Verpisst Euch von meiner Seite, empathieloses Pack!

  • Er hat einen Spendenaufruf geteilt. Sachspenden für Flüchtlinge. Er hat einen Spendenaufruf geteilt. Sachspenden für Flüchtlinge. Er hat einen Spendenaufruf geteilt. Sachspenden für Flüchtlinge. Er hat einen Spendenaufruf geteilt. Sachspenden für Flüchtlinge. Er hat einen Spendenaufruf geteilt. Sachspenden für Flüchtlinge. Er hat einen Spendenaufruf geteilt. Sachspenden für Flüchtlinge. :bonk


    Ruhig Blut. Til Schweiger hat's getan. Auf seiner Facebook-Seite. Mit einem Artikel des Hamburger Abendblatts. Prompt folgt ein Shitstorm. Was Til Schweiger eine Stunde zu diesem Statement veranlasst: "Oh Mann - ich hab's befürchtet!! Ihr seid zum Kotzen! Wirklich! Verpisst Euch von meiner Seite, empathieloses Pack! Mir wird schlecht!!!" :dhoch


    Prompt folgt der nächste Shitstorm. Operiert wird u. a. gern mit dem Begriff "Gutmensch" als Vorwurf. Was anschaulich zeigt, in welchem Sinn dieser Begriff oft gebraucht wird. Ein "Gutmensch" ist jemand, der zu Sachspenden für Flüchtlinge aufruft. Von Leuten, die "keine Nazis sind, aber ...".


    Was sind das für Menschen? Soll man sich freuen, dass dieses Pack nicht gleichzeitig Asylantenheime anzündet, solange es shitstormt? Was folgt daraus?


    Ich will meinen alten Kaiser Willem wiederhaben! !;-)!!

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • :down
    traurig ist das.


    Gestern, auf dem Heimweg, kamen mir zwei offensichtlich bulgarische Mädchen mit einer Riesentasche voller Pfandflaschen entgegen, die sie vielleicht gesammelt haben. Hinter ihnen lief so eins von den Duisburger Paaren, die nach Zigarette und Alkohol gleich stark aussehen und riechen. Kommentar von ihm:
    "Kumma, die machen noch nich ma Platz, dat Rattenvolk."
    Wenn ich in der Flüchtlingsarbeit in der AWO nicht zehnfach so viele freundliche Helfer in den Sammelunterkünften treffen dürfte, würde ich schier verzweifeln.

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

  • Ich bin da so fassungslos und kriege selber solche Aggressionen, ich kann Til Schweigers emotionale Reaktion gut verstehen. Was soll man da noch irgendwen abholen und diskutieren? Ich mag ihn nicht besonders, aber er knickt da nicht ein, das ist sehr cool. Und Pack darf man auch Pack schimpfen, vor allem wenn es die eigene Facebookseite für seine Propaganda nutzt.
    Auch Stefanie, dein Erlebnis, das ist grauenhaft.
    Arbeitest du mit Flüchtlingen?
    Mein Sohn Sascha arbeitet zur Zeit in einer Flüchtlingsunterkunft in Wien zur Überbrückung bis zu seinem Masterstudiengang. Sein Fazit ist. "Ich habe in Europas unmenschliche Fratze geschaut und hoffe, dass ich das nie vergesse."

  • Meistens halte ich's Maul oder fliehe, wenn es sich anbietet, wenn bei familiären Zusammenkünften das Thema auf Flüchtlinge kommt ("die klauen doch alle wie die Raben") oder Schwiegermon... (sie selbst: Heimatvertriebene) nach einem Besuch in der 30.000-Seelen-Kreisstadt meint: "In Bad Kissingen hast du keine Ausländer gesehen." Ich weiß nie, was ich darauf sagen soll, fühle mich hilf- und sprachlos, wenn es heißt: "Den Juden gehört doch eh wieder alles", und das von Menschen, die alles haben in ihrer Dorfidylle, denen es an nichts fehlt. Wenn ich dann sage, vor allem hinsichtlich des Schicksals der Flüchtlinge, man solle sich mal in deren Lage versetzen, kommt irgendein Totschlagargument. Im Diskutieren mit verbohrten Ewiggestrigen bin ich einfach scheiße.
    Krassestes Beispiel (hier habe ich mein Maul nicht mehr gehalten) war der Ausraster einer Frau, die in einem der Grünwiesengeschäfte im Nachbarort arbeitet, wo seit Kurzem Flüchtlinge in einem ehemaligen Autobahnmotel untergebracht sind. Aus Langeweile streifen die Menschen durch die Läden und schauen sich die Waren an. Jene Frau kommentierte ihr Verhalten so: "Alles müssen sie angrapschen mit ihren schmierigen Fingern, diese Homolukken" und als ich sie danach fragte, was "Homolukken" seien, antwortete sie, das wisse sie nicht, aber sie nennen die Flüchtlinge so. "Du musst die ja nicht jeden Tag im Geschäft ertragen"', bekam ich weiter zu hören, als ich sie fragte, wie sich ihre Haltung, die jeden Respekt anderen Menschen gegenüber vermissen lasse, mit ihrer Tätigkeit als Kirchenvorstand vereinbaren lasse.
    So was macht mich stinkwütend und ich weiß nicht, wie ich gegen eine solche Haltung angehen kann.

  • Schlimm, Andrea! Da wird einfach nicht mehr nachgedacht, geschweige denn hingefühlt.
    Wenn du da anfängst zu diskutieren, stehste auf verlorenem Posten. Ich wurde wegen meiner Einstellungen zu solchen Themen in meiner Familie schon gefragt, ob ich in einer Sekte sei...HÄ? Bahnhof?


    Heike, schon hart, für so einen jungen Menschen, so tief in Abgründe schauen zu müssen...aber auch gut, vielleicht? Ich habe wegen solcher wachen jungen Leutz große Hoffnung! Meine große Tochter schaut auch derzeit ganz kritisch hin und ist oft entrüstet. Mara hilft - bis ihre weitere Schule anfängt - ehrenamtlich dort, wo ich zugange bin.
    Ich arbeite für die AWO, unter anderem, als Koordinatorin für Ehrenamtliche in einem Wohlfühlort für Kinder aus Flüchtlingsfamilien.
    Haben einen früheren Speisesaal in der ehemaligen Jugendherberge in Duisburg Wedau als Spiel- und Spaßoase eingerichtet und laden einmal täglich zu Spiel und Spaß ein. (Das gleichte Angebot haben wir auch in Rheinhausen ins Leben gerufen, aber da koordiniere ich nicht). Beide Angebote werden täglich von jeweils ca. 20 Kindern und Jugendlichen zwischen 2 und 19 Jahren gerne angenommen.


    Unsere Spiel- und Sprachpaten - so nennen wir unsre Ehrenamtlichen dort - würden am liebsten gleich die ganze Unterkunft noch mit verschönern und ihr Engagement reicht über das Angebot der AWO teilweise weit hinaus. Der Hausverwalter ist nämlich eben nur ein Verwalter. Zwar lieb, aber nicht sehr engagiert. Ein Kuriosum in Duisburg: wir beschränken uns hier in Flüchtlingsheimen auf Hausverwalter und Sicherheitsdienst. Weit und breit kein Sozialarbeiter. Da sind uns viele Städte weit voraus. Bochum z.B. mit der fest verankerten IfaK. Aber Duisburg...gnrrrzh!


    Eine unserer Patinnen hat für Anfang August mit einem Kindergarten schon ein Treffen ausgemacht, bei dem sich die Kinder begegnen können und gemeinsam Singen werden und für September planen wir gerade ein Sommerfest, zu dem die Anwohner eingeladen werden. Das alles ist noch viel zu wenig, aber diese Hilfsbereitschaft macht mir Mut und ich hoffe, dass es mehr von DIESEN Menschen gibt, als von stumpfen, dummen, verbitterten Mitläufern.

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

  • Was soll man da noch irgendwen abholen und diskutieren?

    Die Forderung, man müsse diese Leute irgendwo "abholen" und, schlimmer noch, man müsse sie "ernst nehmen", geht mir ebenfalls gewaltig auf den Zeiger. An die Orte, wo sie sich geistig befinden, begebe ich mich nicht, das ist unzumutbar. Also kann ich sie dort auch nicht abholen. Und seit wann ist es eine Bürgerpflicht, dumpfblöde Faschisten "ernst zu nehmen"? Man muss sie bloßstellen, wo immer möglich, sie in ihrer ganzen erbärmlichen Lächerlichkeit vorführen. Sie sind eine Gefahr, zweifellos, aber Angst ihnen gegenüber ist weder notwendig, noch ratsam. Ich für meinen Teil lasse diesen Leuten keine einzige rassistische, fremdenfeindliche oder anders faschistoide Äußerung unkommentiert durchgehen, auf die ich im täglichen Leben oder in den social media stoße. Ich weiß nicht, ob die wachsende Neigung dieser "Wutbürger" (oder wie sich die Nazis heute sonst so zu nennen belieben) zur lautstarken Artikulation damit eingedämmt werden kann, aber ich werde mein Maul nicht halten. Und das tut der Herr Schweiger auch nicht - und das ist gut so.
    Wir werden Ignoranz und Verblendung nicht aus der Welt schaffen können. Aber dazu schweigen? NIE!

  • Anja und ich arbeiten alle zwei Wochen in einem Nachtasyl für Roma-Bettlerinnen. Das ist oft frustrierend. Eine lautstarke Minderheit der Damen behandelt uns gern wie Kellner. Ich ärgere mich darüber jedes Mal. Die Mehrheit ist allerdings in Ordnung. Flüchtlinge oder Armuts-Migranten sind keine homogene Masse. Und auch Stinkstiefel sollten ein Dach über dem Kopf und etwas im Magen haben.


    Ich erinnere mich gerade an das Jahr 1992f. und die Stichwörter "Rostock-Lichtenhagen, Solingen, Mölln, Eberswalde" ... Da scheint sich seit einem halben Jahr eine Welle auszubreiten wie vor zwei Jahrzehnten, mit Taten, die sich gegenseitig verstärken. In der Nacht zum Sonntag haben sechs Jugendliche an einer Flüchtlingsunterkunft in Halberstadt Steine auf Mitarbeiter des Roten Kreuzes geworfen. Spiegel-Online dokumentiert seit Dezember 2014 elf Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

    Einmal editiert, zuletzt von Alexander R. () aus folgendem Grund: Jahrzehnte verrechnet

  • Dieser Satz "die klauen doch alle wie die Raben" wurde ausgelöst von einem Radiobericht über zwei brennende Flüchtlingsunterkünfte in Bayern :(


    Manchmal möchte ich mir Visitenkarten drucken lassen mit dem Satz: "Deine Haltung ist der Nährboden dafür, dass in unserem Land Flüchtlinge pauschal wie Kriminelle behandelt werden, die man nach Lust und Laune anzünden kann. Mit jemandem wie Dir werde ich den Tisch nicht mehr teilen, deshalb gehe ich jetzt."


    Stefanie, Alexander, Anja, Heikes Sohn :dhoch für euer Engagement.


    Und apropos Wutbürger, Didi, das Wort trifft auf mich zu. Ja, ich bin ein Bürger voller Wut. Mich macht das, was ich alltäglich so mitbekomme, dermaßen wütend, dass ich am liebsten Nazis anzünden würde ;) Aber dann wäre ich kein Stück besser als sie, und weil ich das weiß, lasse ich es.

  • In unseren Jugendsprachkursen, verehrte Anwesende,


    kann man Erfahrungen sammeln, die uns hier seit Jahren abgehen. Die syrischen Jugendlichen bedanken sich täglich beim Dozenten mit Handschlag. Solche Höflichkeit und Motivation haben wir schon lange nicht mehr erlebt, und wir können uns bei den Sprachkursen über mangelnde Motivation kaum beklagen. Wenn sich hier die "Auffanggesellschaft" ein Scheibchen abschneiden würde, wäre das schön.
    Interessant dagegen wäre ein Treffen dieser gut informierten Mitbürger ("Die legen sich doch alle nur bei uns in die soziale Hängematte") mit einem jungen Syrer, der auf Antrag mit seinem Bruder den Kurs besuchen darf, weil er bei einem Bombenangriff beide Beine und eine Hand verloren hat und allein noch nicht klarkommen kann.
    Schon das Wort "Gutmensch" als Schimpfwort zu gebrauchen, entlarvt unsere Gesellschaft, in der oft Skrupellosigkeit und Abzockerei mehr bewundert wird als solidarisches oder "menschliches" Handeln. Und mit dem Begriff "Wutbürger" kann man elegant jede Kritik ins Abseits stellen.
    Nee, läuft schon alles gut. Hauptsache, MEIN Kühlschrank ist voll und ich kann Wodka mit Blattgold saufen. :evil


    Herzlichst


    Wolf P.

  • Hallo Wolf,
    mich bewegt das sehr, was du schreibst. Mein Sohn hat auch einen Teenager gesehen, der sein T-Shirt beim Fußball ausgezogen hat, und er hatte den Rücken voller Folterspuren. Fast die Hälfte der Flüchtlinge in dieser Einrichtung bekommt angstlösende Psychopharmaka, was wenigstens etwas ist, weil sie sonst die Bedingungen in der Unterkunft und die Ungewissheit gar nicht aushalten würden.
    Aber auch diese Spaltung in gute und schlechte Flüchtlinge. Wen kann man gebrauchen und wer "missbraucht" das Asylrecht, wer soll möglichst schnell weg und wer soll uns möglichst schnell nützlich sein. Die CSU in Bayern tut sich da ja gerade mal wieder hervor. Und der Chef vom Bundesamt für Flüchtlinge und Abschiebung (hier bei mir in Nürnberg) hat keine andere Idee, den Leuten aus Osteuropa das Taschengeld komplett zu streichen.
    Ich habe Anfang der 90er Rostock Lichtenhagen und Mölln in den Medien erlebt, ich weiß noch genau, wie ich vor dem Fernseher saß, und dann die Reaktion der Politik darauf, nämlich Verschärfung des Asylrechtes. "Dem Mob recht geben!" hat das Constantin Wecker damals auf dem Konzert genannt. Ich glaube leider, dass bald wieder Menschen sterben werden und dass die Reaktion der Politik die gleiche sein wird.
    Ich weiß gar nicht, ob ich heulen oder kotzen soll.
    Ein österreichischer Aktivist für Flüchtlinge hat neulich auf die Frage geantwortet, wieviele Flüchtlinge denn um Gottes Willen Österreich aufnehmen kann: "So viele wie die Österreicher wollen."


    Und Didi, du hast absolut recht! Ich werde dann allerdings immer total nett und charmant. Neulich habe ich zu einem Taxifahrer gesagt: Da haben Sie aber eine sehr menschenfeindliche Einstellung, die sollten Sie nochmal überdenken. Sonst macht Sie das nicht so sympathisch, wissen Sie.

  • Und Didi, du hast absolut recht! Ich werde dann allerdings immer total nett und charmant. Neulich habe ich zu einem Taxifahrer gesagt: Da haben Sie aber eine sehr menschenfeindliche Einstellung, die sollten Sie nochmal überdenken. Sonst macht Sie das nicht so sympathisch, wissen Sie.


    :like Das ist wahrscheinlich die beste Art, denn Ausrasten ist immer schlecht und bringt meist gar nichts, wohingegen diese Reaktion vielleicht doch den einen oder anderen tatsächlich erreicht. Allerdings: Leicht getan ist es nicht, so "ruhig" zu bleiben!


  • :like Das ist wahrscheinlich die beste Art, denn Ausrasten ist immer schlecht und bringt meist gar nichts, wohingegen diese Reaktion vielleicht doch den einen oder anderen tatsächlich erreicht. Allerdings: Leicht getan ist es nicht, so "ruhig" zu bleiben!

    Ich bleibe gegenüber faschistoidem Geschwätz - wann, von wem und wo auch immer - niemals "nett und charmant". Dafür hat meine Familie zu viel gelitten unter den geistigen Ahnen des heutigen PEGIDA-Hasspöbels und seiner Spießgesellen. Mit "Ausrasten" hat das nichts zu tun. Man darf mir durchaus zutrauen, dass ich imstande bin, diese Leute verbal niederzumachen, ohne dass mir dabei Schaum vor den Mund tritt.

  • Aber auch diese Spaltung in gute und schlechte Flüchtlinge. Wen kann man gebrauchen und wer "missbraucht" das Asylrecht, wer soll möglichst schnell weg und wer soll uns möglichst schnell nützlich sein. Die CSU in Bayern tut sich da ja gerade mal wieder hervor.


    Flüchtlinge sind Flüchtlinge, und Einwanderer sind Einwanderer. Noch unter dem Eindruck des Satzes, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei, kam der Begriff „Zuwanderung“ auf. Er mag auch dafür verantwortlich sein, dass politische Verfolgung und Nützlichkeit für ein Land vermischt werden.


    Asyl genießt, wer politisch verfolgt ist. Das ist kein Gnadenakt, sondern ein Anspruch des politisch Verfolgten. Ein ordentliches Einwanderungsgesetz braucht Deutschland erst noch. Dabei sollte es sich nüchtern fragen, wer dem Land nützt.


    Weder Asylanten noch Einwanderer scheinen mir aber das wichtigste Problem zu sein. Deutschland braucht Einwanderung allein schon wegen der niedrigen Geburtenrate. Die Asylanten, über deren Verteilung die EU-Innenminister gestern in Brüssel verhandelten, machen 0,012 Prozent der EU-Bevölkerung aus. Das sind Peanuts.


    Entscheidend scheint mir die Gruppe der Armutsmigranten zu sein, die in keine der beiden anderen Gruppen fallen und von denen viele aus Afrika kommen. Eine „Festung Europa“ ist als Antwort darauf auf Dauer ebenso wenig realistisch wie die Vorstellung, Europa könne den Heimatländern zu Wohlstand verhelfen. Aber auch hier geht es, ähnlich wie beim Asyl und bei der Einwanderung, nicht um einen Gnadenakt. Es geht darum, die eigenen Interessen auf Dauer zu schützen.


    In einem mir wohlbekannten Buch zum „Limes“, das demnächst erscheint, findet sich folgende Parallele aus der Antike:


    „In diesem Sinne erscheinen 166 n. Chr. Abgesandte von zehn germanischen Stämmen in Carnuntum. Sie klagen dem Statthalter, die Winter würden immer kälter, die Ernten immer schlechter, und andere Stämme drängten von Norden in ihr Gebiet. Daher ersuchen die Gesandten den Kaiser in Rom, den Stämmen Aufnahme ins Imperium zu gewähren. Mark Aurel lehnt das Ersuchen ab. Rom sieht sich außerstande, ganze Völkerscharen zu integrieren. Diese Entscheidung bedeutet Krieg. Nun überqueren 6.000 langobardische Krieger die Donau und plündern die römischen Grenzstädte.“

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Schon das Wort "Gutmensch" als Schimpfwort zu gebrauchen, entlarvt unsere Gesellschaft, in der oft Skrupellosigkeit und Abzockerei mehr bewundert wird als solidarisches oder "menschliches" Handeln. Und mit dem Begriff "Wutbürger" kann man elegant jede Kritik ins Abseits stellen.

    wie wahr! :down Und, um auf Alexanders Eingangsposting zurückzukommen: Der gar nicht auf den Mund gefallene Schweiger sammelt bei mir gerade mächtig Anerkennungspunkte.


    Das alte Spiel, das wir immer schon gespielt haben: Gut gegen Böse. Verrückt zu sehen, wie sich unsere Welt ja eigentlich immer mehr differenziert. Man weiß schon so viel über die Dynamik menschennotwendiger Indentifikation, Abgrenzung, etc pp...alles was schon Buddha, Jesus, Gandhi, Mohamed und Co uns kleinen Erbsenköpfchen als Alternativvorschläge zum Familien-/Nachbarschafts-/Völker-Gemetzel unterbreitet haben, ist in seiner Wirkung inzwischen wissenschaftlich belegt. Und dennoch hauen wir uns immer noch die Köppe ein. :heul Ich geh wieder einmal "Stein und Flöte" lesen und versuche, mir - wie Pfeiffer - keine Angst machen zu lassen. Dann zettle ich einen großen Zug von gut menschelnden Närrinnen und Narren an, die durch die Straßen ziehen und gar keine Lust haben, sich von der Angst der Kleingeistigen anstecken zu lassen.


    Aber wo bleibt mein Mitgefühl auch mit denen?

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

  • Entscheidend scheint mir die Gruppe der Armutsmigranten zu sein, die in keine der beiden anderen Gruppen fallen und von denen viele aus Afrika kommen.

    Die Perversion der "Armutsmigration" aus Afrika ist ja, dass wir in vielen afrikanischen Ländern die Ökonomien zerschießen, die Rohstoffe klauen, das Land mit unserem Müll zuscheißen und uns dann wundern, dass die Menschen dort keine Existenzgrundlage mehr haben. Derzeit sind es vor allem die Chinesen, die Afrika ausquetschen. Aber es ist auch zu beachten, dass in vielen Ländern Afrikas Oppositionelle, Andersgläubige oder von Terror Verfolgte fliehen. Ich habe mit einigen meiner Schüler gesprochen, die übers Mittelmeer kamen. Das ist "Survival-Training" erster Güte.


    Ich wundere mich immer wieder, wie schnell sich Diskussionen wiederholen und wie wenig die Menschen lernen.


    Herzlichst


    Wolf P.

  • wie schnell sich Diskussionen wiederholen und wie wenig die Menschen lernen.


    Weil immer wieder diskutieren über die selben Sachverhalte und Weitermachen wie bisher einfacher ist, als wirklich etwas zu ändern? Oder nur den Willen dazu zu haben?

  • Die Perversion der "Armutsmigration" aus Afrika ist ja, dass wir in vielen afrikanischen Ländern die Ökonomien zerschießen, die Rohstoffe klauen, das Land mit unserem Müll zuscheißen und uns dann wundern, dass die Menschen dort keine Existenzgrundlage mehr haben.

    Die Analyse finde ich zutreffend, aber sie allein löst ja nicht das Problem der Menschen. Ein beachtlicher Teil der Staaten Afrikas wird von Despoten regiert, die sich einen Dreck um das Wohl ihres Volkes scheren. Es kämen auch dann Armutsmigranten in Massen über das Mittelmeer, wenn Europa jetzt und heute sein Verhalten gegenüber Afrika änderte.


    Die Frage ist doch ganz konkret: Was tun? Analyse ist schön und richtig, hilft den Menschen aber erst mal nicht weiter. Ich weiß keine griffige Antwort. Abschottung i. S. einer "Festung Europa" wird ebenso scheitern wie die Forderung, Europa müsse Afrika zu einem wohlhabenden Kontinent machen.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Auch was das Aylrecht betrifft: man zwingt Verfolgte, sich Schleusern anzuvertrauen, sich zu verschulden und ihr Leben zu riskieren, weil es keine legale Möglichkeit der Einreise gibt. Die Chefin von meinem Sohn hat gemeint, dass KEINE Frau NICHT auf der Flucht vergewaltigt wurde.
    Aber abgesehen vom Asylrecht, das viel zu eng gefasst ist (zum Beispiel wird in der Regel die geschlechtsspezifische Verfolgung ignoriert) :Vielleicht wären Arbeitsvisa eine Lösung, die man beantragen kann. Wie die Erntehelfer aus Polen. Ich glaube, etliche Afrikaner würden für ein paar Monate kommen, dann mit gutem Geld wieder nach Hause zu ihren Familien gehen und dann wieder kommen. Und wer das eine Weile macht, kann auch Einwanderung beantragen. Ich wäre für Einwanderung mit Punktesystem, bei dem aber eben nicht allein Nützlichkeit zählt. Sondern humanitäre Gründe, Armut, die Stellung der Frau, Bildungschancen usw. Wer mehr benachteiligt ist, bekommt mehr Punkte und eine Chance, legal einzuwandern, und dann umfangreiche Hilfen für Integration und Ausbildung.
    Wieso soll Deutschland aus der Welt Fachkräfte und gebildete junge Leute abziehen und die anderen, die vielleicht viel dringender eine Perspektive brauchen, zuhause lassen? Deutschland ist stinkreich!

  • Die Frage ist doch ganz konkret: Was tun? Analyse ist schön und richtig, hilft den Menschen aber erst mal nicht weiter. Ich weiß keine griffige Antwort. Abschottung i. S. einer "Festung Europa" wird ebenso scheitern wie die Forderung, Europa müsse Afrika zu einem wohlhabenden Kontinent machen.


    "Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier", schreibt man Ghandi zu, aber das trifft es m. E. sehr gut.
    Natürlich weiß ich auch nicht, wie Lösungen für die afrikanischen Länder aussehen können. Ideen im Kleinen schon, die gibt es auch ausreichend, z. B. die Initiative(n) von Wangari Maathai. Aber wichtig wäre eine internationale Abkehr vom ungebremsten Wachstumsdenken ("Wildes Wachstum heißt auch Krebs."). Das muss zwangsläufig im Kleinen anfangen, aber dann auch größer werden.


    Herzlichst


    Wolf P.