Gesucht: Lesestoff mit "negativem" Protagonisten

  • Ich suche mal wieder Leseempfehlungen.


    Ich schreibe ja grad' an 'nem Thriller oder so ... eine Dreicksgeschichte über zwei Frauen, die um einen Mann kämpfen. Erzählen will ich aus wechselnden Perspektiven aller drei. Bislang sieht es so aus, dass die unsympatische der beiden Frauen meine Protagonistin ist, die nettere der Frauen die Antagonistin.
    Ähm, ich glaube das ist schwierig :kratz2
    Aber sagt ja auch niemand, dass es einfach sein soll !!;-)


    Jetzt wünsche ich mir von Euch Leseempfehlungen in Richtung: "negative" Hauptfigur, fällt Euch dazu etwas ein, wo es gut funktioniert. Gern auch, wo es nicht funktioniert, auch davon kann ich sicher lernen.


    Ich bin neugierig, was Euch dazu einfällt, danke schon mal vorab. :blume

  • Hi Dorrit,
    zunächst könnte man blind ins Klassikerregal greifen und lauter Treffer landen: Werther, Faust etc. etc. Aber das funktioniert nur, weil die Charaktere schon "gemischt", also mit positiven und negativen Merkmalen angelegt sind. Die positiven Seiten lassen den Leser vielleicht über die negativen hinwegsehen.
    Reine negative Figuren (auch Mephisto oder die Macbeths sind keine reinen Kotzbrocken) kenne ich nur aus der modernen Literatur, allerdings als Antagonisten z.B. bei William Gay ("Nächtliche Vorkommnise") oder als unübertrefflichen Anton Chigurh in Cormac McCarthys "No Country for Old Men" (in diesem letzteren Fall wird der "Böse" vor allem in seiner Wirkung auf Sheriff Ed Tom Bell dargestellt).


    Viele Grüße
    Jürgen

  • Bei "negativer Hauptfigur" fällt mir immer Felix Dahns »Kampf um Rom« als erstes ein. Cetegus, der Intrigant ist am Anfang noch durch Idealismus gesteuert. Er macht das ja alles nur, um Rom den alten Glanz und vor allem die alte Macht wiederzugeben. Später verfällt er aber seiner eigenen Machtbesessenheit. Der hat mich in diesem Buch mehr beeindruckt als alle anderen Gestalten. Das wird dir aber wenig helfen, denn du suchst ja sicher nach einem Protagonisten aus dem Thriller-Genre. Auf Anhieb fällt mir da nichts ein. Unter den Krimis sticht aber der »Simon Brenner« hervor. Wolf Haas hat einen Protagonisten entwickelt, schön schräg und negativ und trotzdem liebenswert.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • An eher klassischen Romanen fällt mir "Dorian Grey" mit dem Bildnis, Julien aus Stendhals "Rot und Schwarz" oder Raskonikow von Dostojewski ein, wobei das aber auch alles gemischte bzw. tragische Charaktere sind. Richtig böse unter neueren Romanen sind der Richter aus Cormack McCarthys "Die Abendröte im Westen" oder der Ich-Erzähler Max von Aue aus Jonathan Littells "Die Wohlgesinnten".

  • Mir fallen da einige Bücher aus der Fantasy ein:
    Game of Thrones ist ein Meisterwerk in der Hinsicht, da wechseln Prota- und Antagonisten wie es dem Herrn Auto gerade beliebt, und absolute Hassfiguren werden zu denen, die man am besten versteht - und andersherum.
    Ganz gut ist auch "Prinz der Dunkelheit" von Mark Lawrence. Da ist der Böse (oh, und der ist richtig böse) der Held.


    Grundsätzlich ist Chuck Palaniuhk auch eine Empfehlung wert, auch seine Hauptfiguren sind oft negativ besetzt, in Lullaby z.B. kam das gut rüber.


    Oder aus der Satire: Er ist wieder da. Negativer als Hitler geht kaum.


    Eine Frau in dieser Rolle stelle ich mir allerdings sehr schwierig vor - zumindest schwierig zu verkaufen. Im Thriller hast du ein überwiegend weibliches Publikum, Leserinnen sind weiblichen Figuren gegenüber ohnehin kritischer eingestellt und sehr oft wird ein Buch mit "unsympathischer Hauptfigur" gnadenlos abgewatscht, bzw. gelangt gar nicht erst zwischen Buchdeckel.


    Nächsten Monat erscheint mein Erstling, in dem die weibliche Hauptfigur als Antagonistin startet, ziemlich böse ist und erst ganz kurz vor (ihrem) Ende die Seiten wechselt.
    Bei männlichen Figuren ist das überhaupt kein Problem - wir lieben alle Scheißkerne :rofl - aber ob es bei einer weibliche funktioniert? Ich zittere. :evil

  • Vielen Dank schon mal - ich schau gern auch bei den Klassikern, aber vielleicht fällt doch noch jemandem etwas aktuelleres ein.


    @Mulle: hm, das mit dem Hinweis darauf, dass das mit einer weiblichen negativen Figur schwierig wird, deckt sich ja sehr mit den Hinweisen der anderen ")"
    Ich drücke Dir die Daumen für Deine "böse Antagonistin".


    Ansonsten: naja, natürlich soll die "Böse" auch ein bisschen tragisch werden und auch Opfer ihrer eigenen Eifersucht, für die sie nicht so richtig was kann. Also schon durchmischt. Aber sympathischer bleibt ihre Gegenspielerin, ich fürchte daran, lässt sich nicht wirklich etwas ändern. Ich spiele natürlich auch mit dem Gedanken, die Rollen zu tauschen, aber eigentlich gefiel es mir bislang so ganz gut.


    Dass aber auf Anhieb niemandem eine solche weibliche Hauptfigur einfällt, stimmt mich schon nachdenklich ?!? .

  • Spontan würde mir da "Das Parfum" einfallen. Allerdings ist es solange her, dass wir es in der Schule gelesen haben, dass ich nicht mehr weiß, ob die Hauptfigur auch Protag war. Von der Story, an die ich mich erinnere her, müsste das aber so gewesen sein.


    Und dann würde mir noch Dexter einfallen, wobei ich da nie ein Buch gelesen habe, sondern nur mal in die TV-Serie geschaut habe.


    Und dann wirkt Simon Becketts "Tiere" vom Klappentext her, vielleicht auch passend. Aber ich hab es nicht gelesen, kann also auch falsch liegen.


    Soll die Person denn nur negativ sein, oder sollen die negativen Aspekte "nur" überwiegen?


    lg
    Robyn

  • Dass aber auf Anhieb niemandem eine solche weibliche Hauptfigur einfällt, stimmt mich schon nachdenklich ?!? .

    Vielleicht ist auch nur DAS das eigentliche Problem.
    Ich habe meinem Agenten da mal ein Konzept vorgelegt, in der die Protagonistin eine Art von Schizophrenie hatte und sich im Laufe des Thrillers selbst als Täterin überführte.


    Waa, ich fand das soo spannend, es hätte so viel hergegeben!
    Mein Agent hat das leider schon in der Anfangsphase abgewunken: Funktioniert mit einem Mann in dieser Rolle aber nicht mit einer Frau.


    Ich finde das schade und blöd, aber ich analysiere ja für mein Leben gern Rezensionen und ich fürchte: ja, da ist was dran.


    Andererseits funktionieren oft genug Experimente, denen man es nie zugetraut hätte, von daher darf man sich davon auch nicht zu sehr entmutigen lassen ...


    Trial & Error. :evil


  • Eine Frau in dieser Rolle stelle ich mir allerdings sehr schwierig vor -…


    Frag mal Karen. Ihre Victoria ist sowas von klasse. Allerdings möchte ich ihr im richtigen Leben nur mit der gehörigen Distanz begegnen. Sagen wir mal - außerhalb der Schußweite :)

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    Emanuel von Bodmann


  • @ Mulle: das von Deinem Agenten abgelehnte Konzept klingt wirklich ziemlich spannend. Schade, dass es nicht genommen wurde.


    @Saskia: Filme gehen auch, aber Bücher sind mir lieber. Ich schreib' den Film trotzdem auf meine Liste.


    @ Robyn: unsere Posts haben sich überschnitten. Die "negative" Protagonistin soll auch gute Seiten haben. Aber ihr Antrieb kommt aus einer Eifersucht, die überhaupt nicht gut ist, sondern, nun ja, mörderisch ")"


    Seufz. Vielleicht muss ich doch noch alles neu entwerfen. :heul
    Trial & Error klingt zwar auch gut, aber so viel Arbeit für absehbar wenig Leser :down


    Ich gebe aber die Hoffnung mal noch nicht auf, vielleicht fällt ja doch noch jemandem ein gelungenes Beispiel für meine Konstellation ein. :lupe

  • Wo wir schon bei Hitler und Konsorten sind: In "Hannibal Rising" wird beschrieben, wie Mr. Lecter zu dem wurde, was er ist. Was auch immer das sein mag. Ich halte es da mit einem Zitat aus der Verfilmung von "Das Schweigen der Lämmer": "Für das, was er ist, gibt es keine Worte."

  • Lisbeth Salander (Stieg Larsson) finde ich nicht unbedingt positiv oder sympathisch, das wäre mein Beispiel. Aber man versteht, warum sie so ist, wie sie ist.

  • Also ich verstehe auch nicht, wieso das nicht funktionieren sollte. Ich finde sowas gerade auch bei Frauen spannend, aber zu lesen gibts das wirklich kaum. Ich mag Charaktere mit Schwächen und negativen Seiten, am besten mit welchen, die so richtig negativ besetzt sind. Dafür Erklärungen zu finden oder zu lesen, ist doch hochspannend ?!? Abe auch verdammt schwierig als Autor umzusetzen, denke ich.
    Aber ich finde es irgendwie total toll, wenn ich bei einer Hauptfigur genau die Schwächen lese, die ich von mir selber kenne und nie zugeben würde. Es darf halt nur nicht ins Klischee abrutschen.
    Ich weiß nicht recht, ob da die Verlagsmaschinerie nicht vielleicht hinter der Veränderung der Rollenbilder und auch der Frauenbilder nicht hinterherkommt, oder ob das vielleicht wirklich eine noch recht neue Erscheinung ist, dass es überhaupt Frauen lesen würden. Mulles Hinweis zu Rezensionen wirkt auf mich zumindest so.


    dORIT von gESTERN: Ich werde noch mal nachdenken, ob mir sonst noch was einfällt ...

  • Lisbeth Salander (Stieg Larsson) finde ich nicht unbedingt positiv oder sympathisch, das wäre mein Beispiel. Aber man versteht, warum sie so ist, wie sie ist.


    Ich finde die, auf ihre Art, sympathisch. Wie das wohl der Autor sieht?


    Bei "Johan Holtrop" ist klar, dass die Figur vollständig negativ gemeint ist.

  • Hallo Dorrit,


    mir ging spontan Raskolnikov durch den Kopf, aber den hat mir Siegfried schon weggeschnappt :evil . Und dann fiel mir ER ein: Dr. Hannibal "the cannibal" Lecter! Na, wenn das kein AntaProtagonist ist :evil


    Ich glaube, "negative" Protagonisten brauchen neben dem üblichen Figurenaspektekram vor allem zwei Dinge: Ihre Motive müssen höchst glaubwürdig und vor allem empathisch sein (Lecter wurde zum Kannibalen, nachdem er erleben musste, wie seine geliebte kleine Schwester von Wehrmachtssoldaten verspeist wurde). Und sie müssen auch mächtig interessant sein (Lecter mit seiner scheinbar so sanften und sehr kultivierten Art, die überhaupt nicht zu seinem - nun ja - kleinen Lieblingshobby passt). Je flacher/klischeehafter so ein Charakter ist, um so schnell läuft der Leser wohl schreiend davon.

  • Weiß nicht, ob er schon genannt wurde:
    Thad Beaumont aus Stephen Kings Stark ist eigentlich Prota- und echt fieser - weil verwesender, böser - Antagonist in einer Person.
    Zu dumm, dass sich da das Pseudonym eines Autoren einfach entschließt tatsächlich lebendig zu werden...
    Hab die GEschichte in einer Nacht durchgelesen.


    Als Vorbild für eine weibliche, echt unsympathische Antiheldin empfehle ich diesen Film noch. Wahnsinnsrolle für Tilda Swinton.
    Sehr unsympathisch muss auch diese Frau hier sein.

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

  • Danke an Euch alle :blume


    Lisbeth Salander, stimmt, die ist nicht unbedingt sympathisch. Hm.


    Johan Holtrop klingt auch interessant - wenn auch männlich, so doch zum Thema: wie schaffe ich es, eine unsympathische Hauptfigur so zu gestalten, dass der Leser nicht wegrennt.


    Danke Achim für den Hinweis, dass eine negative Hauptfigur vor allem interessant sein muss. Ein wenig habe ich das bei der Anlage der Figur wohl schon berücksichtigt, aber ich muss da wohl noch mal ein bisschen genauer rangehen.


    Und Stefanie: die beiden Filmempfehlungen sind gut - ich schau mal, wo ich die zu sehen bekomme. Das King-Buch klingt wirklich gruselig, mal sehen, ob ich das gelegentlich auch lese.