Die AfD und ihre Sprache

  • Es ist selten, dass ich morgens beim Kaffee in der Regionalgazette einen richtig guten Beitrag lese. Heute morgen war das der Fall, auf Seite 3 analysiert eine Germanistin die Sprache der AfD. Erfreulicherweise gibt es den Artikel auch im Internet.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Oha, ein kleines rotes Tuch.


    In meiner (studenten)WG lebt ebenfalls ein AFD-Wähler, der tendenziell rechte Gedanken hegt, sich aber jedes Mal fürchterlich aufregt, wenn man ihn in diese Ecke schiebt.


    Was die Sprache betrifft, so ist er schnell beeindruckt, wenn man ihm die Dinge sagt, die er selbst zu wissen glaubt. Besonders schlimm wird es, wenn man ihm durch Fakten oder gar Belege beweist, dass sein "wissen" ein Irrglaube ist. Da wird dann auch mal gerne gebrüllt.
    D.h. die AFD-Slogans in ihrer völligen Falschheit und bewusst sehr simplen Wortwahl sind deshalb so gewählt, weil sie auf diese Art den einfachen .. ja, fast schon primitiven Verstand erreichen. Warum sich Gedanken darüber Machen, dass ein Umstand eine Verkettung von komplexen Vorgängen ist, wenn man in einem Satz eine Schuld aussprechen kann. Diese Einfachheit erreicht viele, die zwar eine gewisse Unzufriedenheit in sich tragen, aber so gar nicht wissen, woher die kommt, oder was sie damit anfangen sollen.


    In dem Fall der mir bekannten Person hat dies im übrigen noch ganz andere Mitursachen:
    So ist er extrem behütet (und im Wohlstand) in einer rosa-scheinwelt aufgewachsen, in der klar definiert war, wer der Böse und wer der Gute ist.
    Er hat noch nie im Leben gearbeitet und sieht die Ursache der verarmenden Arbeiter darin, dass sie "nichts richtiges gelernt" haben - niemand muss an der Supermarktkasse sitzen oder Friseur sein - diese Leute hätten ja Jura studieren können und Anwalt werden. Dann wären sie nicht arm.
    Ebenso ist er strickt gegen den Sozialstaat. Wer studiert und danach z.B. Manager wird, ist von der Armut gefeit.
    Des weiteren ist er überzeugt, das ein Erbe nicht versteuert werden darf. Wenn die Eltern Geld haben, sollen die Kinder dies auch bekommen. Als ich ihm erklärte, dass private Haushalte von den Erbschaftssteuern mehr oder weniger ausgenommen sind, wurde er erst wütend, danach musste er zugeben, dass er sich noch nie darüber informiert hat, aber angst hat, später sein Erbe nicht zu bekommen.
    In seinem Kopf steht die Deutschlandspaltende Mauer weit höher, als sie in der Realität je war - und er ist 1994 geboren. Die "Ostler" sind in seinen Augen grundsätzlich weniger wertige Menschen und "da drüben" ist die Schlechtigkeit zu Haus.
    Er ist ein treuer Anhänger der damaligen Bush-Dynastie und ist begeisterter Freund der aktuellen Kriegsführung der USA.
    Auch ist der 'Russe' und der 'Nordkoreaner' das wohl schlimmste Übel in seinem Weltbild.
    Er hat echte Angst vor arabischen Menschen - denn diese könnten jederzeit und überall Selbstmordattentäter sein.
    (Im Übrigen feiert(!) er jeden erfolgreichen Terroranschlag, da ein solcher sein Weltbild bestätigt! (Als die Sache in Belgien passiert war, war es hier im Haus unerträglich. Zum Glück war er über Weihnachten nicht da ...)
    Er war auch sehr lange Anhänger von Trump, bis dieser in einer Rede einmal sagte, dass die US-millitärischen Aktionen auf der Welt falsch wären.
    Ebenso fordert er die Todesstrafe für Snowden.
    und noch viel mehr ...


    AFD-Anhänger stehen, aus meiner Wahrnehmung, haarscharf an der Grenze zum Verschwörungstheoretiker. Die Weltbilder beider Gruppen sind supersimple, ihre Lösungen ebenso. Und die Ignoranz gegenüber der Wahrheit oder differenzierter Meinungen ist derart groß, dass niemals ein Dialog möglich ist.


    Daher empfinde ich diese Partei als ein ernste Bedrohung, da sie ihre Wählerschaft SEHR wohl kennt und mit ihren Worten genau darauf abzielen.

  • Stereotypes Denken will Schubladen und davon möglichst wenige. Diese "Klarheit" stell ich mir sehr komfortabel vor - allerdings wurde der Acker auf dem die AFD sät, schon vorher gepflügt. Sich Wissen ungeprüft anzueignen haben viele doch schon früh in der Schule gelernt.
    Meine Schtweise ist heute auf viele eine andere, als früher. Beispiel: Früher war ich sehr tolerant. Ich war Deutscher und hatte totale Toleranz für Menschen anderer Nationen. Das ist heute nicht mehr so. Ich habe keine Toleranz. Das liegt daran, dass ich von vornherein gar nicht mehr davon ausgehe, ein Deutscher zu SEIN. Das hat mit meiner Identität im wesentlichen einfach nichts zu tun. Und was sonst ist der Mensch noch alles? Bäcker, Anwalt, fleißig, kriminell, männlich - ein Schein von Spiegelungen - mehr nicht. Abgesehen davon glaube ich, dass die höchste Form des Kampfes, die Kooperation ist. Im Falle von Nutzenstiftung würde ich zum Beispiel in erster Instanz dazu beitragen wollen, zu gewährleisten, dass irgendwer der Nutznießer sein kann und erst in zweiter Instanz, dass ich derjenige bin.
    Verschwörungstheoretiker und Populismus sind zwei Worte, die ich nicht mehr hören kann.
    Zum ersten Wort: Selbst wenn es in einem Spiel nicht vorgesehen ist und keine Funktion dafür bereitgestellt wurde, schaffen es Menschen, Gruppen, Gilden etc. zu bilden. Das ist auch in der Realtität so. Wer davon ausgeht, dass es keine Verschwörungen gibt, ist schlichtweg ein Idiot und glaubt daran, dass der Reichsbrand kein Verschwörungsakt war. Natürlich gibt es Gruppenbildungen und Subkulturen. Es wird nur immer schwierig bleiben, eine homogene Gesellschaft oder Gesellschaft mit hoher Toleranzbreite für Verschiedenes zu bilden, so lange Einzelne ihre Identität gefährdet sehen, die sie nie wirklich erarbeiten wollen, sondern Ideale anstreben, bei denen sie sich selbst verleugnen müssen, oder sie an Nationalität, Fussballvereinzugehörigkeit etc. spiegeln wollen. Bei einigen hilft das Reden nichts mehr - da wäre es womöglich besser, sie würden einfach nur mal 5 Minuten die Luft anhalten und einfach nur dasein.
    MIr selbst macht mehr Angst, dass der Kontrast steigt - dabei ist AFD immer noch n Grauton