Das Literarische Quartett ist zurück ...

  • ... und es hat richtig Spaß gemacht. Kontrovers, ohne den Streit zum Selbstzweck zu machen, mit nachvollziehbaren Statements und interessanten Aussagen dazu, was Literatur ausmacht und soll - super! Die nächste Sendung ist am 6.11.

  • Es ist schon faszinierend, wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein können, liebe Christiane. Meine von dieser Sendung war eine gänzlich andere. Die war nämlich aus meiner Sicht komplett verunglückt. Mich hat gleich in den ersten fünf Minuten ein Unbehagen befallen, das mich 45 Minuten lang nicht mehr losgelassen hat.
    Was lief da bloß ab? Wurde man den Büchern - egal, ob es angeblich "gute" oder "schlechte" waren - hinlänglich gerecht? Ich fürchte, nein.
    Das Ganze war ein gekünstelt emotional aufgeladenes, aufgeregtes Herumgeschreie (offenbar der klägliche Versuch, die Leidenschaft eines MRR nachzuspielen, dem von der literarischen Klasse her jedoch keiner dort das Wasser hätte reichen können), ein permanentes Über-das-Maul-Fahren. Die beiden Männer, vor allem der unerträglich selbstverliebte Biller, ein Unsympath ersten Ranges, spielten sich unangenehm in den Vordergrund, unterbrachen die Frauen permanent - Machogehabe reinsten Wassers. Als Biller dann auch noch die Westermann als ziemlich beschränkt vorführte (was sie offenbar tatsächlich ist), wurde das Fremdschämen schwer zu ertragen. Aber auch die kluge, ruhige Julie Zeh ließen die Kerle nicht ausreden. Und die Damen ließen sich das gefallen! Ließen sich von bloßer rüpelhafter Lautstärke einschüchtern - und hörten eingeschüchtert auf zu reden. Unglaublich.
    Die Zeit von 45 Minuten ist sowieso für vier Bücher zu knapp, es hätte unbedingt eine Stunde sein müssen, aber für diese verunglückte Farce war schon eine Dreiviertelstunde quälend genug. Falsches Personal, ganz eindeutig. Übrigens meiner Meinung nach auch eine falsche Buchauswahl - intellektuell hochmütig getroffen, statt am Leseverlangen des Publikums orientiert. Aber das ist ein anderes Thema.

  • Ja, so verschieden sind die Wahrnehmungen.
    Christiane, mir hat es auch Spaß gemacht! Ich hoffe, die Westermann entwickelt sich noch, sie ist eigentlich schlagfertiger und war nur etwas überrumpelt von Selbstverliebt-in-Berlin-Biller, glaube ich. Und dass auch die beste in der Runde, Juli Zeh, niedergequatscht wurde, hat doch die Machos nur entlarvt. Sie hat sich trotzdem gut geschlagen und die Fahne der intelligenten Kritik hochgehalten. Also das Format war jedenfalls besser als alle Versuche in den letzten Jahren (von Druckfrisch abgesehen). Ich werde das anschauen. :pop2
    Auch wenn du in vielen Punkten recht hast, Didi, es sollte eine Stunde dauern, Männer sollten sich im Fernsehen ein bisschen zusammenreißen... Aber wenn man alles richtig macht, kommt nur eine stinklangweilige Soße dabei heraus.
    Und MRR ist niemals zu ersetzen, niemand wird an seine Auftritte im Literarischen Quartett herankommen. Aber er ist nun einmal nicht mehr unter uns. Schade!

  • Habs auch gesehen. Nun ja...es hat Spaß gemacht, einfach deshalb, weil ich Gespräche über Literatur nun einmal mag. Werde keine Folge verpassen wollen.
    Aber genau betrachtet:
    Weidmann ist (für mich jedenfalls) eine Augenweide, die sich noch nicht entschieden hat, ob sie nun Gastgeber oder Vermittler zwischen den Temperamenten wird.
    Christine Westermann liebe ich...als Journalistin und Moderatorin. Mag ihre ruhige, kühle Art...aber ob sie als Literaturkritikerin taugt...ich hätte lieber Juli Zeh ständig dabei. Sie hat mir sehr gut gefallen. Ihre sicheren Ausführungen, gepaart mit Witz und Unempfindlichkeit. Sowas ist da genau richtig.
    Biller gab sich alle Mühe, den Bad Guy zu spielen, wirkte dabei aber auf mich sogar sympathisch, weil er zu Selbstironie fähig scheint...im Gegensatz zu MRR.
    Wie schön im Abspann das Karasek-Zitat über die Selbstentlarvung von Kritikern. Bin und bleibe gespannt.

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt


  • Wenigstens im Fernsehen? Da, wo das aufgezeichnet und dann von allen gesehen wird, also da, wo man hinterher nicht sagen kann: DAS WAR ALLES GANZ ANDERS?


    Zum Beispiel so

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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Mir hat Didi aus der Seele gesprochen! Diese Neuauflage des Literarischen Quartetts war nach meinem Empfinden ein Fehlstart. Gerne will ich dem Quartett eine weitere Chance einräumen. Über Herrn Biller wurde ja bereits alles gesagt - ein unerträglicher Selbstdarsteller.

  • Ich hab mir das gestern auch angeschaut. Zum einen ist mir aufgefallen: Es wurden ein nigerianischer, ein bulgarischer, ein ungarischer und ein norwegischer Autor vorgestellt. Schön, dass so eine Sendung viel für die deutschen Autoren tut. ?!?
    Mich persönlich hat kein einziges der Bücher interessiert (vielleicht bin ich die falsche Zielgruppe).
    Volker Weidermann kam sympathisch rüber (die SZ nannte ihn den aktuell mächtigsten Mann der deutschen Literaturszene), Christine Westermann mochte ich als "Zimmer frei"-Fan schon immer. Gern hätte ich mehr von Julie Zeh gehört. Aber wie Didi schon sagte: Da war ein anderer vor. Grundsätzlich habe ich ein Problem mit Menschen wie Maxim Biller. Der Typ machte mich mit seiner Großkotzerei einfach aggressiv. Ich finde ihn nicht mal unterhaltend, sondern nur herablassend. Irgendjemand meinte, er besitze Selbstironie. Hä?
    Hatte das "alte" literarische Quartett nicht 60 Minuten? In 45 Minuten mit An- und Absage bleiben pro Buch maximal zehn Minuten. Zu wenig. Ich finde, da ist noch viel Luft nach oben.

  • Ich war positiv überrascht. Nichts ist schlimmer als langatmig lethargisches Gesülze über Literatur. Und Harmoniebedürftigkeit kann jeder in seinen eigenen vier Wänden nach Belieben ausleben, aber sie hat in solch einer Runde nichts verloren. Da muss Reibung drin sein, da muss sich gestoßen werden. Und hola MMR war auch zu Lebzeiten mitnichten ein Engel, der hat auch gepoltert und die Diskutanten unterbrochen oder gar nicht erst zu Wort kommen lassen, war ungerecht, war undifferenziert. Zugegeben, Biller fehlt noch ein klein wenig Feinjustage, aber er ist auf einem guten Weg, bringt Schwung rein, provoziert, ist leidenschaftlich... zum Glück ist er dabei, einen lahmen Konsenshaufen in einer Werbeveranstaltung will ich jedenfalls nicht sehen.
    Dass nun die ganzen alten Säcke mit ihrem "früher, als es noch die Mauer gab, war alles besser" aus ihren Löchern kommen, war abzusehen.
    Erst war ich von der Westermann begeistert, ich finde nämlich sehr wohl, dass ein Übersetzer ein Werk vernichten kann und ihre Beispiele waren überzeugend. Dann hat sie sich aber mit ihrem Lieblingssatz meilenweit ins Aus geschossen. Und ihr Buchvorschlag hat mein Urteil noch gefestigt (aber schön vorgebracht das mit dem Teegesaufe). Dass Julie ihren Freund bespricht, hatte ich schon geahnt bei ihrem Hintergrund. Mutig mutig, aber vermutlich nicht besonders verkaufsfördernd. Klug hat sie argumentiert und ihre Meinung vertreten. Besondere Zustimmung zu ihrer Revolte, als Quatschkopp Weidmann meinte, dass die Authentizität das Buch besser gemacht habe. Der Buchvorschlag von ihm macht mich schon länger neugierig (hat diese Serie hier schon einer gelesen?), habe letztens eine Rezi gelesen, die in die gleiche Richtung stieß. Scheinbar sehr polarisierend. Und die "Abstimmung" am Ende, geschenkt. Also ich bin auf jeden Fall das nächste Mal auch wieder dabei.

  • Ich werde es mir auf keinen Fall ansehen. Zwar mag ich Gespräche, die den Konflikt nicht scheuen. Aber bei Biller konnte ich nur Rechthaberei erkennen und das ist ermüdend.


    Ich nehme ihm seine Literaturbegeisterung nicht ab, im Gegensatz zu MRR. Biller erscheint mir nur von einem begeistert, und das ist er selbst.


    Schade, dass die Damen in der Runde sich das Gehabe gefallen liesen. Juli Zehs Argumente, warum sie den afrikanischen Roman nicht mochte, hätte ich sehr gern gehört.

  • @ Nifl:
    Keiner möchte eine Sendung mit "langatmigem, lethargischen Gesülze", gewiss nicht. Literaturkritik lebt auch von der kontroversen Debatte. Aber die ist nur sinnvoll, wenn mit Kompetenz der Diskutanten verbunden. Dein Hinweis auf den oft polternden MRR ist ganz richtig, bloß waren diese Streits solche auf hohem Niveau. Das war in dieser Sendung kaum ja der Fall. Es war ein peinliches Aufblähen von Selbstdarstellern, vor allem des Herr Biller, die komplett zu Lasten der beiden Damen ging, sowohl der recht einschichtig argumentierenden Frau Westermann, als auch der klugen und kenntnisreichen Frau Zeh. Beide wurden zudem von den Männern regelrecht niedergeschrien, konnten kaum einen Gedanken zu Ende ausformulieren und begründen.


    Wenn du an derlei Klamauk Gefallen findest, mag dir das ja gern gefallen haben, es entsprach auch - allein schon durch die Besprechung ausschließlich nichtdeutscher Autoren, die Wahl des Personals und die Verkürzung der Sendezeit auf 45 Minuten dem heutigen Geschmack des TV-Publikums. ("Machen wir´s seicht - im Seichten kann man nicht ertrinken" - Helmut Thoma). Und dein Hinweis auf "alte Säcke", die fänden, früher "als es die Mauer gab", sei alles besser gewesen, ist albern. Lies mal, was Sophie Weigand schreibt. Die Frau ist Mitte Zwanzig.

  • Hallo Didi,


    ich will Toten nicht übel nachreden, aber wenn du dir die alten Sendungen nochmal anschaust, wirst du auch viel Pauschales, Kategorisches und Selbstdarstellerisches (wer im Fernsehen kein Selbstdarsteller ist, ist fehl am Platz!) bei MRR sehen. Und längst nicht alles war auf dem viel gerühmten hohen Niveau. Aber er hatte und hat eben Ikonenstatus. Und ja, ich sage gar nicht, dass die Sendung und ihre Akteure nicht verbesserungsfähig sind. Ich hatte einige Male das Gefühl, die Kritiker hatten ihre Sätze im Vorfeld auswendig gelernt und wollten die nun unbedingt alle anbringen, ob nun zum Verlauf der Diskussion passend und oder nicht. Und ja, beim Biller hatte ich auch eins ums andere Mal gedacht, er hat gesagt bekommen, den Llambi vom Öffentlich-Rechtlichem zu verkörpern und auch die Sendung ein wenig in Richtung dieser Formate zu rücken, sowas muss natürlich schieflaufen.

  • Auch mir hat die Sendung gefallen. Feuilleton habe ich nicht erwartet, das lese ich auch lieber in meiner Zeitung. Dass in solchem Rahmen die Herren und Damen diskutieren wie die Florenzer Auto fahren, ist doch klar. Mindestens einmal hat Frau Westermann dem Herrn Biller das Wort abgeschnitten, das gehört zum Geschäft. Maxim Biller hat ganz klar seine Literaturauffassung vertreten (vgl. Unsere literarische Epoche: Ichzeit), daher kann ich nicht unterstreichen, dass er ein größerer Selbstdarsteller sei als die anderen.
    Viele Grüße
    Jürgen

  • So wie beim Eklat über Murakamis "Gefährliche Geliebte" ?

    ?( Ich hatte von dem Gespräch nur gehört und habe es mir eben zum ersten Mal auf YouTube angesehen. Ähm - ich will ja gar nicht bestreiten, dass Reich-Ranicki manchmal unsachlich war, aber ausgerechnet in dieser Szene ist das absolut gar nicht der Fall. Wenn in diesem Gespräch jemand niveaulos ist, dann Sigrid Löffler. Ich habe "Gefährliche Geliebte" vor Jahren gelesen, und was Frau Löffler da über den Nobelpreis-Träger in spe sagt, ist absurd, wie Karasek richtig anspricht. Das Dream-Team Löffler/Reich-Ranicki mit seinen Konfrontationen verhalf dem Literarischen Quartett ja auch zu einem Gutteil seiner Quote.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Seit drei Wochen läuft im Ersten eine Serie mit dem Titel "Die Kanzlei". Es handelt sich um die Fortsetzung der Serie "Der Dicke", einer Anwaltsserie mit dem leider verstorbenen Dieter Pfaff in der Hauptrolle. Ich habe mir nur die erste Folge des Spin-Offs angeschaut, weil es wirklich, wirklich sehr verunglückt ist - vor allem im Hinblick darauf, wie mit dem Weggang der tragenden Hauptfigur umgegangen wird. Da hilft nur abschalten. "Der Dicke" war nicht immer gelungen und oft sehr tränendrüsig-klischeehaft, hatte aber Dieter Pfaff. Die Fortsetzung hat: nichts.


    Und jetzt "Das literarische Quartett". Nur der Vollständigkeit halber - die Folge ist vorläufig noch online, nämlich hier: http://www.zdf.de/ZDFmediathek…che-Quartett-vom-02102015


    Vorweg: Juli Zeh stellt ausgerechnet einen Roman von Ilja Trojanow vor, der ein guter Freund von ihr ist und mit ihr zusammen schon Bücher verfasst hat, auch gute, zum Beispiel dieses:


    [buch]3423346027[/buch]


    Etwas mehr "Neutralität" würde ich mir da durchaus wünschen. Trojanows "Macht und Widerstand" befand sich auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2015 und hat deshalb schon mehr Aufmerksamkeit erhalten, als dieses Geschwurbel nach meinem ganz persönlichen Dafürhalten verdient (Kapitulation nach knapp 100 Seiten). Aber, nee, da wird die Position in der wiederbelebten Literatursendung auch noch benutzt, um Kumpels voranzubringen. ;)


    Davon abgesehen empfand ich Juli Zeh als Pluspunkt - sie ist eine kluge, eloquente, begründet selbstbewusste Person, war aber leider nur Gast. Sie hat eine Meinung und tritt dafür ein. Aber letztlich war diese Sendung nichts weiter als das Eintreten für irgendwelche Meinungen - okay, was auch sonst bei einer verdammten Literatursendung? ;) Was Frau Westermann in dieser Sendung zu suchen hatte, habe ich nicht recht verstanden, vor allem aber grundsätzlich nicht, warum man ein Konzept wiederzubeleben versucht (hat), das - wie "Der Dicke" - von bestimmten Figuren gelebt hat, die inzwischen leider tot sind. Maxim Biller, der wirklich nicht lustig ist, ist da kein adäquater Ersatz, wie auch Volker Weidermann, der ganz nett und reserviert rüberkommt, aber weder moderiert, noch anstachelt. Ein Konzept, wenn es um Literatur geht, hat - von Biller vielleicht abgesehen - nach meinem Dafürhalten keiner vorzuweisen.


    Und trotzdem fand ich's unterhaltsam. Es war keine gelungene Literatursendung, aber eine unterhaltsame TV-Show über Leute: Westermann, Biller, Weidermann und Zeh (die leider nicht zur Stammbesetzung gehört).