• Einer muss den Bluthund machen. Oder so. Der Wortgebrauch ist einfach zu hässlich. Anja schilt mich zwar der Sophisterei - aber: Tatütata, die Sprachpolizei ist da! Es geht um unsere Waffe, die Sprache, die wir scharf halten sollen, die aber so leicht abstumpft.


    Und zwar um das Wörtchen "demnach". Es stellt eine logische Verbindung zwischen zwei Aussagen her, gleichbedeutend mit also, daher, somit, folglich, demzufolge ... Eine solche logische Verbindung suggeriert die (Online-)Presse immer häufiger, auch wenn keine besteht. Hier ein Beispiel von heute Morgen aus dem Spiegel:


    "Den Angaben zufolge handelt es sich um einen Airbus A320 aus dem Jahr 2003 mit der Flugnummer MS804. An Bord sind demnach sieben Besatzungsmitglieder, drei Sicherheitskräfte sowie 56 Reisende; darunter ein Kind und zwei Babys. In einer ersten Mitteilung der Airline war von insgesamt 69 Passagieren die Rede gewesen."


    Die armen Passagiere und ihre Angehörigen sind durch den Absturz schon gestraft genug - dass man aus Flugzeugtyp und Flugnummer auch noch ihre Anzahl und ihr Alter herleitet, haben sie nicht auch noch verdient. Hier sieht es noch so aus, als habe der Spiegel die Wiederholung von "Angaben" oder "Mitteilung" vermeiden wollen. Meist steht das "demnach" aber völlig isoliert:


    "Insgesamt gaben demnach fast drei Viertel aller Befragte an, dass Menschen, die vor Krieg oder Verfolgung flüchten, Asyl in anderen Ländern gewährt werden sollte."


    "Demnach" soll in immer mehr Fällen "laut dieser Aussage/Angabe/Mitteilung ..." bedeuten. Und mich ärgert das. Nennt mich einen Spießer und Sprachpuristen. Isso.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Um noch eine bescheuerte Phrase zu benutzen: Da bin ich ganz bei Dir, Alexander ;)


    Der Gebrauch von "demnach" in diesen Pressemitteilungen empfinde ich als schlicht falsch. "Demnach" hatte ich immer so begriffen, dass eine Wirkung erklärt wird, die auf eine bestimmte Ursache zurückgeht. Demnach also. Und wie bitteschön können Baujahr und Typ eines Flugzeugs dafür verantwortlich sein, dass x Besatzungsmitglieder und y Passagiere an Bord waren? ?!?

  • Und wie bitteschön können Baujahr und Typ eines Flugzeugs dafür verantwortlich sein, dass x Besatzungsmitglieder und y Passagiere an Bord waren? ?!?


    Ist doch klar: In einen Airbus A320 aus dem Jahr 2003 gehören sieben Besatzungsmitglieder, drei Sicherheitskräfte sowie 56 Reisende; darunter ein Kind und zwei Babys. Sonst fliegt der nicht.

  • Hallo Alexander.

    Zitat

    Und zwar um das Wörtchen "demnach". Es stellt eine logische Verbindung zwischen zwei Aussagen her, gleichbedeutend mit also, daher, somit, folglich, demzufolge ... Eine solche logische Verbindung suggeriert die (Online-)Presse immer häufiger, auch wenn keine besteht. (Hervorhebung von mir


    Das stimmt nur zur Hälfte, demnach ist es ganz falsch ")" . Umsonst aufgeregt!
    "Demnach" hat z.B. nach dem Großen Wörterbuch der deutschen Sprache von 1976 die Doppelbedeutung: "folglich, also" und "nach dem gerade Gesagten"; es stellt also nicht immer zwingend eine logische, sondern in jedem Fall eine inhaltliche Beziehung zwischen zwei Aussagen her. Nebenbei: die als Beispiel aufgeführten Worte "also, daher" drücken ebenfalls nicht in jedem Fall eine logische Beziehung aus. Diese Bedeutungsschwankungen sind übrigens ganz sprach-natürlich. So hatte das Wort "weil" bis ins 18. Jahrhundert auch die temporale Bedeutung "während". Auch heute noch in Einzelfällen: "Weil wir gerade davon sprechen,..."
    Viele Grüße
    Jürgen

  • Das stimmt nur zur Hälfte, demnach ist es ganz falsch . Umsonst aufgeregt!
    "Demnach" hat z.B. nach dem Großen Wörterbuch der deutschen Sprache von 1976 die Doppelbedeutung: "folglich, also" und "nach dem gerade Gesagten"; es stellt also nicht immer zwingend eine logische, sondern in jedem Fall eine inhaltliche Beziehung zwischen zwei Aussagen her. Nebenbei: die als Beispiel aufgeführten Worte "also, daher" drücken ebenfalls nicht in jedem Fall eine logische Beziehung aus. Diese Bedeutungsschwankungen sind übrigens ganz sprach-natürlich. So hatte das Wort "weil" bis ins 18. Jahrhundert auch die temporale Bedeutung "während". Auch heute noch in Einzelfällen: "Weil wir gerade davon sprechen,..."


    Lieber Jürgen,


    ich habe schon früher nur zu gern meine Deutschlehrerin berichtigt   .


    Man benötigt kein Großes Wörterbuch von 1976 - der aktuelle Duden reicht. Da steht dasselbe: "nach dem gerade Gesagten; folglich, also". Und genau diese inhaltliche Beziehung "nach dem gerade Gesagten", die Du ansprichst, besteht in den meisten Fällen der Journaille NICHT, insbesondere nicht in meinen beiden Beispielen aus dem Spiegel. Das falsche "demnach" bezieht sich also nicht auf den Inhalt des vorigen Satzes, sondern auf die gemeinsame Quelle. Und das ist und bleibt falsch, falsch, falsch.


    Bedeutungsänderungen gibt es laufend in der Sprache, und auch Mehrdeutigkeiten können zum Reichtum einer Sprache beitragen. Heraklit und sein "panta rhei" gilt auch heute und auch für die Sprache: Sie ist immer im Fluss und verändert sich. Das bedeutet aber erstens nicht, dass Sprache dadurch beliebig wäre und zweitens nicht, dass sich Sprache durch Instanzen wie Werbung oder Medien "von oben" verändern solle. Vielmehr ist es der Sprache natürlich, dass sie sich im Wesentlichen demokratisch "von unten" verändert (mutatis mutandis).


    Konjunktionen wie weil, wenn, während, nachdem ... haben typischerweise mehrere Bedeutungen, auch gerade mundartlich. Darum geht es hier aber nicht.


    Herzliche Grüße,


    Alexander

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Vielmehr ist es der Sprache natürlich, dass sie sich im Wesentlichen demokratisch "von unten" verändert (mutatis mutandis).



    Und deswegen weiß ich auch nie so recht, ob ich ein Sprachungeheuer wie "nichtsdestotrotz" demokratisch oder einfach nur grässlich finden soll. Laut Duden gibt es das inzwischen sogar offiziell - könnte mich schon wieder empören! Den Gebrauch von "demnach" in Deinem Beispiel, Alexander, empfinde ich bei näherer Betrachtung auch als falsch, aber es wäre mir nicht aufgefallen. Es hat sich wohl schon so eingebürgert, dass ich drüber weglese.

  • Liebe Kristin,


    ich glaube, ich habe das mit "nichtsdestotrotz" bei Eike Christian Hirsch gelesen, dem ehemaligen "Stern"-Kolumnisten: Das sei ursprünglich eine scherzhafte Verballhornung gewesen, eine Spielerei von Studenten im Vormärz - die Zusammenfügung von "nichtsdestoweniger" und "trotzdem", der mit der Zeit das Spaßhafte verloren gegangen sei. Inzwischen hat sie sich eingebürgert. Die Konstruktion des Begriffs ist und bleibt aber nichtsdestotrotz sinnlos und albern.


    Das falsche "demnach" ist in meiner Wahrnehmung ein neues Phänomen, vielleicht drei Jahre alt. Irgendwann muss wohl ein Journalist als seine Quelle die Witwe Schlotterbeck genannt haben, und als er sich im nächsten oder übernächsten Satz auf Frau Schlotterbeck und ihre Glaskugel berufen wollte, schrieb er versehentlich nicht "danach sei es so ...", sondern "demnach sei es so". Ist nur eine Hypothese, aber so könnte sich das eingebürgert haben.


    Herzliche Grüße,


    Alexander

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Lieber Alexander,
    in den gegebenen und kritisierten Beispielen wird das "demnach" m.E. völlig korrekt benutzt.

    Zitat

    "Refugees Welcome Index": Unter diesem Titel hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Ergebnisse ihrer weltweiten Umfrage zum Thema Flüchtlinge veröffentlicht. Mehr als 27.000 Menschen in 27 Ländern wurden den Angaben zufolge nach ihrer Bereitschaft gefragt, Flüchtlinge in ihren Ländern, Städten, Vierteln oder Häusern aufzunehmen.


    Insgesamt gaben demnach fast drei Viertel aller Befragte an, dass Menschen, die vor Krieg oder Verfolgung flüchten, Asyl in anderen Ländern gewährt werden sollte. Einer von zehn Befragten würde einen Flüchtling bei sich daheim aufnehmen. In China sagten das sogar 46 Prozent. (Hervorhebung von mir) (Zitat aus dem Spon-Artikel


    Auch in diesem Beispiel bezieht sich das "demnach" auf vorher Gesagtes, nämlich auf den "Refugees Welcome Index". Das "demnach" hat hier tatsächlich einen Bedeutungsaspekt von "also", bei dem aus einem allgemeinen Begriff etwas Innewohnendes, Implizites entfaltet und konkretisiert wird. Das genau ist die logische Leistung des "demnach": die Konkretisation. (Laut Hegel und Marx: Das Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten.)
    Viele Grüße nach Salzburg
    von Jürgen

  • Auch in diesem Beispiel bezieht sich das "demnach" auf vorher Gesagtes, nämlich auf den "Refugees Welcome Index"

    Lieber Jürgen,


    leider kann ich nicht mehr schreiben, als ich schon geschrieben habe:


    Ja, natürlich bezieht sich hier das "demnach" grammatikalisch auf den "Index", aber es bezieht sich inhaltlich falsch darauf, denn aus dem reinen Namen des Index' folgt kein Also und kein Demnach, Folglich oder Somit. Was gemeint ist, ist ein "laut diesem Index gaben drei Viertel an" oder ein "danach gaben 3/4 an". Aber kein "demnach". Denn es gibt keinen Inhalt, auf den sich das "demnach" bezieht, sondern nur einen Titel. Den Index-Titel.


    Herzliche Grüße,


    Alexander

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)


  • Lieber Alexander,
    so weit sind wir schon zusammengekommen, dass wir übereinstimmen, dass "demnach" sich auf das Wort "Index" bezieht. Jetzt gehen wir einen Schritt weiter und fügen hinzu: Es bezieht sich nicht einfach auf das Wort, sondern auch auf den im Wort implizierten Gedankeninhalt oder kurz gesagt auf den Begriff "Index", der sich konkretisieren lässt: Dann würden wir wieder übereinstimmen.
    Viele Grüße
    Jürgen

  • An diesem Journalismus-Beispiel kann man wieder einmal sehen, wie "klug"unsere Sprache häufig ist: Da wendet ein Journalist die Hegelsche Logik an - ohne sie je studiert zu haben.