Regionalkrimis: Der Untergang des Abendlands?

  • Ich habe Roentgens Beitrag mit Vergnügen gelesen und konnte mir gar nicht vorstellen, wie und warum "das Feuilleton" die Nase rümpft. Ein kurzes Googeln brachte mich auf diesen Artikel in der "Presse ". Dort steht: "Im Feuilleton fallen Regiokrimis häufig durch. „Die Welt“ etwa assoziierte Regionalkrimis mit der Regionalbahn, in der „Berliner Zeitung“ wurden sie der „Regionalliga“ zugeordnet. Tobias Gohlis, Jurymitglied der „KrimiZeit“, bezeichnete sie im „Börsenblatt“ als „die Bad Bank der deutschen Kriminalliteratur“. Zu Recht kritisiert er die „Sprachlosigkeit“ vieler Regiokrimis." Wenn man allerdings Regio-Krimis gleichsetzt mit "trivial", dann ist die Einordnung verständlich.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • So what. Es gibt in allen Bereichen und Genres und Subgenres gute und weniger gute. Vieles, was als Regionalkrimi verkauft wird, ist tatsächlich nicht so gut. Und einiges, das als Regionalkrimi verkauft wird, ist (fast) richtig gut. Aber so lange die Verlage "Hamburg Krimi" oder "Sylt Krimi" ohne Bindestrich auf die Bücher drucken, erklären sie, vom Genre und dessen Lesern noch weniger zu halten als jener mysteriöse Feuilletonist, den Hans Peter offenbar so gut kennt, der so ultrakonservativ ist und keine Ahnung von aktueller Literatur hat.
    Die meisten "Tatort"-Folgen sind zwar gute gemachte, aber simple Whodunnits. Das sind Fernseh-Regionalkrimis. Aber Folgen wie "Im Schmerz geboren" (2014, Hauptdarsteller: Ulrich Tukur, Buch: Michael Proehl, Regie: Florian Schwarz) sind hohe Kunst, die zwar nicht kritiklos von allen akzeptiert werden, sich aber aus dem Schema herausbewegen, es brechen, darstellerisch und bezogen auf die gesamte Inszenierung weit, weit herausragen. Solche Folgen werden dann auch mit hochwertigeren Preisen als der "Goldenen Kamera" bedacht. Und sie zeigen den Unterschied, hier wie dort. Das eine ist Gebrauchsware, routiniert hergestellt, was aber nicht bedeutet, dass es kein besonderes Engagement gab, kein Herzblut, und das andere ist echt geiler Kunstscheiß, volle Kulturkanone. Und hier unterscheidet sich dann auch der gemeine "Essen Krimi" (ICH KÖNNTE KOTZEN.) von allem, was der gute Heinrich Steinfest je geschrieben hat, oder ein Wolf Haas.


    Ich sehe die beiden zum Glück nicht mehr so oft, aber früher, als ich das mit Abstand erfolgreichste Autorenehepaar Deutschlands häufiger getroffen habe, haben die beiden immer wieder beklagt, vom Feuilleton so missachtet zu werden. Irgendwann habe ich mir dann eine Frage erlaubt, die das Gespräch beendet hat. Sie lautete: Was schreibt Ihr auch solchen Scheiß? Die Antwort kannten alle am Tisch. Weil es sich gut verkauft, millionenfach. Aber es ist Curry mit Pommes, Döner mit alles, MacCheese. Und kein Gourmetzeug. Isso. :achsel

  • Was ich mich bei der ganzen Diskussion ja immer mal frage, ist, welches Etikett man dabei eigentlich dem Subgenre der Skandinavien-Krimis gibt. Ich höre die immer wieder gerne als Hörbücher, und mir fällt auf, dass da bis auf die Straße genau in jeder Stadt alles verortet wird. Inzwischen kenne ich mich in Stockholm schon fast so gut aus wie in Salzburg :). Ich vermute mal, da sollen vor allem die Straßen- und Stadtteilbezeichnungen das skandinavische Flair unterstreichen.


    Hennig Mankell (Ystad), Jo Nesbö (Oslo) und Co.: Schreiben die nun Regio-Krimis oder "normale" Krimis?


    Gerade die skandinavischen Krimis bedienen ja einen überregionalen Markt und werden wohl am wenigsten beim Bäcker um die Ecke verkauft.


    Ich denke, wichtig ist, dass man sich selbst mit dem, was man schreibt, richtig einordnen kann. Wenn ich den Markt mit gefälligen Texten bediene, weil ich damit meinen Unterhalt finanziere, dann darf ich das eben nicht für Hochliteratur halten und mich beschweren, dass mich die Kulturseiten nicht wahrnehmen. Wenn ich es doch mache, stimmt da etwas mit meiner Selbsteinschätzung nicht.

  • Aber so lange die Verlage "Hamburg Krimi" oder "Sylt Krimi" ohne Bindestrich auf die Bücher drucken, erklären sie, vom Genre und dessen Lesern noch weniger zu halten als jener mysteriöse Feuilletonist, den Hans Peter offenbar so gut kennt, der so ultrakonservativ ist und keine Ahnung von aktueller Literatur hat.


    Verlage und Autoren, die die deutsche Sprache per Deppentrennzeichen oder Idiotenapostroph missachten, beachte ich nicht. Soviel Heuristik muss erlaubt sein.