Ich hatte neulich eine interessante Diskussion mit einem 42er-Kollegen. Ich darf Dich outen, Jürgen? Schon geschehen! Ich vertrat die These, dass es, wenn es nun schon all diese Jahrhunderte und Literaturepochen mit ihren unterschiedlichen Erzählschulen gegeben hat, wünschenswert wäre, man könnte sich dieser Schulen frei bedienen, statt auf eine moderne Erzählweise festgelegt zu sein. Ich habe zum Beispiel nie begriffen, was diese Panik vor einem allwissenden Erzähler soll. Der einzige Grund, mich danach zu richten - und das ist natürlich leider ein gewichtiger - wäre, dass ein Verlag darüber die Nase rümpft und ich schon sehr genial sein müsste, um meine Veröffentlichungschancen nicht zu schmälern. Ansonsten dachte ich immer, dass historische Erzählvielfalt doch auch für mehr Auswahl und damit Freiheit im Erzählen sorgen könnte. Und sollte.
Jürgens Argument war hingegen (und bitte, Jürgen, berichtige mich, wenn ich Dich falsch wiedergebe), dass die Erzählweisen der jeweiligen Zeit ihre Berechtigung und sogar Notwendigkeit haben, weil nur sie, und jetzt wird es für mich schwierig auszudrücken, die Ereignisse der Zeit, in der wir jetzt leben, angemessen ausdrücken können.
Wie seht Ihr das? "Darf" man beim Schreiben im Pool der Jahrhunderte fischen? Auktorialer Erzähler sein, Thomas Mannsche Bandwurmsätze drehen oder den Minnesänger mit der hochheiligen Minne geben? Oder wäre das nur ein Wiederkäuen von überkommenen Moden? Freue mich über Diskussion!