Kreativität

  • Zitat


    Auch wenn jedes menschliche Handen kreative Anteile hat, so ist es nicht auch schon in jedem Fall kreativ. Jetzt könnte man streiten, ob nur das künstlerische Handeln kreativ sei; ich sage: ja, weil nur beim künstlerischen Handeln die Zwänge des Alltags suspendiert sind. Der Vers eines Gedichts oder der Satz eines Romans ist kein Teil einer alltäglich-konkreten Situation, sondern immer nur fiktiv; das heißt: er ist der Kausalität der Wirklichkeit entzogen. Dagegen wäre ein "kreativer" Maurer, wenn er sich den Kausalitäten des Hausbaus entzöge, bestimmt keiner, den man auf seiner Baustelle gerne sehen würde...


    Lieber Jürgen,


    du denkst das einmal zu eng, und zum anderen zu elitär. Ohne Kreativität wäre eine Alltagsbewältigung kaum denkbar, wäre eine Entwicklung, wie sie die Menschheit durchgemacht hat, nicht möglich geworden. Nur deshalb, weil der Mensch kreativ auf nicht standardisierte Situationen reagieren kann, ist überhaupt diese Entwicklung denkbar. Das "sich nicht um den Alltag kümmern um etwas zu schaffen" haben beispielsweise auch Erfinder oder Wissenschaftler an den Tag gelegt. Andererseits halte ich auch nicht jeden "Künstler" für kreativ. Wer morgens ins Büro geht, bis zum Nachmittag einen Schauerroman in die Maschine (früher Schreibmaschine, heute PC) tippt und dann pünktlich zum Abendessen nach Hause kommt, ist ein reiner Schreibarbeiter ohne echte Kreativität.


    <Behauptungsmodus aus>


    ;)

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Allerdings halte ich einen Besuch bei IKEA nicht für einen kreativen Akt.


    Ich möchte Kreativität nicht auf künstlerische Tätigkeiten beschränken. Den Besuch bei Ikea allein würde ich allerdings auch nicht als kreativen Akt bezeichnen. Wie der Ikea-Besucher/Käufer die Sachen, die er da gekauft hat, dann zuhause arrangiert, das betrachte ich schon als Akt der Kreativität (sofern er oder sie nicht das Arrangement aus dem Ikea-Katalog 1:1 überträgt ;) )


    Kreativität ist für mich der Ausdruck des Innenleben eines Menschen, seiner Person, seines Wesens. Ob er den Ausdruck in der Wahl seiner Einrichtungsgegenstände sucht, im Schreiben eines Buches, im Pflanzen von Blumen oder im Fliesen eines Badezimmers, ist dann egal, Hauptsache, es geschieht mit Hingabe und aus der Überzeugung heraus, dass es genau das ist, was derjenige aus eigenem Antrieb tun will.


  • Ich möchte Kreativität nicht auf künstlerische Tätigkeiten beschränken. Den Besuch bei Ikea allein würde ich allerdings auch nicht als kreativen Akt bezeichnen. Wie der Ikea-Besucher/Käufer die Sachen, die er da gekauft hat, dann zuhause arrangiert, das betrachte ich schon als Akt der Kreativität (sofern er oder sie nicht das Arrangement aus dem Ikea-Katalog 1:1 überträgt ;) )


    … oder aus diversen Schöner-Leben-Zeitungen.

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  • Wer morgens ins Büro geht, bis zum Nachmittag einen Schauerroman in die Maschine (früher Schreibmaschine, heute PC) tippt und dann pünktlich zum Abendessen nach Hause kommt, ist ein reiner Schreibarbeiter ohne echte Kreativität.


    Der Behauptung widerspreche ich. Nur weil einer einen geregelten Tagesablauf braucht, ist er nicht gleich unkreativ. Genauso wie ein Chaot nicht per se kreativ ist, auch wenn gern vom kreativen Chaos die Rede ist, allzuoft kommt dann nämlich gar nichts bei raus (auch so eine Behauptung ;) ) War es nicht Thomas Mann, der seine exakt festgelegten Schreibstunden hatte?


    Das "sich nicht um den Alltag kümmern um etwas zu schaffen" haben beispielsweise auch Erfinder oder Wissenschaftler an den Tag gelegt.


    Und wie! ... wie ich aus jüngsten Recherchen bestätigen kann :nick

  • Lieber Horst-Dieter,
    da wird aber eine analytische Unterscheidung (kreativ vs. nicht kreativ) als Wertung (eng, elitär) gelesen. Begriffliche Unterscheidungen haben es eben an sich, "eng" zu sein; mit anderen Worten: Alles als "kreativ" zu bezeichnen, wäre vielleicht demokratisch oder besser: ein Slogan für den Wahlkampf, aber der Erkenntnisgewinn läge dann, weil nichts abgegrenzt und bestimmt wäre, bei Null.

  • Jürgen, die genaue Abgenzung heißt "künstlerisch". Künstlerisch = Kreativität zu setzen und alles andere diese Fähigkeit zu verweigern ist sehr willkürlich. Wenn ich "elitär" sage, ist das natürlich auch ein wenig provokant, aber damit passt es auch zu der willkürlichen Gleichsetzung Künstlerisch = Kreativität.

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  • Vorneweg: Ich finde, hier werden die Begriffe Kreativität und Kunst gleichgesetzt. Das passt nicht. Kreativ (im Sinne von schöpferisch) ist jedes Kleinkind, das man am Basteltisch in Ruhe machen lässt. Auch Köche, Programmierer, Hausfrauen, Werbetexter, u.s.w... kreieren mitunter Neues, ohne dabei Kunst zu erstellen. Kreativität ist für die Kunst unablässlich...aber längst nicht die alleinige Voraussetzung.
    Beuys hat ja nicht gesagt: Koche Seife und das ist dann Kunst. Er wollte, dass man beim "Seife Kochen" über dieses Vorgehen nachdenken und es in einen Kontext setzen lernt. Erst dann kann vielleicht Kunst daraus werden. Edit und ergänzend: Nur weil er den Kunstbegriff auf das "ätherische Wesen" Gesellschaft erweiterte, sprach er einzelnen Kunstwerken nicht ihre Berechtigung ab. Beliebig machen, war sicher nicht sein Anliegen.


    Sprichst du dann in deinem Beitrag, Jürgen, von der überwiegenden Unterbezahlung von Künstlern? Wenn ja, dann bemängelst du einen Urzustand und ich unterschreibe deine Klage lamoryant.
    Auch diesen Urzustand im Kunstbetrieb wollte Beuys aufweichen und ändern. Denke mal, er würde heute für das bedingungslose Grundeinkommen kämpfen, das mehr Menschen ermöglichen würde schöpferisch im Allgemeinen und künstlerisch im Besonderen zu leben.
    Die Kunstszene ist damals wie heute aber ein Markt wie jeder andere auch: Nachfrage muss generiert werden, dazu braucht es Alleinstellungsmerkmale, die widerum darf natürlich nicht jeder haben, weil es sonst wieder beliebig wird...und so dreht sich die Mühle einfach weiter...
    Schnief! :down

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

    Einmal editiert, zuletzt von Stefanie J. ()

  • Aus dem Psychodrama kenne ich eine eher weite, aber m. E. sehr treffende Definition von Kreativität: als Fähigkeit, auf eine altbekannte Situation in neuer Weise zu reagieren oder auf eine neue Situation überhaupt angemessen zu reagieren. Auch wenn wir zB in neue Lebenssituationen kommen, brauchen wir Kreativität, um sie zu bewältigen.


    Wichtig finde ich auch den Aspekt des Ausbrütens: dass wir erst mal Infos sammeln und auf dieser Grundlage dann was Neues entsteht. Das lässt sich auf die Kunst genauso anwenden wie auf andere Situationen. Wir erschaffen niemals etwas aus dem Nichts, sondern immer auf der Grundlage von Material - in einer Art Sprung, der aber durch Sammeln und Ausbrüten vorbereitet ist.