Maja Lunde: Die Geschichte der Bienen

  • Nicht ganz überzeugt


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    William war am Ende seiner Jugend ein ambitionierter Naturwissenschaftler, doch dann lernte er die hübsche, aber nicht sehr schlaue Tilda kennen, die ihm kurz nacheinander acht unerwünschte Kinder schenkte. William wurde vom begeisterten Forscher zum trübsinnigen Saatguthändler, doch als ihn der ehemalige Mentor Rahm damit konfrontiert, verfällt er auch noch in eine Depression - aus der ihn der einzige Sohn Edmund befreit, indem dieser den Vater dazu bringt, wieder zu forschen, und zwar nach einer besseren Beute - dem Fachbegriff für einen künstlichen Bienenstock - als die aktuellen, wenig effektiven Standardmodelle. Wir schreiben das Jahr 1852.


    Gut hundertfünfzig Jahre später, im Jahr 2007, ist der amerikanische Imker George damit konfrontiert, dass sich seine Frau Emma eigentlich in Florida zur Ruhe setzen will, dass der Sohn Tom, der die Nachfolge auf der Farm antreten sollte, lieber Journalist werden möchte, und dass die Konkurrenz mit ihren industriell gefertigten Bienenstöcken und den weiten Bestäubungsreisen mehr Geld verdient. Bis plötzlich überall die Bienenvölker sterben, ohne erkennbaren Grund: Die Imker sind mit dem "Colony Collapse Disorder" (CCD) konfrontiert, dem Verlust vieler Völker auch während der Saison - ohne erkennbare Gründe. Bis heute forschen weltweit viele Wissenschaftler nach den Ursachen des Phänomens, das viele für eine Folge der Pestizidverwendung und der Monokulturen in der Agrarwirtschaft halten.


    Im Jahr 2089 wird in China von Hand bestäubt, was früher Bienen und Hummeln erledigt haben. Die für diese Arbeit eigentlich viel zu kluge Tao klettert tagein, tagaus in einige der vielen hunderttausend Birnenbäume der örtlichen Plantage und verpinselt dort Blütenstaub. Davon können sie, ihr Mann und der kleine Wei-Wen gerade so leben, aber in der Welt des ausgehenden einundzwanzigsten Jahrhunderts wird überall gehungert. Nach dem großen Kollaps hat sich die Weltbevölkerung drastisch reduziert, ist der Fortschritt zum Stillstand gekommen, wird nur noch das nötigste getan. Und dennoch träumt Tao von einer besseren Welt für ihren Sohn, der als Achtjähriger ansonsten ebenfalls zum Bestäuber werden würde - und sogar davon, ein zweites Kind zu bekommen. Bis Wei-Wen einen tragischen Unfall erleidet.


    Maja Lundes erster Erwachsenenroman war in ihrem Heimatland Norwegen ein veritabler Bestseller, hat aber auch international auf sich aufmerksam gemacht. "Die Geschichte der Bienen" erzählt vom Träumen und Scheitern, außerdem geht es um Erziehung und das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, erwünschten wie ungeliebten, um Projektion und Wunschdenken. Getragen werden die Geschichten vom Schicksal der Bienen, von wissensreichen Erzählungen darüber, wie Imkerei funktioniert, warum es möglicherweise zum CCD kam - und was perspektivisch daraus werden wird. Und natürlich geht es um Umweltschutz. Die Dystopie, die die beiden Vorgängergeschichten letztlich verbindet, soll zeigen, was geschehen wird, wenn die metaphorische Notbremse nicht gezogen wird, wobei Lunde besonders drastisch zu zeigen versucht, wohin die Reise geht. Am Ende ist dieser Erzählstrang allerdings der optimistischste.


    Was mich beim Lesen des durchaus spannenden Buchs begeistert hat, war die gelungene und abwechslungsreiche Anordnung der drei Teilgeschichten, die mit interessanten Informationen und erhellendem Wissen gespickt sind. Was mich weniger begeistert hat, waren die sprachliche Einfachheit der Erzählung und ihre zuweilen etwas ermüdende Vorhersehbarkeit, die allerdings größtenteils durch die hohe Taktung des Geschehens abgefangen wird. Die Figuren sind wirklich gut konturiert, aber auch sehr linear angelegt. Unterm Strich ist "Die Geschichte der Bienen" ein kluges, gut recherchiertes, ein bisschen zu absichtsvolles, nicht immer logisches, originell komponiertes Buch, dessen B-Note nicht ganz überzeugt.


    ASIN/ISBN: 3442756847