Tom im "Literaturcafé" über politische Korrektheit beim Schreiben und benachbarte Themen

  • Hallo Enno und hallo 42er,

    ich bin ziemlich froh darüber, dass du dich hier kritisch mit Toms Artikel befasst hast. So ensteht nicht der Eindruck des einmütigen Beifallklatschens in diesem Forum.

    Ich stehe den 42ern mittlerweile recht distanziert gegenüber, u.a. weil ein so kontroverser, provozierender Artikel, der so viel Aufmerksamkeit im Netz bekommen hat und von einem wichtigen 42er-Vereinsmitglied stammt, hier praktisch nicht mehr diskutiert wird. Das liegt nicht unbedingt daran, dass alle den Artikel so notwendig und sogar brillant finden. Ich glaube vielmehr, dass manche, so wie ich, es ziemlich leid sind, sich zu bestimmten Themen noch zu äußern. Ich bin da eine Minderheit, damit kann ich leben, aber eine Diskussion erscheint mir nicht mehr erstrebenswert, und das ist keine so gute Entwicklung, denke ich. Ich wurde schon sehr unsachlich angegriffen und habe nur sehr begrenzt Lust darauf, mich wieder kloppen zu lassen.


    Hallo Tom,

    es ist inhaltlich alles gesagt zu deinem Artikel. Viele Argumente gingen hin und her, ich hatte nicht den Eindruck, dass dich etwas nachdenklich gemacht hat. Aber d kann ich mich täuschen. Ich möchte nur einen Punkt von Enno noch aufgreifen, weil er mich persönlich beschäftigt. Ich halte Angst für sehr wichtig beim Schreiben. Angst, daneben zu liegen, schlecht zu erzählen, Angst, dass nicht das rüberkommt, was ich eigentlich ausdrücken möchte, Angst, zu langweilen oder mit Klischees hausieren zu gehen, und ja, auch die Angst, jemanden zu verletzen oder zu empören, den oder die ich nicht verletzen oder empören möchte. Zum Beispiel meine eigene Familie. Ein weiteres Beispiel: In meinem neuen Projekt spielt eine israelische Familie eine Rolle, deren Angehörige in der Shoa ermordet wurden. Warum in aller Welt sollte ich keine Angst beim Schreiben haben? Und natürlich werde ich gegenlesen lassen, ob das so geht, wie ich es umzusetzen versuche. Und warum sollte ich zum Beispiel bei einer dunkelhäutigen Person nicht ebenso respektvoll herangehen, ich kenne doch die Geschichte von Sklaverei und Rassismus, das habe ich doch immer im Kopf, ich muss es mir nicht herholen, weil irgendwer mir eine Schere im Kopf verpasst hat. Für den eigenen Kopf ist immer noch jede und jeder selbst verantwortlich. Ich bin nur durch die aktuellen Diskussionen sensibler geworden und werde und kann dieses Rad nicht mehr zurückdrehen, und ich halte das nicht für eine Einschränkung, sondern für eine Weiterentwicklung meiner Kreativität. Kreativ heißt ja nicht, wie ein Kleinkind alles herauszuplappern, was so in den Sinn kommt. Will ich angstfrei schreiben, werde ich es selbstgefällig tun, DAS ist für mich häufig der Tod der Kunst, die Eitelkeit und die Gewissheit, es genau richtig zu machen und vollkommen im Recht zu sein.

    Ich glaube auch, Tom, dass du die Welle der Zustimmung ein wenig überschätzt, auch wenn deine Meinung (ich würde sagen leider) eine Mehrheitsmeinung ist, sozusagen Mainstream. Auf Twitter gab es etliche kritische Aussagen, teils von sehr klugen Menschen, die den Artikel aber nicht verlinkt haben, weil sie ihm nicht noch mehr Relevanz und Reichweite verschaffen wollten, hier nur ein kleines Beispiel: https://twitter.com/schriftart/status/1161602082593546240


    Jetzt gehe ich zurück an meinen Schreibtisch.

    Grüße an euch alle, Heike.

  • Hallo, Heike.


    Es gibt bei den Reaktionen sehr viele Überschneidungen. Eine bestimme Person versucht sich an vielen Stellen als Multiplikator, vor allem bei Twitter. Eine Multiplikation der Reaktionen erzeugt sehr schnell den Eindruck, es gäbe eine bestimmte Form von Resonanz sehr massiert.


    Zu Deinen Anmerkungen: Es geht doch nicht darum, jede Sensibilität, die Du Angst nennst, über Bord zu werfen, um, koste es, was es wolle, den geilstmöglichen Text (Song, Film, Theaterplot) rauszuhauen. Andererseits bin ich auch immer wieder irritiert, wenn die ganze Erblast der widerwärtigen menschlichen Geschichte in Gruppen fokussiert wird, die sich oder deren vermeintliche Mitglieder so überhaupt nicht sehen. Wenn Du bei einer dunkelhäutigen Person grundsätzlich respektvoll(er) herangehst, weil es die Geschichte von Rassismus und Sklaverei gibt, dann lädst Du nicht nur dieses Erbe auf die Schultern Deiner Figur, sondern führst eine Vorbewertung durch, die es Dir schlimmstenfalls unmöglich macht, das zu erzählen, was Du eigentlich erzählen willst. Es gibt im aktuellen amerikanischen Unterhaltungsfernsehen viele Beispiele von Serien, die ganz offenkundig darunter leiden, übervorsichtig mit Figuren zu hantieren, die unter dem Aspekt hineingeschrieben oder -gecastet wurden, die Vielfalt der Gesellschaft abzubilden, die dann aber in der realen Umsetzung wie in Watte gepackt durch die Kulissen taumeln, weil man ihnen nichts zumuten oder gar antun will. An irgendwas schuld darf dieses Personal auf keinen Fall sein. Das ist aus Sicht der Dramaturgie sehr schwierig, denn schlechte und gute Menschen sind, glaube ich, über alle gesellschaftlichen Gruppen hinweg gleichverteilt (außer bei Serienmördern, das sind tatsächlich fast immer weiße Männer).


    Und damit will ich nun wirklich nicht darauf, den latenten Rassismus wegzuwischen, den immer noch existierenden Antisemitismus, die Misogynie oder sonstige Ungleichbehandlungen, Kategorisierungen, vorurteilsbasierten Verhaltensweisen usw. usf. Im täglichen Erleben sind viele Menschen aus solchen und individuelleren Gründen damit konfrontiert, schlecht behandelt zu werden, weniger Chancen zu haben, aber der Versuch, das immerzu mitzudenken, obwohl man doch nur von einer bestimmten, in der Autorenphantasie konkreten Romanfigur erzählen will, endet zwangsläufig im Nirgendwo. Andererseits wertet das auch niemanden per se auf, dieses Schicksal.


    Meine Mutter hat mir immer wieder erzählt, ich hätte väterlicherseits kurdische Vorfahren. Ich dachte eine ganze Weile, das wäre eine körperliche Eigenschaft, irgendwas wie rote Haare oder eine zweite Milz, bis ich dann mehr erfahren habe. Ich habe mich anschließend ein bisschen mit der Geschichte der Kurden befasst, aber von einer gewissen Empathie abgesehen, die man angesichts der Schicksale einfach empfindet, gab es keine große Identifikation. Nun sieht man ethnische Verwandtschaft, die ein paar Generationen zurückliegt, auch nicht jedem an, aber selbst wenn, wäre und ist mir doch meine eigene Geschichte wichtiger als diejenige einer Gruppe, mit der ich angeblich irgendwelche Verbindungen habe (was vermutlich für Dutzende weiterer Gruppen auch gilt). Wenn jemand daherkäme und mich dazu befragen würde, was ich als jemand, der kurdische Vorfahren hat, zur aktuellen Situation in der Türkei zu sagen hat, würde ich dieser Person den Vogel zeigen. Als Tom Liehr hätte ich eine Meinung zu diesem Thema, aber das hat nichts mit der Geschichte meiner Familie zu tun.


    Dieser Aspekt betrifft das Erbe, von dem Du gesprochen hast. Ein anderer ist die gesellschaftliche Situation im Jetzt. Aber auch da hätte bei mir immer Priorität, das individuelle Schicksal abzubilden, statt der Gruppenidentität. Die oft auch nur daherbehauptet ist. Nicht jeder fühlt sich einer Community zugehörig, obwohl die Community das umgekehrt gerne so hätte. Nicht jedem ist das Merkmal, das ihn einer Community zuordnen würde, so wichtig wie denjenigen, denen diese Communities so wichtig sind. Wenn man in diesen Schubladen erst einmal feststeckt, kommt man nicht mehr heraus.


    Was Du am Anfang Deiner Anmerkungen schreibst, hat mich sehr bestürzt. Ist das wirklich so? Das wäre eine fatale Entwicklung. :(

  • Hallo Tom,


    danke für die Mühe, diesen Beitrag verfasst und im Literaturcafé veröffentlicht zu haben.

    Dessen Inhalt, mit dem ich zum überwiegenden Teil übereinstimme, will ich hier nicht weiter kommentieren. Umso mehr beschäftigen mich aber die Reaktionen auf den Artikel, insbesondere dort, wo er Widerspruch hervorruft.


    Bereits die Tatsache, dass gerade jene hypersensiblen Wächter über das geschriebene Wort, die mit ihrem Tunnelblick das Universum permanent auf tatsächliche oder vermeintliche Mikroaggressionen absuchen, selbst jedoch mal hämisch, mal mit offener Feindseligkeit ohne jede Empathie, und ohne einen Funken Sensibilität verbal auf all die eindreschen, die ihnen nicht mindestens zu hundert Prozent beipflichten, irritiert. Mehrmals tauchen in den Kommentaren auch Worte wie „widerlich“ und „ekelhaft“ auf, und eine Person „konnte gar nicht so viel kotzen, wie sie lesen musste“. Nun wüsste ich beim besten Willen nicht zu sagen, was an dem Artikel ekelhaft und widerlich sein sollte. Womit ich in meiner Naivität und Unschuld in deren Augen jetzt vermutlich auch zu einem Rassisten, Sexisten und AFDler geworden bin, als die sie all jene diffamieren, die die genannte 100-Prozent-Quote nicht schaffen.

    Merke: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Aber offensichtlich gilt das nicht für alle.

    Auch die von mir als solche wahrgenommene Abwesenheit etlicher jener Dauerempörten in den Medien, in Blogs und Foren ist auffällig, sobald es dort um strukturelle Gewalt, Gewalt schlechthin sowie Diskriminierung außerhalb ihres Wahrnehmungsrahmens geht. Warum melden sie sich nicht mit der gleichen Vehemenz bei Themen wie sexuellem Missbrauch und Kindesmisshandlung zu Wort? Und was ist mit den unzähligen Mobbingopfern innerhalb der sogenannten Mehrheitsgesellschaft, was mit den Verarmten, den Aussortierten oder auf andere Weise an den Rand der Gesellschaft Gedrängten? Ist deren Leiden von geringerer Wichtigkeit oder gar irrelevant? Liegt es vielleicht daran, dass in diesen Fällen das ansonsten omnipräsente Feindbild eben jenes Popanzes „Mehrheitsgesellschaft“ nicht anwendbar ist und man sich stattdessen auf eine mühsame Ursachenforschung einlassen müsste? Denn das ist ja das Schöne an Feindbildern: Sie passen in jede Hosentasche, kann sie also überallhin mitnehmen, und sie erklären auf leicht verständliche Weise jede Fehlfunktion des Universums inklusive des Verweises auf den jeweiligen Schuldigen.

    Aber okay. Hab’s schon kapiert. Alle sind gleich. Aber manche sind halt gleicher. Auch in ihrem Leiden.


    Wenn ich Diskussionen über stark polarisierende Themen verfolge, stelle ich mir immer wieder die Frage, woher der Glaube mancher Menschen an ihre eigene Unfehlbarkeit kommt, woher sie die Sicherheit nehmen, immer und überall recht zu haben oder, einfacher formuliert: die Guten zu sein. Aber wer recht hat, muss es sich ja von irgendwoher genommen haben. Also: wer entscheidet, was edel, hilfreich und gut ist und was verachtenswert? Und an welcher Stelle exakt das Verachtenswerte beginnt? Wer folglich ein Rassist ist und wer nicht? Nur als Beispiel. Und womit die Rechthaber ihre Anmaßung begründen, dies bis in den alltäglichen Sprachgebrauch hinein ausformulieren zu dürfen und festzulegen, welche Wörter „rein“ und welche „unrein“ seien?


    Jeder hat seine eigene, ganz persönliche Perspektive auf die Wahrheit, aber jene bereits mit der Wahrheit selbst gleichzusetzen, ist fatal und tötet am Ende jede Debatte. Andersherum ist der ernsthafte Versuch, die Perspektive anderer Menschen einzunehmen oder sich zumindest mit deren Perspektiven auseinanderzusetzen der einzige Weg, um zuletzt, vielleicht, hoffentlich, endlich auch Rassismus, Sexismus, Ableismus und andere diskriminierende Denkmuster aufzulösen, zu denen auch die reflexhafte Vorverurteilung Andersdenkender zählt. Das ist ein mühseliger und langwieriger Prozess. Aber anders geht es nicht.

    Deshalb: eine größere Achtsamkeit, ja, selbstverständlich. Mehr Diversität in Romanen, ja, wenn es die Geschichte hergibt. Aber nicht mit der Brechstange, nicht anhand quotenähnlicher Checklisten, nicht mit erzwungenen neuen Sprachregelungen, mit Eklats und der Androhung von Klagen, nicht über den Versuch der Bevormundung oder gar Einschüchterung von Autorinnen und Autoren ... nicht vermittels neuer Stigmatisierungen und Diskriminierungen anstelle der alten.

    Auch das irritiert, dass die Hardcore-PCler nicht bemerken, wie sie mit ihrem Dogmatismus und ihrer Intransigenz den Rechten den Weg ebnen. Denn das Einzige, was dieser moralisch begründete Rigorismus hervorbringt, ist die stetige Verstärkung eines bereits jetzt beängstigende Ausmaße annehmenden gesellschaftlichen Rollbacks.

    Aber um Argumente geht es diesen Menschen ja schon längst nicht mehr, ist es ihnen vermutlich auch nie gegangen.


    Dennoch ist es wichtig, diese kontroversen Diskussionen zu führen, immer und immer wieder, so frustrierend es auch sein mag. Schon allein, um die Nachdenklichen, die Abwägenden zu erreichen, die nach meiner Beobachtung weit zahlreicher sind, als ihre Zurückhaltung vermuten lässt, und ohne deren Hilfe der von mir als unabdingbar empfundene Prozess einer fortwährenden Überprüfung der eigenen Position schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, und, ebenso wichtig, um nicht den Dialog mit jenen um politische Korrektheit Bemühten abreißen zu lassen, die diesen Dialog auf der Basis von Argumenten zu führen bereit sind.


    Nochmals danke, Tom, für diesen wichtigen und notwendigen Artikel.

  • Ich schiebe keinen neuen Aufsatz hinterher, sondern schließe mich allem an, was Heike geschrieben hat. Auch ihrem ersten Absatz. Danke, Heike! Du sprichst aus, worüber ich nachdenke.


    Ich sehe bei Twitter übrigens negatives Feedback zu deinem Artikel, Tom, aber weder einen Sitstorm noch eine Person, die sich als Multiplikator für negative Kommentare betätigt. Obwohl es meine Filterblase durchaus hergeben würde.

  • Ingrid, es gibt eine(n) Guddy, der/die sich enorm bemüht. Und, ja, bei Twitter sind die Reaktionen überwiegend sehr negativ - verbunden auch noch mit einem kleinen Shitstorm, weil mir die oben erwähnte Frau unterstellt, ich hätte bei ihr abgeschrieben. Inzwischen hat sie das zwar relativiert und fühlt sich nur noch als Quelle missachtet, aber wenn so eine Anschuldigung - gerade bei einem solchen Thema - erst einmal im Raum steht, ist die Dynamik kaum noch zu bremsen. Hätte ich umgekehrt diesen Link (und Dutzende andere) von Wolfgang Tischer setzen lassen, wäre das wahrscheinlich als direkter Angriff auf die Autoren interpretiert worden.


    Ich wäre sehr begeistert darüber, wenn wir das Thema auch hier kontrovers diskutieren könnten, aber es ist eben auch ein sehr emotionales, bei dem man sich also besonders bemühen muss, den Standpunkt nicht in eine persönliche Verletzung münden zu lassen. Habe ich das getan? ?!?

  • Wow, Tom outet sich als Nazi und kloportiert ä kolportiert rechte Propaganda.

    Heidenei, ich glaube, ich bin zu alt für diesen Mist, sehe das wie Jürgen, die abstrusen Überreaktionen spielen den "wirklich" Rechten in die Hände.

    Einige Stellen des Pamphlets haben mich ja auch zucken lassen, zum Beispiel das gleich zweimalige Bemühen "der Statistik". Oder, wie hier auch schon erwähnt, der Angstabsatz, wobei ich auch Tom verstehe, der die Angst ja nicht generalisiert verstanden haben möchte, sondern spezifisch hinsichtlich vermeintlich neuerlicher "Moralinstanzen", die ja auch prompt ihr Stelldichein zwitschern (bin ich froh, dass ich bei diesem Affenkanal nicht dabei bin)

    Ja, und viel ist verkürzt und doch alles zu lang, weil zu viel gewollt wird.


    Grüße

  • Hallo Tom,


    nach Deinen Reaktionen auf jede kritische Äußerung in diesem Thread zu Deinem Artikel entsteht bei mir der Eindruck, dass Heike recht hat, wenn sie sagt, dass es hier nicht um den Anstoß einer kritischen Diskussion geht.


    Wenn ich mir z.B. Ennos Beitrag ansehe, dann denke ich mir: "Wow! Dieser Beitrag ist ein Geschenk!"
    Weißt Du warum? Enno hat sich die Mühe gemacht Deinen Artikel mehrmals zu lesen und gibt Dir einige interessante Hinweise zur Textstruktur, noch nicht einmal zum Inhalt, sondern zur Form. Ich bin froh, wenn ich kritisches Feedback zu meinen Texten erhalte, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sich immer lohnt über die Kritik nachzudenken, wenn man seine Sprache verfeinern und sich letztlich verbessern will. Auch wenn das nicht immer bequem ist.

    In Deiner Antwort zu Enno lese ich leider nicht heraus, dass Du Dir die Mühe gemacht hättest einmal kurz durchzuschnaufen und über das, was er Dir geschrieben hat, nachzudenken, zu versuchen, Deinen eigenen Text mit fremden Augen zu sehen und zu überlegen, wie Du ihn verbessern könntest, damit das, was Du eigentlich sagen wolltest, auch ankommt.
    (Aber vielleicht wäre das für Dich ja schon die so gefürchtete "Zensur"? Die Schere im Kopf?)

    Stattdessen liest sich Deine Antwort für mich wie ein Rundumschlag, ein Versuch jeden Kritikpunkt bis ins kleinste zu zerpflücken, um ihn ungültig zu machen. Und das finde ich schade, denn es lässt keinen Raum zum Austausch.

    So, jetzt zu Deinem Artikel. Ich stimme mit Nifl und Enno überein, er ist viel, viel zu lang. Viel zu viele Worte für zu wenig Inhalt. Er wirkt auf mich als wäre er in einem Rutsch geschrieben und anschließend nicht mehr überarbeitet worden. Gerade vor dem Hintergrund finde ich es bemerkenswert, dass Enno sich die Mühe gemacht hat in 2x zu lesen!

    Und dann komme ich zu meinem Hauptkritikpunkt: Das letzte Mal, als mir die Diskussion um künstlerische Freiheit erheblich aufgestoßen ist, war zur Preisverleihung des Echos letztes Jahr. Im Zuge dieser Diskussion habe ich begonnen mich mit Battlerap auseinanderzusetzen und erschreckt festgestellt, wie dort 51 % der Menschen in unserer Gesellschaft zu Dingen degradiert werden.
    (ja, ja, immer diese "Emanzen", die keinen Spaß verstehen und sich gleich angegriffen fühlen ...)

    Sprache schafft Realität. Kunstfreiheit ist keine Narrenfreiheit, sondern eine ernst zu nehmende Verantwortung. Man kann eben nicht unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit alles machen.
    So muss sich jeder Autor die Frage stellen, welche Welt er in den Köpfen der Leser entstehen lassen will. Denn alles fängt immer erst in den Köpfen an, geht hinaus in die Welt und hat dort das Potential der Veränderung oder eben auch des Verbeißens in dem immer gleichen und damit des Blockierens von Veränderung. Ich meine damit nicht vorauseilenden Gehorsam, aber ich meine damit, dass man eben nicht alles schreiben kann, nach dem Motto "das ist halt künstlerische Freiheit".

    Unter dem Aspekt gesehen (und jetzt provoziere ich absichtlich) liest sich Dein Text wie:
    "Mimimimi ich will so schreiben, wie mir der Schnabel gewachsen ist, aber mimimimimi dann regen sich irgendwelche selbsternannten Moralapostel auf und stellen mich in eine Ecke, in der ich nicht stehen will, dabei kann man so doch mimimimimi keine Kunst mehr erschaffen!"

    Die Diskussion zum Echo, oder vielmehr die Battlerap Texte haben mich so aufgewühlt, dass ich ein Poetry darüber geschrieben habe. Vielleicht sagt das ja besser aus, was ich mit meiner Kritik oben ausdrücken will:
    https://heidrunsfeder.blogspot…nstlerische-freiheit.html

    Just my two cents,


    Kryps

  • @JJ: Aber urst! :)


    @Kryps: Danke für Deine Stellungnahme, die mir einiges zum Nachdenken aufgegeben hat. Antwort später.

  • Hallo, Krypskytter.


    Ich habe diesen Beitrag verfasst, um der raumgreifenden, repressiven Attacke auf die Kunstfreiheit, die seit einigen Jahren schleichend stattfindet, etwas entgegenzusetzen. (Wer glaubt, ich hätte das geschrieben, um auf mich aufmerksam zu machen, dem überlasse ich gerne für ein paar Tage alle meine Online-Zugänge - und die Buchverkaufsstatistiken seit dem Erscheinen des Beitrags). Wenn Du Dich mit der Szene auseinandersetzt und auch im Detail wahrnimmst, was da geschieht, wie Künstler unter Druck gesetzt werden, mit welchen Methoden versucht wird, durchzusetzen, dass alle der Linie folgen, dann kannst Du aus meiner Warte nur in die Frontalopposition gehen. Die Ziele mögen ja gut und sogar irgendwie oder in der Hauptsache richtig sein, aber die Methoden sind falsch und reaktionär. Ich trete auch nicht dafür ein, dass es (mehr) Rassismus, Seximus usw. in der Literatur geben soll oder darf - sondern gegen die Überempfindlichkeit und Gleichschaltung, gegen die Bevormundung, sozialpolitische Arroganz, Vorfeldbewertungen und Zensur. Dies vorweg.


    Ennos Beitrag hat mich gefreut. Allerdings liegst Du mit Deiner Vermutung unrichtig. Ich habe mehrere Tage an diesem Text und seinen Vorgängerfassungen gearbeitet, ihn sicherlich mehr als fünfzig Mal gelesen und gegenlesen lassen. Er ist nicht in einem Rutsch heruntergeschrieben. Dass ich ihn verteidige, dürfte mir zugestanden werden, oder? Nachträglich ändern kann ich ihn sowieso nicht mehr, und da semijournalistische Arbeit nicht mein Hauptgeschäft ist (für diesen Text gab es nicht einmal ein Honorar), hält sich mein diesbezüglicher Lernbedarf auch in Grenzen. Enno kritisiert die Titelmetapher, ich habe mir darüber Gedanken gemacht, finde sie gut und versuche, zu erklären, warum ich sie gewählt habe, was aus meiner Sicht auch schlüssig ist. Das heißt nicht, dass ich Ennos Argumente oder seine Sichtweise abtue; wie könnte ich das auch tun? Ich akzeptiere seine Meinung und nehme sie auf, aber das, was er hineininterpretiert, war eben wirklich nicht mein Gedanke. So ist das beim Schreiben. Man kann sich seine Leser nicht aussuchen. ;) Spaß beiseite. Wenn man vor sich hinmetaphert - und das auch noch bei heiklen Themen -, dann liegt die Gefahr der missverständlichen Auslegung nahe. Eigentlich sind Auslegungen sowieso fast immer missverständlich.


    Nein, nicht Sprache schafft Realität, sondern Realität schafft Sprache, und außerdem beides. Es ist nicht so einfach und auf ein paar plakative Sätze reduzierbar (weshalb der Beitrag auch so lang geworden ist, aber eigentlich hätte er noch viel, viel länger werden müssen). Eine Frau schrieb in einem Kommentar im Literaturcafé erschütternderweise, dass sie weiter "Negerkuss" sagen will. Sie entnahm wohl meinem Beitrag, dass ich sie dabei unterstützen würde. "Negerkuss" als Bezeichnung für etwas weißen (!), gezuckerten Eischaum mehr oder weniger in Kopfform mit einer dünnen Schokoladenhülle ist aber, wie ich finde, ohne jede Frage eine Begriff mit mindestens rassistischer Konnotation - in seiner Verwendung. Das ist keine Frage des Terminus oder seiner Etymologie, sondern eine Frage des Zusammenspiels. Als diese Süßspeise ausgedacht und benannt wurde, war die Situation eine andere. Das spiegelt bis in die Jetztzeit rassistische Traditionen, deshalb ist der Begriff fehl am Platze. Diese Diskussion müsste man allerdings bei fast jedem Gegenstand, um den es in solchen Diskussionen geht, einzeln führen.


    Battlerap und verwandte Kunstformen sind ohne Frage Spiegel einer sexistischen Weltsicht. Es gibt in einigen Genres auch stark rassistische Tendenzen, übrigens in beide Richtungen, also aus weißer und in weißer. (Nicht nur) Das zeigt, dass wir von einer sozialen Struktur, die Liberalität, Toleranz, Achtsamkeit und faires Miteinander lebt, weit entfernt sind, denn diese Künstler produzieren kein Gefolge, sondern bedienen es. Sexismus und auch Rassismus sind aber nicht verboten. Es ist leider gestattet, die Welt so zu sehen, darüber zu singen, Bilder zu malen und Texte zu schreiben. Es ist natürlich auch alles andere als verboten, dem entgegenzutreten, aber bitte doch nicht dadurch, dass man versucht, in die Köpfe zu schauen, die Flöhe beim Husten belauscht und, wie geschrieben, den Konjunktiv zum Imperativ erhebt. Es könnte immer irgendwas. Was geschieht, ist real. Das andere nicht. Und es ist übrigens auch kein Ausdruck von Liberalität, Toleranz und Achtsamkeit, wenn man die eigene Position zur einzig richtigen, korrekten erklärt. Das ist das Gegenteil von Pluralismus.


    Ich bedanke mich sehr.

  • Noch eine Ergänzung: Der Text ist auch und vor allem ein Plädoyer dafür, die Kirche im verdammten Dorf zu lassen. Das Beispiel mit dem Gartenbuch von Stefan Schwarz, dem dafür von einer Kritikerin Sexismus vorgeworfen wird, oder eben die Suche nach micro aggressions - all das fällt in Kategorien, die schmerzhaft sind. Der von Dir erwähnte Battlerap, Kryps, ist in vielen Fällen tatsächlich und auf eine Weise sexistisch, die man bekämpfen, der man zumindest aktiv begegnen sollte, aber wenn man die Schwelle so extrem niedrig ansetzt, wie das inzwischen häufig geschieht, dann verharmlost man das eine, das wirklich gefährliche, und tut Künstlern mit dem anderen unrecht. Im Ergebnis spaltet man die Gesellschaft nur noch weiter, denn diese Übersensibilisierung, diese permanente Suche nach der versteckten Untat, verbunden mit Denunziantentum und Prangerhaftung, verortet nicht nur sehr viel mehr Leute auf die Täterseite, als dort hingehören, sondern generiert auch noch ungute Solidarität mit den Rattenfängern.


    (Aber wenn ich das erklären muss, war's wohl wirklich für'n Arsch. ;) )

  • Ja, Tom, der Text war für'n Arsch. Meiner Meinung nach. Dir geht es im Kern um Freiheit, das nehme ich dir ab. Weil ich dich schon länger kenne. Für die breite Öffentlichkeit hast du das, was dir so wichtig ist, in einem viel zu langen und pointengeilen Text versteckt. Und dabei hast du den Bogen so überspannt, dass hauptsächlich die groben Pointen hängen bleiben.


    "Ich will immer noch alles sagen dürfen, aber trotzdem in keine Schublade gesteckt werden." Echt jetzt? Ich habe diesen Maulkorb noch nie erlebt und überlege mir auch nicht proaktiv, ob ich jemanden verletzen oder mich jemand für meine Äußerungen blöd finden könnte. Stattdessen vertraue ich auf meinen gesunden Menschenverstand, der mich hoffentlich nicht verlässt. Und ich entschuldige mich, sollte ich mich damit vertun.


    Auf Twitter gab’s eben keinen Shitstorm zu deinem Text, nur (meistens gesittete) negative Kommentare und ein bisschen Wind um die Frau, die sich plagiiert fühlt. Hast du nicht genug provoziert? Oder gibt’s die große Gruppe derer, die sich so überzogen um politische Korrektheit kümmert, gar nicht? Du schreibst selbst, dass es zum Beispiel bei Stefan Schwarz nur um eine Kritikerin ging.


    Zum Thema Verletzen: Du hast mir (zu einem anderen Thema) geschrieben, wer sich verletzt fühle, sollte an der Diskussion einfach nicht teilnehmen. Wirklich? Denkst du das auch noch, wenn kaum mehr jemand mitdiskutiert?


    Viele Grüße

    Ingrid

  • Hallo, Ingrid.


    Auch ich vertraue auf meinen gesunden Menschenverstand, aber es gibt eben Leute, die meinen, sie hätten den gesünderen Menschenverstand - und wüssten also besser als man selbst, wie das Zeug gemeint ist und wirkt. Und das ist nicht nur die eine SpOn-Kritikerin, die so agiert - ich habe sehr viele Beispiele von irgendwelchen Ismusvorwürfen gefunden, die m.E. völlig haltlos sind. Und wie die Einleitung zu verdeutlichen versucht - der Comedyszene geht's richtig an den Kragen. Das ist nicht eingebildet, das geschieht, in vielen Fällen auf existenzbedrohende Weise. Ja, klar, das sind halt Leute, die den Ruf der Zeit nicht vernommen haben, oder? ;) Schadet keinem, wenn's die erwischt.


    Was ich Dir zu einem anderen Thema geschrieben habe, betraf vermutlich irgendeine Diskussion, die sich um Religion rankte, kann das sein? Ich finde es schmerzhaft für jemanden, der "ernsthaft" glaubt, sich in Theismusdiskurse zu begeben. Aber die Sorge um diese Schmerzhaftigkeit - um "religiöse Gefühle" - darf um keinen Preis verhindern, dass dieses wichtige und in vielen Bereichen bedrohliche Thema diskutiert wird, und zwar in aller Konsequenz. Wer das nicht ertragen kann, als religiöser Mensch, dem bleibt nichts, als sich von sowas fernzuhalten. Die Aufforderung, derlei zu unterlassen, wäre untragbar. Aber ich mutmaße hier nur. Ging es um Religion? Ich erinnere mich nicht.


    Und danke für Deine grundsätzliche Meinung zum Beitrag. Wir haben hier leider kein selbstironisches Arsch-Smiley, sonst hätte ich's angehängt. ;)

  • Hallo Tom.


    Danke für deine Erklärungen.


    Du nennst deinen Text ein Statement. Den Begriff habe ich von dir auch schon in anderem Zusammenhang gelesen. Für mich erklärt er ein wenig, wo das Missverständnis anfängt. Bei einem solchen (nach heutigen Maßstäben) etwas längeren Aufsatz erwarte ich eher so etwas wie einen Essay. Also ungefähr das Gegenteil eines Statements. Essayistisches Schreiben zeichnet sich durch eine Art Suchbewegung aus. Ein Statement, das sagt schon das Wort, ist weniger eine Bewegung, mehr ein Hiersteheich, ebenso kein Suchen, sondern ein Gefundenhaben.


    Natürlich ist das nur meine subjektive Erwartung. Anderen Leuten kann ein Statement gar nicht lang genug sein. Die Erwartungen an Texte sind eben verschieden.


    Du sagst, du wirbst für deinen Standpunkt. Das ist mir gar nicht so klar gewesen. Jetzt, da ich es weiß, begreife ich manches besser. Aber manches finde ich immer noch merkwürdig. Du wirbst für deinen Standpunkt, indem du Fallen stellst? Ok, ist natürlich ein Denkfehler meinerseits. Die Leute, denen du Fallen stellst, um deren Zustimmung wirbst du gar nicht. Im Gegenteil. Bei denen geht es dir darum, sie sich selbst demaskieren zu lassen. Also eine Art Abgrenzungsstrategie. Was übrigens vollkommen legitim ist. Du kannst dich abgrenzen von wem du willst.


    Trotzdem, so richtig durchdacht kommt es mir immer noch nicht vor. Dass sich die unsäglichen Muriels, die sowieso nicht gesprächsbereit sind, in ihrer ganzen himmelschreienden Borniertheit und Aggressivität outen, das finde ich eher unnötig. Das machen sie ja schon oft genug, warum also noch mal und noch mal? Und warum benennst du deinen Kunstgriff nicht als das, was er ist, eine Falle, sondern, dein Wort, als eine Brücke, die du baust. An deren anderem Ende ein Pappkamerad mit einem Schild steht: sexistischer alter weißer Mann. Ich kann mir nicht helfen. Irgendwas stimmt da nicht.


    Ursprünglich hatte mich die Frage beschäftigt, ob es vielleicht auch was mit deinem Text zu tun hat, wenn Leute dich missverstehen. Es unterliegt ja keinem Zweifel, dass es hauptsächlich mit den Leuten selbst zu tun hat, und natürlich mit den Tücken der Kommunikation, zumal der Kommunikation in den sozialen Medien. Aber vielleicht doch auch mit deinem Text? Mit einigen stilistischen Eigentümlichkeiten, vielleicht auch mit einem nicht ganz leicht beschreibbaren Gestus des Rechthabens? Oder mit deinem eigenen Verständnis deines eigenen Textes? Sozusagen mit deinem Selbstverständnis?


    Was ich ebenfalls immer noch nicht begriffen habe, das ist die Sache mit der Gesprächsbereitschaft. Das ist ja etwas, was dich stört an diesen Leuten, dass sie so wenig (null) gesprächsbereit sind. Wenn du ihnen Brücken baust, warum dann ausgerechnet solche? Kann es sein, dass da mit deiner eigenen Gesprächsbereitschaft irgendwas – Oder habe ich einfach die Art von Gespräch, die dir vorschwebt, noch nicht richtig verstanden? Also noch mal von vorn: Du wirbst für deinen Standpunkt. Handelt es sich um eine Art Verkaufsgespräch? Das würde immerhin das Ermüdende dieser Art von Kommunikation erklären. Meine Gesprächsbereitschaft geht auch immer schnell gegen Null, wenn ich merke, dass mir jemand etwas verkaufen will. Aber das ist Quatsch, oder?


    Oder ganz einfach: Du verstehst unter Gespräch den Austausch von Statements. Tja …


    Enno



    PS.

    Nur noch ganz kurz:

    Die Kunst ist existentiell bedroht: Gehts auch eine Nummer kleiner?

    1. Nein, es geht nicht kleiner. Es ist Tyrannei, Diktatur, Terrorismus.

    Wenn ich Tyrannei, Diktatur, Terrorismus höre, dann denke ich an so etwas wie Gefängnis, Folter, Autobomben. Du denkst an das, was du auf Twitter erlebst. Das auch nicht harmlos ist. Aber in meinen Augen doch noch ein ganzes Stück entfernt von Gefängnis, Folter, Autobomben. Siehst du da vielleicht ein wenig Differenzierungsspielraum? So rein vom Sprachlichen her?


    PPS.

    Simpelstes Schwarzweißdenken im Jahre 2019: Schwarzweißdenken praktizierst du doch selbst.

    2. Aber ich erkläre und begründe. Die "Gefällt mir"-Kultur reduziert alles auf das Votum.

    Verstehe. Du betreibst begründetes Schwarzweißdenken.


    PPPS.

    Und noch mal ganz kurz zu der Sache, um die es dir geht. Meine Formulierung (dass es dir nicht in erster Linie um die Sache geht) war ein bisschen gaga, eine, sagen wir mal, verunglückte Provokation, die ich in der Eile eines verspäteten Sonntagnachmittags habe durchgehen lassen. Hätte ich streichen sollen. Ich habe das geschrieben, obwohl ich keine Sekunde angenommen habe, dass du das Ganze aus dem Bedürfnis heraus machst, deinen Namen unter die Leute zu bringen. Ich bin ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass du den Text veröffentlichst, weil dich diese Dinge seit geraumer Zeit umtreiben. Aber wenn es jemandem um die Sache geht, warum schreibt er dann nicht sachlicher? Klarer? Mit weniger Schnörkeln? Das war so ungefähr der Hintergrund meiner Bemerkung.

  • Hallo, Enno.


    Ingrid und Heike gefällt Dein Beitrag. Das ist ein Votum. Ich glaube zu wissen, warum den beiden Dein Beitrag gefällt, weil ich mit beiden schon über das Thema gesprochen habe, wie u.a. hier nachzulesen ist. Und weil sie sich hier dazu geäußert haben. Wären da noch Klicks von Manfred oder Uschi, dann wüsste ich nicht, warum ihnen das gefällt, möglicherweise mögen sie Deinen Stil, sind inhaltlich auf Deiner Seite, vielleicht mögen sie Dich, vielleicht sind sie aber auch einfach nur begeistert davon, dass Du meinen Beitrag beurteilst, wie Du das tust, vielleicht mögen sie mich nicht. Am Ende steht da nur ein Votum, eine Bewertung, eine Entscheidung für oder gegen (in der Hauptsache aber für) etwas, ein Ja oder Nein. Ein Füllhorn der Missverständnisse öffnet sich.


    Schwarzweißdenken und eine Position einnehmen, das ist nicht das gleiche. Aber ich muss Dir nicht erklären, womit Du mich aus der Reserve locken willst. Ich finde nicht, dass ich nicht differenziere, denn wenn ich das nicht tun würde, dann hätte ich nicht versucht, meinen Standpunkt zu erläutern. Aber wenn Du das "begründetes Schwarzweißdenken" nennen willst, dann ist das in Ordnung und auch Dein gutes Recht. Ich verstehe, dass Du diesen Beitrag oder einen solchen Beitrag oder irgendeinen Beitrag zum Thema anders geschrieben hättest. Ich habe ihn so geschrieben, und er ist exakt so geworden, wie ich ihn haben wollte. Mehr kann ich dazu wirklich nicht sagen. :achsel Es gibt viele andere Beiträge zum Thema, die je nach Sicht und Erwartung befriedigender sein mögen.


    Ja, das ist dann wohl Kritikresistenz, wo Du mir doch helfen willst. Willst Du? Aber das ist auch keine Textarbeitsgruppe, insofern bitte ich um Verständnis dafür, dass ich mir zwar alles durchlese, aber nicht jedem Argument ein Gegenargument oder eine Rechtfertigung entgegenstelle, okay? Danke. Und danke für die viele Mühe, die Du Dir mit mir machst.

  • Hallo Tom,

    nein, du bist nicht unbedingt derjenige, der im Forum Diskussionen verhindert, aber es müsste schon irgendwann auffallen, dass sich beim Thema des sogenannten Genderwahns häufig die gleichen Protagonisten gegenseitig auf die Schulter klopfen, wie recht sie doch haben. Das heißt eben NICHT, dass es nur nickende Zustimmung gibt. Und dein Artikel lädt jetzt nicht wirklich zu einer sachlichen Diskussion ein, dir war doch bewusst, was du tust.

    Mir gefällt Ennos Beitrag, vor allem der Teil, ob es nicht eine Nummer kleiner gehe. So viel ich weiß, läuft Dieter Nuhr noch immer zur besten Sendezeit. Aber er kriegt halt Gegenwind, so what, wollen wir eine gegenwindsfreie Zone für Comedians? Und wer keine Comedy mehr machen kann, weil Leute Schwulenwitze, Häme über dicke Frauen oder über Transmenschen nicht lustig, sondern Scheiße finden, tja, der ist vielleicht ein bisschen eingeschränkt in seinem Repertoire und nicht wirklich kreativ. Ich kann zum Beispiel sehr über Mathias Egersdörfer lachen, innerhalb seiner Kunstfigur absolut politisch inkorrekt, aber um diese Haltung zu entlarven, nicht um sie zu feiern oder zu verharmlosen. Er hat eine Partnerin auf der Bühne, Carmen, da geht es grobschlächtig ans Eingemachte, aber nicht auf Kosten von Frauen, sondern auf Kosten von Männern, die so sind wie der Typ von Carmen auf der Bühne. Schau dir das mal an.

    Ich glaube, der PEN kann weitere Auskünfte über wirkliche Diktatur und Tyrannei für Schreibende geben.

    Du willst ja keine Textbesprechung, verständlich, aber den Titel fand ich tatsächlich auch ein bisschen eklig. Männer, die Kondome ähnlich furchtbar finden wie du das Aufspüren von Mikroaggressionen, lösen bei mir folgende Assoziationen aus: Zwangsprostitution ohne Kondome, mit Clamydien angesteckte Ehefrauen, HIV, Syphilis. Ungefähr so. Das sind natürlich MEINE Assoziationen, aber leb damit, dass es sie gibt, und dass sie ein bisschen eklig sind.

    Ich empfehle mal ein großartiges, erstaunlich gut geschriebenes, wirklich packendes Buch: "Das Ende von Eddie" von Edouard Louis. Ein schwuler Junge wird in den Neunziger Jahren in einem nordfranzösischen Dorf groß. So viel habe ich noch nirgends über Diskriminierung gelernt, wie sie sich tief in die Persönlichkeit eingräbt und was sie anrichtet. Danach werde ich niemals mehr über schenkelklopfende Schwulenwitze lachen können, nie mehr. Ist halt so. Ich denke an den Jungen im nordfranzösischen oder niederbayerischen oder sonst irgendwo Kaff. Das schreibt mir niemand vor. Ich verachte Schreibende, die nicht mehr drauf haben als Spott über eh schon Schwächere und die irgendeine Empathie und Sensibilität nicht aufbringen. Das darf ich, ich lebe nämlich nicht in einer Diktatur. Abgesehen von den Frauen und Männern, die bei mir in der Therapie sitzen und über ihre Jugend als Dicke erzählen. Und abgesehen von den Frauen, die sich ihres Körpers schämen, obwohl sie nie dick waren. Und so weiter.

    Meine Figuren dürfen übrigens alles. In der Schildkröte gibt es einen Jungen, der Schwule verachtet, die Todesstrafe einführen und Ausländer abschieben möchte. Aber es gibt eben auch eine Erzählerin, eine Erzählstimme, eine Autorin. Und die braucht ihre Sensibilität gegenüber Menschen, die Benachteiligung erfahren, nicht auszuknipsen, um eine Geschichte zu erzählen.

    Für mich ist das eher normal. Und ich lerne dazu. Ich hab wahnsinnig viel von der Me-Too-Debatte gelernt. Auch über mich. Das werde ich nicht vergessen, wenn ich schreibe.

    Gruß, Heike.

  • Hallo, Heike.


    Ich finde gut, dass Du zum Punkt kommst. Ob das jetzt Diktat oder Tyrannei oder sanfter Druck genannt wird, ist eigentlich egal, aber sich an Begrifflichkeiten festmachen, das ist ja auch irgendwie das Thema. Ich bin nicht Deiner Meinung. Es gäbe viel dazu zu sagen, vom Gegenwind bis zu den Sachen, die auf Kosten der Männer okay sind, weil "die" - insgesamt und ohne jede Differenzierung - ja sowieso an allem schuld sind (auch als Erblast, selbst wenn Du Deinen schwulen besten Freund bis aufs Messer verteidigen musstest und Dein Bruder schwerbehindert war und Du weiß der Geier noch was für eine Scheiße erlebt hast) und jetzt mal ordentlich was abkriegen dürfen, auf Kosten aller anderen aber nicht. Welche Form von Achtsamkeit ist das? Was verstehe ich an diesem Modell nicht? Und warum wird's eigentlich immer gleich persönlich? Warum greifst Du mich an, statt gegen den von mir vertretenen Standpunkt zu argumentieren?


    Ich finde es schade, dass es nur noch um Killerargumente und Killerverhalten geht, dass keiner mehr lachen kann, egal über was, und dass Politik einfach Sensibilität genannt wird, und dann geht nichts mehr dagegen. Aber es ist andererseits auch okay, denn vorläufig ist das ja noch nicht die streng überwachte Marschrichtung für alle. Nuhr, den ich nicht mal mag, darf "noch immer" zur besten Sendezeit auftreten, und hier und da wird irgendein Heterokomiker noch einen harmlosen Schwulenwitz machen können, ohne gleich gesteinigt zu werden. Weil Gruppenverhalten und Gruppenattitüde und gelebte Gruppenklischees nämlich tatsächlich witzig sein können, aber wenn der Schutz der marginalisierten Gruppen - notfalls auch gegen deren Willen - über allem steht, dann wird sich das der Heterokomiker mittelfristig überlegen müssen. Und Nuhr geht eh bald in Rente, dieser steinalte kalkweiße Männermannmannmann.


    (Und, bitte Manuela, hör auf damit, immer gleich "Gefällt mir" zu klicken, wenn ich zu diesem Thema einen Beitrag schreibe. Danke. ;) )

  • Lieber Tom,


    du hast diesen Text geschrieben, mit all den Provokationen und Hau-drauf-Witzen. Wie wäre der denn zu trennen von dir als Person? Das ist kein sachlicher, differenzierter Text, der alle Seiten beleuchtet. Ich verstehe, dass dir die Kritik nahegeht, aber ich kann nicht erkennen, dass Heike dich in ihrem Post persönlich angreift.


    Zwischen Diktat, Tyrannei und sanftem Druck ist ein himmelweiter Unterschied, das weißt du. Und davon, dass "alte weiße Männer" – oder Männer überhaupt – nichts mehr sagen dürften, weil eine Marschrichtung vorgegeben wird, sind wir Lichtjahre entfernt. Wer sollte die Richtung denn vorgeben? Die anderen, die Frauen, die Emanzen, die Genderwahnsinnigen, die Politik oder wer sonst? Du kannst immer noch alles sagen und schreiben, was du willst. Dass das Ergebnis unter Umständen nicht allen gefällt, ist dir bestimmt bewusst.


    Vielleicht lacht keiner mehr, weil es nichts zu lachen gibt. Weil es einfach nicht lustig ist. So wie die Auftritte des viel zitierten Dieter Nuhr, den ich früher mochte, aber inzwischen unerträglich finde. Und das hat nichts damit zu tun, dass er alt, weiß und ein Mann ist. Er ist schlicht nicht witzig.


    In einem Kommentar zu deinem Text stand sinngemäß: "Vielleicht fällt den Leuten, die sich lautstark darüber beschweren, dass sie nichts mehr sagen dürfen, einfach nichts Neues mehr ein." Da ist was dran.


    Viele Grüße

    Ingrid

  • Heike gefällt das. ;)


    Nichts für ungut. Wir liefern hier ein schönes Exempel für gepflegtes absichtliches Aneinandervorbeireden. Ich verstehe, was Du/Ihr sagen willst/wollt, und ich glaube, das ist umgekehrt auch so, aber ich muss jetzt nicht zum vierten Mal in noch einmal anderen Worten etwas erklären, auf das dann doch wieder nicht geantwortet wird.


    Gute Nacht.

  • Nee, Tom, jetzt echt nicht alles durcheinander. Ich hab mich über eine Szene geäußert, die du als bedroht und irgendwie schützenswert wahrnimmst , nicht über dich als Schriftsteller. Wichtige Unterscheidung.