Hallo, Manuela.
ZitatAm besten, man schreibt, so möglich, das Drehbuch selbst.
Nach wessen Erfahrung ist das am besten? Nach Deiner eigenen?
Ich fürchte, dieser Behauptung liegt einiges an naiv-verklärter Fehleinschätzung zugrunde. Es sind nur ausnahmsweise die Drehbuchautoren, von denen der Impuls für ein Filmprojekt ausgeht. Meistens sind es umgekehrt Produzenten und vor allem Regisseure, die eine Idee in ein Konzept gießen, an dem sich dann der Drehbuchautor als Dienstleister - mehr ist er oft nicht - entlangzuhangeln hat. Noch in der Produktionsvorbereitung entstehen mehrere Fassungen des Drehbuchs, nicht selten einige Dutzend davon, und noch während der Dreharbeiten - dem kürzesten Teil der Verfilmungsarbeiten übrigens - hocken die Drehbuchautoren in den Wohnwägen und müssen kurzfristig auf Wünsche von Regisseur, Redaktion, Management der beteiligten Stars usw. reagieren. Da ist nicht wirklich irgendwas "Eigenes" enthalten, jedenfalls meistens. Drehbuchautoren müssen sich an den ausgewählten Locations orientieren, für die dann gewählte Besetzung umarbeiten, ständig auf Änderungen reagieren und vor allem damit leben, dass die Pläne von gestern heute nichts mehr bedeuten. Davon abgesehen ist ein Drehbuch überwiegend nichts Literarisches - es besteht aus sehr nüchternen Anweisungen um die meistens knappen Dialoge herum.
ich kenne wenige Schriftsteller, die zugleich Drehbücher vor allem zu den eigenen Romanen verfasst haben. John Irving hat das mal gemacht, Thomas Brussig war Co-Drehbuchautor (mit Detlev Buck und Leander Haußmann) bei "Sonnenallee", und es gibt möglicherweise noch eine Handvoll weiterer Beispiele. Meistens aber lehnen Romanschriftsteller das Angebot, die Drehbücher wenigstens mitzuschreiben, sehr höflich ab, weil das eine fürchterliche Knochenarbeit ist, weil es nichts mit dem belletristischen Schreiben zu tun hat, und, vor allem, weil man es können muss. Ich könnte das nicht. Ich kann nicht ohne meine Erzählstimme schreiben, ich kann mich nicht auf Dialoge reduzieren, ich habe eine ganz andere dramaturgische Sichtweise im Kopf. Für mich hat das Wort die größte Bedeutung. Beim Film ist es das Bild. Als Drehbuchautoren sind nur solche Schriftsteller geeignet, die in Bildern denken und schreiben können, ohne sie zu verwenden (!).
Ich habe das große Glück, mit einem der besten Drehbuchautoren Deutschlands ein bisschen persönlich bekannt zu sein, mit Holger Karsten Schmidt, der zwei oder drei Grimme-Preise bekommen hat, für zig "Tatort"-Folgen verantwortlich zeichnet, vor allem aber mit Markus Imboden die herrlichen Finn-Zehender-Filme mit Hinnerk Schönemann entwickelt hat. Holger schreibt auch Romane, aber er hat nach den Drehbüchern damit angefangen. Aktuell steht sein unter dem Pseudonym "Gil Ribeiro" publiziertes "Lost in Fuseta" in den Bestsellerlisten, im vergangenen Jahr wurde sein Krimi "Auf kurze Distanz" verfilmt, wobei er das Drehbuch nur teilweise mitgeschrieben hat - und dieser Film hat als "bester deutscher Fernsehfilm" vor kurzem die "Goldene Kamera" erhalten. Dieser Mann kann das. Man merkt seinen Romanen allerdings auch an, dass er visuell denkt und schreibt. Aber Holger merkt auch gerne an, wie frustrierend dieser Job oft ist, und wie wenig Ankerkennung Drehbuchautoren für diese Arbeit bekommen, und wie wenig das Endprodukt mit den Ideen zu tun hat, die alle am Anfang hatten.
Nein, es wäre alles andere als eine gute Idee gewesen, mich das Drehbuch schreiben zu lassen. Ich hätte versucht, das Buch möglichst detailgetreu umzusetzen, und das hätte nicht funktioniert, weil es keine Filmdramaturgie hat, weil es geschwätzig ist, weil es zwischendrin viele retardierende Momente hat, weil die Besetzung schwierig wäre, weil es einfach ein Roman ist und keine Filmvorlage. Es ist viel besser, eine Person hinzuzuziehen, die Wort und Bild verbindet, also das Gute aus dem einen nimmt und dafür sorgt, dass das andere gut werden kann. Jedenfalls im Rahmen der Möglichkeiten. Siehe oben.