Deutschland im Herbst

  • Da siehst du, wie unterschiedlich die Menschen sind!


    Mich treibt die Frage um: wie erreiche ich die Menschen, die zwischen den Fronten stehen, und nach einer Position suchen? Da scheint es mir unumgänglich notwendig, einmal ihre Situation nachzuvollziehen. Zu überlegen, wie sie sich fühlen, warum sie eventuell Extremen zuneigen, was daran so anziehend ist. Wenn man jemanden erreichen will, muss man ihn dort abholen, wo ersteht, das ist eine Binsenweisheit.


    Dass ich den Menschen direkt helfe, die jetzt vor meiner eigenen Haustüre sitzen, ist wiederum für mich selbstverständlich.


    Ja klar, kein Widerspruch. Aber muss das zu einer Abwertung derjenigen führen, die andere Wege gehen? Du hast zwar den Inhalt gelobt, aber seine Wirksamkeit bezweifelt - sogar erheblich - was in meinen Augen eine Abwertung ist. Wenn etwas nicht wirkt, ist es nichts wert.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Ja klar, kein Widerspruch. Aber muss das zu einer Abwertung derjenigen führen, die andere Wege gehen?

    Es ist das Wesen einer Diskussion, dass unterschiedliche Aufassungen aufeinander treffen. Warum das eine Abwertung sein soll, verstehe ich nicht.


    Ich sage nicht, dass das die Kolumne an sich nichts wert ist. Ich behalte mir lediglich vor, in Teilen andere Schlussfolgerungen zu ziehen, als du.


    Wenn das in deinen Augen schon eine Abwertung ist: ja, dann werte ich die Kolumne ab. Es kann nicht angehen, dass ich deine Ansichten vollumfänglich teilen muss, nur damit sie nicht abgewertet wird.


    Wenn es nach meiner Ansicht gehen soll: Quatsch, ich werte gar nichts ab, ich setze mich mit einer komplexen Thematik auseinander. Das führt fast zwangsläufig zu verschiedenen Ansichten, und das ist auch gut so.


  • Wenn das in deinen Augen schon eine Abwertung ist: ja, dann werte ich die Kolumne ab. Es kann nicht angehen, dass ich deine Ansichten vollumfänglich teilen muss, nur damit sie nicht abgewertet wird.



    Steht ja da, was ich meine. Nach dem ersten Posting nachgetragen und deshalb von Dir nicht bemerkt.


    Selbstverständlich muss niemand meine Ansicht teilen, das habe ich nirgendwo verlangt. Aber wenn man seine Ansicht öffentlich äußert, dann muss man auch mit Widerspruch rechnen. Nichts anderes ist das bei mir. Allerdings, bei genauem nachdenken über das, was ich geschrieben habe - vermutlich habe ich etwas überzogen. Nein, du wertest nicht ab, was in der Kolumne steht, aber du bezweifelst die Nützlichkeit. Ich nicht. Dabei können wir es, glaube ich, belassen.

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    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Aber muss das zu einer Abwertung derjenigen führen, die andere Wege gehen? Du hast zwar den Inhalt gelobt, aber seine Wirksamkeit bezweifelt - sogar erheblich - was in meinen Augen eine Abwertung ist. Wenn etwas nicht wirkt, ist es nichts wert.


    Nein, diese fatalistische Haltung ist falsch! Alles was richtig ist kann gesagt und soll geschrieben werden. Das stärkt diejenigen, die auf dieser Linie denken und handeln. Das die "Angreifer der Zivilisation" nach der Lektüre solcher Texte plötzlich andersdenkende werden, ist ohnehin kaum anzunehmen.


    Nachtrag: Außerdem gibt es nicht nur zwei Fronten. Viele stehen dazwischen und suchen nach einer Position. Gerade denjenigern kann mit solchen Texten geholfen werden.

    Claudia hat weder Zaimoglu noch seinen Text "abgewertet". Aber selbst, wenn sie es getan hätte - na und? Wir werten hier andauernd Texte ab. Auch Du wertest Haltungen ab, wie man sieht, HD. Im Übrigen würde ich gern mal jemanden treffen, der zum Flüchtlingsthema noch nach einer Position sucht.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • …Claudia hat weder Zaimoglu noch seinen Text "abgewertet". Aber selbst, wenn sie es getan hätte - na und? Wir werten hier andauernd Texte ab. Auch Du wertest Haltungen ab, wie man sieht, HD. Im Übrigen würde ich gern mal jemanden treffen, der zum Flüchtlingsthema noch nach einer Position sucht.


    Das Alexander mit seinen Zitatcollagen auftaucht und den Ritter spielt war ja zu erwarten. Kommt aber reichlich spät. Siehe mein letztes Posting. Und wenn Du Deine Scheuklappen ablegen würdest, könntest Du noch zahlreiche Menschen finden, die ihre Position in dieser Frage nach nicht gefunden haben. Einfach dazu auf die Straße gehen reicht.

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    Emanuel von Bodmann


  • Das Alexander mit seinen Zitatcollagen auftaucht und den Ritter spielt war ja zu erwarten.

    Es tut mir leid, wenn Dich Zitate aus zwei verschieden Beiträgen verwirren, HD. Aber es ehrt mich natürlich, dass Du mich ritterlich findest, wenn ich einer relativ frischen Foristin beispringe.

    Kommt aber reichlich spät. Siehe mein letztes Posting.

    Unsere Beiträge erschienen zur selben Minute, 15.27 Uhr. Siehe beide Postings

    Und wenn Du Deine Scheuklappen ablegen würdest, könntest Du noch zahlreiche Menschen finden, die ihre Position in dieser Frage nach nicht gefunden haben. Einfach dazu auf die Straße gehen reicht.

    Da hast Du sicherlich recht, und ich habe meine Ruhe.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Zitat

    Nein, du wertest nicht ab, was in der Kolumne steht, aber du bezweifelst
    die Nützlichkeit. Ich nicht. Dabei können wir es, glaube ich, belassen.

    Ich denke auch, wir lassen das so stehen.


    Übrigens gefällt mir die Diskussionskultur in diesem Forum, man kann sich austauschen, ohne sich zu zerfleischen. Virtuell ist das keine Selbstverständlichkeit!


    (und jetzt hatte ich das letzte Wort, Ha! :D )

  • Passt sicher nur teilweise her, möchte das trotzdem erzählen:
    Ich war gestern auf einem hervorragenden Vortrag von Dr. Gudrun Brockhaus, Soziologin, Psychologin und Psychoanalytikerin, die sich wissenschaftlich intensiv mit den 20er Jahren und der Attraktion der NS-Bewegung befasst hat und nun auch zu Pegida usw. Stellung nimmt. Sie hat sich auch auf den Marienplatz in München mitten rein in die Pegidaveranstaltung gestellt und zieht sich die speziellen Foren und Kommentare rein, um das zu untersuchen.
    Mitnichten standen am Marienplatz nur Verlierer der Gesellschaft, sondern auch braungebrannte ältere Damen mit Louis Vuitton Taschen.


    Frau Brockhaus sieht in Hitler nicht jemanden, der die Massen verführt und manipuliert hat. Viele Menschen (sie belegt das aus sicheren Quellen) suchten seine Reden gezielt auf, um die ureigenen Gefühle dort wiederzufinden und sich einem aggressiven Rausch hinzugeben, den Hitler nur besonders gut zu inszenieren und zu pushen wusste. Es ging um die Abwehr von Ohnmacht, Beschämung und Niederlage und die Projektion eigener Schuld, Gier und eigenen Versagens auf andere und dann die Verfolgung dieser anderen. Ganz wichtig dabei war, sich selbst als Opfer zu stilisieren (Dolchstoßlegende, jüdisches Kapital usw.) und als umgeben und verfolgt von Feinden wahrzunehmen, was dann jede Brutalität und Aggression rechtfertigte und sogar als unbedingt notwendig darstellte. Das Wüten der SA und Verprügeln in Überzahl von völlig Wehrlosen usw. wurde dann schon als folgerichtig und ein "sich endlich wehren" empfunden.


    Da gibt es viele Parallelen zu Pegida. Sich als Opfer fühlen und dann den Rausch von Hass, Neid und Rache zelebrieren, jede Woche nehmen die Beleidigungen und die Brutalität der Äußerungen zu. Es gilt für die Umstehenden mittlerweile als gerechtfertigt, wenn ein Jounalist zu Boden geschubst und geschlagen wird. Man wehrt sich nur endlich! Gefühle eigenen Versagens, eigener Gier, auch von Ohnmacht und Scheitern werden abgewehrt in der Erkennung des Feindes und dem Hass auf ihn, die Moslems, die Lügenpresse, die Volksverräter (Merkel)... Brockhaus meinte auch, dass gerade im Osten u.a. Gefühle tiefer Enttäuschung zugrunde liegen, dass der neue demokratische Staat nicht ebenso fürsorglich ist wie der alte es trotz allen Unrechts und aller Einschränkung der Freiheit war. "Die kriegen alles und wir nichts."
    Brockhaus denkt, dass die Zeit des "diese Bürger mit ihren Ängsten ernst nehmen" nacheinander von fast allen Parteien die Bewegung gestärkt hat. "Wir sind das Volk" als Überzeugung, für die schweigende Mehrheit zu sprechen und Recht zu bekommen mit jeder aggressiven Polemik aus den etablierten Parteien und mit jeder Maßnahme, die zum Schutz vor den Flüchtlingen schließlich doch beschlossen wird. "Jetzt müssen sie doch auf uns hören, jetzt kommen sie an uns nicht mehr vorbei."
    Mittlerweile wird Pegida immer hermetischer. Es gibt eigene Foren der Information, wo sich an jedem Vorfall in einem Flüchtlingsheim und jedem Negativbericht aggressiv berauscht wird, und andere Informationsquellen werden schlicht nicht mehr genutzt. Man schaut keine Nachrichten mehr, liest keine Zeitungen, schweigt und meidet jeglichen Diskurs (bis auf die, die gewählt werden wollen, die Vertreter der AFD in den Talkshows). Ein Text in der Zeit oder eine Spiegelkolumne wird da tatsächlich nichts mehr ausrichten.


    Wie die erreichen, die noch dazwischen stehen? Mit Argumenten, mit Klugheit, mit Sprache, vielleicht sogar mit einem Stück Literatur.
    Ansonsten ist Literatur wenigstens ein Trost und eine Ermutigung, für mich jedenfalls. Den Herbst 2015 in Worte gefasst zu bekommen auf diese Weise ist ganz allein für sich wertvoll. Und dann denke ich, ja, zum Glück, auch Feridun Zaimoglu ist das Volk.


    Sorry für die Ausführlichkeit...


    [buch]3837510336[/buch]

  • [quote='Heike D.','index.php?page=Thread&postID=239222#post239222']…


    Sorry für die Ausführlichkeit...



    Ich finde deinen Beitrag gut, oder nein: sehr gut. Schön, dass du ihn gepostet hast. Nur der letzte Satz gefällt mir nicht. Oder wolltest du schreiben: Sorry, das ich nicht ausführlicher war? ;)

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    Emanuel von Bodmann


  • Danke für Deinen Bericht und den ganzen Beitrag, Heike. Ich finde, er passt sehr gut. Heute las ich im "Spiegel", dass laut Forsa mehr als drei Viertel der Deutschen befürworten, Pegida durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Das mag zum einen die Parole "Wir sind das Volk!" relativieren, zum anderen aber auch die Forderung, man müsse "die Menschen" "mit ihren Ängsten ernst nehmen und abholen", wobei jeder unterschiedliche Vorstellungen zu haben scheint, wie groß denn die Gruppe der Angst-, Wut- und Opferbürger sei.


    Des Weiteren steht heute im Spiegel eine Auflistung der Angriffe auf Flüchtlinge, Helfer, Journalisten und Polizisten seit Anfang Oktober. Solche Täter kann man nirgendwo abholen oder ernst nehmen, genauso wenig wie Menschen, die das beklatschen, auf der Straße oder im Netz.


    Es bleiben also die Angst-/Wut-/Opferbürger. Ich fürchte, die kann man nicht "zufriedenstellen". Wenn die keine Angst vor der Islamisierung des Abendlandes haben, dann suchen sie sich einen anderen Grund.


    Sascha Lobo klaut heute aus einem Witz die Pointe:

    Zitat

    "Es fing damit an, dass der andere zurückschlug!"

    Sehr interessante Analyse. Aber einen praktischen Rat hat er auch nicht, weil es ihn wohl nicht gibt. Jedenfalls stellt Lobo ebenso wie Frau Dr. Brockhaus darauf ab, dass sich Täter als Opfer aufführen, mit der Attitüde: "Wir wehren uns nur."

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)


  • Sorry für die Ausführlichkeit...

    Dazu besteht nicht der mindeste Grund, im Gegenteil: Danke für deinen Beitrag, liebe Heike.


    In der Tat ist eine saubere, wissenschaftlich fundierte Psychografie der Personen, die in steigender Zahl den Verlockungen eines Rückfalls in archaische, menschenunwürdige Verhaltensweisen erliegen, dringend angeraten. Es gibt derlei Untersuchungen ja durchaus zum Phänomen Hitler, aber auch zur Anziehungskraft kruder, realitätsferner oder gar völlig irrwitziger "Weltanschauungen".
    In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, zu welchen Erkenntnissen Frau Brockhaus kommt. Diese bestätigen allerdings meine schlimmsten Befürchtungen: Zu Rassismus, überhaupt zum Faschismus mit all seinen Auswüchsen muss niemand "verführt" werden. Er steckt tief drin in vielen, in allzu vielen, egal, wie sie sich nennen - anscheinend unausrottbar. Es bedarf allenfalls Katalysatoren, menschliche und gesellschaftspolitische, um diese unselige Haltung wieder ans Tageslicht zu holen, sie "endlich" wieder ungeschminkt artikulieren zu können. Dieser Punkt ist jetzt erreicht - und das ging, finde ich, atemberaubend schnell.


    Gerade fällt mir ein, dazu passt ein winziger Ausschnitt aus meinem neuen Roman, an dem ich gerade sitze:


    „Ihr Name mag Legion sein, aber sie sind allesamt dieselben“, stieß Schimmel düster hervor. „Kommen alle aus demselben widerlichen Sumpf. Wie immer sie sich nennen, was immer sie von sich behaupten: Sie sind alle nichts anderes als mehr oder weniger gut verkappte Faschisten, durch die Bank.“

  • Wunsiedel, der Ort im Fichtelgebirge, in dem Jean Paul geboren wurde. Und Rudolf Heß begraben. Das führte schon seit den 1990er Jahren immer zu jährlichen Aufmärschen am Todestag des Herrn Heß. Den Wunsiedlern war das nicht recht, doch verloren sie erste Klagen, die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof UND Bundesverfassungsgericht pro Aufmarsch entschieden wurden. Gegendemonstrationen richteten zunächst wenig aus. 2005 wurden die Aufmärsche dann endgültig verboten und dieses von den Gerichten inkl. Bundesverfassungsgericht bestätigt. Das Grab von Rudolf Heß ist seit 2011 aufgelöst, weil niemand mehr für die Pacht aufkommen wollte. Trauermärsche der rechten Szene fanden trotzdem statt. Im Jahr 2014 hatten die Wunsiedler einen glänzende Idee. Für jeden gelaufenen Meter der Trauermarschkandidaten wurden 10 euro an Exit gespendet, einer Organisation, die sich um Aussteiger aus der rechten Szene bemüht. Außerdem wurden am Ziel Siegerurkunden mit dem Hinweis auf Exit verteilt. 10.000 Euro kamen so zusammen. Ich weiß nicht, ob viele die Urkunde annahmen oder wenn, ob sie nicht gleich weggeschmissen wurde, aber wenn nur einer sie eingesteckt und die Hilfe von Exit gesucht hat, dann hat sich das schon gelohnt.



    Aktion in Wunsiedel


    Rechts gegen Rechts


    Ich weiß nicht was das letztendlich für einen Sinn haben soll, jeden auszugrenzen, der sich rechts bewegt. Nein, man muss das nicht unterstützen, nicht gutheißen, nicht tolerieren, was da geschieht. Und man muss auch die nicht hätscheln, die "nur" dabeistehen und klatschen. Aber das Gespräch darf man nicht verweigern und schon gar nicht die Hand, wenn jemand zum Ausstieg bereit ist. Solche gibt es, denn sonst hätte EXIT keinen Sinn und würde nicht gebraucht.

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    Emanuel von Bodmann


  • Lieber Horst-Dieter,
    ja, "Exit" und andere derartige Programme sind überaus wertvoll, ich fürchte aber, derzeit besteht unser eigentliches Problem nicht aus der Rettung Einzelner aus dem Sumpf, sondern im erschreckend schellen Anwachsen der Anzahl derer, die sich lustvoll in ihm suhlen.


    Nachtrag: Und genau das Entsetzen vor dieser Entwicklung drückt Feridun Zaimoglu in seiner Kolumne ja aus. Nur noch viel eindringlicher.

  • Danke euch!
    Noch eine Ergänzung dir, Horst-Dieter. Ich glaube, es braucht eine Mischung. Deutliche Abgrenzung und Ächtung bestimmter Aussagen und Verhaltensweisen, aber im Einzelfall auch immer wieder das Bemühen um Kontakt und Gespräch. Frau Dr. Brockhaus hat von der Arbeit mit Rechtsradikalen erzählt, wenn sie Eltern werden. Da gibt es verschiedene Ansätze mit besseren Erfolgen, weil dies eine Zeit ist, in der die Menschen weicher und erreichbarer sind. Ausstiegshilfen sind dann attraktiver und greifen öfter.
    Nur leider sprechen gerade viele Pigida-Anhänger eben mit niemandem mehr. Sie marschieren schweigend und werden zunehmend gewalttätig bei Fragen und Gesprächsangeboten. So schützen sie sich vor der Erkenntnis, vielleicht daneben zu liegen und sich schrecklich schämen zu müssen für manches, was sie gesagt und gutgeheißen haben. Es ist verzwickt. Wie soll jemand noch umkehren, der schon entgleist ist? Er muss ja Recht haben und behalten, um sein Gesicht nicht zu verlieren.
    Die Wunsiedeler Aktion war super.

  • ich bin ganz bei dir, claudia. papier ist geduldig. mich begeistert der text, inspiriert mich geradezu :like selber in die tasten zu hauen. der text macht laune :D
    als weckruf, als appell fürs mitgefühl oder als spiegel für die eigene böse fratze eignet sich der text nur, wenn man freude an solcher art texten hat, sonst verpuffen die worte oder machen vielleicht sogar aggressiv, sind also kontraproduktiv.
    was hilft ist begegnung, um den menschen ein gesicht zu geben und zu schauen, was tatsächlich los ist. konkretes beispiel: die hamburger obdachlosenzeitung hinz und kunzt hat ihre verkäufer an die hand genommen und eine riesige flüchtlingsunterkunft besucht. vorurteile und gerüchte a la denen wird alles aufm silbertablett serviert, waren schnell vom tisch :like

  • @Heike:
    Wen man nicht erreichen kann, dem kann man auch nicht die Hand reichen. Das wäre eine einseitige und verlorene Geschichte. Wer aber erkennbar unsicher in seiner Haltung wird, für den müssen Gesprächsangebote vorhanden sein. Der muss Hände sehen können, die bereit sind. Und damit das sichtbar wird, muss es solche Initiativen wie Exit u.a. geben.


    Wenn wir alles mal mit etwas Abstand betrachten, dann sieht es im Prinzip doch gar nicht so schlecht aus. Es gibt mehr Menschen, die sich der Haltung von Pegida und AfD entgegenstellen und es gibt unglaublich viele Menschen, die gerade jetzt zur Hilfe bereit sind dort, wo der Staat sie nicht leisten kann (oder nicht will). Wir haben bei diesem Zustrom an Flüchtlingen eine "kritische Situation", das darf man nicht verkennen. Dass trotzdem die Mehrheit noch "pro" eingestellt ist und sich dem Rückfall in den braunen Sumpf verweigert, ist eine, so meine ich, erfreuliche Sache. Das wäre in den 1950ern und 1960ern noch ganz anders verlaufen. Da gab es noch genug Täter, die versuchten, die Bundesrepublik im "alten Sinne" zu formen, was ihnen teilweise auch gelang, insebsondere in der Justiz und ind er Gesetzgebung. Wäre es da zu solchen Flüchtlingsströmen gekommen, hätte das sicher fatale Auswirkungen gehabt, zumal auch viele in der Bevölkerung nicht wahrhaben wollte, was in den Jahrzehnten zuvor von Deutschland aus angerichtet wurde.

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    Emanuel von Bodmann


  • Wir haben bei diesem Zustrom an Flüchtlingen eine "kritische Situation", das darf man nicht verkennen.


    hätte gar nicht erst dazu kommen dürfen, sprich, deutschland hat sich weggeduckt. sollen die doch zusehen in italien, wie sie klar kommen. totale fehleinschätzung der lage in tateinheit mit ignoranz und egoismus.

  • Danke, HeikeD für diesen Text! Leider stimmt er nicht gerade optimistisch. Da Phänomen Hitler war von einer unfähigen und zerstrittenen Politik begleitet, und heute sieht es nicht viel besser aus.


    Es hat doch Gründe, weshalb die Wahlbeteiligungen ständig sinken, es hat Gründe, weshalb es so leicht ist, von Lügenpresse zu reden und seine Information aus youtube Videos zu ziehen.


    Ich hatte am Wochenende Gelegenheit, mit einer österreichischen Autorin zu reden. Sie machte mich darauf aufmerksam, dass in Ö noch kein Flüchtlingsheim gebrannt hat, dass es aber die FPÖ gibt, als Ventil für alle Unzufriedenen. Zudem ist dort rechtes Gedankengut weit weniger gesellschaftlich geächtet als hier.


    D.h. diejenigen, die lediglich murren und ihrem Unmut Ausdruck verleihen wollen, haben ein legitimes Ventil. Daran fehlt es hier. Es gibt Parteien, die sich um die politische Mitte streiten (SPD und CDU) und es gibt die AfD. Das ganze Spektrum dazwischen ist unbesetzt.


    Dazwischen gibt es eine schweigende Anzahl Unzufriedener. Wir müssen aufpassen, diese nicht zu verlieren. Diesen Artikel fand ich in dem Zusammenhang interessant:


    http://www.nzz.ch/meinung/merkeldaemmerung-1.18639497

  • Zitat

    zumal auch viele in der Bevölkerung nicht wahrhaben wollte, was in den
    Jahrzehnten zuvor von Deutschland aus angerichtet wurde.

    Da stimme ich zu, dennoch eine Ergänzung aus der Sicht einer Großstädterin:


    Es gibt mittlerweile eine ganze Menge von integrierten Bürgern mit Migrationshintergrund. Dort sind solche Überlegungen völlig unbekannt. Wir haben auch Bürger unter uns, die Hitler und seine Methoden eigentlich ganz gut fanden (zB mit türkischen Wurzeln).


    Es gibt auch Bürger, die aus Ländern stammen, in denen sie mit Muslimen Tür an Tür wohnten (Serben, Montenegriner z B) Dort hat man für die deutsche Willkommenskultur oft Kopfschütteln übrig. Sie wird als naiv und hysterisch empfunden.


    Das sind oft Leute, die mit den Flüchtlingen Tür an Tür leben werden, im politischen Diskurs findet sich ihre Stimme nicht.


    Für allzuviel Optimismus sehe ich momentan wenig Anlass. Wir haben uns zu lange vor unangenehmen Themen gedrückt (soll es ein Einwanderungsgesetz geben, was sind die Werte, für die wir alle stehen) bzw. sie anderen überlassen (Flüchtlinge auf Lampedusa) und das fällt uns jetzt geballt auf die Füsse.