Mariana Leky – Die Herrenausstatterin

  • Mariana Leky steht mit ihrem aktuellen Roman auf der Spiegel-Bestsellerliste und hat auf Amazon derzeit 239 Rezensionen. Vielleicht kann sie erzählen, dachte ich. Da mir 20 Euro für die gebundene Ausgabe jedoch zu teuer sind, habe ich mal nach Taschenbüchern von ihr geschaut und „Die Herrenausstatterin“ gefunden. Und gekauft. Und es nicht bereut. Der Roman erzählt eine eigentlich ziemlich traurige Liebesgeschichte auf so liebevolle Art und Weise, dass es zum Niederknien ist.


    Das Ganze ist sprachlich unglaublich schön und treffsicher, stellenweise hätte man sich fast ein bisschen mehr Geschwätzigkeit gewünscht, sehr berührend, so richtig zum Mitleiden, dann wieder witzig, die ganze Zeit auf sympathische Weise herrlich absurd und skurril und ja, einfach – und das ist total lieb gemeint – sinnlos. Vermutlich gerade deswegen fühlt man sich dem Personal so nahe, lernt ihre Macken (es gibt einige) lieben, erkennt sich in einigen sofort wieder und will dann wieder weinen, über die Ungerechtigkeit der Welt und des Schicksals, über Rücksichtslosigkeit und soziale Kälte. Ich würde jederzeit schwören, dass hier etwas grundlegend menschliches beschrieben wird, um das man einfach nicht herumkommt, vielleicht sogar das Leben an sich, aber das ist natürlich Quatsch. Es macht nur eben tierisch Spaß, der sich selbst und den anderen verlorengehenden Hauptfigur in ihre verworrenen Gedankengänge zu folgen und mit ihr zusammen in der völlig versifften Wohnung zu verwahrlosen und den elenden Porzellanflamingo zu kleben. Leky ist ein toller Roman gelungen. Allein der Umgang mit dem abgehalfterten Karatefilm-Darsteller McQuincey, der von Karate Null Ahnung hat und mittlerweile fett, alkoholkrank und auf dem Weg in den Beruf des Bademeisters ist – im Roman eigentlich nur eine Randfigur – lohnt die Lektüre und zeigt, wie viel es ausmacht, wenn Autoren ihre Figuren richtig richtig gerne haben. Nämlich vermutlich bisweilen den Unterschied zwischen einem fantastischen und einem Scheißroman. Hier liegt jedenfalls ein fantastischer vor.


    Wer es wissen will: In dem Roman geht es um eine in die Depression abrutschende Witwe, ihre Liebesbeziehung zu einem Toten und einem Feuerwehrmann mit einem Faible für hochkalorische Trinknahrung. In Wirklichkeit ist alles natürlich viel komplizierter und überraschender, wie sich ganz leicht jeder selbst vorstellen kann.

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  • Ich würde jederzeit schwören, dass hier etwas grundlegend menschliches beschrieben wird, um das man einfach nicht herumkommt, vielleicht sogar das Leben an sich, aber das ist natürlich Quatsch.


    Gar kein Quatsch! Wie schön, dass Du das Buch hier vorstellst, Christoph; ich habe es gestern Nacht ausgelesen, und es ging mir gerad wie Dir. Auch ich war entzückt von dieser völlig hilflos vor ihrem dickem Trauergerümpelberg stehenden Witwe und ihren (eingebildeten?) Freunden. dem bereits gestorbenen Altphilologen und diesem Feuerwehrmann, den man auch nicht geschenkt haben will, aber irgendwie doch, und dann kommt es wie es kommen muss, und sie ... nee, nix verraten - unbedingt selber lesen!


    Übrigens, wie ich finde, noch nicht mal Lekys bester Roman. Den schrieb sie ein paar Jahre später (2017), und und heißt Was man von vier aus sehen kann (s. a. Blog). Dagegen kommt mir die Herrenausstatterin fast wie eine Fingerübung vor, aber was für eine gelungene!

  • PS: Lekys Stil und ihre Themen erinnern mich ein bisschen an Doris Dörrie (deren Bücher ich nicht mag, weil mir da der Humor fehlt oder ich ihn nicht erkennen kann) - mit dem Unterschied, dass Leky diesen unglaublichen Humor eben hat.

  • Anfangs brillant, aber dann ...



    Die Heldin dieses eigenartigen Romans ist eine eigenartige, eigenwillige Frau. Die allgemein eher etwas unschlüssige Übersetzerin Katja Wiesberg trifft Jakob, der ihr neuer Zahnarzt ist, aber ein so ganz anderer Zahnarzt als die anderen vorher. Wenn man sich nach dem ungewöhnlich sensiblen Vorgespräch mit dem sympathischen und attraktiven Mann auf seinem Zahnarztstuhl niedergelassen hat und den Kopf anlehnt, kann man ein Schild lesen, das an der Decke des Behandlungsraums hängt: „Alles wird gut“ steht da.
    Wird es aber nicht. Jakob und Katja werden zwar bald ein ziemlich glückliches Paar und heiraten sogar, aber das Zusammenwohnen ist Jakobs Sache nicht (er zeltet lieber im Garten). Und auch die Treue, wie sich bald herausstellt. Er trifft die hübsche und etwas jüngere Alina, aber bevor dann noch Scheidung und ähnliche Katastrophen folgen, beendet ein Verkehrsunfallverursacher Jakobs Leben. Und Katjas Ehe. Und eigentlich alles andere auch.


    Bis dahin liest sich „Die Herrenausstatterin“ einfach genial, folgt ein brillanter, unglaublich humorvoller, nachgerade weiser Satz dem anderen, ist es ein unfassbarer Spaß, ein fulminantes Vergnügen, diese eigentlich unspektakuläre Geschichte zu lesen. Dann ist Jakob tot und Katja kommt nicht mehr so recht aus den Puschen. Evylin, die Kollegin und beste Freundin, geht mit ihrem Psychiater auf Weltreise, und Bengt, der gemeinsame Chef, gibt Katja Langzeiturlaub. Dann tauchen erst Blank und später Armin in ihrer Wohnung auf. Blank war Anfang sechzig, ist seit kurzer Zeit tot und kann nur von Katja gesehen werden, aber Armin ist jung und lebendig - und behauptet, Feuerwehrmann zu sein, was Katja aber nicht ganz glauben kann. Die beiden Männer werden jedenfalls ihre ständigen Begleiter auf dem Weg zurück ins Leben, und während Blank langsam schwindet, entsteht unerwartet Neues.


    Dieser zweite Teil ist ebenfalls sehr originell und sprachlich mehr als überzeugend, aber auch etwas gedehnt und überbemüht. Nicht jede Idee scheint der Geschichte zu dienen, sondern soll eher das Ende aufhalten, etwa der Trip nach Eindhoven und Armins Begegnung mit Ralph McQuincey, einem Karatefilmdarsteller aus den Achtzigern. Die hohe Dichte der ersten Seiten verflüssigt sich in Richtung Schluss immer mehr, wechselt beinahe ins Gasförmige. Und das fühlt sich leider an, als wolle die Autorin der Frage nach dem Warum auf diese Weise ausweichen.


    Bleibt eine toll erzählte, unkonventionelle Geschichte, die ab der Mitte zwar etwas versandet, aber unterm Strich immer noch prachtvoll unterhält, weil so viel Energie vom Anfang übrig ist.