Was lest Ihr gerade?

  • Ich habe jetzt „Munin“ von M.Maron zuende gelesen und bin der Meinung, dass es ein hoch politischer Roman ist, eine Parabel auf die Situation unserer gegenwärtigen Gesellschaft. Im Nachbarschaftsstreit um die nervtötende Sängerin bilden sich bald zwei Fraktionen, deren Meinungen sich widersprechen. Der Kampf gege die Sängerin tritt zurück hinter den Kampf der Nachbarn untereinander. Gewalt, Angst, Sprachlosigkeit sind die Folge. Die eigene Meinung wird aus Angst vor Diffamierung verschwiegen. Hier spiegelt die Verfasserin den Zustand unserer Gesellschaft in Zeiten der Flüchtlingskrise. Ihre Protagonistin hält mit zeit-und gesellschaftskritischen Bemerkungen nicht hinterm Berg. Selbst wenn man den Fehler der Identifikation von Ich-Erzähler und Autor nicht begeht, fällt es schwer, hier nicht die Autorin selbst zu vermuten, zumal wenn man die Position der Autorin kennt. Obwohl M.Maron ihre Prota vorschickt, erscheint mir der Versuch etwas zu durchschaubar. Weniger Holzhammer hätte mir besser gefallen.

  • Ich habe die letzten Wochen nur geschrieben und wenig bis nichts gelesen. Statt zu lesen, habe ich ich mich um meinen sehr kranken Sohn gekümmert. Aber dann ist da immer noch die halbe Stunde, die ich zwischen "ins Bett gehen" und "Katze hat endlich eine Schlafposition gefunden" und "Einschlafen" habe ... und da habe ich dann doch gelesen.

    Keinen Roman, nicht gesellschaftskritisches, keine großen Manifeste - einfach etwas fürs Herz - für mein Herz.


    ASIN/ISBN: 9783832199357


    Es ist ein Buch mit Rezepten, aber es ist auch etwas anderes - ein Stimmungsbuch. Die Duftkerze auf dem Tich in der stürmischen Nacht, die Wolldecke, in die man sich kuschelt, obwohl der Kamin flackert. Ein Wohlfühlbuch, eins für die Seele und für den Magen. Manchmal brauche ich so etwas.


    Nun habe ich MEIN nächstes Manuskript abgegeben und kann auch wieder in andere literarische Tiefen tauchen. Obwohl ... da liegt noch


    ASIN/ISBN: 3832194770


    Das habe ich noch nicht gelesen und er schreibt so nett.
    Vielleicht lese ich tagsüber wortgewaltige Bücher und in der halben Stunde nachts, bis die alte Katze endlich Ruhe gibt, das zweite Seelenbuch.

    Blöd ist nur, dass es mich doch mehr Zeit kostet, als die halbe Stunde ... ich muss am nächsten Tag einkaufen und nachkochen, dies und das und jenes.
    Meine Familie findet das allerdings nicht so schlimm.

  • "Der Sozialismus und die Seele des Menschen" von Oscar Wilde. Um eine Lücke zu schließen, vielleicht auch von der einen oder anderen Erkenntnis des Autors überrascht zu werden. Nur liest sich das eine oder andere natürlich provokant. Dass die Armen, die sich nicht nur über Hilfe freuten, sondern gegen einhergehende Bedingungen auflehnten, nun ja, wertvolle Mitglieder der Gesellschaft seien.


    Also nur etwas für solche, die sich auf derartige Gedankenspiele einlassen möchten ...

  • Von Monika Maron hat mir eigentlich nur ihr Erstling "Flugasche" gefallen. Alles, was danach kam, fand ich zäh, bemüht und geradezu depressiv. Das Leonora-Carrington-Buch war mein letzter Versuch.

  • Hallo Jochen, Monika Maron ist meine Generation, da hast du recht. Der Ex-DDR hat sie allerdings den Rücken gekehrt. Sie unterstützt die Ideologie der DDR nicht, wird heute eher der rechten Mitte zugeordnet, wenn man denn will. Unter Linken hat sie einen Touch von Rechts, was sie ideologisch in die Naziecke rückt. Tellkamp lässt grüßen. Leider ist das Schwarz-Weiß-Denken zur Norm geworden. Wer nicht links ist, ist rechts. Diese Auffassung teile ich nicht.

    Ich habe M.Maron schon vor ca 15 In Hamm gehört, als ich noch in NRW wohnte. Ich glaube, es war "Endmoränen". Seitdem liest sie regelmäßig in Potsdam. Ihre Rolle in "Munin" sehe ich durchaus als Vermischung von Ich-Erzählerin und Autorin. Das sollte man eigentlich nicht, aber hier verbirgt sich die Autorin so wenig hinter dem "Ich", dass man kaum umhin kommt, das anzunehmen. Die Sängerin ist auf keinen Fall Bettina Wegener, denn die kann singen und schmettert keine Operetten. Sie ist einfach nur der Stein des Anstoßes, an dem sich sehr bald eine Diskussion um brisante tagespolitische Themen entwickelt: Taxifahrer, rechts, dumm, schlecht - Journalist/Professor, links, intelligent, gut. Diese beiden Lager treffen aufeinander, wie im echten Leben. Das ist das Thema des Romans, und es spiegelt die zweigeteilte Gesellschaft, die z.T. unversöhnlich gegeneinander agiert. Nie hat sich M.Maron so eindeutig positioniert wie in diesem Roman.

    Lieber Jochen, in einem wirklich guten Roman hätte sich die Autorin diskreter verhalten (müssen). Hier agiert sie mit dem Holzhammer. Bei ihrer Lesung fiel das allerdings nicht ins Gewicht, denn dort hat sie dem Publikum fast nur die humoristischen Passagen vorgelesen. Die kamen, gemessen am Gelächter, beim Publikum gut an.

  • Ich lese gerade Duves "Nette". Erinnert mich anfänglich etwas an ihren "Regenroman", vielleicht aber auch nur, weil es bei "Nette" auch andauernd regnet und es schon lange her ist seit der Lektüren des anderen Buches. Ich bin gespannt, wie sie es anstellt zu beschreiben, wie man der Droste-Hülshoff damals so arg mitgespielt hat. Jedenfalls bereue ich es nicht, dieses Buch vorgezogen zu haben. Allerdings kann ich mir nur schwer vorstellen, dass jemand Gefallen an diesem Buch findet, der sich nicht für die Droste und die Literaten des frühen 19. Jahrhunderts interessiert.


    Eine schöne Website zu Annette von Droste-Hülshoff habe ich entdeckt.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Ich lese meistens zwei Bücher parallel, Sachbuch und Roman. Das derzeitige Sachbuch:


    ASIN/ISBN: 3596297052


    In diesem Buch erfährt man nicht, was Künstliche Intelligenz ist, dafür muss man anderes lesen, aber man bekommt eine Art Meinungsbild zum Thema, ein ganzes Spektrum an Kommentaren. Die meisten der knapp 200 Autoren sind Wissenschaftler, ein Teil davon mit einem einschlägigen Fachgebiet. Ich finds als Ganzes interessant, hab allerdings erst ein Drittel gelesen. Vielleicht habe ich auch irgendwann genug von den 3-Seiten-Kommentaren und lese lieber was Informativeres. Mal sehen.


    Der derzeitige Roman (SF):


    ASIN/ISBN: B00VCY3W6C


    Da ich gerade was von KI schrieb: Bei Banks haben nichtbiologische Gehirne ganz selbstverständlich einen den biologischen vergleichbaren Status.

    Zitat

    Oft wurde er gefragt, warum er allein gekommen sei, und nach mehreren Missverständnissen versuchte er nicht mehr, ihnen klarzumachen, dass er von dem Roboter begleitet wurde, und sagte einfach, er liebe es, allein zu reisen.

    Ich liebe diese Stellen. Hier was zum Thema Gender-Ideologie:

    Zitat

    »Ich nehme an, es bedeutet, dass diese Leute ihr Geschlecht nicht wechseln können.«

    »Richtig. Gentechnologisch gesehen ist das seit Jahrhunderten in ihrer Reichweite, aber es ist verboten. (..) Auf uns wirkt das pervers und wie eine sinnlose Verschwendung.“

  • Ich lese derzeit "Die Mauer" von John Lanchester, das unser TWJ hier so hinreißend verrissen hat. Bisher habe ich die Hälfte geschafft und bin geneigt, mich den zwei Hauptaspekten von TWJs Kritik anzuschließen: Es ist langweilig und die Hauptfigur ist uninteressant. Dafür liest es sich allerdings trotzdem recht flüssig, wohl hauptsächlich, weil man darauf hofft, einer Klimax entgegenzulesen.


    ASIN/ISBN: 360896391X

  • Lese gerade (bzw. habe ganz frisch ausgelesen) zur mentalen Auflockerung "Chocolat", siehe gleichnamiger Film, den ich trotz Johnny Depp ganz okay fand. Kann den Roman nicht empfehlen. Lauter Klischees, aber dennoch unterhaltsam. Mehr etwas zur kurzweiligen geistigen Erholung oder für gelangweilte Hausfrauen.

  • Dann wird die Sängerin möglicher Weise Biermann's Tochter (Nina Hagen) sein können? Tja ich stimme dir zu, es ist schwer DDR-Zustände von außen verstehen zu können. Und noch schwerer die ganzen Kram um Biermann.....Es gibt bei den ex-DDR-Bürgerbewegten eine Fraktion die sich tatsächlich etwas mehr Rechts zuordnen lässt, die hatten vor ca. 1/2 Jahr auch irgendein Bürgerbegehren ausgelöst, es gibt ne Webseite dazu, auch einigermaßen bekannte Leute, hab ich nicht mehr ganz in Erinnerung... Ex-CDU-Abgeordnete glaube ich... Ob und was Monika Maron mit dieser Fraktion zu tun hat, weiß ich nicht... Ich empfehle in diesem Bezug: Katja Lange Müller, die hat auch nen DDR-Hintergrund, ist auch ausgereist (wie man damals so sagte), und ist auch Literatin. Katja Lange Müller bringt wirklich frischeren Wind (ist freilich Ansichtssache) . Tendenziell sehe ich dass so, dass mich der Roman wohl nicht interessieren muss.


    Guten Abend

    Hallo Jochen, es geht hier in keiner Weise um die DDR, sondern um unsere heutige Bundesrepublik, mit der sich Monika Marion auseinandersetzt. Biermann und Nina Hagen kannst du in diesem Zusammenhang vergessen. Die Sängerin in Marons Roman ist weiter von Nina Hagen entfernt als ein Pissoir vom Kölner Dom, diese Sängerin trällert Operetten. Und sie ist auch nur der Kristallisationspunkt für den eigentlichen Konflikt, der unter den Bewohnern der Straße ausgetragen wird - heute, nicht damals in der DDR. Was hier evtl. "rechts" sein könnte, ist die Meinung des Taxifahrers als Vertreter eines Teils der Bevölkerung, die die Politik von Angela Merkel ablehnt. Was du "links" nennen könntest, ist die Meinung des Professors, der hinter der Politik der Bundesregierung steht - wenn man Monika Maron denn so interpretieren könnte/sollte. Darin sehe ich die Quintessenz des Romans, was ihn neben aller literarischen Qualität etwas plakativ erscheinen lässt.

  • Edith Schreiber-Wicke, Gefährlicher Tausch, 2003/2007 bei Thienemann in der Reihe "Vorsicht Hochspannung!" erschienen, eine gut erzählte Identitätentausch-Geschichte zwischen Arm und Reich, die in der Gegenwart in irgendeiner Stadt in Deutschland spielt.

    Der arme Junge erzählt einer geheimnisvollen Frau von seinem Wunsch, auch einmal das angenehme Leben seines reichen Mitschülers zu führen. Der Wunsch wird wahr; nach diesem Einstieg, dessen Fantasyhaftigkeit unauffällig und wie nebenbei geschieht, geht es realistisch weiter.

    Kinder-, Jugend- und auch Bilderbücher lese ich immer gern, oft im Wechsel mit Erwachsenen- und Sach- und Fachbüchern.

    Non quia difficilia sunt, multa non audemus, sed quia non audemus, multa difficilia sunt. Seneca
    [Nicht weil es schwierig ist, wagen wir vieles nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist vieles schwierig.]

  • Es geschieht extrem selten, dass ich ein Buch ein zweites Mal lese. Housekeeping von Marilynne Robinson gehört zu diesen Ausnahmen. Zum ersten Mal irgendwann in den späten achtziger/frühen neunziger Jahren gelesen, zieht mich die Geschichte auch jetzt beim zweiten Lesen wieder in ihren Bann. Nach so langer Zeit will das etwas heißen.


    Housekeeping ist keine einfache, keine leicht zugängliche Geschichte, thematisch weitab vom Gewohnten so wie das geografische Setting der Geschichte, in der überdies Männer so gut wie nicht vorkommen oder allenfalls Randfiguren sind, abgesehen von einer Figur, die aber in dem Moment, in dem die Geschichte beginnt, schon seit langem tot ist.

    Marilynne Robinson ist mit großer Empathie und niemals wertend bei ihren Figuren, die, nicht überraschend, sehr lebendig, trotz ihrer Verschiedenheit allesamt berührend sowie trotz ihrer teilweisen Skurrilität stets glaubwürdig sind.


    Für mich ist es ein Rätsel, warum Marilynne Robinson hierzulande so wenig Wertschätzung erfährt, zählt sie doch zur ersten Garde der nordamerikanischen Erzählerinnen und Erzähler.


    In einer deutschen Übersetzung ist Housekeeping 1984 bei Kiepenheuer & Witsch mit dem Titel Das Auge des Sees erschienen und dann 2012 in der Edition Nautilus als überarbeitete Übersetzung mit dem Titel Haus ohne Halt.

    Beide deutschen Titel finde ich allerdings nicht sehr glücklich gewählt, zumal ihnen die Doppeldeutigkeit des Originaltitels fehlt. Die Beibehaltung des Originaltitels wäre in diesem Fall vielleicht die bessere Lösung gewesen.


    ASIN/ISBN: 3423115858


    Ach ja, Housekeeping wurde von dem schottischen Regisseur und Drehbuchautor Bill Forsyth verfilmt, und das Ergebnis steht in meinem Empfinden der Romanvorlage in nichts nach. Auch das will etwas heißen.

  • Ich amüsiere mich köstlich über die augenscheinlich sehr gelungene Fortsetzung von "Kill Your Friends", in der John Niven nach ein paar politisch ziemlich korrekten Durchhängern ("Old School") wieder zum guten Niven-Ton zurückgefunden hat.


    ASIN/ISBN: 3453271572

  • So, mit Niven bin ich durch (Rezi folgt). Zwischendrin habe ich dieses kleine Büchlein gelesen, das man natürlich auch bei Amazon kaufen kann, und zu dem ich noch ein paar Worte schreiben werde:


    ASIN/ISBN: 3864892511


    Gestern habe ich dann mit diesem Ziegel angefangen. Die ersten 50 der 1250 Seiten lasen sich schon mal ganz gut.


    ASIN/ISBN: 3498030337