Gestern beim Kochen hörte ich im Bayerischen Rundfunk einen Bericht über den diesjährigen Marie-Luise-Kaschnitz-Preis. Er geht an Angelika Klüssendorf. Im Interview sagte sie:
Zitat„Während des Schreibens denke ich keine Sekunde an den Leser, da bin ich nur mit mir und dem Schreiben allein, und das ist sogar, wenn ich das so sagen will, eine Art Heimat für mich."
Darüber habe ich nachgedacht. Das Schreiben ohne Gedanken an den Leser scheint für Frau Klüssendorf eine Voraussetzung zu sein, um so zu schreiben, wie sie es tut. Der BR formuliert: "Großartig, wie lakonisch, präzise und reduziert, wie unsentimental und doch berührend Angelika Klüssendorf ihr Leben einer Kunstfigur anvertraut; wie sie von menschlichen Abgründen, ja vom Überleben schreibt; von Beziehungslosigkeit, Einsamkeit, dem Fluchtpunkt Natur, der Sehnsucht, sich zu spüren".
Sich zu isolieren, sich in die Heimat des Schreibens zurückzuziehen - so wie ich es verstehe, ist das für Klüssendorf ein Qualitätsmerkmal.
Kann man so sehen. Mir scheint dieser Einstellung eine Vorstellung zugrunde zu liegen, die ich ansonsten als Klischee bewertet hätte, als Kitsch: vom Schreibenden in seinem Elfenbeinturm.
Worauf ich hinaus will: Ist Schreiben für Euch ein Monolog oder ein Dialog?
Tucholsky schreibt in den "Ratschlägen für einen schlechten Redner": "Eine Rede ist, wie könnte es anders sein, ein Monolog. Weil doch nur einer spricht. Du brauchst auch nach vierzehn Jahren öffentlicher Rednerei noch nicht zu wissen, dass eine Rede nicht nur ein Dialog, sondern ein Orchesterstück ist: eine stumme Masse spricht nämlich ununterbrochen mit. Und das musst du hören. Nein, das brauchst du nicht zu hören."
So sehe ich es auch für das Schreiben. Ansonsten schreibt man nur für sich selbst. Das scheint mir ein Bild zu sein, wie es gerade in Deutschland verbreitet ist: Biedere dich nicht an den Leser an, oh Schriftsteller! Lass die reine Lehre aus deiner Feder fließen und schaffe Kunst. Erlebe deinen Schmerz beim Schreiben!
Wie steht Ihr dazu?