Lieb* Les*, * du das gerade liest

  • Der Rat der deutschen Rechtschreibung trifft sich heute in Wien, um über den sogenannten Genderstern zu beraten. Das Treffen ist heute Thema des Tages auf B5 aktuell . Zwei interessante pro & contra-Statements sind leider noch nicht geschrieben im Internet zu finden.


    Die Überschrift stammt aus dem Wiki-Artikel zu "Gendergap" . Der Tagesspiegel schreibt: "Mit dem Genderstern oder -gap (Leser_innen) werden Frauen und Personen, die sich keinem der beiden klassischen Geschlechter zuordnen, sprachlich sichtbar gemacht."


    Hintergrund: "Die (Berliner, A. R.) Landesstelle hatte wie berichtet um Formulierungshilfe gebeten, wie sich ein "drittes Geschlecht" (Intersexuelle oder Transmenschen) am besten sprachlich abbilden ließe. Hintergrund ist die Forderung des Bundesverfassungsgerichts vom November 2017, ein "drittes Geschlecht" im Geburtsregister zuzulassen."


    Infrage steht, ob der Genderstern Eingang in den Duden findet. (Allerdings nicht akut, siehe Tagesspiegel.)


    Was meint Ihr dazu? Ich selbst lehne Gender-Schreibweisen nur für literarische Texte ab.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Das ist so schwierig: Als Journalistin verwende ich die herkömmliche, gendermäßig indiskutable Schreibweise. Das ist so vorgegeben und auch am besten lesbar. Aber ich habe kürzlich einen Artikel für eine Fachzeitschrift geschrieben, und DA war vorgegeben, dass und wie man gendern muss. Und tatsächlich: Es bewirkt was. Ich selbst habe den Anteil der Frauen an dem ganzen Thema und in welchen Rollen sie sich befinden, durch das bewusste Schreiben anders wahrgenommen.
    (War jetzt keine Anmerkung zum dritten Geschlecht, sondern zur Problematik allgemein.)

  • Und tatsächlich: Es bewirkt was. Ich selbst habe den Anteil der Frauen an dem ganzen Thema und in welchen Rollen sie sich befinden, durch das bewusste Schreiben anders wahrgenommen.

    Darauf stellt auch das Pro-Statement auf B5 aktuell ab (oben verlinkt als Podcast). Die Redakteurin argumentiert, dass Sprache Bewusstsein schafft. Insofern ist die Argumentation auch bei extra ausgewiesenen femininen Pluralformen dieselbe. Die Journalistin erzählt einen Witz: Drei Bauarbeiter sitzen bei der Pause. Zwei trinken Bier. Nummer drei sagt: Kein Alkohol für mich, ich bin schwanger. :D

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • dass Sprache Bewusstsein schafft


    Dazu passt, was ich neulich in einem TED-Clip sah. (Hattest du den nicht auf FB geteilt, Alexander?)


    Da ließ man Spanier und Deutsche "Brücken" (also solchen Bauwerken, die über Flüsse und Täler führen) Eigenschaften zuweisen.
    Deutscher: elegant, schön
    Spanier: stark, belastbar
    Die Pointe dahinter, warum die einen eher feminine Eigenschaften ausgewählt haben, die anderen eher maskuline, liegt im Genus der Wörter in deren Sprache: im Deutschen "die Brücke", im Spanischen "el puente".


    Sowas habe ich mir bisher noch nie bewusst gemacht und es zeigt, wie sehr Sprache uns beeinflusst, auch wenn wir es gar nicht als Beeinflussung wahrnehmen.

  • Ich halte diese ganze Diskussion für schlichtweg bescheuert und für ein Beschäftigungsprogramm für dekonstruierte Ideologen aus Wolkenkuckucksheim. Als ob es sonst keine Probleme gäbe, gerade beim Umgang mit unterschiedlichen Geschlechtern.


    Die Sprache ist ein selbständiges und lebendiges Gebilde, das Gott sei Dank bisher immer viel stärker war als alle bürokratischen Regulierungsfanatiker. Die Sprache bestimmt unser Denken, bzw. unser Denken ist sprachlich, und gerade deshalb sollten unsere staatlichen Gedankenerzieher die Finger davon lassen.


    Einen Vorschlag zum Problem der Aussprache hätte ich noch: Man könnte beim Gender*Sternchen immer kieksen und beim Gender_Gap kehlig grunzen. Das wäre doch ein Spaß.

  • Siegfried, das ist schon ziemlich unqualifiziert und trägt nichts zur Diskussion bei. Christiane hat das Thema sehr gut beschrieben und ist auch keine Ideologin, dekonstruiert schon gar nicht, und Alexander übrigens auch nicht. Wo gewöhnst du dir nur so eine Sprache an, die eine Diskussion nur noch beenden kann?
    Ich lehne die Schreibweise auch für literarische Texte ab. Und möchte ansonsten sprachlich und dadurch eben auch tatsächlich in Forschung und Lehre zum Beispiel vorkommen, da ist das Thema mittlerweile auch komplett durch, mein Sohn macht seinen Doktor und sieht das als absolut selbstverständlich an, das wird gar nicht mehr als Problem wahrgenommen.
    Ich würde das auch für Behörden, Gesetze, Formulare fordern.
    Bei journalistischen Texten, das ist so eine Zwischenzone, es muss auch lesbar sein, das würde ich vielleicht abwägen, im einzelnen Satz, auch nach Thema unterscheiden, aber auch da. Ein Artikel über Psychotherapeuten zum Beispiel, die meisten sind nun mal weiblich. Es würde michvstören, mich nicht angesprochen zu fühlen.
    Komischerweise regen sich immer bloß Männer tierisch auf.

  • …. Die Sprache bestimmt unser Denken, bzw. unser Denken ist sprachlich, ….


    Den ersten Teil des Satzes lasse ich gelten, der zweite Teil jedoch unterschlägt, dass jenseits von Sprache auch Denken stattfindet. Ich würde sagen, dass Sprache das Endstück des Denkens ist, also das, was für uns "sichtbar" wid. Aber "Vorstellung" ist auch Denken und dazu braucht es erst die Sprache, wenn man diese Vorstellung ausdeuten will.

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    Emanuel von Bodmann


  • Dazu passt, was ich neulich in einem TED-Clip sah. (Hattest du den nicht auf FB geteilt, Alexander?)


    In der Tat. :) Und ich bin Siegfried dankbar für sein Statement, weil ohne eine gescheite Antithese keine Diskussion entsteht. Das TED-Video ist im Ganzen ein bisschen länger, als bei Facebook geteilt. Es dreht sich allgemein um die Frage, wie Sprache und Sprachen unser Denken beeinflussen.


    Etwa bei 2 Min 30 Sek kommt die Stelle, mit der der Facebook-Clip beginnt: über das Volk, das keine Begriffe für links und rechts hat, sondern stattdessen universell die Himmelsrichtungen benutzt und dadurch einen exzellenten Orientierungssinn hat. Danach folgt das Beispiel mit Sonne, Mond und Brücke und den grammatikalischen Bezeichnungen als feminin oder maskulin. Sehr sehenswert, finde ich.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Hallo,


    es tut mir leid, wenn ich mich jetzt auch als unqualifiziert outen muss :). Aber ich gebe Siegfried in seinem ersten Absatz recht.
    Als ich von diesen Überlegungen gehört habe, war auch mein erster Gedanke, ob dieser Ausschuss eigentlich sonst nichts zu tun hat.


    Und noch was Provokantes: Als mein Sohn kleiner war, hat er immer unterschieden zwischen Jungen-Mädchen (das waren die, mit denen er etwas anfangen konnte), Mädchen (also irgendwo zwischen akzeptabel und nicht mehr) und Mädchen-Mädchen (das waren die völlig indiskutablen, die mit Prinzessin Lillyfee und so). Ich wäre als Kind in seiner Skala wahrscheinlich in die absolute Geht-gar-nicht-Kathegorie gefallen, also Glitzerkram und Prinzessinnenwelt :).


    Natürlich habe ich jetzt die Differenzierung ins Absurde getrieben, aber ich frage mich wirklich, bei wie viel Differenzierung wir eines Tages aus lauter politischer Korrektheit landen werden.


    Ich halte dieses Sternchen für einigermaßen übeflüssig, weil überkorrekt. Sowohl in der amtlichen Sprache als auch im Alltagsgebrauch.

  • Hier muss nicht schon wieder ausgeführt werden, dass das grammatische Geschlecht mit dem Sexus nichts zu tun hat, oder?


    Es muss stattdessen die Frage gestellt werden, ob es ein "Bewusstsein" für die vermeintlich fehlende Geschlechtsneutralität der Sprache tatsächlich gibt, ob es entstanden ist - oder ob es herbeigeredet wurde. Ja, "Sprache bewirkt etwas". Sprache ist das Hauptwerkzeug für die Manipulation von Menschen. Manipulation kann auch darin bestehen, dass ein Problem daherbehauptet wird, um infolgedessen im großen Stil Veränderungen herbeizuführen, die letztlich kein Mensch braucht, wohl aber brauchen einige das Ergebnis eines/dieses Machtspiels (möglicherweise aus guten Gründen, aber das rechtfertigt es trotzdem nicht). Ich bin an die immer wieder zu- und abnehmende Diskussion über "religiöse Gefühle" erinnert. Das ist so ein Terminus, mit dem man eigentlich nichts anfangen kann, der nichts Genaues bezeichnet, der aber eine mächtige Rechtfertigung für Intoleranz und Fehlverhalten sein kann. Oder, anders und einfacher gesagt: Ich nehme den meisten Protagonisten und Protagonistinnen dieser Diskussionen aus eigener Erfahrung einfach nicht so recht ab, dass sie sich wirklich am grammatischen Geschlecht stören. Ich habe eher das Gefühl, dass es um ein Machtspiel geht. Ich will mir die Sprache und den Umgang mit ihr aber nicht versauen lassen, nur weil es Leute gibt, die gerne dieses seltsame Spiel gewinnen möchten. Wie gesagt, möglicherweise aus guten Gründen. Aber sie spielen auf dem falschen Feld.


    Wir sind fraglos noch nicht sehr weit vorangekommen, wenn es um Gleichberechtigung und Gleichbehandlung geht. Aber "genderneutrale" Sprache ist nicht einmal ein Nebenkriegsschauplatz. Ja, natürlich erzeugt es - vorübergehend - Aufmerksamkeit, wenn man plötzlich herumeiert und dadurch auf etwas aufmerksam macht, das vorher unbemerkt blieb - weil es schlicht (bezogen auf das Problem) irrelevant ist. Aber man macht nicht auf ein Problem aufmerksam. Sondern auf einen Umstand, der mit keinem bekannten Problem zu tun hat.

  • dass das grammatische Geschlecht mit dem Sexus nichts zu tun hat

    Hallo Tom,


    das ist nicht ganz korrekt. Richtig ist, dass das grammatikalische (oder grammatische) Geschlecht nicht identisch ist mit dem natürlichen Geschlecht.


    Richtig ist, dass man Leuten, die Deutsch als Fremdsprache lernen, das blanke Entsetzen in die Augen treiben kann, wenn man ihnen erzählt, dass im Deutschen ein und dieselbe Sache drei Genus-Arten haben kann: "der Stock / die Etage / das Geschoss".


    Andererseits sorgt es für Heiterkeit, dass ein weibliches Mädchen ein grammatikalisches Neutrum ist. (Wobei meine polnischen Kursanten sich dann von mir anhören mussten, dass "mężczyzna" - polnisch für "Mann" - feminin dekliniert wird, wegen der Endung auf -a.) Also scheint der unbefangene Teilnehmer einer Sprache doch Verbindungen herzustellen zwischen Grammatik und Sexus.


    Als Merkel deutsches Regierungsoberhaupt wurde, leistete sich mal irgendein Journalist den Lapsus, sie mit "Frau Bundeskanzler" anzureden. Zu diesem Zeitpunkt war noch kein Mensch an eine Frau als Regierungschefin gewöhnt. Trotzdem heißt es bei einzelnen Personen korrekt "die Kanzlerin, die Gärtnerin, die Ärztin, die Bauarbeiterin ...".


    Bei mehreren Personen beiderlei Geschlechts liegt der Ca­sus knack­sus. Hier soll die Aussage "Genus und Sexus nicht identisch" dazu führen, dass das grammatikalische Maskulinum die Frauen "mitmeint". Und auch das "dritte Geschlecht". Kann man so sehen. Nur sehen das zunehmend Mitglieder unserer Sprachgemeinschaft anders.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Anja, mir ging es nicht um eine Meinung, eine andere als meine, sondern darum, die Diskussion an sich schon ins Lächerliche zu ziehen und zu diskreditieren. Als wäre allein die Diskussion zu führen schon Idiotie geschweige denn sie für wichtig zu halten. Das ist für mich das Unqualifizierte. Weil Andrea und Christiane zum Beispiel bedenkenswerte Aspekte eingebracht haben.
    Wirr sind hier im öffentlichen Bereich und müssen ja nicht gleich alle abschrecken durch eine bestimmte Diskussionsführung (abgesehen davon, dass ich diese andere Meinung persönlich für überholt und vorgestrig halte, aber das ist offenbar hier meine Minderheiten-Einschätzung, allerdings könnte es auch sein, dass an der Stelle bereits Frauen aussteigen, die auf diese Auseinandersetzung in der Form keine Lust mehr haben, das weiß ich nicht).

    Und nebenbei, wenn es um dekonstruierte Ideologen weiblichen Geschlechts geht, was ich vermute, sollten es doch in dem Fall zumindest Ideologinnen sein.

  • Hallo Heike,


    auf die "Dekonstruktion" hatte ich mich an sich gar nicht bezogen.
    Ich persönlich finde nur, wenn man nun Männer, Frauen und "Sternchen" (stellvertretend für alle Vertreter eines dritten Geschlechts) ansprechen muss, dass das dann die politische Korrektheit langsam ins Absurde übertreibt.


    Es stimmt aber auch, dass mich diese penetrante Mit-Nennung der Frauen stört. Eine einzelne Frau sollte man als "-in" ansprechen. Ich habe mich aber noch nie ignoriert gefühlt, wenn von "Autoren" oder "Lesern" die Rede war. Das ist einfach mein persönliches Empfinden. Ich kenne das Gegenargument, dass Sprache Bewusstsein schafft. Das stimmt zwar, ich frage mich aber, ob das nicht eher Oberflächenkosmetik ist. Wir drücken zwar alle aus, dass es Frauen und Männer unter den Lesenden gibt. An die wirklichen Probleme der Ungleichbehandlung von Mann und Frau rührt das aber noch nicht. Ist nun die Nennung von Mann und Frau ein notwendiger Anfang zur Bewusstseinsschulung? Oder ist sie eher eine Alibi-Aktion: Wir nennen nun alle die Frauen mit, aber damit haben wir auch schon genug an Gleichstellung geleistet.


    Vielleicht bin ich bei dieser Genderfrage (als Frau) ziemlich unempfindlich. Ich würde mich aber deshalb nicht als vorgestrig bezeichnen (und Siegfried ist das nach all den vielen Gesprächen, die wir beide schon geführt haben, definitiv auch nicht). Ich finde sogar ganz im Gegenteil, dass bei der Gleichstellung noch viel, sehr viel im Argen liegt. Und gerade deshalb hat dieses Gendern für mich oft den Charakter von reiner Kosmetik. Und ganz nebenbei macht es die Sätze sperriger.


    Und jetzt mal eine ganz doofe Frage: Transgender-Menschen fühlen sich doch in der Regel dem einen oder dem anderen Geschlecht zugehörig. Dann würde man sie ja bei "Männern und Frauen" nicht ausschließen. Das Sternchen ergibt dann eigentlich keinen SInn mehr. Aber kann sein, dass ich mich da irre.

  • Noch ein kleines Beispiel. Ich habe lange Seminare für Pflegekräfte gehalten. Da saßen zu 90% Frauen. Es wäre absurd gewesen, von Krankenpflegern zu sprechen. Ich habe auf den Folien immer die weibliche Form gewählt (damals noch Krankenschwester) und mündlich den Pfleger, der dabei war, mit angesprochen.
    Wenn ich von Patienten gesprochen habe, kamen übrigens immer nur Fallbeispiele von männlichen Patienten. Ich bin dann dazu übergangen "Patient oder Patientin" zu sagen, und der Blick öffnete sich, und es kamen auch Fallbeispiele von Patientinnen zur Sprache.
    Mittlerweile würde ich zum Beispiel Transgender mündlich ab und zu mit einbeziehen, damit die Teilnehmer auch das ein bisschen auf den Schirm kriegen.


    Nachtrag:
    Anja, wenn du einen Frauenroman schreibst und dann von Lesern sprichst, dann empfinde ich das schon als Missachtung der Leserinnen, die zum größten Teil weiblich sein werden.


    Ich finde das Sternchen schöner als das Binnen-I.

  • Weil es in dieser Gender-Sternchen-Diskussion um Sprache geht, über die ja nun jeder verfügt, kann ja auch jeder daran teilnehmen. Bedenklich ist nur, dass es bei uns so was wie eine reformwütige Bürokratie gibt, die sich anscheinend gerne auf sachlich abstruse, aber auf den ersten Blick sinnfällige Projekte stürzt und sie umzusetzen nicht nur versucht, sondern real umsetzt, obwohl sie sich von der Sache her gar nicht umsetzen lassen. Diese Bürokratie hat es vor 10 oder 15 Jahren geschafft, unser Schulwesen zu "reformieren", das heißt die Kompetenzenorientierung durchzusetzen, obwohl der Kompetenz-Begriff, auf den sich nun alles stützt, gar kein wissenschaftlicher Begriff ist und in keiner wissenschaftlichen Publikation auftrat. Um solche Kinkerlitzchen kümmerte man sich nicht, weil jeder natürlich irgendwas unter "Kompetenz" verstand und es sich ja auch irgendwie positiv und modern und gescheit anhört. Folge 1: Mit dieser Reform wurde das Humboldtsche Konzept von Schule über Bord geworfen zugunsten eines "Konzepts", das nur noch aus Geschwafel und Geschwätz besteht. Folge 2: Die Kompetenzen-Schule kann nicht funktionieren und funktioniert auch nicht; der aus dem Haupteingang herausgeworfene Humboldt kommt durch den Hausmeistereingang wieder rein.
    Übertragen auf den Gender-Stern: Die reformwütige Bürokratie lässt sich doch auch nicht von einem Expertenrat aufhalten, in den Institutionen hat sie sich ja längst durchgesetzt, und die Frage ist, ob wir das Sternchen jetzt auch noch in der Zeitung lesen müssen. Aber: die Bürokratie zieht ihren Striemel durch, obwohl oder besser: weil es nicht funktioniert und kein Mensch (außer Doktoranden und angehenden science Master) so spricht und schreibt.
    Wer als mündige*r Bürger*in Lust hat, sich für diese Bürokratie in die Schanze zu werfen: Viel Spaß dabei!

  • Noch ein kleines Beispiel. Ich habe lange Seminare für Pflegekräfte gehalten. Da saßen zu 90% Frauen. Es wäre absurd gewesen, von Krankenpflegern zu sprechen.


    Es ist also sinnvoll, nur das Wort "Pflegerinnen" zu benutzen, obwohl 10 % Pfleger anwesend sind?
    Pflegerinnen können nur weibliche Wesen sein, anders kann das in-Suffix nicht verstanden werden. Dieser Sprachgebrauch wäre wirklich geschlechtermissachtend!
    Was soll dieser Streit? Wenn man weibliche Wesen meint, dann benutzt man eben das Femininum, dafür ist es da! Dies ist doch kein Argument gegen das generische Maskulinum.
    Und wenn von "Krankenpflegerberuf" die Rede ist - wer versteht dies allen Ernstes so, dass dieser Beruf nur von männlichen Pflegern ausgeübt wird? (Im Deutschen gibt es sehr viele Kompositionen, die sollen alle gegendert werden? Vielen bürokratischen Spaß!)

  • … Folge 1: Mit dieser Reform wurde das Humboldtsche Konzept von Schule über Bord geworfen zugunsten eines "Konzepts", das nur noch aus Geschwafel und Geschwätz besteht. …


    Das "Humboldsche Konzept von Schule" wurde schon viel früher über Bord geworfen, nämlich schon wenige Jahre nachdem Humbold das entworfen hat. <Idee-aufblitz-modus an: Jürgen, wir sollten mal überlegen, ob das nicht eine Idee für ein gemeinsames Hörspiel ist. <Idee-aufblitz-modus aus>


    Zur Gender-Sternchen-Diskussion: Es gibt sicher berechtigte Argumente gegen Sternchen, Versalien und andere Versuche, unsere Sprache (bzw. deren Verschriftlichung) gendergerechter zu machen. Deswegen aber die "Bemühungen" darum gänzlich abzuwatschen und als unnütz zu erklären halte ich für das eigenltich Destruktive an der ganzen Sache. Wenn man schon keinen eigenen Beitrag leisten kann, sollte man sich das "abwatschen" besser schenken.

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    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Die Journalistin erzählt einen Witz: Drei Bauarbeiter sitzen bei der Pause. Zwei trinken Bier. Nummer drei sagt: Kein Alkohol für mich, ich bin schwanger. :D


    Auch dieser Witz ist natürlich kein Argument gegen das generische Maskulinum. Unter Bauarbeiter stellt man sich halt zuerst Männer vor, nicht wegen das Maskulinums, sondern aufgrund der Tatsache, dass die meisten Bauarbeiter eben Männer sind. Nicht die Grammatik, sondern die Arbeitsverhältnisse produzieren hier die Vorstellung vom Mann.
    Im realen Leben würde der Witz gar nicht erst aufkommen.

    Zitat

    Die (wieso nur drei??) Bauarbeiter sitzen zur Pause. Alle trinken Bier. Nur die Bauarbeiterin nicht, sie sagt: Kein Alkohol für mich, ich bin schwanger.


    Der Witz ist weg, weil man im realen Sprechleben zur Konkretion (BauarbeiterIN) greift, um Missverständnisse zu vermeiden.

  • Überhaupt: biertrinkende Bauarbeiter? In der Pause? Wer denkt sich so was aus? Jemand, der nie eine Baustelle von innen gesehen, keine Ahnung von richtiger harter Arbeit und Sprache hat.

  • Wirr sind hier im öffentlichen Bereich und müssen ja nicht gleich alle abschrecken durch eine bestimmte Diskussionsführung (abgesehen davon, dass ich diese andere Meinung persönlich für überholt und vorgestrig halte, aber das ist offenbar hier meine Minderheiten-Einschätzung, allerdings könnte es auch sein, dass an der Stelle bereits Frauen aussteigen, die auf diese Auseinandersetzung in der Form keine Lust mehr haben, das weiß ich nicht).


    Ich finde es, gelinde gesagt, inkonsequent, Siegfrieds Beitrag als unqualifiziert zu bezeichnen, darauf aufmerksam zu machen, dass wir im öffentlichen Bereich sind, andere nicht von Diskussion abschrecken zu wollen, zu befürchten, Frauen könnten bereits ausgestiegen sein - und dabei zu erklären, man halte die andere Meinung für überholt und vorgestrig.


    Übertragen auf den Gender-Stern: Die reformwütige Bürokratie lässt sich doch auch nicht von einem Expertenrat aufhalten, in den Institutionen hat sie sich ja längst durchgesetzt, und die Frage ist, ob wir das Sternchen jetzt auch noch in der Zeitung lesen müssen.


    Der Rechtschreibrat würde doch nicht vorschreiben, dass Zeitungen und andere einen Gender-Stern benutzen müssen. Es wäre dann nur nicht inkorrekt, ihn zu benutzen.


    Auch dieser Witz ist natürlich kein Argument gegen das generische Maskulinum. Unter Bauarbeiter stellt man sich halt zuerst Männer vor, nicht wegen das Maskulinums, sondern aufgrund der Tatsache, dass die meisten Bauarbeiter eben Männer sind. Nicht die Grammatik, sondern die Arbeitsverhältnisse produzieren hier die Vorstellung vom Mann.


    Witze sind keine Argumente. Es sind Witze. Sie können zum Nachdenken anregen. Die Redakteurin zieht in ihrem Kommentar (Podcast B5 aktuell) die gleichen Schlussfolgerungen wie Du.   Sie gibt nur zu bedenken, dass auch die Sprache unser Bewusstsein von Bauarbeitern und vielem anderen prägt.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)