Veröffentlichungswege: Vor- und Nachteile, Chancen und Risiken, Erfahrungen

  • Angeregt durch die zweihundertzweiundvierzigste hitzige Diskussiondarüber, ob Selfpublishing besser oder schlechter als die "klassische" Verlagsveröffentlichung sei, bin ich auf die Idee gekommen, eine Übersicht der verfügbaren Veröffentlichungswege zu erstellen und diese jeweils unter bestimmten Gesichtspunkten zu bewerten, wobei persönliche oder indirekte Erfahrungen sowie eine möglichst zurückhaltend-objektive Betrachtung des Geschehens zum Tragen kommen sollten. Dabei ginge es darum, die Vor- und Nachteile, die Risiken und Chancen und die zu erwartenden sowie die unwahrscheinlichen (eher nicht zu erwartenden) Folgen einzuschätzen. Keinen Platz in dieser Übersicht sollten Pseudo-, Dienstleistungs- oder Druckkostenzuschussverlage haben, denn bei dieser Form der Veröffentlichung basiert das Geschäftsmodell darauf, dass Autoren sehr - zu - viel Geld für die Herstellung von Büchern bezahlen, die dann in aller Regel kaum jemand kauft. Die hier zu nennenden Firmen sind u.a. der "Novum Verlag" (Österreich), die "Frankfurter Verlagsgruppe" mit diversen Spin-Offs, die "Deutsche Literaturgesellschaft", der "Frieling-Verlag", um nur einige zu erwähnen. Wer sich über diesen Weg informieren will, sollte sich Rico Beutlichs Erfahrungen einverleiben.


    Die zu erwähnenden Veröffentlichungswege wären in einer ersten Übersicht nach meinem Dafürhalten die folgenden:


    a) Verlagsveröffentlichung


    (Die Grenzen zwischen den ersten drei Gruppen sind zuweilen fließend)


    - Kleinstverlage ("Few Men Shows") wie der Sieben-Verlag, der Informationslücke-Verlag Basel, Zoë Becks "culturbooks", Stories & Friends, aber auch Initiativverlage wie z.B. der Schreib-Lust-Verlag, der Verlag Torsten Low und vergleichbare
    - Unabhängige kleine Verlage wie der Gmeiner-Verlag, der Geest-Verlag, SuKulTuR und ähnliche
    - Größere und große unabhängige Verlage wie Aufbau, Wagenbach, marebuch, Roger & Bernhard
    - Große Publikumsverlage und deren Imprints - von KiWi über Diogenes, Hanser, Heyne, Lübbe, Piper usw. bis zu Rowohlt, Suhrkamp und ähnlichen


    b) Selbstveröffentlichung ("Selfpublishing")


    - BoD-Dienstleister wie BoD, lulu und ähnliche
    - Plattformübergreifende SP-Dienstleister wie epubli & Co.
    - Plattformbezogene SP-Wege wie ACS/KDP, Tolino-Selfpublishing und ähnliche
    - Medienbegrenzte, plattformübergreifende Dienstleister wie neobooks


    t.b.c.


    Ich eröffne diesen Thread gleich noch mit einem Beispiel als Diskussionsvorschlag (größere und große unabhängige Verlage). Die zu bewertenden/einzuschätzenden Kriterien wären (ergänzungsfähig) die folgenden:


    - Erreichbarkeit (Höhe der Einstiegsschwelle - wie leicht kommt man auf diesem Weg zur Veröffentlichung)
    - Reichweite/Marktabdeckung
    - Verdienstmöglichkeiten - je Buch und insgesamt
    - Reputationschancen
    - Geschwindigkeit (Intervall zwischen Anbahnung und Veröffentlichung)
    - "Künstlerische Freiheit"/Einflussnahme
    - Beteiligung am Produktionsprozess
    - Persönliche Anbindung/Umgang
    - Loyalität (wie lange bleibt man auf der Backlist, zweite Chancen u.ä.)
    - Marketing
    - Transparenz
    - Abdeckung der Publikationswege (Print, E-Book, Hörbücher usw.)
    - Lizenzvermarktung
    - Lektorat/Korrektorat
    - Qualität der Ausstattung (Cover, Satz, Klappe)


    Ich würde vorschlagen, jeweils zwischen 0 und fünf Sterne oder Punkte zu vergeben, ergänzt um Erläuterungen und Begründungen für die jeweilige Auf-/Abwertung. Für "null Punkte" könnte das Smiley mit dem gesenkten Daumen (bei der Nachrichtenerstellung unter "Zustimmung/Ablehnung") verwendet werden: :dhoch Für das Beispiel verwende ich fünf GIF-Dateien, die auf meinem privaten Server verfügbar sind, nämlich unter "http://www.tomliehr.de/images". Sie heißen "einstern.gif", "zweisterne.gif" usw. bis "fuenfsterne.gif". Einfach getippte Sternchen (*) tun's aber auch.

  • Lieber Tom,


    ich will Dir das Spiel ja nicht verderben - vielleicht mache ich sogar mit - aber mir scheint das ziemlich akademisch zu sein, zumal die freie Wahl der Veröffentlichungswege ja nicht besteht. Ich kann ja nicht sagen: So, mir gefällt Großverag am Besten, das mache ich morgen. Gelächter wäre da ja schon fast ein Erfolg, meistens erntet man nur schweigende Ignoranz.

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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Größere und große unabhängige Verlage


    - Erreichbarkeit
    - Reichweite/Marktabdeckung
    - Verdienstmöglichkeiten - je Buch und insgesamt
    - Reputationschancen
    - Geschwindigkeit (Intervall zwischen Anbahnung und Veröffentlichung)
    - "Künstlerische Freiheit"/Einflussnahme
    - Beteiligung am Produktionsprozess
    - Persönliche Anbindung/Umgang
    - Loyalität (wie lange bleibt man auf der Backlist, zweite Chancen u.ä.)
    - Marketing
    - Transparenz
    - Abdeckung der Publikationswege (Print, E-Book, Hörbücher usw.)
    - Lizenzvermarktung
    - Lektorat/Korrektorat
    - Qualität der Ausstattung (Cover, Satz, Klappe)


    Diese Verlage markieren in einem Profifußballvergleich die untere erste und obere zweite Liga (auch hier wieder: fließend). Die Programme weisen thematische und genrebezogene Schwerpunkte auf, sind aber in aller Regel gut gemischt; einige Häuser widmen sich grundsätzlich der anspruchsvolleren Unterhaltungsliteratur (z.B. Hanser). Die Erreichbarkeit ähnelt im Prinzip derjenigen bei großen Publikumsverlagen, liegt also nur unwesentlich höher - es ist schwer, reinzukommen (Fensterkreuz mal Pi: Eines von tausend Manuskripten wird genommen). Zugleich ist die Reichweite auch nur unwesentlich geringer. Die Berücksichtigung in der Presse ist zuweilen sogar höher als bei großen Publikumsverlagen, weil es in dieser Kategorie mehr Häuser mit anspruchsvolleren Programmen gibt, die aber in aller Regel auch mit Mainstreambelletristik unterfüttert sind. Der Umgang reicht von familiär bis freundlich-geschäftsmäßig; es ist jedoch davon auszugehen, dass im Haus jeder jeden Autor wenigstens dem Namen nach kennt. Die Marketingetats liegen üblicherweise spürbar unter denjenigen, die die großen Imprints zur Verfügung haben. Die Einbindung der Autoren in die Produktentwicklung ist meistens überdurchschnittlich hoch, was aber davon abhängen kann, mit wem im jeweiligen Haus man arbeitet. Bestseller aus solchen Häusern finden durchaus statt, wenn auch in wahrscheinlich geringerer Anzahl - aber das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Bei Hanser sind es mehr als z.B. bei Wagenbach, aber der Vergleich ist an und für sich schon unfair. Die Wahrnehmung nicht durch das Feuilleton, sondern auch z.B. durch Literaturpreisjurys ist hoch. Die Zusammenarbeit mit Literaturagenturen funktioniert meistens. Das Intervall zwischen Inverlagnahme und Publikation liegt im üblichen Bereich - ein Jahr plus/minus -, kann aber auch deutlich kürzer sein - man ist hier ein wenig flexibler. Tantiemen werden in marktüblicher Höhe gezahlt, die Vorschüsse sind überwiegend etwas geringer als bei großen Publikumsverlagen - die "Kriegskassen" sind weniger stark gefüllt. Das heißt nicht, dass es nicht auch hohe fünfstellige Garantien geben kann. Sie sind nur seltener. Die Bereitschaft, Autoren zweite und dritte Chancen einzuräumen, ist in aller Regel recht hoch - man will Autoren aufbauen. Deshalb sind die Midlists meistens auch gut bestückt und reichen zuweilen über mehrere Jahre zurück. Auch Lizenzverkäufe werden betreut und finden statt, wobei grundsätzlich gilt, dass man die Wahrnehmung von Filmrechten möglichst keinem Verlag einräumen, sondern durch eine Agentur betreuen lassen sollte. Verlage aus dieser Kategorie verbinden solide Entwicklungschancen mit überwiegend gutem menschlichen Kontakt. Man kann als Hausautor eines solchen Verlags über viele Jahre hinweg ein gutes Leben führen.

  • Hallo, Horst-Dieter.


    Dass man die freie Wahl häufig überhaupt nicht hat, steht außer Frage (siehe erstes Beispiel). Es geht darum, was geschehen wird, also zu erwarten ist, wenn man den fraglichen Weg gehen kann und geht. Und wenn das Experiment (also dieser Thread) scheitert - auch gut. Ich denke, einen Versuch ist's allemal wert.

  • Magic: Das ist schon das zweite Mal in wenigen Tagen, dass ich auf einen interessanten Artikel im Netz stoße, mich dann im Forum anmelde und sehe, dass dieses Thema gerade als Thread eingestellt wurde.


    Also - angeregt durch die Frage, welche Auswirkungen Self-Publishing auf Literatur hat, führte mich die einschlägige Suchmaschine zur Seite "literaturjournal.de" (mir bisher unbekannt). Und dort stehen zwei Gegenüberstellungen - Self-Publishing: Vor- und Nachteile und Veröffentlichung im Verlag: Vor- und Nachteile . Außerdem Das Hybrid-Modell: Der Verlagsautor als Self-Publisher .


    Ich hoffe, dass ich Toms Ansatz damit nicht torpediere, sondern unterstütze.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Hallo, Alexander.


    Das Angebot ist letztlich ein persönliches Blog; die von Dir verlinkten Texte enthalten zwar einige Fakten, scheinen mir aber insgesamt zielgerichtet zu sein. Wenn da beispielsweise erklärt wird, dass die "Prozente für die Autoren extrem niedrig" seien, dann fehlt erstens der Hinweis darauf, womit verglichen wird, und zweitens die Anmerkung, dass das häufig ganz simpel durch die Stückzahlen ausgeglichen wird. Wenn ich von einem verkauften Buch 70 Prozent erhalte, entspricht das 10 verkauften Büchern, von denen ich 7 Prozent bekomme.

  • Ich persönlich finde eine solche Zusammenschau der Publikationswege mit all ihren Vor- und Nachteilen in den jeweiligen Faktoren äußerst hilfreich, zumal mir darin komplett die Erfahrung fehlt. Veröffentlichungen in einem Heftromanverlag sind eine komplett andere Sache. Deshalb Tom: Bitte weiter sammeln und bewerten.

  • Kleinstverlage


    Zunächst einmal sagt die Größe des Unternehmens nicht allgemein/unbedingt etwas über die Qualität der Produkte aus. Es gibt Kleinstverlage, die sehr laienhaft agieren, und andere - beispielsweise Zoë Becks "culturbooks" -, die, verwendete Medien und publizierte Texte anbetreffend, hochprofessionell bestimmte Nischen bedienen oder zu popularisieren versuchen (culturbooks hat in dieser Aufzählung nicht nur deshalb eigentlich nichts zu suchen). Nach meinem persönlichen Dafürhalten gibt es in diesem Segment in etwa ebenso viele rührende Dilettanten wie abgebrühte Profis, mit einer leichten Tendenz zum überwiegenden Dilettantismus. Nicht selten sind die Verleger selbst Autoren, und zuweilen besteht ein Gutteil des Programms aus deren eigenen Texten. Kleinstverlage nutzen häufig On-Demand-Herstellungsverfahren oder beschränken sich auf bestimmte Medien (nur E-Books). Und auch die Personalunion - der Verleger ist zugleich Programmchef, Lektor, Vertreter, manchmal sogar auch noch Grafiker - ist eher die Regel als die Ausnahme.


    - Erreichbarkeit
    - Reichweite/Marktabdeckung
    - Verdienstmöglichkeiten - je Buch und insgesamt
    - Reputationschancen
    - Geschwindigkeit (Intervall zwischen Anbahnung und Veröffentlichung)
    - "Künstlerische Freiheit"/Einflussnahme
    - Beteiligung am Produktionsprozess
    - Persönliche Anbindung/Umgang
    - Loyalität (wie lange bleibt man auf der Backlist, zweite Chancen u.ä.)
    - Marketing (bei vielen aber auch: :drunter )
    - Transparenz
    - Abdeckung der Publikationswege (Print, E-Book, Hörbücher usw.)
    - Lizenzvermarktung :drunter
    - Lektorat/Korrektorat (Ausnahmen bestätigen die Regel)
    - Qualität der Ausstattung (Cover, Satz, Klappe) - hier ist alles möglich, von :drunter bis


    Kleinstverlage weisen, allgemein gesprochen und nicht in jedem Einzelfall gültig, überwiegend sehr geringe Reichweiten auf, was die Präsenz im Buchhandel anbetrifft. Einige sind regional - aus nachvollziehbaren Gründen - relativ gut vertreten, national jedoch überhaupt nicht - weil es keine Vertreter gibt und sich die Programme meistens gegen die der Konkurrenz nicht durchsetzen können (die Präsentationsflächen im Buchhandel sind begrenzt). Das wird auch an den Erstauflagenhöhen spürbar, die hier im Höchstfall niedrig vierstellig, nicht selten aber sogar deutlich niedriger sind - einige hundert Exemplare. Neben dem regionalen und kaum nennenswerten nationalen Buchhandelsvertrieb sind für Kleinstverlage die Online-Händler bedeutsam. Kleinstverlage arbeiten selten (eigentlich so gut wie nie) mit den Barsortimentern zusammen, liefern also direkt, ohne Zwischenhändler und per Post an die Buchhändler. Das Experiment ist hier oft die oberste Leitlinie, was inhaltlich und qualitativ gilt - Umsatz versucht man, überwiegend über den Umfang des Programms zu realisieren: Je mehr Einzeltitel es gibt, umso mehr Bücher werden insgesamt verkauft, aber im Einzelfall eben recht wenige. Bestseller sind hier in aller Regel nicht zu erwarten, Presse eher im regionalen Bereich, das Marketing ist überschaubar. Dafür ist die persönliche Bindung familiär und manchmal sogar noch intensiver. Bei guten Hausautoren ist die Gefahr allgegenwärtig, sie an größere Verlage zu verlieren. Die Vorschüsse sind, wenn überhaupt, gering, die Tantiemen marktüblich oder sogar etwas höher, durch die geringen Stückzahlen aber kaum nennenswert. Die Ausstattung der Bücher ist oft recht originell, manchmal sehr professionell, aber das Buch, dem man die Herkunft ansieht, dürfte der Normalfall sein. Da die Personalressourcen knapp sind und einzukaufende Drittleistungen teuer, versteht sich das quasi von selbst. Kleinstverlage sind sehr gut geeignet, um erste Erfahrungen auf dem Buchmarkt zu sammeln. Es gibt einige Beispiel von Kleinstverlagen, die mit ihren Autoren gewachsen sind. Akzeptierte Nominierungen etwa für den Deutschen Buchpreis aus Kleinstverlagen hat es meines Wissens bislang noch nie gegeben, aber ich lasse mich gerne korrigieren. Die Verdienstmöglichkeiten sind, wie angedeutet, äußerst bescheiden. Printtitel, die die 1.000-Exemplare-Latte reißen, sind (auf das Umfeld bezogen) schon Bestseller. Eine Literaturagentur benötigt man eigentlich nicht, wenn man mit einem Kleinstverlag arbeiten will - und die würde auch nur Pfennige an der Vertragsvermittlung verdienen.
    Diese Anmerkungen betreffen Kleinstverlage, die wie größere Belletristikverlage zu agieren versuchen. Es gibt viele Kleinstverlage, die enge Nischen sehr erfolgreich (auch wirtschaftlich erfolgreich) besetzen, wobei es überwiegend um bestimmte Genres und Subgenres geht.

  • Vielleicht zwischendrin einiges zu allgemeinen Unterschieden zwischen der Verlags- und Selbstveröffentlichung:


    Im Rahmen der Inverlagnahme wird ein Verlagsvertrag abgeschlossen, der zuweilen sehr originell, manchmal sehr kurz und hin und wieder verblüffend lang sein kann. Er regelt im Normalfall eben das Vertragsverhältnis zwischen dem Verlag und dem Autor, der damit, einfach gesagt, zum Freiberufler wird, wodurch es sich, wiederum einfach gesagt, um einen Vertrag unter Kaufleuten handelt. Hier gelten einige andere Bestimmungen als im Vertragsrecht, wenn es um Vereinbarungen (z.B. Kaufverträge) geht, die zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten geschlossen werden.


    Der Verlagsvertrag enthält Abgabefristen, einen projektierten Arbeitstitel (den der Verlag aber in aller Regel ändern darf, denn dies gehört zu seinem Arbeitsfeld - zum Leidwesen vieler Autoren), Platz im Programm, Format, Regelungen zu Garantiezahlungen, Tantiemen, Verramschungsfristen, Erscheinungsformen usw. usf. Ein Hauptbestandteil eines Verlagsvertrags ist die Abtretung der Verwertungsrechte an den Verlag (NICHT der Urheberrechte - die sind unveräußerlich). Die Verwertungsrechte werden für verschiedene Verwertungsformen vereinbart, also nicht nur für das gedruckte Buch, das E-Book, Hörfassungen, Adaptionen (Theater, Film, Hörspiel) und einige andere. Dass so genannte Nebenrechte - Film, Theater - vom Verlag wahrgenommen werden können, heißt übrigens nicht notwendigerweise, dass dies ohne spätere Honorierung erfolgt. Der Verlag hat das Recht auf Lizenzerteilung, und für die Lizenz fallen dann Gebühren und Tantiemen an - jedenfalls normalerweise. Viele "Experten" empfehlen, Filmrechte hierbei auszuklammern, und dem kann ich mich nur anschließen. Filmrechte vertritt viel besser eine entsprechende Agentur, wenn man denn überhaupt in einer Liga spielt, in der das relevant werden kann.
    Die Verwertungsrechte werden im Normalfall für einen konkreten Zeitraum abgetreten, so dass man in dieser Zeit nicht mehr über das Werk frei verfügen kann. Genau genommen dürfte man nicht einmal daraus vorlesen, aber so genau nimmt's glücklicherweise niemand, ganz im Gegenteil. Meistens beträgt dieser Zeitraum zehn Jahre, manchmal weniger, hin und wieder werden auch immer noch unbefristete Verträge abgeschlossen. Innerhalb der Verwertungsfrist kann man mit dem Werk nichts anstellen, das im Vertrag als Recht vereinbart wird, das durch den Verlag wahrgenommen wird. Auch über die vereinbarten Nebenrechte hat der Verlag Entscheidungshoheit. Der Vertrag und damit die Rechtewahrnehmung endet auf drei Arten: a) die Frist ist vorüber, b) der Titel wird nicht mehr nachgefragt und aus dem Sortiment genommen oder c) der Vertrag wird aufgehoben oder gekündigt. Die Aufhebung eines solchen Vertrags ist nur einvernehmlich möglich (beide Seiten sind einverstanden), die Kündigung durch den Autor eigentlich nur aus "wichtigem Grund". Ein wichtiger Grund wäre die eklatante Verletzung des Vertrags durch einen der Partner, also aus Autorensicht durch den Verlag. "Gefühlte Schlechtbehandlung" oder "unzureichendes Marketing" sind in aller Regel keine wichtigen Gründe. Solche wären beispielsweise trotz mehrfacher schriftlicher Anmahnung ausbleibende Tantiemenabrechnungen.
    Der Verlagsvertrag erlaubt es dem Verlag mitnichten, nach Lust und Laune mit dem Text selbst umzugehen. Das Urheberrecht steht über dem Verwertungsrecht. Wenn der Text geändert werden soll, kann das nur durch den Autor oder in Absprache mit dem Autor geschehen. Jeder Kürzung, Änderung oder gar Ergänzung muss der Autor zugestimmt haben. Bei Adaptionen verhält sich das ein bisschen anders, aber die sind noch seltener als Verlagsverträge. ;)


    Beim Selfpublishing wird - je nach Plattform oder Dienstleister - auch ein Vertrag geschlossen, manchmal durch simple (Online-)Bestätigung von Bedingungen. Auch hier ist zuweilen damit zu rechnen, dass man, obwohl man genau deshalb, um das nicht erleben zu müssen, diesen Weg gewählt hat, Verwertungsrechte abtritt. Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob es aktuell immer noch so ist, aber bei BoD/Norderstedt, einem der größten On-Demand-Portale, war es zumindest bis vor kurzer Zeit noch so, dass die Publikation dort für einige Jahre (drei, wenn ich mich recht erinnere) exklusiv war und die Neben-/Weiterverwertung als Print innerhalb dieses Zeitraums nur möglich war, wenn man sich aus den Vertrag wieder ausgekauft hat. Von solchen Situationen abgesehen ist es überwiegend so, dass die Autoren, wenn sie direkt mit den Veröffentlichungsplattformen (also KDP, Tolino Selfpublishing und ähnlichen) zusammenarbeiten, frei darüber entscheiden können, was mit ihren Titeln geschieht. Das gilt auch für die Inhalte. Da die Anbieter nicht als Verlage auftreten, ist man allerdings auch direkter Ansprechpartner bei Streitigkeiten, also Plagiatsvorwürfen, der unterstellten Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder gar behaupteter Volksverhetzung und ähnlichen Straftaten. Man tritt in aller Regel keine Verwertungsrechte ab, sondern nimmt sie selbst auf diesem Weg wahr. Deshalb ist man faktisch auch Verleger (also Publisher). Titel können weitgehend nach Belieben veröffentlicht oder wieder vom Markt genommen werden. Sogar die inhaltliche Veränderung bereits veröffentlichter Titel ist meistens möglich. Mit dem Abschluss der nötigen Vorarbeiten stehen die Bücher direkt für die Konsumenten zur Verfügung. Bei Printtiteln, die üblicherweise über On-Demand-Druck hergestellt werden, ist mit Lieferfristen zu rechnen. Es ist zu beachten, dass man die Buchpreisbindung einzuhalten hat. Wenn ein Titel auf mehreren Plattformen verfügbar ist, kann man den Preis auch nur für alle Plattformen zugleich ändern. Eine Ausnahme hiervon sind anbieterbezogene Geschenkaktionen oder Verleihsysteme.
    Etwas anders verhält es sich, wenn man mit Distributoren zusammenarbeitet, von epubli über Bookrix bis neobooks. Die Vertragsgestaltung dieser Firmen entzieht sich meiner Kenntnis, weshalb ich hier um fachliche Unterstützung bitte.


    Alles relativ grob gesagt, nur zur Verdeutlichung der Grundlagen.

  • Ergänzung: Bei Epubli schließt man auch als Selbstveröffentlicher einen Vertrag, der epubli Rechte gewährt, die sonst nur Verlage bekommen, obwohl epubli die Aufgaben eines Verlages nicht oder nur ansatzweise übernimmt. Selbst Lagerhaltung muss dort der SP bezahlen, andererseits aber die Verwertungsrechte komplett an epubli abtreten bis dahin, dass dieser sogar die Rechte an dritte weitergeben kann ohne dass dem Autor Mitspracherecht gegeben ist. Für ernsthaft an Selfpublishing interessierte Autoren ist epubli derzeit keine Option.

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    Emanuel von Bodmann


  • Danke. Und eine Ergänzung zu BoD: BoD tritt als (eine Art) Verlag - seit einer Weile auch für E-Books - auf, die Vertragsbindung beträgt ein Jahr (oder fängt bei einem Jahr an), die Einstiegsgebühr beginnt bei knapp 20 €. Ansonsten haben die Vereinbarungen, die man durch Online-Abnicken mit den Distributoren bzw. den Systemen direkt abschließt, in aller Regel wenig mit Verlagsverträgen gemein. Man nimmt eine - im günstigsten Fall kostenfreie - Dienstleistung wahr.

  • Ich kann Tom in den meisten Punkten zustimmen. Vom Kleinverlag bin ich wegen des mangelnden Marketings weg sowie der Tatsache, dass ich auf diese Weise nicht in die Buchläden komme.
    Beim Großverlag hat mich die Distanz des Marketings zur Zielgruppe überrascht sowie die Tatsache, dass Sehgewohnheiten im Markt nicht immer beachtet werden, was mir ein Cover from Hell eingebrockt hat. Während der Kleinverlag in seinem Rahmen sehr viel für mich als Autor getan hat, hatte ich beim Großverlag eher den Eindruck, dass ich mit meinen Anregungen und Ideen störe. Bis auf ein paar Pannen beim Kleinverlag habe ich mich hier sehr gut betreut gefühlt.
    Kleinverlage haben eine schnellere Reaktionszeit, dafür steht hinter dem Publikumsverlag eine größere Power. Hier gibt es einen Außendienst, Lizenzvermarktung und eine Presseabteilung. Brauche ich Rezensions- oder Leserundenexemplare genügt ein Anruf, und die Bücher sind innerhalb von 24 Stunden auf dem Weg. Beim Kleinverlag bekomme ich zwar auch Rezensionsexemplare für Blogger & Co. aber nicht in diesem Maße.
    Die Verdienstmöglichkeit hat Tom beim Kleinverlag mit einem Stern bewertet. Das entspricht nicht meiner Erfahrung. Hier würde ich 2,5 mit Tendenz zur 3 angeben. Verkaufst du viel, verdienst du gut.
    Was mir in der Liste fehlt ist Service. Beim Großverlag bin ich an ein Autorenportal angebunden mit Zugang zu Zahlen & Fakten, sowie der Möglichkeit Copyrightverletzungen sofort zu melden bzw. Kontakt zu verschiedenen Abteilungen aufzunehmen.


    Letzten Herbst habe ich meinen ersten Selfpublisher-Roman rausgebracht, der für mich ein finanzieller Überraschungserfolg war. Ein Grund für die guten Abverkäufe war sicherlich der Fakt, dass ich bereits über eine Fanbase verfüge, und mit Bloggern, Lesern und Rezensenten seit Jahren ein reger Austausch stattfindet.
    Das Schöne am Selfpublishing ist für mich, dass ich die komplette Kontrolle über Text und Cover habe. Aber es ist auch verdammt anstrengend und richtig, richtig zeitraubend.

    Im Moment plane ich weiter Dreigleisig zu fahren, also Klein- & Großverlag, sowie ab und zu ein Kindle eBook. Trotz der Anstrengung hat mir das Selfpublishing Spaß gemacht: Mein Text, mein Timing, mein Cover, meine Lektorin, mein Korrektorat und ein direkter Draht zu den Lesern.
    Interessant zu diesem Thema könnte übrigens auch das hier sein: Klick !


    Hier meine Wertung:






  • Ich greife mir mal nur den ersten Punkt heraus:


    Größere und große unabhängige Verlage


    - Erreichbarkeit


    Wenn es sich nicht um eine öffentliche Person oder einen bereits etablierten Schriftsteller handelt, hat m.E. die Erreichbarkeit bei Großverlagen höchstens einen Stern verdient:



    - Erreichbarkeit Großverlage: * o o o o


    Autorin oder Autor dringen in den allerseltensten Fällen überhaupt bis zum ernsthaft prüfenden Verlag vor. Bereits im Vorfeld wird aussortiert und durchaus nicht nur auf Basis des Textes. Auch die Marktfähigkeit der Autorin oder des Autors wird geprüft. Wer schon zu alt ist, nicht gut genug aussieht etc. wird gar nicht erst erwogen. Man kauft lieber Lizenzen aus dem Ausland ein, als neue Autoren aufzubauen. Natürlich kommt das auch vor - deshalb ja einen Stern - aber es ist doch vergleichsweise selten.


    Kamelin gibt bei Kleinverlagen fünf Sterne an. Das halte ich für völlig überzogen. Es würde ja bedeuten: Jede/r der dort mit einem Manuskript vorstellig wird, bekommt es auch veröffentlicht. Diese Situation ist derzeit nur und ausschließlich beim Selfpublishing gegeben. Es geht auch völlig an der Kapazität der Kleinverlage vorbei. Die müssen ebenfalls auswählen, was sie veröffentlichen und Fehlentscheidungen im Programm haben bei ihnen viel schneller als bei Großverlagen, die eine gewisse finanzielle Reserve haben, das Aus zur Folge. Kleinverlage haben höchstens drei Sterne verdient:


    - Erreichbarkeit Kleinverlage: * * * o o


    Mittlere Verlage (zu denen ich z.B. Hanser zähler) können gut mit zwei Sternen versehen werden. Dort schaut man durchaus etwas genauer in die Runde als bie Großverlagen, allein die Kapazität beschränkt dann doch die Auswahl zumal auch dort die Markttauglichkeit der Autoren näher angeschaut wird, vielleicht nicht mit ganz so konsequenten Aussortierungskriterien wie bei Großverlagen.


    - Erreichbarkeit Mittlere Verlage: * * o o o


    - Erreichbarkeit Selfpublishing: * * * * *

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  • Hallo, Horst-Dieter.


    Zitat

    Wenn es sich nicht um eine öffentliche Person oder einen bereits etablierten Schriftsteller handelt, hat m.E. die Erreichbarkeit bei Großverlagen höchstens einen Stern verdient:


    Es ging um größere und große unabhängige Verlage, von Aufbau bis Wagenbach. Und die Bewertung war natürlich innerhalb des Systems gemeint - die schlechteste hätten demnach die ganz großen Häuser und ihre Imprints, während es bei den größeren, unabhängigen Verlagen ein ganz klein wenig besser aussieht. Um es realistisch zu bewerten und zu unterscheiden, müsste man mindestens tausend Sterne vergeben können, wobei die ganz großen Häuser dann einen hätten und die großen unabhängigen irgendwas zwischen drei und zehn.


    Insofern könnte man auch dahergehen und sagen: Größere, unabhängige Verlage - Erreichbarkeit , ganz große Häuser: :drunter . Faktisch kommt man fast nicht rein, jedenfalls als Debütant ohne Vorgeschichte oder prominenten Hintergrund.


    Aber die Bewertung der ganz großen Häuser fehlt ja vorläufig noch.


  • Aber die Bewertung der ganz großen Häuser fehlt ja vorläufig noch.


    Jetzt habe ich dich verstanden. Ja, da gibst du 2 Sterne zu recht! Allerdings würde ich Wagenbach eine Stufe tiefer setzen.

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  • Kamelin gibt bei Kleinverlagen fünf Sterne an. Das halte ich für völlig überzogen. Es würde ja bedeuten: Jede/r der dort mit einem Manuskript vorstellig wird, bekommt es auch veröffentlicht.

    Ich habe die Frage auf die interne Kommunikation bezogen. Bei meinem Kleinverlag bekomme ich meine Lektorin sofort an die Strippe. Bei meiner Lektorin im Großverlag erreiche ich immer nur die Mailbox. Dafür werde ich aber auch zurückgerufen. Irgendwann.

    Diese Situation ist derzeit nur und ausschließlich beim Selfpublishing gegeben. (…)
    - Erreichbarkeit Selfpublishing: * * * * *

    Die Erreichbarkeit von Amazon würde bei mir nur einen Stern bekommen. Als Autor hat man keinen festen Ansprechpartner, der Kontakt läuft ausschließlich via Mail. Man bekommt Textbaustein-Antworten, die nicht selten bis zu 48 Stunden in Anspruch nehmen.
    Derzeit ärgere ich mich über Creatspace schwarz, die meine Belegexemplare nicht liefern. Ich habe eine Mörderkohle für den Versand bezahlt, damit die Sachen innerhalb von 2 Wochen geliefert werden. Jetzt behauptet CS, ich hätte eine 6-wöchige Lieferzeit gewählt, und das, obwohl ich für eine schnellere Lieferung deutlich mehr bezahlt habe. Darüber ist mir aufgefallen, dass ich keine Rechnung bekommen habe, bloß eine Versandbestätigung.
    Ich will euch nicht mit Details langweilen, aber das geht jetzt seit Wochen hin- und her, mit Null Komma gar keinem Ergebnis.
    Und das Beste: Ohne festen Ansprechpartner fange ich jedes Mal wieder bei Null an. Wahrscheinlich ist ein Stern noch zu viel.

  • Große Publikumsverlage und -verlagshäuser und deren Imprints


    - Erreichbarkeit , zuweilen aber auch, ganz realistisch: :drunter
    - Reichweite/Marktabdeckung
    - Verdienstmöglichkeiten - je Buch und insgesamt bis
    - Reputationschancen
    - Geschwindigkeit (Intervall zwischen Anbahnung und Veröffentlichung) - manchmal auch schneller
    - "Künstlerische Freiheit"/Einflussnahme
    - Beteiligung am Produktionsprozess
    - Persönliche Anbindung/Umgang
    - Loyalität (wie lange bleibt man auf der Backlist, zweite Chancen u.ä.)
    - Marketing bis
    - Transparenz
    - Abdeckung der Publikationswege (Print, E-Book, Hörbücher usw.)
    - Lizenzvermarktung
    - Lektorat/Korrektorat
    - Qualität der Ausstattung (Cover, Satz, Klappe)


    Auch diese Aussagen lassen sich natürlich nicht wirklich generalisieren und unterliegen Schwankungen. Wer mit den ganz großen Häusern zusammenarbeitet, kann unglaublich persönlichen und freundlichen Kontakt erleben, nebst aktiver Einbindung in den gesamten Produktionsprozess, aber auch das exakte Gegenteil davon, also puren Pragmatismus, beschränkt auf eine professionelle Redaktionsphase. Grundsätzlich gilt jedoch meistens, dass das Selbstverständnis eines Verlags hier "gelebt" wird: Autoren liefern Manuskripte, Verlage machen daraus - im Idealfall erfolgreiche - Produkte. Die Parameter der Partnerschaft sind klar abgesteckt. Wer in der ersten Liga spielt, von dem wird herausragende Leistung erwartet (was, um Missverständnissen vorzubeugen, nicht notwendigerweise mit "literarischer Qualität" einhergehen muss). Umgekehrt sorgt der andere Partner dafür, dass die nötigen Schritte unternommen werden, um das zu unterstützen und auch zu erreichen.
    Bei den Imprints der großen Häuser, vor allem jenen, die noch halbwegs selbständig arbeiten, also insbesondere programmatisch und im Marketing unabhängig sind, mögen die Verhältnisse in einigen Fällen anders sein. Die Großverlage und Gruppen betreiben Marken und Einzelverlage, für die andere Parameter gelten. Es gibt auch kleinere, experimentierfreudige Imprints, oder Schwerpunktverlage.
    Das Debüt in solchen Häusern findet zwar statt, ist aber, im Verhältnis betrachtet, eine krasse Ausnahme. Bei keinem anderen Publikationsweg ist die Einstiegsschwelle so hoch. Das liegt zum einen daran, dass hier vollständig anders kalkuliert wird, was Startauflagen, aber auch Garantiezahlungen anbetrifft, und zum anderen natürlich am großen Interesse, das Autoren und Agenturen an genau diesen Häusern haben: Während der durchschnittliche Lektor eines größeren, unabhängigen Verlags mit drei- bis viertausend unverlangt eingesandten Manuskripten pro Jahr zu rechnen hat, dürfte es hier, anteilig umgelegt, um die drei- bis vierfache Menge gehen. Die "Big Names" kennt jeder Anfänger und Nachwuchsautor, während man nach anderen Angeboten und möglichen Partnern zuweilen erst forscht, wenn aus diesen Häusern alle Formablehnungen eingetrudelt sind.
    Die großen Häuser arbeiten in aller Regel äußerst strukturiert, um zu gewährleisten, dass die Verzahnung der vielen Abteilungen und Mitarbeiter funktioniert, denn der Ausstoß ist hoch, die Programme sind (oft: sehr) umfangreich. Es werden zwar hin und wieder auch "schnelle Titel" gemacht, aber im Normalfall orientieren sich alle Beteiligten, von der Ausstattung bis zu den Vertretern, an konkreten Zeitplänen. Deshalb kann es passieren, dass man im übernächsten Herbstprogramm landet, weil man alle Vorarbeiten für die Planung des übernächsten Frühjahrsprogramms um ein paar Tage verpasst hat.
    Es ist jedoch nicht so, dass der Vertrag mit einem großen Verlag einem Blankoscheck gleichkommt. Auch hier wird zwischen Spitzen-, Schwerpunkt- und den "anderen" Titeln - der so genannten Midlist - unterschieden, und während die Spitzentitel mit zuweilen hoch fünfstelligen Marketingetats ausgestattet werden, müssen Werke, die nicht in diese Kategorie fallen, mit bescheidener Werbung leben. Andererseits ist die Marktabdeckung grundsätzlich sehr hoch; aus diesen Programmen nehmen die Buchhändler überdurchschnittlich viele Titel ins Sortiment, platzieren sie prominent und befassen sich auch inhaltlich damit. Wer hier veröffentlicht wird, muss nicht die Buchhandlungen abklappern, um die eigene Präsenz zu überprüfen - sie wird in den meisten Fällen gegeben sein. Die Presse reagiert schwerpunktmäßig, und auch Nominierungen für Buchpreise dürften anders behandelt werden. Bei den Häusern oder Unterverlagen, die Mainstream-Unterhaltungsbelletristik bedienen, ist davon auszugehen, dass selbst Bahnhofs- und Flughafenbuchhandlungen ordentlich bestückt werden. Niemand verkauft mehr Bücher an Spontankäufer, und das ist die überwiegende Masse.
    Wer mit Startauflagen im höheren fünfstelligen Bereich kalkuliert, und einige dieser Häuser nehmen nur noch Titel in die Programme, bei denen das grundsätzlich möglich ist, schaut natürlich in anderer Weise auf die Verkaufszahlen. Selbstverständlich sind diese Zahlen für alle Verlage eminent wichtig, aber hier lautet die schlichte Erwartung meistens: Schnell und hoch. Zweite Chancen nach einem soliden Flop oder wenigstens Achtungserfolg - gute Presse o.ä. - sind absolut drin, sollten aber nicht unbedingt erwartet werden. Auch der langfristige Verbleib solcher Titel auf der Backlist, also dem lieferbaren Sortiment aus früheren Programmen, sollte man nicht unbedingt erwarten. Die sehr starke Präsenz im Buchhandel hält nur für wenige Wochen, vielleicht zwei, drei Monate an, und wenn die Titel nicht in dieser Zeit angezogen haben, befinden sie sich schon nahe am Misserfolg.
    Andererseits bewegen sich Bestseller aus solchen Häusern auch auf hohem Niveau. In die Spiegel-Bestsellerliste kann man mit etwas Glück "schon" mit ein paar wenigen tausend Verkäufen <hüstel> in einer Bemessungswoche einsteigen, aber hohe Plätze besetzen und in der Liste bleiben, dafür benötigt es etwas mehr. Das ist hier überdurchschnittlich häufig der Fall. Als Autor ist man einer unter vielen - zwischen Weltberühmtheiten und unermüdlichen Arbeitern, die äußerst erfolgreiche Unterhaltungsliteratur machen. Dass hierfür Professionalität und auch ein gewisses Selbstverständnis erwartet werden, liegt in der Natur der Sache. Relativ allgemein gesprochen gilt: Die Vorstellungen, was ein gutes/gut verkäufliches Buch ausmacht, sind hier sehr viel konkreter. Das heißt nicht, dass die originelle Geschichte mit dem negativen Protagonisten komplett umgeworfen wird, aber im Vorfeld (Vertragsanbahnung) sowie in der Redaktionsphase muss man damit rechnen, dass auch inhaltliche und dramaturgische Anforderungen formuliert werden, die nicht mit ein paar Streichungen oder Ergänzungen umzusetzen sind.
    Ergänzung: An einen Verlagsvertrag mit einem solchen Haus kommt man im Normalfall über Lizenzeinkäufe (Auslandstitel), als Prominenter im weitesten Sinn oder, was national die größte Teilmenge darstellen dürfte, als Autor, der in anderen Häusern bereits erfolgreich war. Die Zusammenarbeit mit seriösen Literaturagenturen wird nach meiner Erfahrung hier durchaus geschätzt, und einem guten Agenten mit guten Kontakten kann und wird es sogar gelingen, hier Debüts zu platzieren. Und auch das Initiativdebüt ist möglich, nur eben verhältnismäßig äußerst selten.

  • Hallo, Kamelin.


    Die von Dir genannten Aspekte betreffen weniger die von mir definierte "Erreichbarkeit" (wie leicht oder schwer ist es, auf diesem Weg zur Veröffentlichung zu kommen), als vielmehr die persönliche Anbindung, den Umgang und die Kontakte - das war ein anderer Punkt.

  • Kleine(re) unabhängige Verlage


    - Erreichbarkeit bis
    - Reichweite/Marktabdeckung
    - Verdienstmöglichkeiten - je Buch und insgesamt
    - Reputationschancen
    - Geschwindigkeit (Intervall zwischen Anbahnung und Veröffentlichung)
    - "Künstlerische Freiheit"/Einflussnahme
    - Beteiligung am Produktionsprozess
    - Persönliche Anbindung/Umgang
    - Loyalität (wie lange bleibt man auf der Backlist, zweite Chancen u.ä.)
    - Marketing
    - Transparenz
    - Abdeckung der Publikationswege (Print, E-Book, Hörbücher usw.)
    - Lizenzvermarktung
    - Lektorat/Korrektorat
    - Qualität der Ausstattung (Cover, Satz, Klappe)


    Auch hier gilt wieder: Allgemeine Anmerkungen gelten nicht in jedem speziellen Fall.
    Die kleine(re)n unabhängigen Verlage stellen häufig Programme her, die regionale Schwerpunkte mit potentiell allgemein interessanter Belletristik mischen. Sie sind das klassische Zuhause beispielsweise des Regionalkrimis und ähnlicher Subgenres. Diese Verlage sind meistens auch tatsächlich Körperschaften (agieren als Gesellschaften bürgerlichen Rechts, GmbHs oder ähnlich) und verfügen über mehrere vollbeschäftigte Mitarbeiter, die unterschiedliche Tätigkeitsbereiche abdecken. Es gibt Lektoren (in aller Regel ein bis drei), Programmkonferenzen, zuweilen sogar Buchhandelsvertreter. Man arbeitet mit Barsortimentern zusammen, ist also schnell im Buchhandel verfügbar. Die Buchhandelspräsenz ist regional meist stärker als national, aber national durchaus gegeben - allerdings mit vergleichsweise geringer Reichweite. Die qualitativen Ansprüche sind vergleichsweise hoch, die Ausstattung der Titel ist oft professionell und ambitioniert. Der Verkauf von Büchern über Online-Händler ist ziemlich relevant. Die Erstauflagenhöhen dürften sich überwiegend im niedrig vierstelligen Bereich bewegen, Garantiezahlungen fallen schmal aus, die Tantiemen sind branchenüblich oder leicht darüber. Die Betreuung der Autoren fällt oft intensiv aus, die Bindung ist stark und die Backlists werden gut gepflegt. Nachhaltigkeit ist wichtiger als Bestsellererwartung, die sich hier ohnehin selten erfüllt. Mainstreambelletristik aus solchen Häusern hat es auf dem Markt schwerer als aus größeren Verlagen. Da die Programme überschaubar und freie Plätze also auch hier rar sind, ist der Zugang nicht unbedingt sehr viel leichter als bei größeren Häusern, aber die Bereitschaft, sich neuen Autoren und Projekten zuzuwenden, ist allgemein hoch. Der Umgang ist oft familiär, die meisten Hausautoren dürften der Schriftstellerei im Zweitjob nachgehen, da die Verdienstmöglichkeiten überschaubar sind. Es handelt sich aber ohne Wenn und Aber um "richtige" Verlage, die oft aus Kleinstverlagen (One Man Shows) gewachsen sind. Es wird zumeist eine höhere Taktung als bei größeren und großen Verlagen (ein Buch alle anderthalb, zwei Jahre - bitte nicht schneller!) akzeptiert, so dass die geringeren Absatzzahlen hierdurch teilweise kompensiert werden können. Der Umstand, dass viele Autoren die Zusammenarbeit mit solchen Verlagen als Sprungbrett verstehen (was ein prinzipiell richtiger Gedanke ist), also jederzeit absprungbereit sind, gilt als Tatsache. Aber es gibt auch viele Beispiele für jahrelange Zusammenarbeit. Direkte, schnelle Wege gehören zum Selbstverständnis. Allerdings sind die finanziellen Polster und die entsprechenden Spielräume meistens tatsächlich gering. Vom Marketing sollte man nicht allzu viel erwarten; ein "Buch des Monats" bei Thalia werden solche Verlage nicht einkaufen. Mundpropaganda und Durchhaltevermögen zählen hier mehr.