Gute auktoriale Erzähler in Gegenwartsliteratur gesucht

  • Ihr Lieben,


    irgendwie dachte ich immer, ein "auktorialer" Erzähler sie ja eigentlich ein bisschen schlecht, weil distanziert und so. Und irgendwie auch aus einem vergangenen Jahrhundert.
    Aber nun habe ich ein Projekt angefangen, das quasi nach einem auktorialen Erzähler schreit.


    Und da hätte ich gern ein paar Empfehlungen für gelungene Gegenwartsliteratur mit auktorialen Erzählern, damit ich ein bisschen "abgucken" kann.


    Ich freu mich auf Eure Tipps.

  • In meinem Buch verwende ich einen auktorialen Erzähler, der nahe an den Figuren bleibt und durch Sprachduktus die Perspektive anzeigt, aber nur leicht.


    Dann wäre es meines Erachtens kein auktorialer, sondern ein (wechselnd) personaler Erzähler.
    Die Moderne ist u.a. durch eine radikale Subjektivierung des Erzählens gekennzeichnet, daher gibt es kein auktoriales Erzählen mehr. Unlesbare Ausnahmen bestätigen die Regel ")"

  • Und da hätte ich gern ein paar Empfehlungen für gelungene Gegenwartsliteratur mit auktorialen Erzählern, damit ich ein bisschen "abgucken" kann.

    Vielleicht ist das hier etwas für Dich, Dorrit:


    [buch]3499134764[/buch]


    Allerdings ist dies kein auktorialer Erzähler "aus einem Guss". Die Geschichten auf der Erde sind personal erzählt. Die Himmelsgestalten kommentieren sie allwissend, aber separat.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Lieber Jürgen, danke, das macht echt Mut ?!?


    Ich seh nicht ein, wozu du für das fragliche Projekt einen solchen Erzähler brauchst. Am Anfang tritt ein distanziert personaler Erzähler auf, der im weiteren Verlauf durchaus subjektiver werden kann, aber nicht muss. Da sind doch noch alle Möglichkeiten offen.

  • Zitat

    Dann wäre es meines Erachtens kein auktorialer, sondern ein (wechselnd) personaler Erzähler.


    Das ist so nicht ganz richtig, lieber Jürgen. Es gibt durchaus Geschichten, in denen abschnittweise etwas erzählt wird, das weder der einen noch der anderen Figur perspektivlich zugeordnet werden kann (und auch nicht soll!).
    Dass auch ein auktorialer Erzähler so dicht an eine Figur herangeht, dass sich die jeweilige Textpassage - losgelöst aus dem Gesamtkontext) - nicht von einer Textpassage eines personalen Erzählers unterscheidet, dürfte inzwischen Usus sein.

  • Danke, Alexander - ich habe das Buch zwar schon gelesen, aber das ist so lange her, dass ich es durchaus noch einmal lesen könnte.


    Nehme aber auch gern noch mehr Tipps entgegen. ")"


    Ich wollte ja gar nicht prinzipiell über die Perspektive sprechen bzw. hatte nicht geahnt, dass diese Diskussion sich anschließen würde.


    Aber gerade bei der Leseprobe meines Projekts, Jürgen, die du kennst, gibt es Abschnitte, die eindeutig nicht personal erzählt sind, weil ein Dreijähriger nicht darüber nachdenken würde, in welchem Teil der Savanne er nun eigentlich lebt. Da gibt es einen Erzähler, der das einflicht, und dieser Erzähler ist nicht personal. Und ich werde genau diesen Erzähler später hin und wieder brauchen, um auch Dinge "einzusortieren" oder zur Einordnung/Einflechtung politischer Umstände, die die Hauptperson nur marginal tangieren, für das Verständnis der Geschichte aber wichtig sind. Und dieser Erzähler ist mE auktorial. Der soll ja nicht die ganze Zeit dort "herumspringen", aber eben eine Präsenz haben, die es möglich macht, in bestimmten Momenten auf ihn zurückzugreifen.

  • Als erstes fällt mir der Erzähler in J.J.Vokuils Romanreihe "Das Büro" ein. Ein personaler Er-Erzähler, der auch weiß, was an Orten passiert, wo er nicht persönlich anwesend ist ")", und der den Leser angenehm durch die fremde Welt des Büros führt.
    [buch]3406637337[/buch]

  • Danke Jürgen, da fiel mir doch ein, dass ich dieses Buch schon längst auf meine LuB (Liste ungelesener Bücher) setzen wollte. Mach ich jetzt. Auch wenn die Liste schon so lang ist.


    Liebe Dorrit, den Anfang habe ich mit Interesse und Wohlgefallen gelesen - du brauchst dich meines Erachtens nicht mehr an anderen (zu) orientieren. Ich finde es gelungen, wie dort unter der globalen Personalperspektive personalferne Fakten dargestellt werden.
    LG Jürgen

  • Hallo Dorrit, eben fiel sie mir wieder in die Hände: Brigitte Reimanns "Franziska Linkerhand". Reimann mischt darin auktoriale und Ich-Perspektive, manchmal mitten im Absatz. Und es funktioniert super.
    [buch]3746615356[/buch]

  • Danke Christiane, da habe ich doch einen wunderbaren Grund, "Franziska Linkerhand" wieder zu lesen. Es ist ja ein bisschen peinlich, aber wenn mich jemand gefragt hätte, wäre ich mir ganz sicher gewesen, dass sie personal schreibt. Dabei habe ich das Buch nun schon mehrfach gelesen. Das letzte Mal ist allerdings vermutlich ca. 10 Jahre her, da habe ich mich noch gar nicht ernsthaft selbst mit dem Schreiben beschäftigt.
    Danke für den Tipp jedenfalls :blume

  • Vielleicht ist das hier etwas für Dich, Dorrit:


    [buch]3499134764[/buch]


    Allerdings ist dies kein auktorialer Erzähler "aus einem Guss". Die Geschichten auf der Erde sind personal erzählt. Die Himmelsgestalten kommentieren sie allwissend, aber separat.


    In den guten alten 42er Zeiten wurde das Buch in der Gemeinsamlesenliste besprochen. Gibt es da eigentlich noch einen Zugriff drauf?