Bei Janis Joplin, bei John Lennon, bei ... du weißt sicher, was ich meine. Wann auch immer jemand geht, bleibt ein Loch. Für den einen ist's größer, für den anderen kleiner. Mein bester Freund, der vor zwei Jahren ging, hätte heute seinen 55. Geburtstag gehabt. Darum bin ich gerade sehr traurig...
Ein Chanson von Jacques Brel heißt "Voir un ami pleurer" - "Einen Freund weinen sehen". Darin singt Brel von den ganzen schrecklichen Dingen auf der Welt: Kriege, Hunger, Not und Tod - ja, natürlich, das gibt es alles ... aber einen Freund weinen sehen?
Der Tod von Amy Winehouse geht mir sonstwo vorbei. Das liegt nicht daran, dass ich ihre Musik kaum kannte. Angenommen, heute stürbe die Netrebko, Branford Marsalis oder Sting - das fände ich sehr schade, weil es dann vorbei wäre mit ihrer Musik.
Aber ich kenne diese Menschen nicht und werde sie nie kennen lernen, auch nicht, falls ich B. Marsalis mal die Hand schütteln sollte, falls Cousinchen Patricia mal mit der Netrebko Tee getrunken hätte oder falls Sting mir einen Backstage-Ausweis zustecken sollte.
Die Medien überfluten uns mit irgendwelchen Geschichten über Musiker und schaffen die Illusion, dadurch könne man dem Star nahe sein und ihn kennen. Alles Quatsch!
Jemand kann gut singen, gut Klavier spielen oder Trompete oder Gitarre oder was weiß ich. Was für ein "Mensch" er ist, ob er ein hohes Tier bei Scientology ist wie Chick Corea oder ob er vor Arroganz sprüht wie der spätere Miles Davis, ist mir schnurzpiepegal.
Wenn dann einer der Stars stirbt, dann reichen den Medien Superlative schon nicht mehr aus. Da hat dann jemand die extremste Form der Wahrhaftigkeit erreicht, seine Stimme war nicht einfach nur schön oder gut oder eindrucksvoll, sondern unglaublich, atemberaubend, genial. Im Tod (und auch schon vorher) unterscheidet man dann nicht mehr zwischen der Qualität von Musikern: die waren alle perfekt.
Und dann diese Lobhudeleien über "das Menschliche". Ich schließe mich Gerald an: Es kommt mir wirklich oft so vor, als solle ein Künstler demnächst selig gesprochen werden. Dabei kannte die Journaiile diese Künstler "privat" genauso wenig wie Lieschen Müller.
Der Druck auf Menschen, die so sehr im Rampenlicht stehen, muss riesig sein. Was zum Geier interessiert es mich, welches die Lieblingsfarbe von Sting ist? Und das wäre ja noch eine harmlose Frage.
Mich interessiert ein weinender Freund.
Herzliche Grüße,
Hugo