Stephen King: "Doctor Sleep"

  • Da ging ich kürzlich in einen Buchladen - so etwas soll vorkommen -, und auf was fiel mein Blick: Schon von Weitem erkannte ich ein Cover, auf dem in großen Lettern "Stephen King" stand. "Na", dachte ich, "was hat der Meister Neues auf dem deutschen Markt?" Kaum dass ich das Buch umgedreht hatte, las ich, dass es sich hier um die angekündigte Fortsetzung von "Shining" handelte. Etwa zwei Minuten später war das Ding gekauft.


    Es ist das erste Buch seit langem, dass ich mir sofort als Hardcover zugelegt habe. Nach einigen Kapiteln bin ich der Meinung, einen guten Roman in den Händen zu halten. Vieles im Stil Kings erscheint vertraut. Es ist das besondere Gefühl, das sich bei mir nur einstellt, wenn ich eines seiner Bücher lese: Eine bizarre Mischung aus Schaudern und Behaglichkeit. Aber, so erscheint es mir, hat sich im Vergleich zum Erstling an seiner Art, zu schreiben, einiges geändert. Sein Stil, Figuren zu zeichnen, fällt mir da am ehesten auf - ich weiß kaum, wie ich diese Wandlung benennen soll. Einfühlsamer? Das wäre beinahe gespottet.


    Die Handlung knüpft an "Shining" an. Inhaltlich gibt es ein Wiedersehen mit ein paar alten Bekannten: mit Danny, dem kleinen Jungen, der die Visionen hat, und mit seiner Mutter, die beide nach den Geschehnissen im "Overlook Hotel", das komplett niederbrannte, dezent traumatisiert sind. Und dann war da noch die halb verweste Untote, die damals im Zimmer 217 vor sich hin gespukt hat. Diese taucht nun im Badezimmer von Danny und seiner Mutter auf; damit beginnt die Geschichte.


    So ist das, manche Geister wird man eben nie los. Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht.

  • Hallo Sabrina,


    ich sehe deiner Rezension gespannt entgegen. Ich bin ein großer Stephan King Fan, aber bei den neueren Werken fand ich ihn oftmals sehr durchwachsen. Während ich "Wahn", "Die Arena" und "Der Anschlag" ganz großartig fand, haben mir "Love" und - das jüngste Werk - "Joyland" gar nicht gefallen. Durch Joyland musste ich mich regelrecht quälen, aber "Docotor Sleep" klingt wieder richtg vielversprechend. Und dein erster Eindruck dazu sowieso. :nick


    Viele Grüße!
    Rebekka

  • Liebe Rebekka,


    ich zähle mich auch zu seinen Fans! Gruselige Bücher, die gut geschrieben sind, lese ich immer gern.


    "Love" habe ich vor einer Weile gelesen. Vom Hocker gehauen hat es mich auch nicht - interessant erzählt fand ich es dennoch. "Joyland" wollte ich mir irgendwann als Taschenbuch zulegen.


    Ja, ich bin auch gespannt, ob sich meine Meinung im Laufe der Lektüre ändert! Manchmal ist das so - man hat nach wenigen Seiten eine intuitive Eingebung, dass das ein tolles Buch ist, und manchmal irrt man sich, manchmal nicht. Ich bin weiterhin gespannt.


    Gruß,
    Sabrina

  • "Wahn", ja, Rebekka, den fand ich auch großartig.
    Ich gestehe, es war mein erster Stephen King, aber ich denke immer noch an ZEENE, wenn von einer Porzellanfigur die Rede ist oder irgendwo eine steht. Brrrr.

  • Ich lese das Buch auch gerade.


    Ich habe die Frühwerke von Kind GELIEBT!!!! Die späteren Bücher fand ich in der Regel... mäßig. Nach Duddits habe ich aufgehört. Arena habe ich angefangen, aber es hat mich nicht gepackt. Meistens fand ich die Auflösungen Kings... langweilig/psychedelisch/extremGekünstelt. Ist nur meine persönliche Meinung.


    Aber Shining fand ich großartig. Und Dr. Sleep (ich habe jetzt ca. 120 Seiten) finde ich bisher großartig. Wenn ich fertig bin, gebe ich hier auch meinen Senf ab.


    LG
    Achim

  • "Wahn"? Kenne ich auch noch nicht. Das merke ich mir vor.


    Meistens fand ich die Auflösungen Kings... langweilig/psychedelisch/extremGekünstelt. Ist nur meine persönliche Meinung.


    Ja, mit den Auflösungen haben viele ihre Probleme. Wobei sicherlich einige Fans genau das mögen.

  • So, ich bin durch.


    Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber...
    Die Story ist interssant, die Charaktere laden zum Miterleben und Mitleiden ein. Und trotzdem ist das Buch kein Kracher. Die Helden kommen eine Spur zu glatt durch die Hindernisse, die Bösen scheitern einen Tick zu schnell. Die Helden bekommen zu wenige Kratzer ab. Und sie haben sich selbst und ihre Probleme zu gut im Griff. Zum Beispiel der erwachsene Danny: **************, das ist etwas, was King einfach liegen gelassen hat. Und die Gruppe der Helden********.


    Alles in Allem: ein nettes Buch für Freunde dieses Genres.


    Mehr nicht.


    Schade.


    EDIT: Mir ist erst später aufgefallen, dass ich da ein paar Sachen aus der Handlung verrate, was die Lesespannung mindern könnte. Sorry. Mit der Spannung muss man hier eh etwas haushalten, deswegen habe ich die fatalen Passagen "ausgesternchend". LG Achim

  • Lieber Achim,


    danke für deine Einschätzung! Ich bin noch lange nicht durch - zum einen, rede ich mir ein, kommt das durch ein momentanes Zeitproblem, aber ich glaube mehr, dass es wirklich am Buch liegt. Die anfängliche Euphorie verflog schnell: Ich hatte einen Sog erwartet, wie ihn nur Stephen King hinbekommt, aber der kam bis jetzt nicht. Zu Ende lesen werde ich das Buch wohl trotzdem. Es ist interessant erzählt.

  • Es gibt Bücher, die schlechter geschrieben sind. „Doctor Sleep“ beinhaltet viele gute Ideen und Ansätze und ist spannend und unterhaltsam erzählt. Darum und weil ich grundsätzlich Stephen King mag, bereue ich es nicht, über 20 Euro für die Hardcover-Ausgabe hingeblättert zu haben. Aber ich glaube, dass sich einige mit diesem Buch schwer tun werden. Aus meiner Sicht gibt es dafür zwei Hauptgründe.
    Erstens ist dieser Roman einfach anders – anders als die meisten anderen King-Bücher. Ich habe bereits hier im Forum gerätselt, was „Doctor Sleep“ von etwa „Shining“, „Misery“ oder „Es“ so deutlich unterscheidet. Ich glaubte, dass Kings Art, Figuren zu zeichnen, einfühlsamer geworden ist. Aber nein, das ist es nicht.
    „Doctor Sleep“ ist ein – für Kings Verhältnisse – beinahe fröhliches Buch. Ich las keinen Schocker, kein tensiongeladenes Horrormachwerk, das ich nach dem Lesen erst einmal verarbeiten muss, bevor ich etwas anderes zu mir nehmen kann. Ich las ein turbulentes Abenteuer, das lebensnah erzählt ist und hier und da einen speziellen, schelmischen, bösen Humor enthüllt. Zwar töten in dieser Geschichte merkwürdige Zombies Kinder und es passieren ähnliche grausige und übernatürliche Dinge, aber diese Effekte übertünchen nicht das eigentliche Thema, nein, sie unterstützen es: Menschen und ihre Schicksale, die sich kreuzen.
    Besonders deswegen hat mich „Doctor Sleep“ häufig an John Irving erinnert. Irgendwann – so stellenweise meine nicht ganz ernst gemeinte Befürchtung – schreibt King noch wie er. Wie auch immer, ein echter Kritikpunkt ist das nicht unbedingt. Schriftsteller ändern sich, und ihre Texte ändern sich mit ihnen. Vielleicht wird der eine oder andere gerade durch „Doctor Sleep“ zum Fan, wer weiß?
    Den zweiten Hauptgrund habe ich oben bereits angedeutet: Ansätze. Viele, viele gute Ansätze, die King für mein Empfinden nicht konsequent genug fortführt. Achim hat schon einen Punkt genannt: Dans Alkoholismus. Dass Dan nach etwa Seite 200 diesem Teufel abschwört und nie, nie wieder einen Tropfen anrührt, wirkt zum einem unwahrscheinlich (nicht unglaubwürdig, da Dan ein starker Charakter ist, aber unwahrscheinlich) und zum anderen als Suspense-Bremse.
    Diese Idee, die zum Teil im Sande verläuft, ist nur ein Beispiel von vielen. So hätte auch die erfundene Zombie-Sekte, die sich „Der Wahre Knoten“ nennt und die hellseherisch begabte Kinder tötet, viel deutlicher gezeichnet werden können. Diese Gruppe, lerne ich irgendwann, gibt es seit vielen Jahrhunderten. Ah ja – und warum gibt es dazu nicht ein, zwei nähere Informationen?
    Zudem sind viele Passagen aus der Sicht diverser Mitglieder geschrieben; dafür erscheint mir diese Antagonisten-Truppe zu blass. Ihre Motivation ist klar, jeder versteht sie: Sie können nicht überleben, wenn sie keine Kinder töten. Das ist böse, fertig. Wie an vielen Stellen im Buch hat Stephen King hier etwas zu viel erzählt und zu wenig gezeigt. Für mich wird diese Motivation nicht spürbar, nicht greifbar genug. Empathie mit dem Bösen war immer eine von Kings großen Stärken. Dadurch werden seine Fieslinge umso gruseliger und treiben die Geschichte auf unglaubliche Art und Weise voran. Warum hat er das hier nicht zur Geltung gebracht?
    Gut, vielleicht kann man über all diese Einwände reden. Ich habe diese Geschichte trotzdem mit Vergnügen gelesen. Man darf auch nicht vergessen, dass King-Leser schreibtechnisch gesehen verwöhnt sind. Darum mögen manche auf hohem Niveau jammern. Ich schließe mich da nicht aus.
    Aber wenn ich Stephen King einen tatsächlichen Fehler unterstellen möchte, einen Fehler, den er einfach nicht hätte machen dürfen, dann ist es dieser: „Doctor Sleep“ ist nicht die Fortsetzung von „Shining“. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Es ist eine völlig andere Geschichte mit denselben Charakteren, ein eigenständiges Buch, das manche „Shining“ vielleicht sogar vorziehen werden. Aber mich hat dieser Roman nach einem sehr schwungvollen Anfang streckenweise gelangweilt. Die spannende Vergangenheit von Dan Torrance wird verdrängt von einem lustigen, bunten Adventure, dessen Verfilmung mit guten Special-Effects wohl schon unter Dach und Fach ist. Es gibt nur wenige Passagen, in denen das aufblitzt, was neben guten Fieslingen Stephen Kings großes Plus ist: emotionale Tiefe, wie sie nur ein Schriftsteller aufbringen kann, der selbst Schlimmes erlebt hat. Dan hat seine Vergangenheit im Keller verschanzt. Sie kommt einfach nicht heraus. Schade. Da hätte mehr draus werden können. Und das nächste, Mr. King, wird ein Kinderbuch, stimmt‘s?