• Liebe Leute,


    angeregt von meinem aktuellen BT hätte ich da mal eine Frage:
    Was sind die Zutaten für eine gute Kampfszene (mal abgesehen von Hieb-, Stich- und Schusswaffen 8-))?
    Welche Elemente gehören da (nicht) rein?
    Gibt es literarische Kampfszenen, die ihr besonders gelungen/misslungen fandet?
    Kennt jemand vielleicht sogar eine Abhandlung darüber (habe jetzt noch nicht in meinen Sol Stein geschaut, der ist grad außer Reichweite).


    Findet ihr es auch so schwierig, rasante Kampfszenen zu schreiben???


    Liebe Grüße
    Achim

  • Hi Achim,


    das sind jetzt wahrscheinlich nicht unbedingt die Kampfszenen, die Du im Sinn hast, ich bin aber der Meinung, dass man auf jeden Fall was draus lernen kann. Und zwar die letzten 2-3 Kapitel aus Moby-Dick von Herman Melville (ich habe die Übersetzung von Matthias Jendis). Das ist der Showdown mit dem Wal und wenn man sich vor Augen hält, was hier der Punk auf dem Schiff abgeht: Die Harpunen, das Geschrei, das Anfeuern von Ahab, der Riesenwal, das Wasser, die Gischt, Wo ist der Wal?, Panik, Geschrei; Fluchen, -- Taue, Holzsplitter, gerissene Sehnen, die Leinen, die Boote, die Lanzen, die Hämmer usf. Da wird einfach Tempo gemacht, dass alles zu spät ist, und zwar mit Details, mit den entsprechenden Bildern, mit der förmlichen Atemlosigkeit, die nur spärlich (aber sehr gut) mit Dialogen untermauert sind. Das ist für mich ein Prototyp, der Maßstab einer guten Kampfszene.


    Ich hoffe, das hilft Dir vielleicht etwas weiter, wenngleich Du vom Genre her wahrscheinlich keinen Fang-den-Fisch schreiben willst ;)


    Herzliche Grüße
    Jochen.


  • Lies mal Bernard Cornwell. Der ist super bei seinen Schlachtenbeschreibungen, sowohl, was das 19. Jahrhundert betrifft, als auch beispielsweise Wikinger-Angriffe.
    Vergiss nicht, den Lärm zu erwähnen, das Chaos, den Geschmack von Pulver (falls Deine Szene zu der Zeit spielt), Gerüche, das Gefühl der Waffe in der Hand, Großaufnahmen von kleinsten Dingen und so weiter und so weiter. Im Zweifel lass Wind aufkommen, der das Gras biegt und den Geruch von ... naja, Wasauchimmer mit sich bringt.


    Vulgo: Zwar bekommen die Kämpfenden normalerweise Tunnelblick, aber im Tunnel nehmen sie jedes Detail wahr.


    Viel Spaß beim Lesen und Schreiben!

  • Als Gegenbild empfehle ich T.H. White


    ASIN/ISBN: 3608937137


    er bringt die Ritterkämpfe in einem überzogenen Realismus, nimmt alles weg, was man üblicherweise an Spannungselementen in Kampfszenen hat und schafft dadurch ein ganz eigenes Kampfklima. Als Kontrast sicher gut. Ich glaube, wenn man das dann umkehrt ist man wieder bei richtig guten Kampfszenen.


    Daran, dass seine Bücher lesenswert sind, darf man sich nicht stören.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von AchimW
    Liebe Leute,


    Gibt es literarische Kampfszenen, die ihr besonders gelungen/misslungen fandet?


    Liebe Grüße
    Achim


    Krieg und Frieden.
    Vielleicht nicht rasant, aber mitnehmend, weil Tolstoi die Sinnlosigkeit des Krieges vorführt.


    Vielleicht sollte man zunächst abklopfen, was die Kampfszene vor allem sein soll. - Was erwartet der Leser/was willst du deinen Lesern sagen?


    Mir fällt aber noch etwas ein: Lass dich doch von Kill Bill inspirieren. Da gibt es bestimmt auch ein Drehbuch.


    Überhaupt: Quentin Tarantino


    Grüße
    Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

    Einmal editiert, zuletzt von Topi ()

  • Zitat

    Original von Topi


    Mir fällt aber noch etwas ein: Lass dich doch von Kill Bill inspirieren. Da gibt es bestimmt auch ein Drehbuch.

    Topi


    Das sind keine »Kampfszenen«, das ist »Ballet« :renn

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Mein Tip: Google mal nach "motivation reaction unit".


    Das ist wieder so eins von diesen amerikanischen Creative-Writing-Konstrukten, aber ich fand es ein interessantes Konzept, gerade für Action.

    “Life presents us with enough fucked up opportunities to be evaluated, graded, and all the rest. Don’t do that in your hobby. Don’t attach your self worth to that shit. Michael Seguin

    Einmal editiert, zuletzt von Marvin ()

  • Zitat

    Original von Horst Dieter


    Das sind keine »Kampfszenen«, das ist »Ballet« :renn


    Natürlich haben Kampfzenen eine Choregrafie. ich dachte mir immer, dass die DEFA für die Indianerfilme Tänzer engagiert hat. Das war schon Tanz. Inwieweit man eine Choregraphie in einem Text abbilden möchte, ist eine andere Frage.


    "Überraschung" ist bestimmt ein Merkmal, das von den Lesern gerne wahrgenommen wird.


    Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

  • Hallo und danke erstmal für die vielen Hinweise.


    Moby Dick habe ich sogar zu Hause, Jochen, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, das Buch auf Kampfszenen durchzulesen. Werde ich nachholen :colts


    Liebe Inge, danke für für deine Tipps. Meine Frau will am Wochenende Bummeln gehen und Weihnachtsgeschenke kaufen. Ich schummel Cornwell schnell noch auf den Wunschzettel =). Die Sharpe-Romane sind besonders interessant, da das ja kurz vor der Epoche spielen müssten, mit der ich mich beschäftige.


    Danke auch an H-D und Topi. Kill Bill fand ich schon immer cool (Tarantino sowieso). Aber auch da wäre ich nie auf die Idee gekommen, nachzulesen! Als ich den Post hier las, dachte ich: sowas die das große Gemetzel in KB1 kannste nicht in Worte fassen. Aber logo: Dazu gibt es ja ein Drehbuch. Ich habe es auch schon gefunden: hier.


    MRU's: Die sind mir bisher noch nicht untergekommen, Marvin. Erstmal klingt das wieder so nach Patentrezept aus der Creative Writing School. Aber ich werde mich da auch mal durchlesen. Ich schätze, die Essentials, die man da vorgestellt bekommt, sollte man nicht außer acht lassen.


    Fight Club habe ich auch gesehen, liebe lametta.. und das Drehbuch habe ich jetzt auchgefunden.
    Überhaupt. imsdb.com ist eine Fundgrube an Drehbüchern... wow.


    Dankbare Grüße
    Achim

  • Hallo Achim,


    Das klassische Buch zu Kampf und Krieg stammt von John Keegan, einem britischen Militärhistoriker und Dozenten an der Militärakademie Sandhurst. Keegan behandelt darin in drei Kapiteln (und einem Einleitungskapitel) von jeweils ca. 80 Seiten Länge die Schlachten von Agincourt (1415), Waterloo (1815) und die Somme-Schlacht (1916). Das Buch ist nicht sonderlich elegant geschrieben, trotzdem ist es das Standwerk schlechthin.


    Alleine das Kapitel über die Schlacht von Agincourt, in der die englischen Langbogenschützen die Blüte der französischen Ritterschaft an einem Tag fast vollständig vernichteten, ist Kauf und Lektüre wert.


    Ein ist ein Buch, das jeder, der Texte mit historischem Bezug schreibt, auch wenn diese nichts mit Kriegen und Schlachten zu tun haben, kennen sollte. Die deutsche Ausgabe ist im Campus-Verlag erschienen, und der Campus-Verlag hat i.d.R. ganz gute Übersetzer.

    ASIN/ISBN: 3593383241

  • Hallo Achim,


    nun zu gelungenen Kampfszenen in der Literatur:


    Gute, ja brillante Schilderungen von Kämpfen finden sich in Scotts Ivanhoe und in Yohsikawas Musashi. Beide Bücher lege ich dir ans Herz. Beides sind populäre, aber ganz hervorragend geschriebene historische Romane, die nahe an gute Literatur heranreichen und dabei auch noch sehr unterhaltsam sind.


    Die deutsche Musashi-Ausgabe ist leider viel schlechter übersetzt als die englische Fassung, die vom großen Edward Seidensticker stammt. Die Invanhoe-Übersetzung ist ausgezeichnet, das Nachwort lesenswert, das ganze Buch ein Lesegenuss; dass Scott gut schreib, ist schon Goethe aufgefallen.

    ASIN/ISBN: 3426616483


    Hinreißend ist bereits das zweite Kapitel in Ivanhoe, in der Scott einen Trick in der Literatur, der von Homer stammt, zu erneuter großartiger Wirkung bringt: Ich meine die Demütigung des Helden durch seinen späteren Gegner, und zwar ist die Szene so gestaltet, dass der spätere Verlierer, der den späteren Sieger jetzt verhöhnt, zum Zeitpunkt des Verspottens natürlich nicht weiß, wen er da vor sich hat, während der Leser von Anfang an im Bilde ist.

    ASIN/ISBN: 3458324518

    Die Rawlings hat das im von dir geschätzten ersten Band von Harry Potter (Demütigung von Harry durch die Dursleys) übrigens gut nachgeahmt.


    Unbdingt zu lesen ist aber Ernst Jünger, der sowieso die besten Weltkrieg-1-Bücher geschrieben hat:


    ASIN/ISBN: 3608938435

    ASIN/ISBN: 360895208X


    Das soeben erschienene Kriegstagebuch 1914-1918 ist die ideale Ergänzung zu den berühmten Stahlgewittern.


    Ich befürchte, dass diese ganz hervorragenden Bücher über Kampf und Krieg der Franzosen in Vietnam dir nicht viel nützen werden - es gibt leider keine deutschen Ausgaben - , erwähne sie der Vollständigkeit halber aber doch:


    ASIN/ISBN: 030681157X

    ASIN/ISBN: 0304366927

  • Ich wusste dass da von Thomas Walker noch ein paar passende Romane kommen würden. Ernst Jünger (hier würde ich aber gleich die ganze Kassette mit der Werkauswahl in Betracht ziehen) ist diesbezüglich sicher sehr empfehlenswert. Ohne Thomas wäre ich da auch nicht drauf gekommen: and I indeed have to admit: it was worth buying it.


    ASIN/ISBN: 3608932356


    A propos - eine Frage an die Spezialisten - bei mir ist das schon zu lange her: aber wie sieht's (bei den Klassikern) aus mit Krieg und Frieden? Da wird doch auch ordentlich und literarisch auf hohem Niveau gemetzelt, oder?


    Jochen.

  • Zitat

    Original von JochenAlexander
    ... hier würde ich aber gleich die ganze Kassette mit der Werkauswahl in Betracht ziehen) ist diesbezüglich sicher sehr empfehlenswert.


    Ich besitze die alte gebundene Ausgabe der gesammelten Werke mit den noch unredigierten Tagebüchern ("Strahlungen"), kenne aber diese kompakte Ausgabe, die Jochen hier vorstellt, und halte sie für sehr empfehlenswert.


    Das ist kurz und knapp wirklich das Allerbeste!

  • Zitat

    Original von JochenAlexander
    A propos - eine Frage an die Spezialisten - bei mir ist das schon zu lange her: aber wie sieht's (bei den Klassikern) aus mit Krieg und Frieden? Da wird doch auch ordentlich und literarisch auf hohem Niveau gemetzelt, oder?
    Jochen.


    Der Spezialist wurde gefragt, der Laie antwortet:


    Die Insel-Ausgabe in der Übersetzung von Herrmann Röhl, die aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammt, ist nach wie vor sehr gut, aber alle im Original französischen Dialoge - und das sind viele - wurden hier konsequent ins Deutsche übersetzt. Das Deutsch liest sich jedoch elegant und der Epoche gemäß.

    ASIN/ISBN: 3458344578


    Die Ausgabe bei Artemis und Winkler hat mäßig gute Anmerkungen und das übliche hermeneutisch-einfühlsame Nachwort, aber die französischen Dialoge sind weitgehend enthalten.

    ASIN/ISBN: 3538052190


    Die ganz neue Übersetzung im Hanser-Verlag kenne ich gar nicht.

    ASIN/ISBN: 3446235752

  • Ha, ich habe die Franzosenausgabe. Habe gerade mal in die eingedeutschte und die ganz neue Übersetzung reingelesen: liest sich irgendwie gefälliger, wenngleich Französisch französisch bleiben sollte. Bei den Buddenbrooks hat das ja auch noch niemand rausgeschmissen.


    Obwohl das jetzt sehr interessant wäre (die Editionen zu vergleichen) stellt sich mir im Sinne des Threads nach wie vor die Frage: Wo sind die entscheidenden Kampfszenen?


    Jochen.

  • Zitat

    Original von JochenAlexander
    Obwohl das jetzt sehr interessant wäre (die Editionen zu vergleichen) stellt sich mir im Sinne des Threads nach wie vor die Frage: Wo sind die entscheidenden Kampfszenen?
    Jochen.


    Die Kampfszenen in Krieg und Frieden stellen m.M.n. kein Vorbild für jemand dar, der konventionelle Texte schreibt.


    Die einzige Schlacht, die in Krieg und Frieden länger geschildert wird, ist die von Borodino, und gerade in der zeichnen sich drei der Helden des Buches nicht eben durch Tapferkeit oder auch nur durch besondere Geistesgegenwart aus: Nikolai Rostow wird vom Pferd geschossen; Pierre Besuchow läuft wie ein Riesenbaby und halb in Trance zwischen den freundlichen und feindlichen Linien hin und her; und Andrej Bolkonski wird schwer verwundet und dämmert dann in den Tod hinüber.


    Das ist gewiss die beste, pazifistischste und unglorioseste Kriegsdarstellung in der gesamten Weltliteratur und vor und nach Tolstoi und vielleicht überhaupt nie wieder übertroffen worden, aber ein Vorbild ist das nicht.


    Mir gefällt das Buch trotzdem über die Maßen gut! Wenn es draußen schneit und die Schlitten fahren, dann muß man Krieg und Frieden lesen.

  • Zitat

    Original von JochenAlexander
    Ha, ich habe die Franzosenausgabe. (...) Bei den Buddenbrooks hat das ja auch noch niemand rausgeschmissen.


    Im Zauberberg gibt es sogar ein Kapitel, das praktisch ganz auf Französisch geschrieben ist. Ich hab' da ja Thomasine Mann in Verdacht, denn ich habe gerade in den Tagebüchern von André Gide, der mit Thomas Mann und Frau beim Essen war, gelesen, dass beide Manns ausgezeichnet Französisch sprächen, sie aber noch besser als er.


    Mann und Gide waren ja beide schwul und beide verheiratet und beide voller Angst vor dem Coming-out - trotzdem frage ich mich, ob sie Frau Mann nach dem Dessert nicht zum Einkaufsbummel geschickt ("... Erika, nimm ruhig die Kreditkarte, der zweite Teil von Felix Krull geht wie verrückt, gönn dir auch mal was, Schatz ...") und sich dann beide über die Kellner hergemacht haben.