Frage zum Wahlrecht

  • Trotz Recherche konnte ich eine Frage nicht sicher beantwortet finden. Vielleicht weiß jemand von Euch hier besser Bescheid:


    Die Erststimme wählt den Direktkandidaten, soweit klar. Es zieht also nur der Kandidat in den Bundestag ein, der "seinen" Wahlkreis gewonnen hat.
    Weiß jemand, wie und in welcher Reihenfolge die möglicherweise entstehenden Überhangmandate besetzt werden? Sprich: Welche Kandidaten, die NICHT als Direktkandidaten in den Bundestag kommen, erhalten dort das Mandat, wenn ihrer Partei Überhangmandate zustehen?


    persönlicher Hintergrund meiner Frage ist der: Es scheint ja überhaupt keinen Sinn zu machen, die Erststimme jemandem zu geben, der zu 99% niemals seinen Wahlkreis gewinnen wird (weil man aus der Vergangenheit weiß, wie der Bezirk gewählt hat). Wem gebe ich denn dann die Erststimme, wenn sie nicht zufällig zu der Partei passt, die sehr wahrscheinlich mit ihrem Direktkandidaten meinen Wahlkreis gewinnen wird? Ist sie nicht quasi "verloren"? Welchen Grund könnte es geben, dennoch einen anderen Direktkandidaten zu wählen?

  • Ich habe jemandem die 1. Stimme gegeben, der nicht das Diektmandat gewinnen wird, aber als Landwirt zeigt wie ein Bauernhof gewinnbringend biologisch gut bewirtschaftet werden kann, er wird bekannter, bekommt jedes Mal mehr Stimmen und kann daran sehen, da gibt es Leute, die seine Arbeit gut finden.

  • Hallo, Cordula.


    Bei der Erststimme geht es nach direktem Mehrheitswahlrecht ausschließlich darum, wer den Wahlkreis gewinnt. Diese Person zieht in jedem Fall in den Bundestag ein, auch wenn ihre Partei die 5-Prozent-Hürde nicht schafft. Jede Stimme, die diese Person nicht bekommt, ist verloren. Sie wird an keiner anderen Stelle verrechnet. Da gilt, wenn überhaupt etwas gilt, nur das Prinzip Hoffnung. Es hat nur in wenigen Wahlkreisen Sinn, Kandidaten der kleinen Parteien mit der Erststimme zu wählen, aber es gibt tatsächlich Wahlkreise, in denen auch originelle Kandidaten Chancen haben.


    Wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr gemäß Stimmenanteil bei den Zweitstimmen zustünden, bekommt sie auch noch Überhangmandate hinzu (sie gewinnt also doppelt). Es ziehen dann mehr Kandidaten von der Landesliste in den Bundestag ein. Das müssen aber nicht die Direktkandidaten aus den unterlegenen Wahlkreisen sein - das ist unabhängig voneinander. Man kann Direktkandidat und Listenplatzinhaber sein, aber man muss nicht - manchmal werden unliebsame Genossen als Direktkandidaten in chancenlose Wahlkreise verbannt. Gewinnt man das Direktmandat, rückt jemand auf der Liste nach. Gewinnt man es nicht, nimmt man den Listenplatz in Anspruch.

  • Das ist bei jeder Bundestagswahl eine beliebte Frage. Hier kannstDu es nachlesen.Persönlich könnte ich dir das erklären, aber scnriftlich, au weia, das schaffe ich nicht. Das Wahlrecht bei uns ist schon etwas kompliziert. Überhangmandate sind ein Teil der Schwierigkeiten zu erklären. Wichtig ist, wählen gehen. Wikipedia hilft Dir sicher, die richtige Wahl zu finden.

  • Liebe Cordula,


    im Prinzip hat Tom schon alles beantwortet. Ich versuche es noch mal mit konkretem Bezug auf Deine Fragen:


    Weiß jemand, wie und in welcher Reihenfolge die möglicherweise entstehenden Überhangmandate besetzt werden? Sprich: Welche Kandidaten, die NICHT als Direktkandidaten in den Bundestag kommen, erhalten dort das Mandat, wenn ihrer Partei Überhangmandate zustehen?


    Nun, die Überhangmandate werden ohne jede Reihenfolge besetzt, nämlich durch die Kandidaten, die direkt den Wahlkreis gewonnen haben. Mir scheint, Du meinst die Ausgleichsmandate. Die rücken über die Landeslisten der Parteien nach. Nach altem Recht (bis 2011) fand entgegen manchem Vorurteil ein Ausgleich von Überhangmandaten nicht statt. Nach neuem Recht (bei dieser Bundestagswahl) werden Überhangmandate vollständig über die Zweitstimme kompensiert. Das sind die Ausgleichsmandate.



    Ist sie nicht quasi "verloren"? Welchen Grund könnte es geben, dennoch einen anderen Direktkandidaten zu wählen?


    Ja. Die Stimmen für andere Kandidaten als für den Sieger sind dann quasi "verloren". (Aber sind bei dieser Betrachtung nicht auch alle Stimmen "verloren", die dem Sieger eine Mehrheit von mehr als einer Stimme verschaffen?) In angelsächsischen Ländern mit stark personalisiertem Wahlrecht gibt es dazu den Begriff "wasted vote". Auch das ist Demokratie. Zum Beispiel im Berchtesgadener Land / in Oberbayern wird sich auf absehbare Zeit immer ein Kandidat der CSU durchsetzen. Soll ich aus diesem Grund mit der Erststimme einen Christsozialen wählen - damit meine Stimme also "nicht verloren" ist? Wohl nicht. Das würde ja heißen, dass man aus Konformismus das wählt, was die meisten anderen auch wählen. Demokratie ist aber nicht Beton, und die Erststimme auch nicht. Es mag bei den Direktkandidaten gewisse etablierte Partei-Traditionen und -Vererbungen im Wahlkreis geben - aber ebenso, wie neue Parteien in den Bundestag gelangen können, indem sie die 5 Prozent knacken, können auch in Hochburgen neue, charismatische Direktkandidaten dafür sorgen, dass diesmal ein anderer Kandidat gewinnt. Es gibt ja auch nicht nur Hochburgen, sondern auch umkämpfte Wahlkreise. Und es gibt auch manchmal Kandidaten kleiner Parteien, die reüssieren. In Berlin war Ströbele so ein Beispiel.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Danke an Euch. Ja klar, meinte ich natürlich die Ausgleichsmandate :bonk


    Wenn ich Euch richtig verstehe, werden diese nach der Reihenfolge der Kandidaten auf der Landesliste besetzt. Also der z.B. "zweite Gewinner" eines Wahlkreises (aus den Erstimmen) geht trotzdem nicht in den Bundestag, es sei denn, er steht neben seiner Kandidatur als Direktkandidat für die Erststimme auch auf der Landesliste auf den ersten Plätzen. Richtig?


    PS

    Zitat

    Wikipedia hilft Dir sicher, die richtige Wahl zu finden.

    Lieber Amos,
    welche Partei ich wählen werde, bestimmt sich ganz sicher nicht nach der Lektüre von Wikipedia :rofl , sondern aus der Beobachtung der Parteien und ihrer Programme über lange Zeit hinweg und dem Abstimmen mit den eigenen persönlichen Überzeugungen und Ansichten.

  • Richtig?

    Genau. Nur so können z. B. die Spitzenpolitiker sich "ihre" Plätze im Parlament sichern. Man stelle sich vor, Frau Merkel würde in ihrem Wahlkreis unterliegen und käme so nicht ins Parlament. Zur Absicherung hat die den Listenplatz 1.
    Und wer sein Direktmandat bekommt, wird von der Liste gestrichen.


    Herzlichst


    Wolf P.