Tom im "Literaturcafé" über politische Korrektheit beim Schreiben und benachbarte Themen

  • Ich glaube z.B., dass es ganz im Sinn von Astrid Lindgren ist, dass Pippis Vater nicht mehr als "Negerkönig" sondern als "Südseekönig" betitelt wird.

    Wenn ein Autor selbst seinen Text in einer Neufassung oder neuen Auflage ändert, dann ist das sein gutes Recht. Wenn dagegen andere diese Texte nachträglich ändern, dann ist das Zensur. Ganz einfach. Zu behaupten, eine Künstlerin oder ein Künstler hätte das bestimmt so gewollt, ändert daran gar nichts. Unterstellen kann ich alles. Und es darf auch keine Rolle spielen, aus welchen Motiven zensiert wird.


    Ob ein totalitäres Regime einen Text umschreibt oder Daten fälscht, ob in katholischen Klöstern Genitalien auf Renaissance- und Barock-Gemälden übermalt werden, wie es in Francos Spanien vorkam oder ob gutmeinende Pädagogen ein Kinderbuch überarbeiten. Es ist und bleibt Zensur.


    Ein schönes Beispiel in diesem Zusammenhang war eine Neuauflage von Mark Twains "Huckleberry Finn", in der das Wort "nigger" konsequent durch "slave" ersetzt wurde. Der Fall ging damals durch die Presse,


    Doch wozu in die Ferne schweifen. Die FAZ meldet, dass eine "Künstlergruppe", die sich bezeichnender Weise "Frankfurter Hauptschule" nennt (große Bildungsambitionen scheinen sie nicht zu haben) Goethes Gartenhaus in Weimar mit Klopapier geschändet haben, weil der alte sexistische Chauvinist in seinem Gedicht "Heideröslein" eine Vergewaltigungsfantasie auslebt. Das Gedicht soll jetzt aus Schulbüchern verbannt werden. Und im Faust ist Sex mit einer Minderjährigen ein Thema.


    Da könnte man doch viele Planstellen schaffen, die unsere ganze Literatur- und Kunstgeschichte auf Mikroaggressionen und Verstöße gegen Genderregeln testen und anschließend alle Werke zeitgeistgemäß weichgespült in Neuauflagen präsentieren.

  • Twitter kündigen ist gar nicht so einfach. Wie bei fast allen Social-Medias ist diese Funktion gut versteckt. Wenn man "kündigt", bleibt man noch für ein weiteres Monat registriert, wenn man sich im Kündigungsmonat auch nur ein einziges Mal einloggt, so man sich überhaupt ausgeloggt hat, wird die Kündigung wieder obsolet und alles ist wie vorher.

    Ich gehöre wohl auch zu jenen, die sich biedermeierartig ins innere Exil zurückziehen. Bin außer hier und bei Wortkrieger.de nirgendwo mehr registriert. Ich schreibe keine Leserkommentare mehr für Presse und Standard, obwohl ich dort weit über 6000 Kommentare hinterließ, melde mich auch sonstwie netzartig nicht mehr zu Wort und gehe auch nicht mehr wählen. Mir reicht es schlicht und einfach. Abgesehen davon denke ich, es ist ohnehin für alles zu spät, was uns derzeit Kopfschmerzen bereitet.

  • Ich finde Toms Meinungsbeitrag geistreich und elegant geschrieben. Die Gedanken werden in gespitzten und vielleicht auch überspitzten Formulierungen dargebracht, die den Leser zur Gegenrede einladen. Stichwort: Polemik. Das bereitet dem Leser keine Schwierigkeiten, der mit unserer Kultur vertraut ist. Jüngere Beispiele: G.E. Lessings "Anti-Goeze", Goethe und Schillers "Xenien", Heinrich Heines Beiträge in der Augsburger Allgemeinen Zeitung und fast alles von Karl Kraus und Kurt Tucholsky.

  • Manuela: Doch, geht inzwischen recht einfach. Und die 30 Tage werden auszuhalten sein. Vor dem Beitrag habe ich zuletzt im Herbst 2017 getwittert. ;)

    Jürgen: Danke.

  • Wenn ein Autor selbst seinen Text in einer Neufassung oder neuen Auflage ändert, dann ist das sein gutes Recht. Wenn dagegen andere diese Texte nachträglich ändern, dann ist das Zensur. Ganz einfach. Zu behaupten, eine Künstlerin oder ein Künstler hätte das bestimmt so gewollt, ändert daran gar nichts. Unterstellen kann ich alles. Und es darf auch keine Rolle spielen, aus welchen Motiven zensiert wird.


    Ob ein totalitäres Regime einen Text umschreibt oder Daten fälscht, ob in katholischen Klöstern Genitalien auf Renaissance- und Barock-Gemälden übermalt werden, wie es in Francos Spanien vorkam oder ob gutmeinende Pädagogen ein Kinderbuch überarbeiten. Es ist und bleibt Zensur.

    Mehr (oder Klügeres) ist dazu nicht zu sagen.

    Und in diesem Zusammenhang erweisen sich Toms starke Begriffe (z. B. Tyrannei) zur Beschreibung der meist von Inkompetenz, Verblendung oder beidem gekennzeichneten Zensur der Literatur (und anderer Kunst) als durchaus angemessen.

  • Ich gehöre wohl auch zu jenen, die sich biedermeierartig ins innere Exil zurückziehen.

    Empfindest Du es als Exil, die sozialen Medien nicht (mehr) zu benutzen? (Sozial kursiv, weil es ein Euphemismus ist.) Ohne ist man doch viel mehr im Jetzt.

    Zeige mir deine Freunde und ich sage dir, wer du bist. Diese Weisheit auf Twitter angewendet, ohha.

  • Na ja, es geschieht viel, was die Meinungsbildung anbetrifft, über die "sozialen" Medien. Das mag nur einen Teil der Gesellschaft betreffen, nicht repräsentativ sein, aber gerade das macht es möglicherweise gefährlich, weil die Leute, die das nutzen, trotzdem glauben, die Gesellschaft zu repräsentieren (oder einen relevanten Teil), und entsprechend fordernd unterwegs sind. Und umgekehrt mögen viele, die nur passiv teilnehmen, ebenso glauben, dass die, die da so einen Krach veranstalten, und beispielsweise wie "Muriel" im Literaturcafé unterhalb meines Beitrags immerzu dasselbe sagen, bis keiner mehr widerspricht, irgendwie auf der richtigen Seite wären, man ihnen also folgen und ihrer Meinung sein müsse. Gleichzeitig ziehen immer mehr Leute ab, die vom simplen Mehrheits-/Lautstärkeprinzip die Nase voll haben - oder davon, sich Beleidigungen anhören zu müssen, wenn man gegenteiliger Meinung ist.


    Ich muss bei solchen Vorgängen immer an diesen Film denken. ;)

    ASIN/ISBN: B000ND7UL6

  • Zitat

    Zeige mir deine Freunde und ich sage dir, wer du bist. Diese Weisheit auf Twitter angewendet, ohha

    Ich habe keine Freunde. Weder in sozialen Medien noch sonstwo.

    Auch habe ich es satt, gegen die sprichwörtlichen Windmühlen zu kämpfen. Da ich die gegenwärtige Gesellschaftsentwicklung als durch und durch katastrophal ansehe und ihr dennoch machtlos gegenüberstehe, habe ich mich in mich zurückgezogen. Trotzig blicke ich nun aus mir heraus und betrachte das zunehmende Schlamassel mit Zynismus, Hohn und Schadenfreude. :)

    Literarische Zensur (because politically correctness), Genderwahn u. Co. sind bloß eine Teilmenge und spielen im Gesamtprozess der gegenwärtigen Volksverblödung nur eine Nebenrolle. Ich will damit nichts mehr zu tun haben, soweit das möglich ist.

  • Hallo 42er.


    Irgendwo in diesem Thread machte Tom den Vorschlag, das Liken per Button nicht abzuschaffen, aber dem jeweiligen Like eine Erklärung beizufügen.

    Es fraktioniert, es reduziert Inhalte auf das zustimmende Votum, gerade bei solchen Diskussionen. Bei Texten und Rezensionen ist es nicht schlecht, weil es simples, positives Feedback signalisiert, aber hier und in vergleichbaren Gesprächen ist es ein Spaltpilz. Ich finde, man kann sich das durchaus ein paar Worte kosten lassen, wenn man zustimmt. Dann kann man auch verdeutlichen, welchem Teil man zustimmt, denn die Beiträge sind ja meistens nicht eben kurz. ;)

    Spontan hätte ich das beinahe gelikt.

    Dann habe ich drüber nachgedacht.


    Um aus den Schleifen der Missverständnisse, Unterstellungen, Meinungs-Gegnerschaften, Gekränktheiten usw. herauszukommen, würde es wenig helfen, einen Like-Button zu erklären. Im Gegenteil. Ich tendiere dahin, die Likes als das harmlosere Übel anzusehen. Gegenüber den Erklärungen. Wo in zwei, drei Sätzen viel leichter eine kritische Masse produziert wird als mit zwanzig oder dreißig Likes.


    Wir klicken nicht nur zu schnell und zu viel auf idiotische Buttons. Wir reden auch zu schnell zu viel in Diskussionen, die uns permanent über den Kopf wachsen. Oder was sonst besagt die Erfahrung der letzten zehn Jahre? Diese völlig irreführend so genannten sozialen Medien sind uns so über den Kopf gewachsen, dass wir das als Thema kaum zu hoch ansetzen können.


    Erklären und begründen können auch Flachwelttheoretiker und Holocaustleugner. (Notwendige Anmerkung: Ich will niemanden hier in die Nähe von Holocaustleugnern stellen, es handelt sich nur um ein Beispiel.) Was ich sagen will: An Erklärungen und Begründungen mangelt es gar nicht. Sondern an sinnvoller Kommunikation. An nicht hysterischer, langsamer, ruhiger, vernünftiger Kommunikation.


    Meine Statements besagen im Wesentlichen dies: Das Hysterische der sozialen Medien, das wird in Toms Artikel reproduziert. Das war meine Behauptung. Die ich übrigens nicht als widerlegt ansehe. Aber sehr wohl als zurückgewiesen, als abgelehnt. Sie ist sozusagen nicht zustimmungsfähig.


    Na gut.


    Ebenso wenig zustimmungsfähig sind ja meine Anmerkungen zu der mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf hohem Niveau misslingenden Kommunikation in diesem Forum. In Kurzform: Erklärt und begründet wird in den Beiträgen hier reichlich. Aus irgendwelchen Gründen (vielleicht weil bloßes Erklären und Begründen zu anstrengend ist, zu langweilig?) wird auch gern ein bisschen polemisiert und Rumpelstilzchen getanzt. Und gern auch mal ein bisschen mehr, je nach Gefühlslage. Für mein Empfinden ist das ein Problem. Aber das ist eine Minderheitenmeinung, und diese Minderheit scheint wirklich nicht sehr groß zu sein. Zustimmungsfähig scheint eher dies: Das Ganze muss so sein. Weil Kommunikation so sein muss. Genau so. So wie hier. Wie in diesem Thread, und in fünfhundert anderen. Weil schon Lessing, Goethe & Schiller polemisiert haben, ganz zu schweigen von Heine, Kraus, Tucholsky. (Diese Begründung fand ich so schlagend, ich bin immer noch damit beschäftigt, meinen herabgefallenen Unterkiefer wieder einzurenken.)


    Dass mir eine gewisse Art der Kommunikation nicht behagt, das habe ich nicht zum ersten Mal zum Ausdruck gebracht. Wahrscheinlich auch nicht zum letzten Mal. Aber ich bekomme bestimmt ganz viel Zustimmung, wenn ich ankündige, dass ich es für dieses Mal gut sein lasse, Ich finde es übrigens selbst anmaßend von mir, als Quasi-Zaungast solche Dinge anzusprechen. Natürlich ist die Kommunikation hier im Forum so, wie sie ist, weil sie von der Mehrheit der Teilnehmer so getragen wird (oder von der Mehrheit der tragenden Teilnehmer so gewollt ist). Es ist anmaßend von mir, das nicht zu akzeptieren. Deshalb: Also gut, ich akzeptiers für heute.


    Passenderweise scheint die hochspannende und fruchtbare Diskussion in diesem Thread ja auch an ein glückliches Ende gekommen zu sein. Das ist doch ein schönes Ergebnis. Ich meinerseits mache da gern einen Punkt.


    Falls ich mich nicht klar genug ausgedrückt haben sollte: Dies ist keine Provokation. Dies ist eine Resignation.

  • Ich habe mich bisher aus der Diskussion herausgehalten, nicht zuletzt, weil dein Artikel, Tom, auch mir viel, viel zu lang war, um mich detailliert damit beschäftigen zu wollen, habe ihn allerdings überflogen und auch einige Passagen davon gelesen, stimme dir im Kern zu (oder glaube zumindest zu begreifen, was du mit all diesen Worten sagen willst), bin nicht erstaunt, dass dir dafür sowohl Rücken- als auch Gegenwind von allen möglichen, von dir auch sicher nicht in jedem Fall gewünschten Richtungen bläst, finde ihn ebenfalls total übertrieben (etwa Stichwort Tyrannei), kann andererseits nicht wirklich beurteilen, ob irgendwelchen Comedians tatsächlich Existenzgrundlagen entzogen werden, dachte bisher, manche von ihnen könnten nicht überleben, weil sie eben nicht witzig sind, finde Dieter Nuhr extrem unwitzig, finde viele Witze witzig, in denen Schwule, Frauen, Schwarze, Muslime vorkommen, nicht aber solche, in denen sie angegriffen werden, finde, das zu unterscheiden ist das mindeste an Verantwortung, was ein Schriftsteller oder Comdian drauf haben sollte, und zwar nicht nur, um witzig zu sein (und auch, wenn Schriftsteller einen Scheiß sollten, Tom, war das in deinem Artikel oder irgendwo in diesem?), bin also hier und da deiner Meinung und hier und da nicht deiner Meinung, kein Ding, wie ich finde, störe mich übrigens auch nicht an der Kondom-Metapher, hatte den Finger oft über dem Like-Button, um z.B. Aussagen oder Teilaussagen von Ingrid, Heike oder Enno zu liken, habe es aber nicht getan, weil ich mir, da ich mich zuvor nicht beteiligt hatte, so stumpf abnickend vorgekommen wäre und es auch den Anschein einer Frontenbildung gehabt hätte, wie ich sie nun so gar nicht anstrebe, bin dann ordentlich zusammengezuckt, als Heikes und Ingrids Worte von dir, Didi, sinngemäß mit Hühnergegacker verglichen wurde, so wie ich auch ordentlich zusammengezuckt bin, als ich in dem von dir verlinkten und ansonsten okayen und für mich nachvollziehbaren Artikel, Alexander, den Satz lesen musste, die Verleugnung des Holocaust sei diskussionsbedürftig, einen Straftatbestand aus der Verleugnung zu machen, hingegen unhaltbar (ja, wo sammer denn?), habe mich gerade ein bisschen verzettelt und bestimmt auch irgendwas von den vielen Dingen, die mir durch den Kopf gingen, vergessen, aber wollte hauptsächlich bemerken: Mit all dem kann ich leben, und zwar ganz gut, habe jetzt also auch mein Statement abgegeben und bin ganz beglückt, dass mir das in einem einzigen Satz gelungen ist!


    Will sagen, all das sind Meinungen, mehr nicht. Womit ich aber nur ganz schlecht leben könnte oder kann, ist, wenn sich angesichts von immer wieder (und auch naturgemäß) hochköchelnden Diskussionen ruhige, besonnene Stimmen wie zum Beispiel die von Enno, Heike oder Ingrid resigniert zurückziehen, weil sie glauben, inmitten von viel Getöse kein Gehör zu finden. Ich finde, dass wir diese Stimmen brauchen, und glaube, dass sie Gehör finden, also bitte weitermachen!

  • Puuuh, dann von mir auch was Kurzes. Ich habe Toms Text gelesen, ihn da und dort für etwas lang befunden, aber einige Informationen rausgezogen und auch etwas gelernt. Zugegeben: Ich habe in der Hinsicht echt keine Meinung. PC oder NPC, ich hab mich noch nicht drum gekümmert. Wenn jemand gendert, stört mich das nicht, wenn er*sie*divers es nicht tut, auch nicht. Dass die Kunstfreiheit in Gefahr ist, sehe ich nicht so, stecke aber auch nicht drin.


    Sei mir nicht böse, Tom: Meiner Ansicht ist dein Text so eine Art Notenblatt für die eine Befindlichkeitsorgel, die auch andere der "anderen Seite" bespielen.

    In meinen Augen gibt es so viel, viel, viel wichtigere Themen. Und so wäre ich dann der von spiegel-online bekannte typische Warum?-Was?-Wie?-Relevanz?-Kommentator. Aber den muss es ja auch hier geben.


    Soll heißen: Hau deinen analytischen Spürsinn auf (für meine Begriffe) wirklich grundlegende Themen drauf, und ich wäre dabei. :)


    PS: Kann man die scheiß like-Funktion aus dem Forum entfernen?

  • Ich bin wahrscheinlich zu spät dran, als dass es noch jemanden interessieren könnte, aber weil ich zugegebenermaßen nicht ohne eine gewisse Genugtuung festgestellt habe, wie oft ich hier als negatives Beispiel der unsachlichen Feministin auftauche (Bin übrigens 1 Typ, falls irgendwer das für Relevant hält, mir solls egal sein, Cisdudes Misgendern ist ja nun wirklich das kleinste Problem hier.), wollte ich zumindest noch mal angeboten haben, dass 1 auch mit mir reden kann statt über mich, entgegen der offenbar herrschenden Meinung. Aber wie gesagt, verstehe natürlich wenn keiner mehr den Quark von gestern aufrühren will.

  • Ach, Muriel. Ein Cis-Mann also, keine Cis-Frau. Deep stealth, camoufliert als Muriel. Hmmh. Übrigens: Getretener Quark wird breit, nicht hoch. Wusste schon Goethe.

    Aber jetzt bist du ja hier aufgeschlagen und kannst drauflosgendern und antifa-mieren, ganz wie du lustig bist. Es wird bestimmt nicht langweilig, mit deiner Sicht der Dinge. :)

    Anbei: Eigentlich geht es hier um schreiben und lesen. Vielleicht zeigst du uns ja, was so alles in dir steckt, an literarischem Potential.


    Habe die Ehre, Hr. Muriel!

  • Jetzt hast du eine Antwort geschrieben, in der du dich nicht nur darüber mokierst, dass jemand im Internet einen Nickname benutzt, sondern auch darüber, dass Leute was gegen Faschismus haben, und ... Findest du es komisch, wenn ich den Eindruck habe, dass beides eher von fehlender Kenntnis auf deiner Seite zeugt?

    Naja. Zur Sache: Ich schreibe und lese viel und gerne und finde insofern, dass ich von der Idee her gut in ein Forum wie dieses passen würde. Dass es tatsächlich passt, bezweifle ich zwar hier auch, aber wer weiß? Dein eher nicht so konstruktiver Beitrag muss ja nicht repräsentativ sein. Vielleicht überlegst ja sogar du selbst es dir noch anders und redest über irgendwas Interessantes mit mir.

    Wie gesagt, ich bin da, falls jemand möchte. Aber ich will natürlich auch nicht nerven.

  • Hallo, Enno.


    Immerhin hat dieses Teilbeispiel für misslingende Kommunikation (in Foren) dazu geführt, dass sich "Zaungäste" (eine Bezeichnung für Leute, die ein Angebot halblegal konsumieren, weil sie zwar keinen Eintritt bezahlt haben, der Zaun aber nicht ausreicht, um sie davon abzuhalten, zuzuhören oder zuzuschauen, und deshalb eigentlich unzutreffend) wie Du oder Heidrun/Krypskytter mal wieder melden.


    Dein letzter Beitrag war eine ... schöne und unterhaltsame Mischung aus Analyse, Meinung, persönlicher Befindlichkeit und Generalvorwurf, deshalb habe ich auf den "Like"-Button geklickt, den ich auch nicht grundsätzlich blöd finde, sondern nur dann, wenn er in erkennbarer und manchmal etwas kindischer Weise dafür verwendet wird, eine "Fraktion" zu stärken bzw. Fraktionsstärke zu signalisieren (oder diesen Eindruck entstehen zu lassen). Das etabliert dann das Gefühl, es ginge nicht um Themen, sondern um Gruppengrößen, oder um Mehr- und Minderheiten, von denen Du ja auch sprichst. Ein Diskurs ist aber keine Frage der Mehr- oder Minderheiten, und es steht am Ende auch kein "Sieg" durch Abstimmung, verbunden mit der Verpflichtung, sich mehr oder weniger klar auf eine Seite zu schlagen.


    Hier wurde und wird viel über den Beitrag gesprochen, aber vergleichsweise wenig über den Inhalt. Du schreibst (sinngemäß), er würde sich der gleichen Methoden bedienen, die die "sozialen" Medien ausmachen/kennzeichnen. Social Media leben davon, dass sich Reaktionen vervielfältigen, sie profitieren von der Beifallsdynamik und vom Vernetzungsgrad jener, die diese Klaviaturen besonders gut beherrschen. Erfolge in diesem Bereich markieren besonders viele Likes, Misserfolge markieren Scheißestürme, und auf dem Weg zu einem dieser Ergebnisse gerät der Inhalt, um den es irgendwann mal ging oder zu gehen schien, zu einer Nebensache - oder er gerät sogar ganz in Vergessenheit. Da Trends eine besondere Rolle spielen und die hohe Dynamik eine Verzögerung nicht verzeiht, sind kritiklose und überprüfungsfreie Zustimmung (zumeist aus persönlichen Gründen, aber auch aus sozialen und politischen) einerseits und möglichst krasse, möglichst heftig ausgedrückte Ablehnung - gerne auch verbunden mit mehr oder weniger subtilen Beleidigungen und Drohungen - andererseits die Hauptmittel der Auseinandersetzung. Die Beleidigungsebene wird sehr schnell (und ohne jedes Risiko einer Ahndung) erreicht, die Distanz zum Thema wächst rasant. Im negativen Fall sind die Auswirkungen für die Auslösenden gravierend, aber am Ende eines Shitstorms, und sei er noch so unberechtigt gewesen, muss irgendeine relativierende Reaktion stehen, sonst gilt die Niederlage als akzeptiert und selbst ein hanebüchener Vorwurf als bewiesen. Beinahe täglich liefert unser wunderbare Kommunikationswelt inzwischen Beispiele für Personen, Firmen und Institutionen, die zurückrudern müssen, weil etwas, das missverständlich aufgefasst werden könnte, auf genau diesen Aspekt reduziert wird, ohne dass es jemanden gegeben haben muss, der wirklich dem Missverständnis erlegen ist. Eine mögliche Auslegung dient als Beweis für schlechte Eigenschaften. Was nicht ausgleichend rüberkommt, nicht die gesamte Gesellschaft umarmt, ist automatisch diskriminierend und in irgendeiner Weise -istisch. Und diese Entwicklung steht noch an ihrem Anfang (ja, das ist eine Behauptung).


    Mmh. So also verhält es sich in meinem Beitrag auch? Der weder ein wissenschaftlicher Text ist, noch eine journalistische Arbeit, sondern ein verdammter Blogbeitrag - das Literaturcafé ist ein literarischer Blog. Aber unabhängig davon. An welcher Stelle müsste ich nach den weiter oben skizzierten Eigenschaften suchen? Oder nach Verschwörungstheorieelementen? Ich habe Beispiele für die Analyse angeführt - wenige von sehr vielen, die ich hätte bringen können -, ich habe Gedankengänge und Argumentationsketten hergeleitet und begründet, ich habe eine These und einen Aufruf formuliert. Klar, das hätte man alles viel besser oder schlechter, länger oder kürzer, viel sachlicher oder noch polemischer oder sonstwie anders machen können, was mir übrigens durchaus bewusst ist, aber inwieweit ich und in welcher Weise ich auf diese Feststellung reagieren soll, ist mir ein absolutes Rätsel. (Und ich hab's ja versucht, als Antwort auf Deinen Kommentar.)


    Die in diesem Beitrag formulierten Standpunkte polarisieren, außerdem sind die Kernthemen mit einer Vielzahl Nebenthemen verbunden. Es geht um Kunst, um Kommunikation, um Soziologie, es gibt gesellschaftliche, politische, soziale, kulturelle Implikationen. Das erschwert es möglicherweise auch hier, sich in einem Gespräch miteinander auf das wesentliche zu konzentrieren. Wenn Du resigniert feststellst, dass Rumpelstilzchen getanzt und polemisiert wird, was man um eine ganze Palette weiterer Verhaltensweisen ergänzen könnte, dann frage ich mich, was Du damit eigentlich sagen willst (noch einmal). Du skizzierst die Idee einer Kommunikationskultur, oder Du skizzierst, dass es eine Idee geben könnte, aber was Du genau erwartest, das bleibst Du schuldig (ziehst Dich aber sowieso raus, weil Du angeblich in der Minderheit bist und deshalb sowieso keine Chance siehst, Dich durchzusetzen oder irgendwas zu erreichen). Wir reden über eine hochkomplexe, vielschichtige, polarisierende, emotionale Thematik, außerdem gibt's ein bisschen Textkritik und eine Kleine Kommunikationsschule, und das ganze soll dann auch noch extrem gesittet, konfliktfrei und zielorientiert stattfinden? Oder missverstehe ich Dich jetzt zum dritten Mal nacheinander gründlich? Ich mag hier an meine intellektuellen Grenzen stoßen, aber ich weiß wirklich nicht, worauf Du hinauswillst. Jemand formuliert in dieser Diskussion einen Standpunkt, eine Haltung, verbunden mit Argumenten zu diversen Aspekten. Es gibt eine Botschaft, einen Kontext, eine Person, es gibt Metainformationen und Kommunikationshistorie (örtliche wie globale), es gibt Dutzende bewusst und unbewusst eingestreuter und/oder wahrgenommener Eigenschaften eines Kommentars, und auf all das wird reagiert, einzeln und in der Gruppe, auf bilateralen wie multilateralen Ebenen. Was daran ist falsch oder verwerflich oder wäre bitte wie besser zu machen? Und ich will nicht auf das simple "Das ist in Foren nun einmal so" hinaus, um nicht missverstanden zu werden.

  • Auch wenn ich hier nur noch sehr sporadisch mitlese, habe ich eine Frage, die vielleicht auch einen Streitpunkt aufgreift und die ich für mich essentiell finde.

    Tom, kannst du mir vielleicht noch einmal kurz erklären, wie du die Tyrannei, die du (das hab ich doch richtig verstanden?) in deinem Artikel anprangerst, genau definierst?

    Für mich bedeutet Tyrannei, dass ich mit Repressalien der Staatsgewalt zu rechnen habe, gegen die ich mich nicht zur Wehr setzen kann. Also beispielsweise: Geldstrafen, Gefängnis, Folter.

    Eine massive Protestbewegung aus der Bevölkerung (auch wenn sie von Staatsvertretern unterstützt werden) hat für mich absolut gar nichts mit Tyrannei zutun.
    Ist es so, dass Comedians und Autoren Gefahr laufen zu Bußgeldern [was ich in Anbetracht der Tatsache, dass auch ich die meisten der aktiven Comedians noch nie als witzig, sondern immer schon als reißerisch, minderheitenverachtend und beleidigend empfunden habe, und der Frage ab wann gilt etwas als zu ahnende Beleidigung und wann ist es Kunst, als die einzige evtl. mögliche, tatsächliche Bedrohung betrachten würde. Allerdings stellt sich mir dann auch die Frage, wer entscheidet ob da gerade Comedy abläuft oder die Würde eines Menschen getreten wird? Rein hirnphysiologisch ist es so, dass Ausgrenzung (die erfahren wird, wenn ich zu der Gruppe gehöre, die auf die Schippe genommen wird und über die andere lachen (und ja, ich empfinde es bei den meisten Comedians so, dass sich nur lustig gemacht wird) tatsächlich das Schmerzzentrum aktivieren und damit körperliche Schmerzen zufügen. Sollen die sich einfach nur nicht so anstellen? Einfach nicht mehr dorthin gehen, wenn es ihnen nicht gefällt? Und wieso wird das nie bei rechtem Gedankengut gefordert? Wem das nicht passt, soll doch bitte einfach einfach weghören, bzw. gefälligst anerkennen, dass es dieses Gedankengut immer schon gab und deswegen auch nicht in die Kritik geraten darf. (wohlgemerkt, das halte ich auf gar keinen Fall für gut^^) aber wenn ich das für einen Bereich fordere, muss ich es doch auch für einen anderen. Ich kann doch nicht einfach sagen, mir gefällt dies, deswegen verurteile ich alle, die anderer Meinung sind. (und ja, als ein solche Verurteilung habe ich deinen Blogbeitrag verstanden) aber da wo ich das blöd finde, was die auf der Bühne machen, da sollen wir bitte dagegensteuern.] verurteilt zu werden? Besteht die reale Gefahr, dass sie ins Gefängnis müssen, weil sie Worte nutzen, die politisch nicht korrekt sind? Oder gefoltert werden?


    Wieso wird bei einer Berufsgruppe gefordert, dass die Gesellschaft keine Meinung dazu haben und auf Veranstaltungen kundtun darf? Wenn ich als Coach Mist baue oder nicht den Vorstellungen des Klienten entspreche bekomme, ich ebenfalls existentielle Schwierigkeiten. Da schreit aber auch niemand, der Klient soll sich gefälligst auf das einlassen, was der Coach da macht, egal ob er sich danach besser oder schlechter fühlt. Wenn als Comedian meine Inhalte von einer großen Zahl als nicht mehr lustig erachtet wird, wäre es aus meiner Sicht besser, zu verstehen woher das bei den Betroffenen kommt. Ich muss mich nicht danach richten und ich stimme dem Part der Überempfindlichkeit was sensitive reading usw. angeht, durchaus zu, aber wäre es nicht hilfreicher zu erkennen, was zu diesem Erleben führt und sich auf der Ebene dann damit auseinanderzusetzen. Dann kommt es vielleicht irgendwann wirklich zu einem sinnvollen Umgang mit der Sensibilität der Sprache.
    Und dazu wäre es notwendig sich schlau zu machen, wie Sprache, Wahrnehmung und das Gehirn funktionieren. Denn Sprache schafft nachweisbar innere und damit auch äußere Realität. Etwas anderes zu behaupten geht an aktuellen Erkenntnissen aus Psychologie und Neurowissenschaften vollkommen vorbei.


    Um aber zurück zur Eingangsfrage zu kommen: Ist es so, dass Comedians oben genanntes real droht, aufgrund politisch nicht korrekter Begriffe?


    Und wäre es vielleicht eine Option sich für den Anstoß einer konstruktive Auseinandersetzung auf einen Punkt zu fokussieren, statt so viele Dinge und Ebenen zu vermischen, dass es kaum möglich ist, als Reaktion eine konstruktive Auseinandersetzung zu bekommen, weil viel zu viele Dinge und Ebene angesprochen werden.


    Oder war es einfach nur dein Ziel, deine Meinung in den Raum zu stellen, ohne dass du mehr damit beabsichtigt hättest?


    Übrigens erlebe ich Muriel hier im Forum als eher zurückhaltend und finde es gut, dass er ein Gesprächsangebot macht. Das steht eher im Gegensatz zu dem von ihm gezeichneten Bild hier im Thread. Die Reaktion darauf aus diesem Forum ist allerdings für mein Empfinden erschreckend.

    Und leider erlebe ich hier im gesamten Thread einige Antwortende auf genau dem Niveau das sozialen Medien immer angekreidet wird: angreifend, sich lustig machend (und damit andere verachtend) und provozierend.

    Und nur damit es keine Missverständnisse gibt: Das gilt aus meiner Sicht für die Beiträge von Didi und Manuela. Die für mich leider immer wieder jede konstruktive Diskussion und jeden respektvollen Umgang miteinander zerstören. Andere kritische Stimmen empfinde ich als durchaus konstruktiv und am Austauch interessiert.

    Schade, denn das, was ich hier mal sehr geschätzt habe, kann ich einfach kaum noch finden. Und die Ansätze davon werden direkt wieder angegriffen.


    Und ich frage mich wirklich, warum es so sein muss, denn ich habe das mal ganz anders empfunden und ich weiß, dass es in anderen Foren auch anders geht.


    Und ja, mir ist klar, dass ich es vermutlich bereuen werde überhaupt diesen Beitrag geschrieben zu haben, denn ich erwarte leider von gewissen Seiten angegriffen zu werden, mit Aussagen, dass ich ja immer nur sporadisch mal auftauche und meinen Senf nur zu solchen Themen hier lasse. Vermutlich werde ich als provozierend empfunden, weil ich meinen Eindruck schildere und die Sache nicht auf sich beruhen lasse.


    Oh und sonst war mir der Beitrag um den es hier geht einfach zu lang. Ich habe ihn irgendwann abgebrochen. Auch weil ich nicht wirklich gesehen habe, worauf er zusteuert oder was er eigentlich bezwecken will.


    Und doch noch eins: Wieso glaubst du, Tom, einschätzen zu können, welche Motivationen wann hinter welchem Like stehen? Wie bildet sich aus einem Likeklick denn eine Gruppe? Ich sehe Menschen die eine Aussage gut finden und ihre Zustimmung ausdrücken. Nicht mehr und nicht weniger. Mir ist es ganz ehrlich ein absolutes Rätsel, wie jemand daraus eine Gruppenzusammenballung herauslesen will (aber ich gehöre natürlich auch nicht zur Gruppe der von irgendwelchen Gruppenbildungen Betroffenen). Außer natürlich, ich sehe diese Gruppen bereits und interpretiere das, was da passiert unter dieser Prämisse. Dann erlebe ich natürlich eine Bestätigung meiner Wahrnehmung.

    Übrigens finde ich es hochinteressant, dass die Reaktion auf eben diese Wahrnehmung ist, zu fordern, den Like abzuschaffen, also per Autorität zu zensieren, dass Menschen hier im Forum überhaupt noch liken dürfen.

    Oder anders gesagt: Mir gefällt nicht was die da machen, weil ich darin etwas bestimmtes wahrzunehmen glaube, also will ich, dass das von Admin abgeschafft/zensiert/verboten wird.


    Mich persönlich erinnert das gerade an andere Szenarien.