Frauenquote?

  • vielleicht auch hilfreich, den zementierten tunnelblick zu weiten: http://www.welt.de/kultur/lite…in-aufschrei-faellig.html


    "Marlene Streeruwitz zählt mit ihrem Roman "Nachkommen" zu den wenigen weiblichen Namen der diesjährigen Longlist. Es bleibt zu hoffen, dass Streeruwitz' herrlich bissiger Blick auf den Literaturbetrieb es wenigstens auf die Shortlist schafft. Bis dahin könnte man die vielen Autorinnen lesen, die von der Jury ignoriert wurden – Stephanie Bart und Dorothee Elmiger, Swenja Leiber und Monika Maron, Nino Haratischwili und Judith Hermann und viele andere. Die diesjährige Longlist hätte sich nämlich problemlos nur mit Frauen bespielen lassen. Den männlichen #aufschrei, der dann gefolgt wäre, hätten wir gern gehört." :evil

  • Eine "Quote" ersetzt die eine (angenommene) Ungleichbehandlung durch eine andere (dann faktische). Während möglicherweise zuvor Männer bevorzugt wurden, obwohl es weibliche Bewerber mit ähnlichen Qualifikationen gab, werden mit Quote Frauen bevorzugt, weil sie Frauen sind. Das ist gesellschafts-, sozial- und kulturpolitisch kein sehr schöner Ansatz, und deshalb auch bestenfalls eine Krücke - eine, die offensichtlich nötig ist, weil es vielerorts noch gelebte Misogynie zu geben scheint, wobei sich mir die Frage stellt, ob hier nicht Ursache und Problem verwechselt werden. Vielleicht aber ändert schon die Gewissheit, dass es in bestimmten Bereichen - wenn auch durch eine Quote - nun endlich Karrierechancen in nennenswerter Anzahl gibt, auch die Umstände, die ursächlich dafür sind, dass bislang so wenige Frauen in diesen Positionen sitzen. So oder so, die Kausalitäten sind mit Sicherheit überaus komplex. Es darauf zu reduzieren, dass Männer immer automatisch irgendwie Clubs bilden oder dass es (zumeist ältere) Kerle gibt, die nach wie vor glauben, Frauen würden eher an den Herd gehören, vereinfacht die Sache und dann auch noch im Bereich der Lächerlichkeit. Umgekehrt ist "Quotenfrau" wahrscheinlich nicht unbedingt ein erstrebenswertes Karriereziel. Bleibt zu hoffen, dass die Krücke zu einer Normalität führt, die perspektivisch ohne diese Krücke auskommt. Und dass sich genug Frauen finden, die diese Jobs auch machen wollen.


    Eine relativ minder schlaue Schlussfolgerung aus all diesen Vorgängen scheint mir jedoch zu sein, nunmehr in sämtlichen Lebensbereichen die Geschlechter abzuzählen und ein Problem zu diagnostizieren, wenn das Verhältnis nicht in der Nähe von Fifty-Fifty ankommt. Nach meinen persönlichen (fraglos natürlich nicht evidenten) Erfahrungen, direkten wie indirekten, haben es Frauen ebenso schwer wie Männer, als Schriftsteller zu reüssieren. Zuweilen hat die Person, von der man annimmt, sie wäre Autor oder Autorin, nicht einmal das Geschlecht, das sich aus dem Namen ableitet. Bei der Inverlagnahme und bei vielen späteren "Bewertungen" scheint es mir absolut so zu sein, dass der Text die Hauptrolle spielt. Natürlich gibt es überall und immer Idioten (und Idiotinnen), aber es scheint mir vernünftiger zu sein, das Regiment der Idioten zu beenden, so es denn existiert, als Idioten dazu zu zwingen, sich anders (nicht jedoch notwendigerweise vernünftiger) zu verhalten. Davon abgesehen scheint es das "Problem" in der Realität, jedenfalls höher dotierte Literaturpreise betrachtend, überhaupt nicht zu geben. Selbst den Nobelpreis für Literatur haben in den letzten Jahren relativ häufig Frauen bekommen; den Deutschen Buchpreis sogar mehr Frauen als Männer. Wie sich die Jury der "Dudelsheimer Literaturborke" oder so verhält, ist mir schlicht schnuppe.


    Wer mit Quoten hantiert, therapiert Symptome, akute wie hypochondrische. Das ist ein falscher Ansatz. Er ist hinzunehmen, wenn das Problem eines ist - und sich vorläufig nicht anders bewältigen lässt. In allen anderen Fällen wäre Ursachenbekämpfung weitaus vernünftiger. Wenn es jedoch, wie hier, überhaupt kein Problem gibt, sollte man sich vielleicht ganz simpel mit einer anderen Frage beschäftigen.

  • Liebe Alexandra,


    jeder ignorierten Autorin lassen sich problemlos mehrere ignorierte Autoren beistellen. Reine Behauptungen helfen da nicht weiter, zumal die sich ja meistens wiederlegen lassen. Auf meine Jury-Beispiele bist du großzügig hinweggegangen, weil die ja schon deine vorherige Behauptung, Männer legen fest was Frauen lesen sollen, widerlegen. Die Verantwortlichkeiten in den Verlagen liegen auch nicht überwiegend bei Männern. Vermutlich sind da mehr Frauen an den »Schalthebeln der Macht« - zumindest was die Programmfestlegung anbelangt. Dann noch zu behaupten, der Literaturbetrieb sei männlich dominiert, OHNE etwas belegen zu wollen, belegt höchstens deinen eigenen Tunnelblick.


    Dass Frauen in der Gesellschaft ansonsten immer noch benachteiligt werden, bestätige ich gerne und wenn ich mich irgendwo dafür einsetzen kann, dass sich das ein ganz klitzekleines bisschen ändert, dann mache ich das sofort. Einstimmen in pauschale Behauptungen halte ich aber nicht für förderlich.


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Liebe Alexandra,


    es werden Jahr für Jahr tausende Autoren und Autorinnen ignoriert, die irgendwer gerne auf der Longlist gesehen hätte, aus welchen Gründen auch immer. Daraus eine Verschwörung der Verlage - die immerhin die Nominierungen vornehmen - abzuleiten, die aus bitte welchen Gründen lieber Männer auf der Longlist sehen (auf dass die Jury dann in sechs von zehn Fällen Frauen kürt), grenzt ans Absurde. Und Judith Hermanns Roman "Aller Liebe Anfang" beispielsweise ist ein langweiliger Ladenhüter.

  • das thema gleichberechtigung ist komplex als dass es mit zahlensalat geklärt werden könnte. ich kann es nicht beurteilen, weil ich keine top-karrierefrau bin, höre aber immer wieder, dass frauen oben an der dünnen luft nur dann überleben können, wenn sie die besseren männer sind, sich also männersystemkonform verhalten. das finde ich nachvllziehbar. ist aber wohl auch der grund, warum frauen sich nicht häufig genug für frauen bzw. für einen anderen umgang miteinander einsetzen. es fehlt z. b. das netzwerk. auch die sozialisation spielt eine rolle und die wahrnehmung von frauen, soll heißen, wer sich als frau durchsetzen kann, geht in der öffentlichen meinungsmache über leichen, während männern für das selbe verhalten der rote teppich ausgerollt wird.

  • Hallo, Alexandra.


    Zitat

    das thema gleichberechtigung ist komplex als dass es mit zahlensalat geklärt werden könnte.


    Eine fraglos richtige Feststellung, die jedoch ein wenig irritiert, da es in der akuten Frage ausschließlich um "Zahlensalat" zu gehen scheint, namentlich die Anzahl von Juroren/Nominierten/Preisträgern irgendwo - und deren Geschlechter. Was eine andere Ursache als fehlende Gleichberechtigung haben kann - und sehr wahrscheinlich auch hat. ;)


    Es ist scheiße, und zwar so richtig scheiße, was unsere Ahnen für einen Umgang der Geschlechter etabliert haben, und es ist eine Mehrgenerationenaufgabe, diesen Knoten wieder zu lösen. Wer dafür ein Beil verwendet, zerschlägt nicht nur den Knoten, sondern außerdem das ganze Seil.

  • Es geht hier nicht um eine "Frauenquote", sondern eine Werkquote, die nach dem Geschlecht der Urheber unterscheidet.


    "Frauenquote" im Arbeitsleben bedeutet: Um eine Stelle bewerben sich Frauen und Männer. Beide Geschlechter sind gleich gut oder schlecht in der Lage, die Aufgabe zu erfüllen. Daher soll das Geschlecht kein Kriterium für die Auswahl sein. Hier geht es um die Beurteilung von Menschen.


    Stellen wir uns einen Literaturpreis vor, bei dem die Quote fifty/fifty für Männer und Frauen gilt. Mit der Einreichung der Texte haben die Kandidaten die Aufgabe erfüllt. Es gilt nun, das Werk zu beurteilen und zu prämieren. Eine Werkquote für Frauen hätte zur Folge, dass die Texte mit dem Geschlecht der Autoren in Verbindung gebracht werden. Man fragt sich also nicht mehr: "Was halten wir für die besten Texte?" sondern "Was sind die (z. B.) 2 besten Texte von Männern und was die beiden besten von Frauen?" Und hinterher wäre Rede von Quoten-Preisträgern. Dabei geht es immer noch um Literatur.


    Eine Quote, die meint, Texte von Frauen schützen zu müssen, würdigt Frauen herab. Das haben sie nicht nötig. Oder, anders: Eine Frauenquote in der Literatur ist gequirlter Kuhmist.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Eine Seifenblasendiskussion.


    Sehe ich auch so.


    Eine Quote, die meint, Texte von Frauen schützen zu müssen, würdigt Frauen herab.


    Ich glaube ebenfalls, dass Frauen so schwach nicht sind. Im Gegenteil. Dadurch, dass man Quoten einführt, instruiert man sie doch nur weiter, es nicht allein hinzukriegen und auf politische Unterstützung angewiesen zu sein.
    Wie stark ist denn das?

  • Ich glaube ebenfalls, dass Frauen so schwach nicht sind. Im Gegenteil. Dadurch, dass man Quoten einführt, instruiert man sie doch nur weiter, es nicht allein hinzukriegen und auf politische Unterstützung angewiesen zu sein.
    Wie stark ist denn das?


    was frauen auf jedenfall von männern lernen können, mann fällt sich nicht gegenseitig in den rücken, schon gar nicht öffentlich.


  • was frauen auf jedenfall von männern lernen können, mann fällt sich nicht gegenseitig in den rücken, schon gar nicht öffentlich.


    Jedenfalls nicht so oft :D

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    Emanuel von Bodmann


  • das thema gleichberechtigung ist komplex als dass es mit zahlensalat geklärt werden könnte. ich kann es nicht beurteilen, weil ich keine top-karrierefrau bin, höre aber immer wieder, dass frauen oben an der dünnen luft nur dann überleben können, wenn sie die besseren männer sind, sich also männersystemkonform verhalten.


    "Sheryl Sandberg ist die Geschäftsführerin von Facebook und gilt als eine der mächtigsten Frauen der Welt. Sie hat einen Bestseller geschrieben: Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg. In dem Buch will sie Frauen dazu anleiten, eine Karriere wie ihre eigene zu starten. Ist Sandberg als Vorbild mit dafür verantwortlich, dass sich Frauen heute stärker selbst und untereinander kontrollieren?
    Ich glaube schon. Sie ist eine Vertreterin jenes Feminismus, der gegenwärtig am besten in der Mehrheitsgesellschaft ankommt: des neoliberalen. Die Schlagworte sind Leistung, Erfolg, Führungsanspruch. Dieser Feminismus vermittelt den Eindruck, dass jede Frau es schaffen kann, wenn sie nur will. Was dabei vergessen wird, ist jedoch, wie schwierig dieser Aufstieg für Frauen sein kann, die beispielsweise zu einer ethnischen Minderheit gehören. Sandberg argumentiert in ihrem Buch, dass Frauen lernen müssen, sich stärker reinzuknien, um ganz nach oben zu kommen. Und dabei betont sie immer wieder, wie wichtig es ist, als Frau zu lächeln. Der Weg, den sie beschreibt, folgt den Regeln der gegenwärtigen Geschäftswelt. Sie sagt nie, dass man diese Regeln, die von Männern gemacht wurden, hinterfragen sollte. Ihr Feminismus funktioniert innerhalb der Grenzen der männlichen Dominanz."


    das meinte ich mit dem, was ich oben schrieb. ist jetzt vielleicht deutlicher?


    hier das ganze interwiev: http://sz-magazin.sueddeutsche…eo-liberalen-Gesellschaft

  • Aber, Alexandra, ist das ein Argument? Gestern bei der Diskussion war es eines: über hundert Mal sei der Preis (also unser lokaler, immerhin 15000 Euro) verliehen worden, aber nur 11 mal (Zahlen habe ich nicht genau behalten) an Frauen. Ja, vielleicht waren nicht genügend Anwärterinnen da? Wir wissen doch, dass Frauen weniger schreiben, weil sie durch ihre sonstigen Pflichten weniger Zeit haben (ich habe z.B. nachts geschrieben, wenn die Kinder mal schliefen). Und auf Deubelkommraus eine zu finden, ist doch Krampf.


    sorry pearl, habe dein post bisher übersehen.


    ich sach mal, typisch frau, pearl ;) wir machen uns immer sorgen über alles mögliche, fragen uns löcher in den bauch, die wir mit frustessen wieder stopfen ;) sind empathisch bis der arzt kommen muss, und vergessen dabei uns selbst und unsere interessen zu vertreten. sollen doch - um bei deinem beispiel zu bleiben - bitte schön die herren der schöpfung beweisen, dass es nicht genug schriftstellerinnen gab. ich gehe davon aus, dass es genug gibt, die den preis verdienen. basta ")"

  • ich sach mal, typisch frau, pearl


    Typisch Frau: Zusammenrottung.


    wir machen uns immer sorgen über alles mögliche, fragen uns löcher in den bauch, die wir mit frustessen wieder stopfen


    Wenn ich mich so benommen habe, hat sich mein Vater immer so lange über mich lustig gemacht, bis ich damit aufgehört habe.


    sind empathisch bis der arzt kommen muss,


    "Empathie" ist das falsche Wort. Du meinst: "mitleidig", "fürsorglich", "bemutternd". Diese Auffassung vom Empathie hat sich dadurch in den Köpfen festgesetzt, dass Psychologen die wissenschaftlichen Texte zu dem Thema nicht richtig gelesen oder nur halb verstanden haben. Darüber habe ich letztens noch einen interessanten Artikel gelesen. Der Empathiebegriff in Deutschland gehört überholt.


  • "Empathie" ist das falsche Wort. Du meinst: "mitleidig", "fürsorglich", "bemutternd".


    fürsorglich und bemutternd sein, sind erstmal positive eigenschaften. es kommt aber auf die dosis an und auf die adressaten. und da denken wohl frauen eher, viel hilft viel. wobei sie gegen sich selbst keine gnade zulassen. nur die harten kommen in den garten.

  • Ich glaube nicht, dass es kein Problem gibt im Literaturbetrieb. Ich kann das nicht durch Zahlen untermauern, aber die Insel der Seligen (der Gleichberechtigung) wird auch das Geschäft mit dem Buch nicht sein. Sonst müsste man ja sofort die Mechanismen untersuchen! Dass da Frauen arbeiten ist überhaupt kein Argument. In der Pflege arbeiten fast nur Frauen, aber die Entscheider sind in der Regel Männer, also die Vorgesetzten, die die Controllingzahlen in der Hand halten. Auch in der Gebäudereinigung arbeiten hauptsächlich Frauen. Werden sie deshalb ihre Rechte besonders gut durchsetzen können?
    Und dass es um das Werk geht, ist auch kein Argument. Auch in Führungspositionen geht es um die Leistung, den Output. Angeblich, haha. (Ich kenne sehr viele schlaue Frauen, die sich diesen Wahnsinn gar nicht antun wollen, weil sie sich nicht nur über Leistung definieren.)
    Aber ich bin total gegen eine Quote in der Literatur und bei den Preisen. Ich bin für Diskussion und dafür, dass Frauen sich trauen, zickig zu sein in dieser Diskussion. Zickig heißt nämlich eigentlich aufgebracht oder wütend oder nicht einverstanden. So nennt man das, wenn Männer mit etwas unzufrieden sind.
    Ich wäre für einen eigenen Preis, vielleicht im Sinn eines Stipendiums, das begabte Frauen finanziell entlastet, um ihnen Freiraum fürs Schreiben zu geben. Damit könnte ich leben, und die Männer, die gut schreiben, bestimmt auch.

  • … Dass da Frauen arbeiten ist überhaupt kein Argument. In der Pflege arbeiten fast nur Frauen, aber die Entscheider sind in der Regel Männer, also die Vorgesetzten, die die Controllingzahlen in der Hand halten. …


    In den Verlagen sitzen aber an den Stellen, wo Programmentscheidungen getroffen werden viele Frauen. Das kann nicht mit Pflegepersonal und Putzkolonnen verglichen werden.


    Ich sage das nicht wertend, sondern stelle das nur fest. Das beruht auf subjektiver Beobachtung von mir, die ich aber erlaubterweise gegen die Behauptung - Männer entscheiden, was Frauen lesen sollen - setze.

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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann