Friedrich Ani über Horst Seehofer

  • Zitat


    Ich glaube nicht an Horst Seehofer.


    Zitat


    Ich glaube nicht an Menschen, die sich freuen, wenn andere Menschen hilflos im Meer versinken.


    Direkt adressierte Aussagen mit frei erfundenen Parolen zu mischen, ist üble Propagandamethodik und erfüllt für mich den Tatbestand der Hetze. Er sollte bei seinen Krimis bleiben.

  • Zwei Tage vor Anis Artikel erschien in der Süddeutschen ein offener Brief Renate Schmidts an Horst Seehofer ("Sie verdienen keine Ehre"). Darin schreibt sie u. a.:
    "Menschen wissentlich ertrinken zu lassen sehen Sie als Teil der Lösung des Flüchtlingsproblems. Ab sofort sind die bisher 1400 Toten im Mittelmeer auch Ihre Toten.
    Sowohl dieses Ertrinkenlassen als auch das Verfrachten von Menschen in libysche Lager, in denen sie ausgebeutet, vergewaltigt und sogar getötet werden, ist ein Verrat an den Werten, für die wir in Deutschland und Europa stehen."

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Und die zynische und geradezu obszöne Gleichgültigkeit, mit der mit Menschenleben gespielt wird, lässt mich wesentlich schmerzhafter zusammenzucken als eine bewusst überspitzte Formulierung. Es klingt furchtbar, aber ich glaube schon, dass Leute wie Seehofer sich freuen, Leute von der Backe haben, die sie als Problem empfinden (und auch so bezeichnen) - egal zu welchem Preis.

  • Deutschlandfunk-Hörer wissen mehr.  Heinrich August Winkler gab heute dem DLF ein Interview, in dem er trennt zwischen Asyl, Einwanderung und Bekämpfung von Fluchtursachen. Auch Renate Schmidt (s. o. in der Süddeutschen) stellt klar, dass es nicht darum geht, "alle reinzulassen". Aber der Zynismus Hernn Seehofers und anderer ist zum Speien.


    Asylrecht gilt für politisch Verfolgte. Einwanderungsrecht dient den Interessen des aufnehmenden Staates. Und Katastrophenhilfe hat selbstverständlich zu sein.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Echt jetzt? Ich kenne keine Äußerung von Horst Seehofer, wo er sich freuen würde, wenn Menschen ertrinken. Macht aber nichts, solange man sich vorstellen kann, er würde sich freuen. Tut mir leid, das ist eine böswillige Unterstellung.


    In letzter Zeit wird gerne - und zu recht - beklagt, der Ton in politischen Diskursen würde immer mehr verrohen. Wie wahr. Und wenn es um Markus Söders Begriff vom Asyltourismus geht, dann werden hier wahrscheinlich alle zustimmen. Das ist dann Hetze und keine Polemik. Wenn man Horst Seehofer persönlich unterstellt, er würde sich über Ertrunkene freuen, dann ist das aber schon Polemik, ein nettes Bonmot.


    Stört es eigentlich niemanden, wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird? Wenn jemand aus AFD-Kreisen die Toten vom Breitscheidplatz oder die Mädchen, die in Freiburg oder Kandel oder Wiesbaden von jungen "Schutzsuchenden" ermordet wurden, als Merkels Tote bezeichnet, dann gibt es Empörung. Und das halte ich auch für richtig, denn das eine grobe Geschmacklosigkeit. Ich halte es aber für genauso geschmacklos, die Ertrunkenen im Mittelmeer als Seehofers Tote zu bezeichnen. Das ist auf der gleichen Ebene.


    Zur Diskussion der Probleme, die mit der aktuellen Migrationsbewegung verbunden sind, kommt es gar nicht. Hauptsache man selber ist gut und moralisch und politisch korrekt. Und die anderen sind doof und böse.

  • Es klingt furchtbar, aber ich glaube schon, dass Leute wie Seehofer sich freuen, Leute von der Backe haben, die sie als Problem empfinden (und auch so bezeichnen) - egal zu welchem Preis.

    Liest du bitte mal meine Sätze richtig, Siegfried? Und ganz ehrlich, wenn ich sehe, was - z.B. auf dem Mittelmeer - stattfindet, wirklich stattfindet, und wenn ich sehe, wie Politiker, für die Horst Seehofer nur ein Beispiel ist, dies billigend in Kauf nehmen, weiß ich unübertrieben und unüberspitzt nicht, was ich anderes denken soll. Auch, wenn ich es grässlich finde, so etwas über jemanden zu sagen.

  • Hallo Siegfried,

    Stört es eigentlich niemanden, wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird?


    doch. Das stört mich. Und ich stimme auch dem Rest Deines Beitrags zu. (Allerdings möchte ich betonen, dass Renate Schmidt nicht auf Horst Seehofers Empfindungen in Bezug auf Ertrunkene abzielt, wenn sie von "seinen Toten" schreibt, sondern sich auf den Satz bezieht: "Menschen wissentlich ertrinken zu lassen sehen Sie als Teil der Lösung des Flüchtlingsproblems.")


    Frau Schmidt schreibt auch: "Unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Recht, wenn er sagt, beide Seiten müssten von ihrem Podest herunterkommen - sowohl die, die glauben, es sei möglich, sich gegen alle Flüchtlinge abzuschotten, als auch diejenigen, die meinen, es ginge, die Grenzen für alle offen zu halten. Beides ist keine Lösung.
    Sie aber kommen von ihrem Abschottungspodest nicht herunter, sondern klettern mit der AfD auf den Fersen immer höher, und verkennen dabei sträflich die Absturzgefahr für alle Parteien der großen Koalition."


    Du schreibst: "Hauptsache man selber ist gut und moralisch und politisch korrekt. Und die anderen sind doof und böse." Da ist was dran. Allerdings sieht es zumindest von meiner Warte so aus: Ich halte eine Abschottungspolitik nicht nur für unmoralisch, sondern auch für unvernünftig, egal ob es um eine Mauer der USA zu Mexiko geht oder eine "Festung Europa". Solche Versuche werden scheitern, und dann kommt alles viel schlimmer, als wenn man kanalisiert und (in Europa) konzertiert vorgeht.


    Der Ausdruck "politisch korrekt" suggeriert immer noch, dass die damit angeprangerte Einstellung "die Macht" habe. Ich behaupte, sie steht mit dem Rücken zur Wand. Die unterstellte Rebellion von Rechtspopulisten gegen "Gutmenschentum" ist längst keine Empörung einer Minderheit mehr, die sich an einer vorgeblichen Meinungsdiktatur stört. Wir haben rechte Parteien an der Regierung in mehreren europäischen Staaten, einen ... als US-Präsidenten - und das soll noch "Der Westen" sein, den Heinrich August Winkler in seiner Geschichtsmonographie beschreibt?


    Es brennt. Dadurch verschärft sich auch der Ton in den Debatten. Das bedaure ich. Trotzdem verspüre ich Wut. Große Wut.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Und die anderen sind doof und böse.


    Ich vermisse bei solchen Sätzen die ehrliche Auseinandersetzung mit der Möglichkeit, dass sich diese anderen (in unserem Beispiel ist es Horst Seehofer) nicht tatsächlich hochgradig unmoralisch verhalten. Und ja, wenn ich es recht bedenke, finde ich vieles in der Politik doof und böse (und politisch wenig weitsichtig, wie Alexander darlegt). Ich finde leider inzwischen sogar manche Menschen doof und böse. Anders doof und böse als jemand, der mit einem LKW in eine Menschenmengen fährt oder eine Frau ermordet - aber auch doof und böse. Ja, ich glaube, das finde ich.

  • …. Allerdings sieht es zumindest von meiner Warte so aus: Ich halte eine Abschottungspolitik nicht nur für unmoralisch, sondern auch für unvernünftig, egal ob es um eine Mauer der USA zu Mexiko geht oder eine "Festung Europa". Solche Versuche werden scheitern, und dann kommt alles viel schlimmer, als wenn man kanalisiert und (in Europa) konzertiert vorgeht. [/size]…]


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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Ich möchte noch einmal auf die Selbstgerechtigkeit zu sprechen kommen, wenn man innerlich sagt: "Ich bin moralisch und Du nicht." Ich halte das für einen zwar bedauerlichen, aber leider treffenden Vorwurf. Und ich nehme mich da selbst nicht aus.


    Andererseits beschreibt die Selbstgerechtigkeit nur eines von zwei Lagern. Beim anderen geht es darum, was man PC oder Gutmensch nennt - oder neuerdings Juste Milieu. Dazu findet sich ein kluger Artikel bei Tagesspiegel Causa , aus dem ich zwei Absätze zitiere:


    Zitat

    Alles, was der eigenen harten Haltung in der Flüchtlingsfrage in die Quere kommt, wird dieser Tage abfällig als „Juste Milieu“ tituliert, rauf und runter. Wer es wagt, das planlose, polternde und destruktive Gebaren des derzeitigen CSU-Trios aus Horst Seehofer, Markus Söder und Alexander Dobrindt zu kritisieren, wird als „Juste Milieu“ abgewatscht. Peinlicherweise ausgerechnet von denjenigen, die sich – auch das gehört zum Spiel – stets und immer von der AfD abgrenzen, wobei man oft den Eindruck hat, dass sie das vor allem aus stilistischen Gründen tun. AfD geht halt nicht. Tatsächlich aber haben sie längst die „Anti-Juste-Milieu“ und „Anti-Establishment“-Rhetorik der AfD übernommen und lassen kaum einen Zweifel daran, dass sie sich in selbiger gefallen. Der neue Kampfbegriff „Juste Milieu“ hat einfach nur den alten, aus der Mode gekommenen „Gutmenschen“ ersetzt, das Denken dahinter aber ist dasselbe.

    Zitat

    Und so erweisen sich diejenigen, die ohne Unterlass all diejenigen als „Juste Milieu“ bezichtigen und ihnen eine „Verengung der „Meinungskorridore“ vorwerfen, als die wahrhaft selbstgerechten Diskurswächter, die alles verhöhnen, was ihnen selbst nicht passt, ohne auch nur im Ansatz zwischen wirklich rein übermoralischen und sonstigen Haltungen zu differenzieren, die den eigenen widersprechen. Um es plastisch zu machen: Ganz offenbar wurden die 69 illegalen Flüchtlinge jüngst rechtmäßig nach Afghanistan abgeschoben. Es zeugt aber nicht von „Hypermoral“, die Witzeleien von Horst Seehofer ob des Umstands, dass dies an seinem 69. Geburtstag geschah, degoutant zu finden.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)