Leonhard Frank: Die Jünger Jesu

  • Die Nachkriegszeit wird langsam interessant. Bücher über die 50er Jahre und das Wirtschaftswunder sind in ausreichender Zahl und allen Preisklassen zu haben. Krimis und Romane konzentrieren sich zwar noch auf die Zeit der beiden Kriege und das tausendjährige Reich, die Zeit der 1940er und 1950er Jahre taucht aber langsam unter Romanen, insbesondere Krimis auf. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass es bereits Literatur über diese Zeit gibt, nämlich von denjenigen Autoren, die diese Zeit hautnah erlebt haben. Einer von diesen ist Leonhard Frank, geboren in Würzburg, dort lange genug gehasst, weil seine Stadt nicht allzugut weg kam. Inzwischen gibt es dort eine Leonhard-Frank-Gesellschaft und in diesem Jahr die Aktion: »Würzburg liest ein Buch« mit einem Buch von Leonhard Frank.


    Im Würzburger Verlag Königshausen & Neumann erschien dieses Buch nun in einer erweiterten, preiswerten Neuauflage. Die Handlung ist schnell erzählt: Ein paar Jugendlichen beklauen die Reichen (meist um Sachwerte wie Kaffee oder Kleidung) und geben es an Bedürftige weiter. Wichtiger ist, dass Frank einer der wenigen Autoren ist, die den unterschwellig vorhandenen Neo-Nationalsozialismus aufzeigen. Das hat damals kaum ein Autor gewagt. Andere, wie beispielsweise Thomas Harlan, folgten damit erst in den späten 1950er Jahren. Franks Bücher sind keine schwere Lektüre. Trotz seiner Einstellung und seinen Absichten, die sich in seinen Romanen immer finden, schreibt er eingängig und oft genug auch spannend.


    Das Buch bekommt von mir eine unbedingte Leseempfehlung. Wer sich literarisch mit dieser Zeit auseinandersetzen möchte, findet damit jedenfalls einen besseren Einstieg als mit jedem Krimi.


    [buch]382605248X[/buch]

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Ich bin ja voll mit Zeitzeugenberichten. Über Übel- und Wohltäter in dieser Zeit gibt es auch in Duisburg Meiderich viel zu berichten...Gefühlte 1000 Seiten hab ich voll damit aus den diversen Biografien, die ich durch Theater und Kurse erzählt bekommen habe.
    Dennoch interessiert mich das Buch und danke für den Tipp.


    Eine Frage by the way hab ich noch:
    muss es in deiner Beschreibung nicht eher heißen, dass er das Thema des tatsächlich noch vorhandenen Nationalsozialismus (inform von Altnazis in hohen Funktionen der jungen Bundesrepublik) und dem immer noch Vorhandensein braunen Denkens in der Bevölkerung beleuchtete?
    Es war schrecklicherweise ja noch gar nicht ganz weg. Musste erst z.B. eine Beate Klarsfeld gegen Ende der Sechziger kommen, um sauber zu machen. Und es finden sich immer noch Krümel davon hier und da.
    Neo-Nationalsozialismus findet so betitelt bei den Nachgeborenen seinen Wirt...in den Siebzigern.
    Oder meinst du, er hat die Neo-Nazi-Bewegung quasi prophezeit?

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt


  • Eine Frage by the way hab ich noch:
    muss es in deiner Beschreibung nicht eher heißen, dass er das Thema des tatsächlich noch vorhandenen Nationalsozialismus (inform von Altnazis in hohen Funktionen der jungen Bundesrepublik) und dem immer noch Vorhandensein braunen Denkens in der Bevölkerung beleuchtete?
    Es war schrecklicherweise ja noch gar nicht ganz weg. Musste erst z.B. eine Beate Klarsfeld gegen Ende der Sechziger kommen, um sauber zu machen. Und es finden sich immer noch Krümel davon hier und da.
    Neo-Nationalsozialismus findet so betitelt bei den Nachgeborenen seinen Wirt...in den Siebzigern.
    Oder meinst du, er hat die Neo-Nazi-Bewegung quasi prophezeit?


    Ich habe tatsächlich überlegt, ob ich das so hinschreibe, mich dann aber für das "Neo" entschieden, weil es offiziell nicht mehr opportun war, Nationalsozialist zu sein. Im Gegenteil, man versuchte sich "Reinzuwaschen", selbst wenn man noch die alten Ansichten vertrat. Die besten Waschanlagen waren damals die Parteien, allen voran die FDP (kaum weniger allerdings auch CDU/CSU und SPD). Wer also unterschwellig noch nationalsozialistisches Gedankengut pflegte und verbreitete, alte Seilschaften stützte oder neu aufbaute, der ist für mich ab spätestens 1946 "Neo". Das ist etwas wackelig, das gebe ich zu, aber grenzt doch ein wenig ab von der Zeit vorher, in der das offiziell die Devise war. Frank war einer der wenigen, die recht früh dagegen anschrieben.

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    Emanuel von Bodmann


  • Kannste natürlich so machen, Horst-Dieter. Ich finde es macht einen Unterschied, ob noch Altnazis am Werke sind oder neue, die das dritte Reich gar nicht miterlebt haben. Denn erstere wollten noch vertuschen, letztere gehen eher gern an die Öffentlichkeit. Von daher fand ich das etwas verwirrend. Aber nun ist's klar. Danke.

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  • Leonhard Frank ist mir, seit dem Studium, in Literaturgeschichten, Fußnoten in Aufsätzen undsoweiter immer mal wieder begegnet, aber ich kann mich beim besten Willen nicht an einen anderen Titel als das Ochsenfurter Männerquartett (1927) erinnern. Gelesen habe ich, obwohl mich die Hinweise eigentlich immer wieder neugierig gemacht haben, leider noch nichts von ihm. Wie das halt so ist ...
    Umso mehr Dank für diesen Tipp, der auch unter regionalliterarischen Vorzeichen interessant ist.
    So aarch viele Audoorn aus Frang-kn gibz fei ned.

    Non quia difficilia sunt, multa non audemus, sed quia non audemus, multa difficilia sunt. Seneca
    [Nicht weil es schwierig ist, wagen wir vieles nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist vieles schwierig.]


  • So aarch viele Audoorn aus Frang-kn gibz fei ned.


    Doch, es gibt aarch viele Audoorn aus Frang-kn. Selbst wenn man nur auf Würzburg schaut, findet man von Konrad von Würzburg bis Roman Rausch eine ganze Liste von Schriftstellerinnen und Schriftstellern alle Sparten, von Lyrik, über Drama, Roman bis Drehbuch. Weitet man das auf die ganze fränkische Region aus, wird es leicht unüberschaubar.

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