Wieso schreibe ich eigentlich?

  • Weil ich dann Gott bin. Alleinherrscherin in einer Welt. Das ist ein unschlagbares Gefühl alles laufen zu lassen oder zu kontrollieren, wie es mir passt.
    Muss ich mich jetzt auch um einen Therapieplatz bemühen? Ich meine es ernst. (ohne Clownsnase) Das ist mein Grund zu schreiben.
    Topmodels sind mir zu jung. ")" und nur die wenigsten lesen wahrscheinlich viel.

  • Nein, Dorit, du musst dir DESWEGEN keinen Therapieplatz suchen. Ob es sonst noch Gründe gibt, weiß ich nicht.  
    Sich dieses Vergnügens bewusst zu sein, spricht sehr für einige psychische Gesundheit. Mir geht es ähnlich, wobei mir Texte und Figuren auch die Kontrolle verweigern und meine Macht in Frage stellen. Dann greift hoffentlich Grund zwei, warum ich schreibe: es ist was Exhibitionistisches. Ich kann etwas von mir zeigen, aber es ist so verschlüsselt, dass ich es manchmal nicht mal selber erkenne, zumindest nicht beim Schreiben, erst später fällt es mir auf. Das ist seltsam, aber Zeigefreudigkeit gehört für mich dazu. Auch im Sinn von: ich zeig's euch, ihr werdet schon sehen. Wer ist "ihr"? Einfach alle Menschen, die mich je unterschätzt, entwertet, beschämt oder bloßgestellt haben. Die sollen jetzt eben mal sehen. Muss ICH mir jetzt schon wieder einen Therapieplatz suchen?

  • Donnerwetter, was für tiefgründige Schreibmotive - ich bin schwer beeindruckt. Allmachtsfantasien, 'die Frage nach dem Sinn unseres Tuns', selbst veritabler Exhibitionismus - das wäre mir nicht eingefallen.


    Ich schreibe, weil ich gern Geschichten erzähle (Vielmehr, um es mit Kirsten auszudrücken: "Der schreibt nur, um es den Leuten vorlesen zu können.")
    Und weil ich damit meine Rente aufbessern kann.
    Sonst müsste ich Vogelhäuschen basteln und sie auf Weihnachtsmärkten verkaufen. Das geht aber in meinem Falle nicht, weil jegliche Benutzung von Werkzeug bei mir in einem Blutbad endet.


  • Ich schreibe, weil ich gern Geschichten erzähle (Vielmehr, um es mit Kirsten auszudrücken: "Der schreibt nur, um es den Leuten vorlesen zu können.")


    Ich hatte dich schon immer im Verdacht! 8-)


    Zitat


    Sonst müsste ich Vogelhäuschen basteln und sie auf Weihnachtsmärkten verkaufen. Das geht aber in meinem Falle nicht, weil jegliche Benutzung von Werkzeug bei mir in einem Blutbad endet.


    Und ist das jetzt anders? Wenn ich mir so deine Bücher ansehe …

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    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Herr Freud würde natürlich fragen: und warum möchte jemand Geschichten erzählen? Hm???
    Herr Freud meinte übrigens, Schreiben sei dem Spiel sehr ähnlich. Der Schriftsteller entwirft spielerisch eine Welt, um dort Dinge zu verarbeiten wie es Kinder tun. Das Gegenteil von Spiel sei nicht etwa der Ernst (denn das Spiel könne man sehr ernsthaft betreiben), sondern die Wirklichkeit. Es gab einen regen Austausch zwischen Freud und Thomas Mann, der befürchtete, die Ausdeutung seiner Werke könne ihn zukünftg am Schreiben hindern, was aber dann nicht der Fall war.
    Kurt Drawert hat sich ja ausführlich und zumeist ziemlich unverständlich u.a. psychoanalytisch mit dem Schreibprozess auseinandergesetzt, und ein Gedanke war sehr spannend: Der Autor würde unbewusst immer für den Vater schreiben. Dem Vater würde etwas mitgeteilt und gezeigt. Eben eine Geschichte erzählt. Anders wäre das bei Lyrik, weil sie in vorsprachliche, also muttersprachliche Bereiche hineinreiche.
    Aber darüber habe ich mich hier irgendwann schon mal ausgelassen, und im Zusammenhang mit der harmlosen Frage dieses Freds ist es vermutlich uninteressant für die meisten.

  • Herr Freud konnte selbst gut schreiben. Jedenfalls finde ich, sind seine Werke lesbarer als die vieler Kollegen (bis heute). Freud hat sich ja auch mit Literaten ausgetauscht, nicht nur mit Thomas Mann. Auch Stefan Zweigund Hermann Hessehaben sich mit Freud auseinandergesetzt. Letzterer ist sehr für die Psychoanalyse - die zu seiner Zeit ja gerade im Entstehen war - eingetreten und hat selbst Erfahrungen damit gemacht: positive und negative. Zuletzt war Hesse eher der Therapeut seines Therapeuten.


    [buch]3518417576[/buch]

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  • Ich weiß nicht, warum ich schreibe(n möchte).


    Bevor ich mit vierzehn oder so den ersten Satz einfach so in den leeren Bildschirm getippt hatte, dachte ich, Schriftsteller ist der coolste Beruf der Welt, das will ich werden. Ein paar Jahre später dann fand ich es einfach faszinierend, mir Geschichten auszudenken. Ich habe die anderen bewundert, die ganze Romane schreiben, die mich nicht mehr loslassen, mich berühren, staunen lassen. In einem meiner kühneren Momente dachte ich dann quasi über Nacht: Jetzt mache ich Ernst, das will ich auch können. Also habe ich mich auf die Reise gemacht, um irgendwie an diesen Punkt zu gelangen.


    Aber mir ist natürlich klar, dass dies alles nur Begründungen im Nachhhinein sind. Gründe, die ich mir selbst für mein eigenes Verhalten gebe. Äußerst hübsche Erklärungen, die auffallend logisch anmuten. In Wahrheit habe ich natürlich keine Ahnung, warum ich schreibe. Die Antwort auf diese Frage ist mir schlicht und einfach nicht zugänglich.


    Vielleicht schreibe ich ja auch nur deshalb, weil ich zu allem anderen keine Lust habe?

  • amüsantes und lohnenswertes Werk rund um den Schreibtrieb


    ... das ich mit Vergnügen gelesen habe und mich am Ende gefragt habe, warum es solch ein Format nicht im wirklichen Fernsehen gibt. Die casten doch sonst alles, warum nicht den nächsten Bestsellerautor? ;) Zu unsexy? Mag ich nicht glauben bei dem Hype (und Girliekreischen) um die bereits erwähnten Fitzek und McFayden.

  • Ich schreibe, weil es das ist, was ich kann. Das klingt überheblicher, als ich es meine. Eher umgekehrt: Ich glaube, ich kann sonst nicht so schrecklich viel. Ich habe mein ganzes bisheriges Berufsleben lang in der einen oder anderen Form geschrieben. Und oft genug habe ich mir gedacht, warum mache ich nichts Ertragreicheres! Denn Geld verdiene ich damit nicht gerade im Überfluss. Aber ich lande immer wieder beim Schreiben, es macht mir, Geld hin oder her, einfach auch am meisten Spaß. Allerdings schreibe ich nicht nur Dinge, die mich mit einem tiefen Gefühl von Sinnhaftigkeit erfüllen, sondern ich nehme auch einfach "Brotaufträge" an, die allerdings im PR-Bereich.


    Ulli: Stricken kann ich Dir beibringen, das ist gar nicht so schwer :)

  • (Regieanweisung: Der folgende Beitrag ist nicht mit Theaterdonner unterlegt, der Vortragende hat kein Tremolo in der Stimme.)


    Schreibt denn hier niemand, weil er meint, dass er was zu sagen hat, das sonst vielleicht ungesagt bliebe?


    Nicht, dass ich meine, dass der Buchmarkt jeden Tag Einzigartiges produzieren will. Das meiste, das wir schreiben können, ist schon geschrieben worden. Entweder vom Inhalt her oder vom Stil. So bahnbrechend Neues kommt nicht auf den Markt. Weil Leser natürlich auch nach Dingen suchen, die ihnen gefallen haben. Wenn einem der Thriller um den 180. Serienmörder gefallen hat, wird es der 181. nach gleicher Machart mit einiger Wahrscheinlichkeit auch tun. Vielleicht ist man eines Tages müde, Krimis nach Schema F zu lesen, aber dann ist der nächste Konsument längst nachgewachsen. Läuft!
    Schicksale: Scheidung, Missbrauch, Gewalt, Krankheiten, die eigene oder die Nahestehender, Grenzerfahrungen … Damit kommt früher oder später jeder in Berührung. Die wenigsten Schicksale an sich sind einzigartig, sondern sie wiederholen sich in unterschiedlicher Prägung.
    Vielleicht ist es auch ein zeitlich entferntes Ereignis. Das, was Großtante Klara passiert ist. Oder das, was sich in der Stadt, in der einer wohnt, ein paar Häuser weiter ereignet hat: Kein Einzelfall, aber etwas, das in Vergessenheit gerät, wenn einer nicht eine Reportage, eine Kurzgeschichte, einen Roman darüber schreibt.
    Natürlich: Selbst dann wird es wieder der Vergessenheit anheimfallen. Es wird untergehen, mit der Zeit auf jeden Fall. Vielleicht interessiert’s auch von Anfang an kein Schwein. Aber man hat, wenn man so einen Stoff, ein Schicksal, einen Kampf gegen etwas, anfasst und es – verfremdet oder nicht – verarbeitet, etwas, wenn auch nur für einen Augenblick, festgehalten, ihm seine eigene Sicht der Dinge verliehen, es weitergegeben, es auch, ja, gewürdigt.


    Der Gedanke: Wenn „ich“ das nicht schreibe, schreibt’s niemand. Falsch oder richtig. Im Wissen, dass die Welt sich trotzdem weiterdreht, auch, wenn es ungeschrieben bliebe. Den Stoff nicht zu ernst nehmen, aber ernst genug. „Sendungsbewusstsein“, ja, aber auf eine nüchterne Art. Spielt dieser Gedanke in Eurem Schreiben keine Rolle?


  • Der Gedanke: Wenn „ich“ das nicht schreibe, schreibt’s niemand. Falsch oder richtig. Im Wissen, dass die Welt sich trotzdem weiterdreht, auch, wenn es ungeschrieben bliebe. Den Stoff nicht zu ernst nehmen, aber ernst genug. „Sendungsbewusstsein“, ja, aber auf eine nüchterne Art. Spielt dieser Gedanke in Eurem Schreiben keine Rolle?


    Sendungsbewusstsein? Ich meine, Bibel, Koran und sonstige heilige Schriften sind erstens nicht mehr zu toppen und zweitens nicht mehr en vogue. Zumindest wenn wir auf den Bereich Belletristik schauen (wo m.e. solche Werke mit hinzugerechnet werden können).


    Beim Sachbuch ist das was anderes. Es müsste mal eine Reportage geschrieben werden über Behindertentransporte. Es ist ein Skandal, wie Unternehmen so etwas organisieren und dabei billiges, unterbezahltes aber vor allem unqualifiziertes Personal dabei einsetzen und nicht selten die Betreuten damit in Gefahr bringen. Es hat schon Todesfälle gegeben, die vermeidbar gewesen wären. Besonders in Berlin ist es in dieser Hinsicht ganz schlimm. Schreibt denn da niemand drüber? Das wäre mal etwas für jemanden mit Sendungsbewusstsein.

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  • Ich habe das betreffende Wort nicht von ungefähr in Anführungszeichen gesetzt. Denn natürlich ist es ein Wort, bei dem sich einem die Nackenhaare hochstellen. In dem Sinne, in dem ich es meine, ist halt nicht die Rede von einem (meinetwegen) verwirrten bärtigen Typ, der über den Sunset Boulevard läuft und das Ende der Welt verkündet.

  • Ich kann mir das gar nicht anders vorstellen. Ich meine, wer rasiert sich schon, wenn er Sendungsbewusstsein hat. Oder anders gesagt: Wer nimmt einem rasierten das Sendungsbewusstsein ab? :D Nun gut, ich weiß ja, da gibt es die vielen glattrasierten Gurus östlicher und westlicher Prägung, denen Scharen von Menschen folgen (bevorzugt weiblich), weil der Typ so ein ungeheures Charisma hat (sagen sie alle, die hinterherlaufen). Aber mal ehrlich - die mit echtem Erfolg, die hatten auch alle Bart (Maharishi, Baghwan).

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  • Wie dem auch sei.


    "Was man nicht erfliegen kann, muss man erkriechen", meinte Terézia Mora in „Bücher und Moor“. Der Satz klingt nach. Dass man sich so manches mindestens „erhinken“ muss …
    Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Warum schreibe ich? Ich weiß mehr Gründe, warum ich nicht schreibe. Und einen, warum ich's vielleicht doch nicht sein lasse.

  • ……
    Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Warum schreibe ich? Ich weiß mehr Gründe, warum ich nicht schreibe. Und einen, warum ich's vielleicht doch nicht sein lasse.


    Damit weißt Du vermutlich schon mehr, als viele von uns. :brille

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  • Zitat

    Schreibt denn hier niemand, weil er meint, dass er was zu sagen hat, das sonst vielleicht ungesagt bliebe?


    Doch. Auch.
    Aber für mich eine Illusion. Wenn ich über ein mir wichtiges Thema nicht schreiben würde, - ich bin mir sicher jemand anderes würde. Ohne mich. Mit mir. Neben mir.
    Ich schreibe oder erzähle- weil ich eine Geschichte habe, die ich selbst interessant finde und den Drang ihr eine Form zu geben. Mit der Hoffnung, sie stößt auf Interesse.
    Bei meinen ersten Roman (liegt noch inner Schublade - leicht leichenzerfleddert) hab ich als Zielgruppe bei Verlagen: "mich" angegeben. Eigentlich als Witz. Aber eigentlich auch nicht.

  • Zitat

    Der Gedanke: Wenn „ich“ das nicht schreibe, schreibt’s niemand. Falsch oder richtig. Im Wissen, dass die Welt sich trotzdem weiterdreht, auch, wenn es ungeschrieben bliebe. Den Stoff nicht zu ernst nehmen, aber ernst genug. „Sendungsbewusstsein“, ja, aber auf eine nüchterne Art. Spielt dieser Gedanke in Eurem Schreiben keine Rolle?


    Liebe Petra, ich habe mich über diese, Deine Frage gefreut, weil es zumindest etwas ist, über das ich in Bezug auf mein eigenes Schreiben durchaus nachdenke. Ich habe diesen Sommer mal zu irgendjemanden gesagt, dass ich z.B. mit Christa Wolf groß geworden bin und manchmal schon ... ähm irritiert, ratlos, ich weiß nicht, was das wirklich richtige Wort ist ... bin ob der Anspruchslosigkeit aktueller Literatur, die nur unterhalten will (ehe mich dafür jemand schlägt: ich lese solche Bücher auch und finde es okay, dass sie geschrieben werden, aber ich sehne mich nach anderen Büchern). Weil für mich Literatur immer noch mit dem Gedanken an Aufklärung, an Weltveränderung verbunden ist. Irgendwie. Das macht mir das Schreiben aber nicht leichter, denn natürlich ist das naiv: Was kann ein Buch schon ändern? Und außerdem größenwahnsinnig, denn selbst wenn Bücher die Welt verändern könnten, wie kann ich dann glauben, dass ich ein solches schreiben kann? Aber ich gebe zu: diese Gedanken spielen eine Rolle.


    Neben anderen Gründen, die hier schon genannt wurden: Ich darf bestimmen, wie etwas ausgeht. Ich darf mir überhaupt Figuren ausdenken. Aber auch: etwas von mir zeigen, wenn auch verschlüsselt. Und: mir macht auch der Prozess Spaß - wie etwas roh auf dem Papier hingeworfen liegt und wie ich daraus in mehreren Schritten etwas mache, von dem ich denke: ja, so funktioniert es, jetzt sage ich damit das, was ich sagen will. Das finde ich sehr befriedigend.