In was für einem Stil schreiben wir?

  • ... in was für eine Situation ... (welche)
    ... was für ein Gewand soll ich anziehen ... (welches)
    ... was für einen soll ich nehmen ... (welchen)
    ... für was ist das gut ... (wofür)


    Als ich zur Schule ging, gab es für derart plumpen Stil vom Deutschlehrer einen Rüffel. Heute liest man solches (häufig) in Printveröffentlichungen und Literaturforen. ;)

  • Zitat

    Heute liest man solches (häufig) in Printveröffentlichungen und Literaturforen.


    Nicht nur dort. Wir lesen inzwischen sehr viel mehr geschriebene Worte als die Generationen, die ohne Internet auskommen mussten, und wir lesen dadurch vieles, das falsch geschrieben wird. Wer Schriftsprache vor allem in Büchern und Zeitungen wahrgenommen hat, wurde vielleicht mit einer Fehlerquote von einem Prozent konfrontiert. Wer Schriftsprache vor allem über Facebook, Whatsapp, Twitter, Instagram und die omnipräsenten Hirntoten-Kommentare bei Amazon und in den Foren der Zeitungsverlage wahrnimmt, begegnet einer Fehlerquote, die hoch zweistellig sein dürfte. Dadurch lernt man unbewusst Falsches. Schlimmer noch, man verlernt das, was man bereits richtig beherrscht hat. Ich bin heute sehr viel unsicherer, was Orthographie anbetrifft, als ich das vor zehn, fünfzehn Jahren war.


    Allerdings würde ich einen Begriff wie "Printveröffentlichung" trotzdem nur ausnahmsweise verwenden. ;)

  • War Sprache nicht schon immer und ständig im Wandel? Mich dünkt, unsere Eltern haben uns einstmals erbost gebeten, uns doch um Himmels Willen besser auszudrücken.


    Die Rechtschreibreform hat sicherlich zur Orthographie-Schwäche der 'älteren' Generation beigetragen (bei mir ist das der Fall!). Der Sprachgebrauch der jüngeren Generationen wird selbstverständlich von den ständig anwachsenden modernen Medien beeinflusst. Darüber kann man traurig sein, aber das ist müßig, es ist unaufhaltsam. Vielleicht lässt sich durch guten Stil der Verfall unserer ach so vielfältigen Sprache maximal etwas verlangsamen.


    Bei meinen Kindern funktioniert es immerhin ein wenig, da ich mit ihnen von Geburt an wortgewaltig fabulierte. Sie kommunizieren zwar nicht in gleichem Ton, aber sie verstehen mich und können mir folgen. Kopf hoch und schreibe dagegen an, es gibt noch Hoffnung am Horizont!

  • Sprache ist lebendig und befindet sich stets im Wandel. So finden einstmals verpönte Begriffe auch gerne mal Einzug ins offizielle Wörterbuch oder die Umgangssprache hält Einzug in das gedruckte Wort. Ich denke, dagegen können wir wenig tun.


    Zitat von "Ava Lundin"

    Bei meinen Kindern funktioniert es immerhin ein wenig, da ich mit ihnen von Geburt an wortgewaltig fabulierte.


    Das ist bei unseren Kindern ähnlich. Zumindest unsere fünfjährige Tochter hat einen immensen Wortschatz (unser Sohn ist erst zwei Jahre alt, hat aber schon gut aufgeholt). Dennoch hat sie die mittlerweile typische Marotte aus dem Kindergarten übernommen, Sätze nicht zu ...


    Es ist bei uns bereits zum Running Gag geworden, wenn sie nach dem Abendessen fragt: "Kann ich noch einen Nachtisch?"
    Meine Frau oder ich antworten dann: "Angucken? Ja, gerne. Hier ist er."
    Ab und zu korrigiert sie sich nun schon. =)

  • Hallo Tom,


    mir geht das genauso wie Dir, dass ich unsicherer bin als vor einigen Jahren. Richtig und Falsch verwischt immer stärker. Blöd für mich ist nur, dass ich einen Teil meines Einkommens damit verdiene, Texte anderer zu überarbeiten. Da erwarten die von mir, vielleicht zu Recht, dass ich auf all diese Unsicherheiten die Antwort weiß.

  • Nicht nur dort. Wir lesen inzwischen sehr viel mehr geschriebene Worte als die Generationen, die ohne Internet auskommen mussten, und wir lesen dadurch vieles, das falsch geschrieben wird. Wer Schriftsprache vor allem in Büchern und Zeitungen wahrgenommen hat, wurde vielleicht mit einer Fehlerquote von einem Prozent konfrontiert. Wer Schriftsprache vor allem über Facebook, Whatsapp, Twitter, Instagram und die omnipräsenten Hirntoten-Kommentare bei Amazon und in den Foren der Zeitungsverlage wahrnimmt, begegnet einer Fehlerquote, die hoch zweistellig sein dürfte. Dadurch lernt man unbewusst Falsches. Schlimmer noch, man verlernt das, was man bereits richtig beherrscht hat. Ich bin heute sehr viel unsicherer, was Orthographie anbetrifft, als ich das vor zehn, fünfzehn Jahren war.


    Allerdings würde ich einen Begriff wie "Printveröffentlichung" trotzdem nur ausnahmsweise verwenden. ;)


    Ich bin anderer Auffassung. Die Sprache ist ein Resultat der menschlichen Evolution - die lässt sich doch von so ein paar läppischen neuen (und morgen wieder vergessenen) Medien nichts aufzwingen. Zwei Sachverhalte sollten in diesem Zusammenhang stärker beachtet werden:
    1) Unsere Sprache generiert sich doch nicht aus abstrakten Rechtschreib- oder Grammatikregeln. Umgekehrt verhält es sich: Zuerst gibt es die Sprache, und dann werden daraus (post festum) Regeln abgeleitet; Regeln sind unsere Konstrukte und doch keine objektiven Seinsverhältnisse. Deshalb liegt es in der Natur der Sprache, dass sie umfangreicher und in sich widersprüchlicher ist als unsere Regelsammlung; wobei noch hinzukommt: Wir sind alle (linguistische) Laien, die mit Sicherheit nicht in der Lage sind, die amtlichen Regeln überhaupt zu verstehen - das liegt u.a. daran, dass diese noch gar nicht in wissenschaftlicher und widerspruchsfreier Form vorliegen. Mit anderen Worten: In vielen Zweifelsfällen weiß man (Laie und Fachmann) einfach noch gar nicht, was "richtig" oder "falsch" ist.
    2) Darüber hinaus sollte berücksichtigt werden, dass unsere Standardsprache (Hochdeutsch) in immer höherem Maße auch unsere Alltagssprache geworden ist. Hochdeutsch ist ja gewissermaßen eine Kunstsprache aus dem 17. Jahrhundert, die sich bis vor wenigen Jahren vor allem in Schriftform in den Zeitungen etc. entwickelt hat. Erst in neuerer Zeit verdrängt es den Dialekt und wird Teil unseres "intimen Registers", das heißt in der mündlichen Kommunikation innerhalb unserer Familie und unseres Freundeskreises. Mit anderen Worten: Das Hochdeutsch ist zu unserer "äußeren" und "inneren" Sprache geworden, in denen wir unsere Gedanken und Gefühle aussprechen und denken. Diese Ausweitung der Standardsprache zeigt sich eben auch im Internet, in dem immer mehr Menschen das Hochdeutsche als intimes Register benutzen. Die Amazon-Kommentare zum Beispiel sind also häufig Ausdruck davon, dass das mündliche Hochdeutsch seine schriftliche Form sucht. Darüber kann man Witze reißen - oder es respektieren; denn unsere Standardsprache stellt eben auch ein "republikanisches Projekt" (Utz Maas) dar, das alle (eben unabhängig vom Bildungs- oder Sprachstand) dazu befähigen soll, an unserer Kultur teilhaben zu können. Aber hier von angeblich "falsch" oder "richtig" zu sprechen, ist - mit Verlaub - borniert.
    Viele Grüße
    Jürgen