Wieso schreibe ich eigentlich?

  • Das frage ich mich wirklich des öfteren und bin mir noch nicht ganz klar darüber. Okay: Ruhm, Geld, Groupies und schnelle Autos, eben das Übliche, aber das könnte man auch anders, mit weniger Mühe haben... Ich hätte beruflich Karriere machen oder gleich einen anderen Beruf ergreifen können etc. Aber stattdessen sitze ich samstagmorgens, während alle Welt noch pennt, am Schreibtisch und schreibe, jedenfalls versuche ich das, und es ist niemals ganz sicher, wie viel Gescheites dabei herauskommt. Ist doch bei trübem Morgenlicht betrachtet ziemlich beknackt.
    Was ist also mein fünfter Grund?
    Also, ich bereite gern anderen Leuten eine Freude, indem ich sie zum Beispiel zum Lachen bringe. Mit der Schreiberei (selbst mit der Auflage meines Romans) erreiche ich jetzt schon mehr Menschen, als ich es auf persönlichen Wege je schaffen könnte. Das Wagnis ist natürlich groß: Wenn ein Text misslingt (oder seiner Zeit zu weit voraus ist ")" ), erntet man Spott und Hohn, schlimmstenfalls Mitleid. Aber wenn bei einer Lesung eine fremde Zuhörerin an der richtigen Stelle lacht -

  • Es muss einfach raus!


    Vielleicht ein wenig hochtrabend, aber ganz ehrlich so gemeint, und steht deshalb auch auf meiner Homepage:


    "Worte schaffen Welten. Der Autor nimmt den Leser
    an die Hand und führt ihn hindurch, ohne ihm den Raum zum Atmen und den
    eigenen Platz in dieser Welt zu nehmen. Worte regen an, mahnen, fordern
    heraus, klagen an, trösten und schenken Nähe. Und Lyrik macht sie zudem
    noch zu Musik. Diese Vielfalt ist der Grund dafür, dass ich schreibe,
    selbst wenn ich der einzige Empfänger bleiben sollte."

  • Ich kann nicht stricken.


    Komisch, dabei hat Erzählen viel mit Wolle zu tun:
    Der durch Spinnen gewonnene Faden wird, am besten ohne sich zu verhaspeln, auf Spannung gebracht, so dass man ihn leicht abspulen, bzw. entwickeln kann, um ihn dann mit anderen Fäden zu verweben. ")"

  • Wieso? Weil man's kann :chapeau


    Hallo Joschik,
    ich jedenfalls konnte es nicht von Anfang an. Ich musste es mir jahrelang mühevoll erarbeiten. Aber wieso habe ich überhaupt damit angefangen? Und vor allem: Wieso habe ich nicht zwischendurch einfach die Segel gestrichen und etwas Nützliches getan?

  • Schreiben ist für mich ...


    das Erforschen von Zuständen, von Entwicklungen, vergangenen, heutigen, zukünftigen, das Untersuchen von Gewesenem und Möglichem, das Sezieren von Gefühlen und Empfindungen, von Beziehungen, das Verorten all dieser Dinge mit den Elementen unserer Sprache, auch wenn das bedeutet, sie zu dehnen, zu erweitern, zusammenzustauchen, bis der passende Ausdruck gefunden ist.

  • Hallo Joschik,
    ich jedenfalls konnte es nicht von Anfang an. Ich musste es mir jahrelang mühevoll erarbeiten. Aber wieso habe ich überhaupt damit angefangen? Und vor allem: Wieso habe ich nicht zwischendurch einfach die Segel gestrichen und etwas Nützliches getan?

    Werter Jürgen,

    da ich da ein Buch mit ISBN und, vermutlich, deinem Namen darauf sehe, musst du es können.   
    Und angefangen? Das ist ein anderes Thema. Wobei ich stark vermute, es ist wie alles was man freiwillig macht ,es hat dir Spaß gemacht.Ansonsten würde es keinen Sinn ergeben ... womit's dann auch tatsächlich nutzlos wäre.

    ... und ich verrenk mir mein Gehirn bloß um zu sagen was ich will,
    das ist nicht viel aber auf jeden Fall besser als Schweigen - Gisbert zu Knyphausen

    Einmal editiert, zuletzt von Joschik ()


  • Komisch, dabei hat Erzählen viel mit Wolle zu tun:
    Der durch Spinnen gewonnene Faden wird, am besten ohne sich zu verhaspeln, auf Spannung gebracht, so dass man ihn leicht abspulen, bzw. entwickeln kann, um ihn dann mit anderen Fäden zu verweben. ")"


    Ich spinne hervorragend ... :evil

  • Ich schreibe (noch), weil ich mir diese Frage nie gestellt habe und auch nicht vorhabe, sie mir zu stellen, denn ich finde, es gibt wichtigere Fragen, die zuerst beantwortet werden müssen. Zum Beispiel, warum es links und rechts geben muss, oder warum Nachbarn Nachbarn genannt werden. Und ja, ehe ich es vergesse: Warum es immer noch keinen Frieden in der Welt gibt.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zum Beispiel, warum es links und rechts geben muss, oder warum Nachbarn Nachbarn genannt werden.

    Na, links und rechts doch wohl zum Velwechsern! Und vom Nachbar meine ich mal gelesen zu haben, dass er so heißt, weil er der Ba(ue)r nach bzw. neben einem selbst ist - also der "Nachbauer". Und schreiben? Da halte ich es vor allem mit Cordulas schöner knapper Antwort: weil es raus muss. Und weil es (vielleicht neben Fotografieren) das einzige ist, für das ich je Geduld entwickeln konnte, ohne es sofort zu können. Und weil es mir neben allem Zweifeln und Verzweifeln zuweilen Flow-Zustände beschert. Und ich Allmachtsfantasien ausleben kann. So etwa.

  • Ich schreibe (noch), weil ich mir diese Frage nie gestellt habe und auch nicht vorhabe, sie mir zu stellen, denn ich finde, es gibt wichtigere Fragen, die zuerst beantwortet werden müssen. Zum Beispiel, warum es links und rechts geben muss, oder warum Nachbarn Nachbarn genannt werden. Und ja, ehe ich es vergesse: Warum es immer noch keinen Frieden in der Welt gibt.


    ...also aus den Gründen eins bis vier... 8-)

  • Hallo, Jürgen.


    Ich weiß nicht, warum Du eigentlich schreibst. Oder warum eigentlich Du schreibst. Meine Gegenfrage lautet: Ist das wichtig?


    Es mag etwas mit Sinnsuche zu tun haben, oder mit dem Wunsch, etwas Besonderes zu sein oder zu tun. Ich habe mal jemanden getroffen, der auf eine ähnlich lautende Frage geantwortet hat, dass er das ganz starke Gefühl habe, eine Art Lehrer zu sein, jemand, der anderen dabei helfen kann, die Dinge besser zu verstehen. (Hoffentlich hat er inzwischen einen Therapieplatz.)


    Es ist die geilste Arbeit, die ich kenne und die ich mir vorstellen kann, jedenfalls realistisch betrachtet (Natürlich wäre die allergeilste Arbeit, täglich Millionen dafür zu erhalten, Topmodels im Bett zu testen. Wäre gewesen. Bevor ich meine Frau kennengelernt habe, meine ich. <hüstel>). Es gibt nur wenige Tätigkeiten, die mit ähnlicher schöpferischer Freiheit einhergehen, selbst dann, wenn man Verträge zu erfüllen und dem eigenen Image zu genügen hat. Es ist und bleibt einfach ein unglaubliches Gefühl, die ersten Exemplare zu bekommen, zu signieren, im Buchladen zu sehen. Aber all das ist keine Antwort auf Deine Frage. Weil man ja auch nicht schreibt, um das zu erleben - das ist ein Nebeneffekt, der ja auch nicht immer eintritt.


    Wann immer ich mir diese Frage stelle, versuche ich, sie schnellstmöglich wieder zu verdrängen, weil es keinen Spaß macht, darüber nachzudenken. Oder über Gravitation, den fraglos nahenden Tod, das Ende unseres Sonnensystems in ein paar Milliarden Jahren. Manche Dinge sind, wie sie sind, und daran ändert man durch verschärftes Grübeln wenig.

  • Ich kann gar nicht sagen, was mir am Schreibprozess Spaß macht. Wenn der Flow kommt, dann schreibt sich das Ding so munter runter, das ist dann so normal, so gewöhnlich, so innerhalb der Spur, dass kein Spaß aufkommt. Wenn Evi oder Ralf oder Christoph "Daumen hoch" sagen, dann ist Erleichterung da, kein Spaß. Wenn der Text veröffentlicht ist, fällt mir auf, was man noch alles verbessern könnte; kein Spaß. Wenn ich jetzt auf die Reaktionen der Leser warte, Null Spaß. K. findet meine Schlendergänge Klasse, U. unmöglich. Ja, da meldet sich ein bisschen Späßchen: U. ist nämlich Germanist und will mich auf die rechte Spur bringen...
    Also, ich finde, die Frage nach dem Wieso unseres Tuns macht uns doch erst zu Menschen...

  • Ich habe angefangen, weil ich irgendein x-beliebiges Jugendbuch aus der Bücherei gelesen habe und mir dann gedacht habe: "Wenn den Scheiß jemand liest, liest meinen auch jemand." Und das denk ich mir auch immer, wenn ich mal wieder kurz vorm aufgeben bin. (War das jetzt eine Themaverfehlung?)