"Tiefe" von Henning Mankell

  • "In meinem ganzen Leben bin ich herumgeschlichen und habe versucht, nicht mir mir selbst zusammenzustoßen", gesteht sich Lars Tobiasson-Svartmann gegen Ende des Romans in einem lichten Moment der Selbsterkenntnis ein. Das ist einer der wenigen Augenblicke, in dem der Autor auch den Lesern seines atemberaubenden Romans wenigstens eine Ahnung vom Begreifen, einen flüchtigen Ansatz von Erkenntnis zugesteht.


    Zwölf Jahre ist es her, seit Henning Mankell dieses Buch veröffentlicht hat, und mir war es bisher entgangen. Unverzeihlich, denn mit diesem Werk hat sich der erst kürzlich verstorbene schwedische Erfolgsautor ein Denkmal als grandioser nordischer Erzähler gesetzt, das literarisch noch weit über seine - zweifellos großartigen - Kriminalromane hinausragt. Unter den vielen, teilweise ziemlich dummen Buchbesprechungen aus der Zeit der Erstauflage findet sich eine bemerkenswerte von Peter Poprawa bei n-tv, die alles Wichtige zu diesem Buch enthält. Ich kann mich daher im Folgenden kurz fassen (wozu wiederholen, was bereits treffend gesagt wurde?) und statt dessen wärmstens empfehlen, diesen Link anzuklicken.


    Was Poprawa nicht tut, will ich hier jedoch gern noch nachholen, nämlich ein paar Kostproben zu geben von der ungeheuren Sprachkraft, die Mankell meisterlich beherrscht - in kurzen Sätzen, nordisch-spröder Diktion und dennoch machtvoll, geradezu überwältigend dicht.


    "Seine Mutter weinte immer lautlos. Es war, als würde ihr Schmerz auf leisen Pfoten gehen."

    "Sie hieß Sally Andersson, es sang um ihre Bewegungen."

    "Er lag lange wach und wusste, dass auch sie nicht eingeschlafen war. Er fragte sich, ob es einen größeren Abstand gäbe als den zwischen zwei Menschen, die im gleichen Bett liegen und vorgeben zu schlafen."

    Ein großartiges, fesselndes, ein verstörendes Buch über das Böse, über tödliche Obsession und unentrinnbare Verstrickung, ein Buch über die Feigheit und die ganz große Lüge - alles schnörkellos präzise erzählt, voller trefflicher, manchmal auch vieldeutiger Sprachbilder. Die Härte, die Unerbittlichkeit der kargen, kalten Ödnis in den äußeren Schären vor Schwedens Küste bilden den Hintergrund, die Kulisse für eine furchtbare menschliche Tragödie.

    Gut, dass ich es endlich gelesen habe. Es hätte mir etwas gefehlt, so viel ist sicher.


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  • Danke, Didi - ja, das ist sicher sehr gut. Ich kann das bloß leider nicht lesen; es ist mir schlichtweg zu düster. War übrigens eben bei Amazon; erster Satz der ersten Rezension: "Der Roman "Tiefe" von Henning Mankell ist einer der dichtesten, grausamsten und depressivsten Bücher, die ich je gelesen habe." Äh nee, ich schaff sowas zurzeit nicht. Aber vielleicht irgendwann wieder.

    Frau: "Warum müssen Frauen immer still sein?"
    Mann: "Weil sie dann länger schön bleiben."
    (Der Hexer, 1964)