine Unterstellung gegen mich als Person, und Du behandelst mich wie ein Kind, das bei irgendwas erwischt wurde, aber die Untat trotzdem nicht gestehen und keine Hilfe annehmen will, etwa von Enno, der den Beitrag ja immerhin zweimal gelesen hat (nichts für ungut, Enno, und abermals danke für die ausführliche Beschäftigung mit dem Zeug). Oder von Dir selbst, die Du mit Deiner Art zu arbeiten aufzeigst, wie man extrem ungute Lebensauffassungen in seine Texte einbauen kann, ohne das zur Botschaft werden zu lassen, und wenn man irgendwie den Drang danach verspürt (so klingt der Hinweis), sich an solchen Themen abzuarbeiten, dann wäre das doch ein Weg. Dabei hat nichts davon mit irgendwas zu tun, das ich in meinem Beitrag gefordert habe. Das weißt Du sicher auch (schließlich hast Du ihn gelesen), und auch Ingrid weiß, dass bei Twitter nicht "überwiegend sachlich" reagiert wurde, sondern überwiegend auf ganz andere Weise. Aber, geschenkt, das ist Twitter, ein Medium, über das sich Leute, die keine Ahnung haben, gegenseitig recht geben. Wenn man da bedroht und beleidigt und diffamiert und verleumdet wird, dann ist das irgendwie okay. Trump darf da ja auch alles, und das ist der PUSA.


    Das steht ein wenig auch für die Strategie, die viele Protagonisten dieser Sichtweise fahren, und die, wie ich meine, und zu meinem großen Bedauern dazu führen, dass sich jemand, der die Ziele sogar teilt, aber die repressiven Methoden ablehnt, plötzlich in einer Opposition wiederfindet. Das spaltet die Gesellschaft an einer Stelle, an der kein Spalt nötig wäre, und es beflügelt die richtig Bösen am anderen Ende. Das macht mich mehr als nur ein bisschen wütend. Aber die Dozenten an den geisteswissenschaftlichen Fakultäten der westdeutschen Unis wird es total freuen.


    Aber was weiß ich schon. Ich bin als älterer weißer Mann ohnehin mitschuldig an allem, qua Geburt und ohne Rücksicht auf das individuelle Schicksal. Das ist ein hinnehmbarer Kollateralschaden auf dem Weg zu einer ganz sicher viel toleranteren, offneren, freieren und kreativeren Gesellschaft.


    Edit: Ich bin darauf hingewiesen worden, dass dieses Posting ein bisschen verbittert klingt. Das wäre eine Fehldeutung. ;)

  • Ja, Tom, so kann man's natürlich auch sehen. Wenn du dir den Schuh anziehen willst, als alter weißer Mann angeblich an allem schuld zu sein, mach das. Ich bin jetzt raus, habe keine Lust mehr, mich mit dem Text oder irgendwelchen Statements dazu zu beschäftigen.


    Den umgekehrten Fall – wenn es dir dabei um Frauen geht – gibt's übrigens immer schon.

  • Angeklungen ist es ja bereits vorher in manchen kritischen Beiträgen zu Toms Text, jetzt wird es ganz deutlich: In der Wolle gefärbte Feministinnen sehen durchaus auch den schleichenden Verlust an Gedanken-, Rede- und Schreibfreiheit, den nicht zuletzt sie (Arm in Arm mit den Protagonisten des ätzenden Genderwahns und nicht selten in Personalunion mit diesen) ausgelöst haben, denn sie sind ja nicht alle dumm. Genau deshalb ist ein ambitioniert-analytischer, streitbarer Aufsatz wie Toms im Literaturcafé für diese Leute so alarmierend, dass sie - natürlich unter peinlicher Vermeidung präziser Gegenrede zu den vorgebrachten Argumenten - wie ein vom Fuchs aufgescheuchter Hühnerhaufen herumgackern.

    Quod erat expectandum. :)

  • Ich habe dich nicht persönlich angegriffen, Tom. Ich habe etwas über deinen Artikel und über mich mitgeteilt und dagegen argumentiert, dass Schreiben mittlerweile einer Diktatur unterworfen ist. Dass Dieter Nuhr zur besten Sendezeit läuft, passt halt nicht in deine Argumentation.

    Aber die Argumente sind ausgetauscht.

    Ich bin jetzt auch raus.

  • Hallo, Heike.


    Du schrubst, dass Nuhr "immer noch" zur besten Sendezeit läuft (was m.E. so nicht ganz stimmt, aber den Wunsch andeutet, dass das bitte bald endet), worauf ich durchaus eingegangen bin, aber was die Sendezeit damit zu tun hat, dass der Mann für seine Programme angefeindet wird, ist mir nicht ganz klar. Und wenn die viriltoxische Ausdeutung des Verhütungsmittels - und diese Metaphorik war ja wohl naheliegend - kein Angriff auf mich oder mich als Vertreter eines Geschlechts war, sondern tatsächlich Deine Wahrnehmung dieses Gegenstands wiedergibt, der ja auch für nichtheterosexuellen Sex verwendet wird, dann bin ich, äh, überrascht.


    Als Austausch von Argumenten würde ich die letzten zwanzig Nachrichten nur begrenzt bezeichnen, aber, ja, vielleicht ist es besser, an dieser Stelle einfach aufzuhören, wenigstens vorläufig. :gimme5

  • Du sprichst von "Zeitalter der Übervorsichtigkeit", ich würde es eher "Das Zeitalter der unterschiedlichen Extreme" nennen. Nicht alle Eltern sind Helikoptereltern. Es ist eher so, dass auf der einen Seite die Helikoptereltern sind und auf der anderen die Kind-vor-dem-TV-Parker. Solange das Kind nicht schreit oder sich aufmerksamkeit bei den Eltern verschaffen will, ist für die alles gut.

    Und diese unterschiedlichen Extreme ziehen sich durch alle Gesellschaftsschichten und Themen. Sie machen natürlich auch nicht vor der schreibenden Kunst halt. Wie auch bei den Helikoptereltern gibt es auch hier unterschiedliche extreme Standpunkte und die daraus resultierenden Reizwörter/-themen. Da nehmen wir mal das Wort Neger.


    Du schriebst dazu:

    Und auch "Neger" ist kein objektiv rassistisches Wort, obwohl es überwiegend zu rassistischen Zwecken eingesetzt wird und meistens genau diese Konnotation hat. Rassist kann aber nur der Anwender des Begriffs sein. Nicht jeder Anwender des Begriff ist einer, vermutlich aber die meisten. Als genereller Indikator ist der Begriff jedoch ungeeignet. Ich hoffe, es wird klar, was ich damit meine.


    Neger ist ein rassistisches Wort. Es wurde zu Kolonialzeiten aus dem französischen übernommen und für die damaligen Deutschen bezeichnete es einen primitiven Schwarzen, der nur für Sklavenarbeit taugt. Wenn Du wahllos, selbst ohne eigene böse Absicht, Menschen mit schwarzer Hautfarbe mit "Neger" begrüsst, werden heftigen Reaktionen darauf folgen. Zurecht.


    Um jetzt wieder auf das "Zeitalter der unterschiedlichen Extreme" zurückzukommen. Das Wort "Neger" kann unterschiedlich in einem Text eingesetzt werden. Wie das Beispiel mit der Negerpuppe dieser Autorin. Allerdings kenne ich die genaue Textpassage nicht. So wie Du es dargestellt hast, wirkt es übertrieben. Aber vielleicht fühlte sich die Person trotzdem durch das Wort verletzt und hat überreagiert. Aber diese Überreaktion als Maßstab zu nehmen, um Wörter oder eine Kunstform pauschal zu rechtfertigen halte ich auch nicht für richtig. Es kommt auf den Kontext an und vielleicht ist es in unserer heutigen Zeit, in der die Rechtsextremen und Nationalisten immer mehr Oberwasser gewinnen, vielleicht einen Gegenpol aufzubauen und sich nicht von denen vereinnahmen lassen. Denen käme es sehr gelegen, wenn die schreibende Kunst keine Gesetze oder Grenzen mehr hat. Denn die schreibende Kunst hatte schon immer Grenzen.


    Es liegt nicht an 9/11 das es zu "Shitstorms" und extremen unterschiedlichen Ansichten kommt, sondern das Internet hat die Tür für alle Meinungen geöffnet. Ein "Shitstorm" für ein Buch war damals nur möglich, wenn die Zeitungen und das Fernsehen rund um die Uhr darüber berichteten. Heutzutage ist sowas durch die Sozialen Plattformen wie Facebook und Co ein Selbstläufer mit minimalen Aufwand.

  • Hallo, Christian.


    Meine etymologischen Auskünfte sind etwas anders, aber ich wollte auch darauf hinaus, dass es zwar eine Konnotation gibt, aber keine absolute Bedeutung. Ich habe das am Beispiel "Negerkuss" in einer späteren Nachricht präzisiert.


    9/11 habe ich nicht als Begründung für Shitstorms angeführt, sondern als Einleitung des Zeitalters der Übervorsichtigkeit. Und, ja, Verallgemeinerungen und modellhafte Vereinfachungen gelten nie für alle, das ist doch selbstverständlich. Nicht alle Eltern sind Helikoptereltern, nicht alle Männer sind Arschlöcher, nicht alle amerikanischen Studenten werden zum Lynchmob, wenn der Comedian auf der Bühne etwas politisch Unkorrektes sagt. Logisch. ;)

  • Achtsamkeit anderen gegenüber im täglichen Leben ist das eine - aber wenn ich schreibe, dann will ich keine Zensur im Kopf haben.
    Ist ja schon albern, wie all die alten Kinderbücher umgeschrieben werden soll.

    Was ist daran albern? Ich glaube z.B., dass es ganz im Sinn von Astrid Lindgren ist, dass Pippis Vater nicht mehr als "Negerkönig" sondern als "Südseekönig" betitelt wird. Denn Lindgren war nach meinem Eindruck ein Mensch, der sich unheimlich viele Gedanken über die Menschen um sich gemacht hat und den Kindern in ihren Büchern eine Stimme gegeben hat. Aber ich denke nicht, dass sie bewusst altes Kolonialdenken weiterleben lassen wollte.
    Und tatsächlich fühle ich mich als Mutter besser, wenn ich mit meinen Kindern von dem "Südseekönig" rede und nicht altes Kolonialdenken in ihren Köpfen mit anderen Begrifflichkeiten verankere.

    Ich sage es in diesem Zusammenhang noch einmal: Sprache ist Macht. Und gerade in Kinder- und Jugendbüchern finde ich es wichtig, wenn Autoren ihre eigene Sprache hinterfragen und auch ihre Figurenzeichnungen. Denn Kinder haben noch kein vollständig ausgeprägtes Moralsystem, sie suchen sich Vorbilder (auch aus Büchern) und bilden sich ihre Welt auch mit Hilfe der Welt, in der ihre Buchfiguren leben.

    In den Zusammenhang, was die Welten betrifft, die Kindern in Kinderbüchern vorgestellt werden, fand ich diesen Artikel der Süddeutschen Zeitung über "Gendern im Kinderbuch" sehr spannend:


    https://projekte.sueddeutsche.…sYBt6iNtr_DZebTz8ldZ5Y_-0

    Und da komme ich wieder zu Astrid Lindgren, die beispielsweise mit "Ronja Räubertochter" weiter war als viele der rosa-blauen Bücher heute. ;)

    Sorry Tom, dass ich hier von Deinem Artikel abgelenkt habe (wobei, ich streife ein Unterthema, glaube ich zumindest :D), aber seit Ennos letztem Posting (das schon ein klitzekleines bisschen provokant war ;)) habe ich den Eindruck, dass sich in der Diskussion zwei Lager gebildet haben, bzw. es klingt eher so, als gäbe es die bei euch schon länger, und ihr leider wirklich nicht mehr richtig aufeinander eingeht.

    @Sigfried ich finde sehr wohl, dass gerade in den kritischen Rückmeldungen sehr differenziert auf Toms Text eingegangen wurde. Ist halt immer so die Frage, ob man die Gegenargumente auch hören bzw. lesen will.


    @H.Dieter Deinen Kommentar zu "in der wolle gefärbte Feministinnen ... wie ein vom Fuchs aufgescheuchter Hühnerhaufen herumgackern" verstehe ich nicht. Willst Du Ingrid und Heike damit angreifen? Wenn ja, warum? Meine einzige Erklärung, die sich mir aus dem, was Du geschrieben hast, erschließt, wäre, dass Du das tust, weil Du Toms Text vorab gelesen hast. Aber das kann es ja nicht sein. Insofern ernsthaft meine Frage, warum Du in Deinem zweiten Posting persönlich angreifst? Oder verstehe ich Dich falsch?
    Denn, wie gesagt, wurden nach meinem Eindruck sehr wohl die kritischen Rückmeldungen begründet.


    Christian naja, Extreme vielleicht. Aber es gibt schon ein paar mehr Elternverhaltensweisen als "Helikoptern" und "Vor-dem-TV-parken" und es gibt sowieso nur ganz selten diese Reinformen. Eltern sind auch nur Menschen wie Du und ich. :P
    Ich weiß nicht, ob wir in dieser Diskussion weiterkommen, wenn wir alle unsere Klischees herauskramen um unsere Standpunkte zu begründen. Ist unser Zeitalter wirklich extremer als andere?


    Wozu wurde der Text denn hier noch einmal verlinkt? Ging es um eine kritische Auseinandersetzung und einen Austausch oder nur um Kenntnisnahme? Ich finde es schade, dass die Diskussion so aus dem Ruder gelaufen ist und jetzt alle aussteigen, weil jeder jedem unterstellt, dass der andere ihn/sie ja sowieso missverstehen will. Statt dass jeder sich Gedanken über die Argumente des anderen macht und darauf eingeht.
    Aber vielleicht ist das zu viel verlangt in einem online Forum.

    Cheers,


    Heidrun


    P.S.: Ich mag den Likebutton :D

  • Astrid Lindgren hat in ihren Büchern nicht nur den Vater der Pippilotta "Negerkönig" genannt, sondern auch die Sprache auf Taka-Tuka-Land "Negersprache" (das Wort "Zigeuner" kommt ebenfalls das eine ums andere Mal in ihren Büchern vor, aber nicht mehr in aktuellen Fassungen). Wenn es, wie Christian ausführt, zu jeder Zeit und in jeder Verwendung eine rassistische Konnotation des Begriffs gab, dann war Frau Lindgren, eine der wichtigsten Kinderbuchautoren der letzten paar hundert Jahre und nicht nur nebenbei Vorkämpferin für die Egalisierung von Geschlechtervorurteilen, wohl eine Rassistin. :achsel Daran würde man auch nichts ändern, wenn man die Begriffe - wie das der Oettinger-Verlag in Abstimmung mit den Erben schon vor Jahren getan hat - durch "Südsee" (Ist das nicht auch irgendwie abwertend? Süden ist unten, Norden ist oben, sowas?) ersetzt. Man wird dann auch nicht verhindern, dass sich "postkolonialistisches Denken in den Köpfen der Kinder verankert", die das lesen oder vorgelesen bekommen, denn dieses Denken fokussiert sich ja wohl nicht nur in einzelnen Begriffen (vorausgesetzt, die Rassismus-Annahme ist richtig). Unabhängig davon würde man auch nicht verhindern, dass im Plattenbau in Jena-Paradies er zu ihr beim Zigarettenfrühstück sagt, während er sich am Schließmuskeltattoo kratzt: "Du, auf Aldi arbeitet jetzt auch ein Neger." Viele Menschen - nicht nur bildungsferne - reagieren auf offenkundige Andersartigkeit, und nicht immer in der allseits gewünschten Weise. Einen ähnlichen Dialog könnte es auch an der Hamburger Elbchaussee geben, während er mit der/dem Geliebten whatsappt und sie mit ihreX Reitlehrer*in. Nur ohne Aldi, sondern vielleicht mit Butter Lindner. Ich bezweifle sehr, dass die Ächtung von Begriffen dafür sorgt, dass Ismen und Phobien zurückgedrängt werden. Oder dass die Ächtung von Leuten, die irgendwelche Begriffe verwenden (es müssen nicht einmal so plakative wie dieser sein), dazu führt, dass die Welt besser wird. Ich mutmaße das Gegenteil. (Aber wenn eine Gruppe wünscht, auf eine bestimmte Weise nicht mehr bezeichnet zu werden, dann bricht man sich auch nichts ab, wenn man diesem Wunsch folgt. Keine Frage.)


    Auf der Pippi-Langstrumpf-Fansite "Efraimstochter" erklärt die Betreiberin, dass der Begriff "Neger" zur Zeit von Frau Lindgren - also in den Vierzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts - "kein bisschen negativ belastet" war, sondern in aller Unschuld eben für Menschen mit afrikanischen Wurzeln verwendet wurde. Sie ist mit diesem Standpunkt nicht ganz allein, aber ich fürchte, sie hat da einen nicht ganz unwesentlichen Aspekt ignoriert. ;) Ich muss das jetzt nicht weiter ausführen. Ich finde es falsch, Kunst dem Zeitgeist anzupassen (selbst wenn die Gruppe das wünscht - hier wäre dann Feierabend), ganz gleich aus welchen Gründen. Und selbst wenn die Erben zugestimmt haben. Wenn man der Meinung ist, dass der Wortgebrauch schädlich ist, dann muss man auf die Lektüre verzichten. Denn, wer weiß?, möglicherweise ist das ja längst noch nicht das Ende der Fahnenstange. Ich stelle mir vor, irgendwelche Isten kommen auf die Idee, dass die Farbe Rot geschlechterdiskriminierende Aspekte hat (dafür kann man durchaus argumentieren, das ist nicht einmal schwer). Das wird ein Spaß in den Museen und Galerien, im Straßenverkehr, in Krankenhäusern, in Gärten und an vielen anderen Orten. Aber angesichts der Mittel und Wege derjenigen, die unsere Welt um jeden Preis in eine in ihrem Sinn bessere verwandeln wollten, halte ich selbst diese Idee für nicht völlig abwegig.


    Haben wir Fronten? Ja, haben wir. Ingrid und Heike sind, glaube ich, durchaus der Meinung, dass die, die ich in meinem Beitrag für ihr Verhalten (!) kritisiere, auf dem richtigen Weg sind. Ingrid versucht es ein wenig mit Verniedlichung, Heike bietet Hilfe an, aber eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Dingen, über die ich geschrieben habe, findet eher nicht statt. Wo sollte die auch hinführen? Und es ist ja legitim, diesen Standpunkt zu vertreten. Man könnte jetzt über Fairness und offene Visiere diskutieren, aber auch das muss nicht sein. Wenn wir weiter ein Autorenforum bzw. Autorenverein sein möchten, das/der keine politischen Ziele verfolgt, dann müssen Fronten ausgehalten werden, solange man bei der Sache bleibt. Das ist aber gelegentlich scheißschwer. Die komplett diametrale Meinung zu ertragen, möglicherweise auch noch nicht ganz unfundiert vorgetragen, da juckt es mich natürlich auch in den Fingern. Ich habe das im Beitrag angedeutet - das Montségur-Forum habe ich verlassen, um eine entsprechende Eskalation zu verhindern.


    Womit wir bei einem sehr, sehr wichtigen Punkt ankommen. Auch wenn hier und da versucht wird, die Vorgänge kleinzureden, sind sie weder klein, noch unbedrohlich. Das Gegenteil ist meiner Meinung nach der Fall. Der Schritt, den ich aus dem eigentlich harmlosen Autorenforum gemacht habe, wird derzeit sehr oft und an vielen Stellen vollzogen. Künstler ziehen sich aus Foren und aus den "sozialen" Medien vollständig zurück, um dem Klima der Diffamierung, Beschnüffelung und Denunziation zu entkommen. Wir Menschen sind nicht nur zu Zeiten von faschistischen oder kommunistischen Diktaturen gut damit, andere anzuscheißen; meiner Meinung nach ist das systemimmanent (und das System heißt "Mensch"). Wir mögen es, selbstgerecht zu sein und den Hilfssheriff heraushängen zu lassen, andere zurechtzuweisen und dafür zu sorgen, dass sie für ihr Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden. Wir brauchen nur irgendeinen Anlass. Die derzeitigen Umtriebe zur Durchsetzung der politischen Korrektheit und der Diktatur der Achtsamkeit bieten da ein umfangreiches Arsenal. Siegfried hat es weiter oben angedeutet, und ich habe gestern mit einem Comiczeichner korrespondiert, der mich außerdem über die erschütternden Entwicklungen in der Szene informiert hat, und dieser Zeichner hat mir noch ein paar Hintergründe vermittelt. Nicht zu glauben, dass es Rassismusvorwürfe gegen Ralf König gibt, der ganz maßgeblichen Anteil daran hat, wie sich der Umgang mit Homosexuellen in Deutschland in positiver Weise entwickelt hat, und nicht nur in Deutschland. Mit Verlaub, aber nicht eben geringe Zweifel am Geisteszustand derjenigen, die mit solchen Vorwürfen kommen, sind die Mindestreaktion auf so etwas. Und das ist auch - leider - wieder nur ein Fitzelchen Eis von ganz oben, an der Spitze des Gebirges. Wir sind in einer Entwicklung, die, wenn sie ungebremst so weiterläuft, in das Gegenteil einer rosigen Zukunft führt.

  • Womit wir bei einem sehr, sehr wichtigen Punkt ankommen. Auch wenn hier und da versucht wird, die Vorgänge kleinzureden, sind sie weder klein, noch unbedrohlich. Das Gegenteil ist meiner Meinung nach der Fall. Der Schritt, den ich aus dem eigentlich harmlosen Autorenforum gemacht habe, wird derzeit sehr oft und an vielen Stellen vollzogen. Künstler ziehen sich aus Foren und aus den "sozialen" Medien vollständig zurück, um dem Klima der Diffamierung, Beschnüffelung und Denunziation zu entkommen. Wir Menschen sind nicht nur zu Zeiten von faschistischen oder kommunistischen Diktaturen gut damit, andere anzuscheißen; meiner Meinung nach ist das systemimmanent (und das System heißt "Mensch").

    Es lebt sich übrigens sehr gut damit. Wie man sich ohne Not einem Twitter oder Facebook aktiv ausliefern kann - Foren bis zu einem bestimmten Maß auch - ist mir ein Rätsel. Es ist unnötig wie ein Kropf. Und vor allen Dingen öffnet man freiwillig Leuten seine Tür, die eigentlich Eintritt zahlen müßten, damit man sie in seiner Bude erträgt.

  • Wenn man die Begriffe in den Kinderbücher so lässt, wie sie sind (oder eben waren), kannman diese Worte als Möglichkeit sehen, mit seinem Kind eine Diskussion zu führen.
    Man könnte sagen: Damals war das gebräuchlich, heute ist es das nicht mehr, weil ... mE ein sehr guter Einstieg, um gewisse Dinge anzusprechen und auch Position zu beziehen.
    Rassismus hört nicht auf, weil man gewisse Wörter verbietet.

  • @Uve: Ja. Bei Twitter werde ich mich in der kommenden Woche abmelden. Ich habe das nie wirklich genutzt und war nur jetzt ein wenig darin unterwegs, als mich Wolfgang Tischer auf die Diskussionen dort aufmerksam gemacht hat, aber das ist nicht geeignet, das eigene Leben oder das von irgendwem sonst zu verbessern. Wie ich oben schrieb. Ein Medium für Leute, die keine Ahnung haben, und sich gegenseitig recht geben. Gut für Beleidigungen und fadenscheinige Solidarität, aber ungeeignet für alles andere.