Woran scheitern Ratgeber?

  • Gerald hat mich auf die Idee gebracht, als er schrieb, Ratgeber-Literatur sei ein vermintes Feld, da ziemlich ausgelutscht. Es sei schon über alles "gesprochen" worden, aber nur nicht von jedem. Das "Wie" bleibt wohl noch etwas offen und neu zu erschließen. Die Frage ist ja auch immer, wie kann ich als Ratgeber-AutorIn tatsächlich helfen - die Umsetzung der Ratschläge liegt ja dann nicht mehr in seiner/ihrer Hand. Daran scheitern wohl auch so manche Ratschläge. Was könnte AutorIn tun?


    Beispiel: (Fast) jeder weiß, dass Bewegung und gesunde Ernährung notwendig sind, um sich lange fit zu halten. Ich weiß nicht, wie viele Ratgeber es zu diesen Themen gibt!?! Tatsache ist, dass nur max. 5 - 10 % der Bervölkerung mittleren Alters das notwendige Maß aufzubringen bereit sind...Mein Tipp an alle, die sich jetzt angesprochen fühlen: Einfach anfangen - es ist nie zu spät! So lange wir leben, sollten wir die Zügel fest in Händen halten (wie gesagt, ich komme auch aus dem Reitsport). Was meint ihr?


    Herzlich, AIL

  • Ich versuche mich grad zu erinnern, wann ich das letzte Mal einen Ratgeber gekauft habe. :kratz2 Muss so 16 Jahre her sein. Damals hatte ich eine Phase, in der ich von Feng Shui über Serviettenfalten, Hundetraining, Blutgruppendiät bis Kräuter auf dem Balkon pflanzen nahezu wöchentlich zwei bis drei Ratgeber gekauft habe. Die fand ich auch alle - mehr oder minder - spannend. Aber so richtig angewendet habe ich sie nie. Vermutlich liegt darin auch ein wenig die Crux dieser/solcher Ratgeber: man stopft sich mit Theorie voll, findet die gut und logisch, aber an der praktischen Anwendung hapert es dann. Aus diversen Gründen ... bei mir war/ist es meist Trägheit. :D

  • Zitat von »AIL« Was meint ihr?
    Kommt wohl auch auf das Pferd an.


    Wenn du das Pferd als Sinnbild für die Rat suchende Person nimmst, bezweifelst du bei eben dieser Person ihre Willenskraft. Das ist wohl dann auch der Ansatz fürs Ratgeben ...


    Das mit der Tierquälerei im Reitsport ist nicht ganz abwegig, aber wie bei allem, gibt es mehrere Sicht- und Handlungsweisen, so auch im Reitsport. Das Pferd ist dem Menschen seit Jahrtausenden ein treuer Begleiter, und nicht alles ist/war grausam. Aber das ist ein anderes Thema...


  • Beispiel: (Fast) jeder weiß, dass Bewegung und gesunde Ernährung notwendig sind, um sich lange fit zu halten. Ich weiß nicht, wie viele Ratgeber es zu diesen Themen gibt!?!


    Die Welt wird überflutet mit Ratgebern. Die Frage ist - wer kauft das noch? Und wozu?

  • Wenn du das Pferd als Sinnbild für die Rat suchende Person nimmst, bezweifelst du bei eben dieser Person ihre Willenskraft


    Nicht unbedingt. Um nicht mitten Fluss die Metapher komplett zu wechseln: Der Wurm muss dem Fisch schmecken. Und es gibt Fische, die sind einfach beratungsresistent. die mögen einfach nix, wo der Wurm drin ist. Oder dran.

  • Halli, AIL


    Dann mal übersetzt und möglichst metaphernfrei: Ein Fitnessratgeber, der von mir verlangt, dass ich mehr tue, als mir den Ratgeber zu kaufen und vielleicht auf dem Rückweg nicht den Bus zu nehmen, sondern die 153 Stufen, muss das schon sehr überzeugend tun. Da die meisten Ratgeber aber eben nicht auf eine individuelle Persönlichkeit zugeschnitten sind, sondern auf die Bedürfnisse des Marktes, bleibt es meist beim Verteilen von Allgemeinplätzchen, Dutzendware. Tja.

  • Halli, AIL


    Dann mal übersetzt und möglichst metaphernfrei: Ein Fitnessratgeber, der von mir verlangt, dass ich mehr tue, als mir den Ratgeber zu kaufen und vielleicht auf dem Rückweg nicht den Bus zu nehmen, sondern die 153 Stufen, muss das schon sehr überzeugend tun. Da die meisten Ratgeber aber eben nicht auf eine individuelle Persönlichkeit zugeschnitten sind, sondern auf die Bedürfnisse des Marktes, bleibt es meist beim Verteilen von Allgemeinplätzchen, Dutzendware. Tja.


    Lieber blaustrumpf,


    dann ist das ganze ja ziemlich aussichtslos, wenn ich von meiner ursprünglichen Fragestellung ausgehe (siehe ganz oben). Tatsächlich helfen kann ich als AutorIn also nicht wirklilch, da der Markt Allgemeinplätz(chen) wünscht?


    Wie wäre es dennoch möglich? ich gehe davon aus, dass, wenn sich jemand einen Ratgeber kauft, er/sie auch etwas davon haben möchte - nicht nur ein gutes Gefühl durch den Kauf etwas geleistet zu haben, zur Beruhigung des eigenen Gewissens sozusagen.


    Kann ich als AutorIn mehr tun?


    LG AIL

  • Kann ich als AutorIn mehr tun?


    Mehr als hoffen?
    ;)
    Hoffen, dass Du es schaffst, durch Deinen Ratgeber die Käufer_innen dazu zu bringen, nicht nur zu möchten, sondern auch zu wollen?
    Du könntest eine tief gehende Analyse Deiner Zielgruppe versuchen und den Text dahingehend ausrichten, was diesen Effekt bewirken könnte. Die einen lieben "Fallstudien", am liebsten mit Erfolgsgeschichten (das nenne ich das amerikanische Modell). Die anderen kriegst Du eher gepackt, wenn Du auf die Schiene setzt "Du bist völlig okay, wie Du bist, aber wenn Dich eben doch etwas stört, dann versuch mal dies hier". Wieder andere brauchen "tough love" Marke "eh, schwing Deinen Arsch, bevor er Dir voran in die Grube fällt". Für welche Gruppe willst/kannst Du schreiben?

  • eigenen Erfahrungen an andere weiterzugeben.



    Eben...und das ist - hoffentlich - die Krux an der Geschichte.


    Meine Erfahrungen sind andere als deine.... genauso umgekehrt... Was will also ein vernünftiger Mensch mit dem, was ich im meinem Leben erfahren habe?
    Der Grundsatz hierbei ist: Es gilt nur für mich, weil nur ich in dieser und jenen Situation genauso gehandelt habe.


    Dieser Rat ist für alles anwendbar, was auf Ratgeber zutreffen mag...


    Frau Klein




    (die nicht bestreitet, dass Denkfaule trotzdem zum Ratgeber greifen werden, egal wie simpel er auch gestrickt sein mag)

  • Vielleicht liegt das Problem tatsächlich im "Rat geben". Damit legt der Ratgeber für den Ratsuchenden in der Regel die Linie fest, entlang der sich bewegen soll. Nun funktioniert das bei dem einen fantastisch, während die andere scheitert, weil es für sie nicht passt. Deswegen gibt es doch auch Gestalten, die jede Woche eine neue Masche ausprobieren.
    Ich persönlich stehe auch nicht so auf Ratgeber... aber ich lese sehr gerne Sach- und Fachbücher. Und da mag zwar zu jedem Thema schon alles gesagt worden sein, aber trotzdem finde ich sie nicht alle gleich verständlich oder ansprechend geschrieben.
    Also mein Rat =) : Wenn, dann schreib lieber Sachbücher.

  • Hallo AIL,


    erst Mal herzlich willkommen hier! Ich habe auch ein Buch geschrieben, das man als Ratgeber bezeichnen könnte. Ich habe als Leitfaden genannt, da die Zielgruppe u.a. Ärzte sind, und die mögen Ratgeber nicht so sehr, sie geben lieber selber Rat :)


    Deine Frage ist interessant: was machen die Leser daraus? Ist das für mich als Autorin von Belang? Ist es so, dass ein Roman gelesen werden will, aber ein Ratgeber nicht nur gelesen, sondern auch befolgt werden will?


    Ich denke schon, dass mein Wunsch, den Ratschlägen würde Folge geleistet, eine wichtige Antriebsfeder war. Wozu sonst hätte ich ihn dann schreiben sollen?


    Dein Ansinnen, die Menschheit in Bewegung zu bringen - und zwar per Ratgeber ist rühmlich. Ich vermute, dass sich das Buch gut verkaufen wird, aber hinsichtlich der Umsetzung - da muss die Leserin ja weg von der Couch - mag es da noch hapern. Aber wenn nur 10 % der Leser deine Ratschläge befolgen würden, würde ich das Projekt schon als Erfolg bezeichnen.


    Ich nehme an, deine Frage geht in die Richtung: Ist die Umsetzung für mich als Autorin wichtig oder nicht?


    Schönen Gruß


    Grenzlandfrau

  • Die Diskussion ist hier viel zu akademisch. Wer keinen Ratgeber braucht, kauft keinen. Wer keinen Lesen will, liest keinen. Und wenn sich Ratgeber wie geschnitten Brot verkaufen, dann wurden sie offensichtlich gebraucht, mindestens aber gelesen.


    :)


    Ich habe hier im Forum übrigens schon wichtige Ratgeber vorgestellt, etwa diesen hier oder jenen.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Woran scheitern Ratgeber?


    Das ist immer noch die Frage. Ich habe darauf auch keine Patent-Antwort, aber ziehen wir doch mal eine Parallele zur Belletristik. Ein Roman wird kaum zu einem Erfolg werden, wenn er zu kompliziert geschrieben ist. Das gilt wohl auch für Ratgeber. Eine Prise Humor kann auch nicht schaden. Ein Roman braucht einen Markt, und dazu muss er etwas liefern, was die Mode noch nicht abgedeckt hat. Ein Roman über Glitzer-Vampire müsste mittlerweile schon ganz neue Elemente enthalten, um noch publiziert zu werden. Aerobic - das fällt mir gerade ein - das war damals eine Fitness-Bewegung, die ganz neu daher kam. Mit solchen Spezial-Programmen werden die Ratschläge zur Fitness interessanter, finde ich. Natürlich kann man sich auch mit Schwimmen, Radfahren oder Klettern fit halten, aber was wäre das für ein Ratgeber, der Konflikte zukleistert und nur schreibt: Um fit zu bleiben, musst du dich bewegen, dabei die Gelenke schonen und möglichst nirgendwo runterfallen?


    Klassische Ratgeber sind für mich Kochbücher. Und wenn ich ein Kochbuch aufschlage, dann will ich nicht lesen: Bratkartoffeln kann man aus rohen und gekochten Kartoffeln machen, einmal so und einmal so - sondern ich möchte, dass der Autor seine Persönlichkeit einbringt: "Bratkartoffeln nur aus hauchdünnen, rohen Scheiben! Vorgekocht schmeckt's nicht! Dazu geht ihr so vor: ..." Wahrscheinlich entspricht das dem, was der Konflikt in der Belletristik ist. Man lese die Kochbücher von Jamie Oliver. Subjektiver geht's nicht. Alles Bestseller.


    Bilder! Viele Bilder! Wie ist der Bewegungsablauf bei einem Fauststoß im Kung Fu? Wie entwickelt sich ein Radieschen in der Erde? Wie spiele ich mit schwarz im Anti-Moskauer nach 8. Se5: weiter?


    Das waren nur ein paar Gedanken. Entscheidend ist für mich, dass man als Autor seinen Ratgeber unverwechselbar macht. Damit es später nicht heißt: "Das ist ein Ratgeber für Ikebana.", sondern: " Das ist DER Müller-Lüdenscheid!" :D

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)