Schreibhandwerk: Begriff gesucht

  • Ihr Lieben,


    helft mir bitte mal auf die Sprünge. Ich suche zwei Begriffe bzw. ein Begriffspaar.
    Es geht um Nebenfiguren, die zu Anfang einer Geschichte eine Rolle spielen und dann nie wieder auftauchen (Begriff 1) und um ihr Gegenstück, nämlich diejenigen Nebenfiguren, die erst gegen Ende der Geschichte eingreifen, ohne vorher eingeführt worden zu sein (Begriff 2). Es gibt eine feststehende Wendung dafür, aber mir fällt sie ums Verplatzen nicht ein. (Ich hatte „Witwen und Waisen“ im Kopf, aber das ist es nicht, jedenfalls wirft mir die Suchmaschine dazu nix Schreibrelevantes aus.)


    Habt ihr eine Idee?
    Tausend Dank schon mal :)

  • Ich kenne leider nur supporting characters, in Anlehnung an die supporting actors der Filmwelt, also Nebenfiguren, die die Hauptfiguren unterstützen, als Spiegelbild funktionieren, an denen die Charaktere der Hauptfiguren sich zeigen können, etwas zur Story oder zu den Hauptfiguren über die Nebenfiguren transportiert wird.
    Und dann kenne ich noch die Wegwerf-Perspektivcharaktere.
    Und das hier habe ich spontan gefunden: https://www.teuderun.de/latex/layout/witwen-und-waisen/


    aber alles nicht das, was Du suchst, oder?

  • Horst-Dieter, nicht unbedingt, ich suche nur gerade unterstützende Links dazu bei Schreibratgebern zum Verdeutlichen, was ich damit meine.


    Cordula, was du gefunden hast, ist die englischsprachige Entsprechung von Hurenkindern und Schusterjungen aus der Typographie.


    Danke euch beiden!!

  • Ihr Lieben,


    danke fürs Mitüberlegen.


    Die Frage hat mir keine Ruhe gelassen und jetzt habe ich all meine Schreibratgeber aus dem Regal gezogen - und bin fündig geworden. Bei Anna Basener „Heftromane schreiben und veröffentlichen“. Meine Erinnerung hatte sogar recht: Witwen und Waisen. In Lektorenkreisen (wie Basener schreibt) werden die beiden Begriffe nicht nur für Figuren benutzt, sondern auch für (Leit-)Motive oder Symbole, die einmal auftauchen, sich aufspielen und dann sang- und klanglos verschwinden (Witwen). Den Waisen, schreibt sie, fehlen die Eltern. Ihnen geht nichts voraus. Auf einmal sind sie da, sind wichtig, ohne dass eine Beziehung zu ihnen aufgebaut wurde. Benannt sind damit wiederum Figuren, Motive, Symbole. Für bedeutsame Orte gilt selbiges.


    Puh, bin ich froh, dass ich das jetzt klären konnte. Das hat mir den ganzen Nachmittag keine Ruhe gelassen. Kennt ihr sowas?
    :)

  • Machen wir‘s mal an - in Liebesgeschichten - beliebten Aussagen „Das ist unser Lied“ fest:


    Witwe:
    Besagtes Lied wird zu Beginn der Geschichte beschworen, Leser*in schmilzt dahin, weil er/sie das Lied liebt und so gut verstehen kann, dass es „unser Lied“ ist - und dann taucht es für den Rest der Geschichte nie wieder auf. Ich als Leserin würde mich veräppelt fühlen.


    Waise:
    Besagtes Lied wird auf einmal gegen Ende der Geschichte aus dem Hut gezaubert. Zuvor war niemals die Rede davon. Ich als Leserin würde denken: Hä? Woher komnt das auf einmal? Und mich wieder ein bisschen veräppelt fühlen.


    Ich finde deshalb schon, solche „Witwen und Waisen“ gehören zu den vermeidenswerten Aspekten eines Textes.
    Taucht eine Figur oder ein Gegenstand unvermittelt ab oder auf, dem keine sonderliche Bedeutung beigemessen ist, hab ich damit kein Problem.

  • Das Beispiel ist aber konstruiert. Die Leserinnen und Leser, die sich bei so etwas veräppelt fühlen sind dünn gesäht. Ich tippe mal auf kleiner als 1 %. Und ich meine auch, das beides durchaus erlaubt ist. Man muss nicht alles immer durch die ganze Geschichte tragen.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Das Beispiel ist aber konstruiert


    Klar ist das Beispiel konstruiert ;)


    Ich jedenfalls fühle mich veräppelt, wenn ein Gegenstand, eine Figur zu Anfang einer Geschichte mordsmäßig aufgebaut wird mit Riesen-Bohei und er/sie im Fortgang der Geschichte einfach wieder verschwindet. Aber da kann ich natürlich nur von mir reden.


  • Ich jedenfalls fühle mich veräppelt, wenn ein Gegenstand, eine Figur zu Anfang einer Geschichte mordsmäßig aufgebaut wird mit Riesen-Bohei und er/sie im Fortgang der Geschichte einfach wieder verschwindet. Aber da kann ich natürlich nur von mir reden.


    Ja, in solch einem Fall ist das natürlich korrekt. Das hatte ich auch an "Fotomord" zu bemängeln, wo Nebenfiguren plötzlich umfangreiche und schwerwiegende Dialoge führten und dann nie wieder vorkamen. Das sind dann die geladenen Gewehre, die nie abgefeuert werden.


    Manchmal ist es aber hilfreich, hier und da eine Figur einzuführen, kurz für einen bestimmten Zweck zu nutzen, und dann im weiteren Verlauf außen vor zulassen. Das sind die Attrappen, mit denen man nicht schießen kann, die sich als Wandschmuck aber eventuell gut eignen.

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