"Angeschlagene Schönheiten" - Federwelt Nr. 127

  • Liebe Leute,
    wer die aktuelle "Federwelt" zur Hand hat, mein Artikel "Angeschlagene Schönheiten - Der etablierte Literaturbetrieb, der neue Untergrund und vom Sichtbar Werden, wenn man kein strahlender Sieger ist" findet sich auf Seite 48-51. Es hat mich schon etwas Mut gekostet, den Text zu schreiben und zu veröffentlichen. Umso mehr freut mich sein Erscheinen in dieser Zeitschrift. Ich bin gespannt, was andere darüber denken. Wer das Heft zur Verfügung und meinen Text gelesen hat, kann mir gerne hier Feedback geben und ich gebe auch Antwort.
    Viele Grüße
    Susanne

  • Für mich sind das zwei Themen: die "angeschlagenen Schönheiten" (guter Titel!) und das Schreiben vom Gefühl.


    Zum ersten Thema: Nach meinem Eindruck sind die wenigsten Protas strahlende Sieger. Das ist (für mich) eigentlich selbstverständlich.


    Das zweite Thema: Die interessante Frage ist tatsächlich, wie man vom Gefühl schreiben kann, wie man gefühlvolle Texte erzeugt, ohne ins Kitsch oder ins "Telling" zu verfallen. Als Leserin sage ich: Am zuverlässigsten entwickele ich Gefühle, wenn ich mich mit einem Protagonisten identifiziere - und auch hierfür braucht er kein strahlender Held zu sein, er muss Ecken und Kanten, Schwächen haben - aber ich muss ihn irgendwie verstehen können.


    Ein Teilnehmer meines VHS-Kurses sagte mal, er möge keine Romane, die m.o.w. eine Versuchsanordnung seien nach dem Motto: Wie verhält sich die Figur X, wenn ich sie in die und die Situation stelle? Und dass heute vielfach die Versuchsanordnung überwiege.

  • Liebe Christiane,
    ich dachte weniger an die Protagonisten als an die Autorenpersönlichkeiten. Auf den Buchrücken werden vorbildliche Vitae präsentiert und auf Lesungen treten AutorInnen immer sehr souverän auf, ja geradezu cool, und zeigen Vorbildcharakter. Was geschieht aber, wenn ein Autor, eine Autorin sich als "angeschlagene Schönheit" offenbart, mit Knicken und Brüchen, mit Niederlagen und Unsicherheiten. Verliert sie dann die Überzeugungskraft bei ihren Lesern?
    Bei den Emotionen ging es auch eher um die Gefühle, die der Autor zeigen darf oder nicht. Sei es, wie der über seinen Text spricht, sei es - auch hier wieder - mit welchem Gesichtsausdruck er auf der Bühne sitzt: Verletzlich oder mit Poker Face?
    Die Frage ist, ob Autoren, die sich eher als Benachteiligte, als Vertreter gesellschaftlicher Randgruppen sehen, und die vielleicht auch so wahrgenommen werden, von den Lesern und Besuchern genauso ernst genommen werden wie die "strahlenden Sieger"?
    LG Susanne

  • Hallo Susanne,


    neugierig geworden, habe ich Deinen Artikel gerade über den Amazon-Download gelesen.
    Ich bin nicht so im Thema wie Du ganz offensichtlich. Postmoderne, Strömungen ... damit habe ich mich zugegeben noch nie beschäftigt.
    Ich brauchte also etwas, um zum Kern zu kommen - wenn's denn der Kern ist und ich Dich nicht missverstanden habe: Um im Literaturbetrieb bestehen zu können, ist es förderlich, sich verkaufen zu können. Aber auch, zu seinen Themen zu stehen, wenn das nicht der Fall ist.


    Wohl wahr: Anders als vor zig Jahren sollte ein Autor heute das Buch aktiv mitverkaufen, durch seine Präsenz, darf nicht in der Denkerstube hocken bleiben und meinen, er habe das Buch geschrieben, verkaufen müssen es andere. Da ist es also nicht verkehrt, mit Jugend, Aussehen, Charme, Witz, Intelligenz … punkten zu können. Die eierlegende Wollmilchsau: eigentlich könnte Autorin X auch über den Laufsteg stöckeln/Autor Y auch im Fernsehen Rosen verteilen, aber sie/er kann ja auch noch schreiben, heißa! Das verkauft sich – zweifellos.


    Die Frage, die sich mir stellt, ist aber: Haben sich nicht auch immer nicht ganz so strahlenden Autoren – auch – verkauft? Es gibt zweifellos die, die beides in sich vereinen: Sie können schreiben *und* verkaufen, ihr Buch, sich selbst. Daneben gibt’s auch eher Unscheinbare, die einen Welthit landen, weil sie offenbar einen Nerv der Zeit getroffen haben. – Vielleicht dann aber eher mit etwas Glattem, Gefälligen, meinetwegen, indem sie Romane über tolle Männer und unscheinbare Frauen schreiben, die den tollen Mann - trotzdem - abkriegen.


    Und die, die also über gebrochene Helden schreiben und selbst dem Bild des perfekten nicht entsprechen? Hmmm. Ich finde ja, die Bücher mit gebrochenen Helden sind viel interessanter als die mit den perfekten. Mir ist ein Verlierer, der sich wehrt, allemal lieber als ein Sieger, dem alles zufliegt. Als Besucher einer Lesung weiß ich aber auch zu schätzen, wenn einer sich und sein Buch gut präsentieren kann – „schön“ muss er dafür nicht sein. Wer das nicht kann … Hmmm.


    Dein Artikel geht aber über die reinen Äußerlichkeiten, die Frage, wer sich behaupten kann und wer nicht, hinaus: Du schreibst, es ist eine Frage, wer wie gefördert wird. Und dass sich einer nicht etablieren kann, wenn er nicht so schreibt, wie’s gewünscht ist. Das ist eine interessante Frage. Vielleicht weiß einer etwas dazu zu sagen, der mehr im Thema ist als ich.


    Auf jeden Fall: Gratulation zum Artikel und viel Erfolg mit Büchern/Texten, die vor dem Hintergrund entstanden sind und noch entstehen werden!


    Gruß,
    Petra

  • Hallo Petra,
    danke für dein genaues Eingehen auf meinen Artikel. Ja, mir ging es auch um die Art der Literatur. Letztendlich bin ich der Ansicht, dass Autoren, die traumatisiert oder zumindest "angeschlagen" sind, die Welt anders erleben und andere Texte schreiben, als diejenigen, die eher auf der Sonnenseite des Lebens stehen und gestanden haben. Auch diese schreiben über "gebrochene Helden", tun dies aber von der sicheren Warte des empathischen Beobachters aus. Wer selbst von einem schweren Schicksal betroffen ist, identifiziert sch aber mit dem "gebrochenen Helden", als wäre er es selbst. Das wirkt sich auch auf die Sprache aus. Sie wird ungelenker, stammelnder - so wie die Migrationsliteratur einst angefangen hat.
    Meine Hypothese ist, dass nach gängigem Literaturverständnis der Sprachtil des "empathischen Beobachters" mehr gefördert wrid.
    Wer mir widersprechen möchte - nur zu!
    Herzliche Grüße
    Susanne

  • Was ich mich jetzt frage: Woher weiß man von außen, wie "gebrochen" ein anderer Mensch ist? Manche sind es vielleicht, inszenieren sich aber trotzdem gut.