Zwei Todesfälle

  • Zwei italienische Schriftsteller sind diese Tage gestorben: Andrea Camilleri gestern (17.7.2019) und Luciano De Crescenzo heute (18.7.2019); der eine im Alter von 93, der andere im Alter von 90 Jahren. Von Camillieri habe ich noch nicht viel gelesen, aber die wenigen Romane und Erzählungen – sämtlich Krimis – haben mir gefallen. Sie folgen nicht stur dem üblichen Schema des Genres sondern haben einen eigenen Ton, lebendige Figuren und vor allem Themen, die den unvermeidlichen Mord & Todschlag ein wenig beiseite rücken - nicht ins Abseits, das geht ja im Krimi nicht, aber ich habe immer das Gefühl, dass es etwas anderes ist, was die Hauptsache in den jeweiligen Geschichten ausmacht. Luciano De Crescenzo begleitet mich mit seinen Büchern schon länger. Ich habe ihn vor etwas mehr als dreißig Jahren entdeckt. Seine »Geschichte der griechischen Philosophie« ist eines meiner Lieblingsbücher. Die beiden Taschenbücher waren irgendwann zerfleddert und so habe ich es mir noch einmal gekauft, in einem Band, gebunden. Das Buch wird vermutlich länger halten als ich lebe, und das ist auch gut so. Angefangen habe ich mit »Also sprach Bellavista«, eine Liebeserklärung an Neapel, seiner Heimatstadt, eine Liebeserklärung an die Philosophie, seine Passion und eine Liebeserklärung an seine Mitmenschen, wie skurril oder verrückt sie auch sein mögen. Ich erinnere mich, an einen heißen Sommertag im Jahr 1991. Ich saß in Meißen in einem Schulungsraum, der so konzipiert war, dass er das äußere Klima im inneren noch verstärkte. Ich saß vor zwanzig ehemaligen Mitarbeitern der Meißener Porzellanindustrie - Techniker, Handwerker, Porzellanmaler und was weiß ich noch aus welchen kaufmännisch-fernen Berufen - und sollte alle auf »kaufmännisch« umschulen. Es war eine gemischte Klasse - 19 Frauen und ein Mann - und alle sahen mich mit trüben Augen an. Man hatte aufgehört, sich Kühlung zuzufächeln, die Aufmerksamkeit ging nicht nur gegen Null, sondern bereits ins Minus. Mir ging es nicht besser und es waren noch 90 Minuten herumzubringen. Frühzeitige Entlassung wegen Hitze – ich hatte nachgefragt – war nicht erlaubt. Ich sollte den Stoff durchpeitschen, die Prüfung lag nicht mehr allzu fern. Da griff ich zu Creszenzo, ich glaube, es war »Oi dialogoi. Von der Kunst, miteinander zu reden«. Ich las vor, wir redeten, lachten darüber und die neunzig Minuten waren schneller herum als man sich das vorstellen kann. Das wichtigste aber: Alle gingen mit »Gewinn« nach Hause. Stoff nachholen konnte man später auch noch, es haben auch alle die Prüfung geschafft. Aber diese Stunde mit Cresczenzo hat lange nachgewirkt, es wurde wiederholt darüber geredet und von einigen weiß ich, dass sie sich das Buch gekauft haben. Luciano De Crescenzo liebte die Antike, vor allem die Griechen. Er beschäftigte sich nicht nur mit den Philosophen, sondern erzählte auch griechische Mythen nach und den Odysseus. Sein Büchlein »Alles fließt, sagt Heraklit« ist eine schöne Ergänzung seiner griechischen Philosophie (obwohl Heraklit da auch schon drin vorkommt). Seine »Kleine Geschichte der mittelalterlichen Philosophie« finde ich dagegen eher schwach. Er gibt selbst im Buch zu, dass er nicht allzuviele Sympathien zu diesen Philosophen hegt. Er hat auch Romane geschrieben, von denen ich bisher nur »Meine Traviata« gelesen habe. Und das ist das schöne: Es gibt noch manches Buch von ihm, das ich mir noch vornehmen kann. Ob ich alle schaffen werde? Dazu müsste ich so alt werden wie er. Beides wird sich zeigen.

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    ASIN/ISBN: 3831335559


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    Emanuel von Bodmann


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