Kann mir mal einer erklären, wozu Kurzgeschichten da sein sollen? Bitte?

  • Hallo zusammen,


    ich habe da mal eine Frage.


    Zwar: Ich habe keine Ahnung von Kurzgeschichten.


    Jap. Das stimmt.
    Ich habe zwar schon viele KGs geschrieben. Lange, kurze, ganz kurze. Mal mehr gelungen, mal weniger. Manchmal auch gar nicht. (s. BTs)


    Jetzt mal wirklich: Wozu sind Kurzgeschichten da?


    Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich meine nicht die amerikanischen traditionellen Short Stories. Nein, Ich rede von dem, was in deutschem Sprachraum allgemein als KG bezeichnet wird. Aktuell, sozusagen.


    Bei Gedichten weiß ich: Sie sollen Gefühle wiedergeben.
    Bei Romanen weiß ich: Sie sollen das Leben oder Passagen aus dem Leben eines literarisch interessanten Menschen wiedergeben.


    Aber bei Kurzgeschichten? Weiß ich nicht. Weiß ich einfach nicht.


    Kann mir mal jemand eine kurze Erklärung abliefern, die mich zu einer ähnlichen Erkenntnis wie zu den Gedichten und den Romanen bringen könnte?


    Ich bin nicht begriffstutzig. Es reichen ungekürzte Erklärungen, zu lange Sätze, Stilblüten und unverständliche Fremdwörter. Normalerweise kann ich jeden Text entkryptisieren.


    Bitte helft ... :attn


    Gruß,
    Sabrina Saskia

  • Zitat

    Original von Saskia


    Jetzt mal wirklich: Wozu sind Kurzgeschichten da?



    Sabrina Saskia


    Damit sie gelesen werden.


    Einen anderen Grund braucht es nicht


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Saskia
    Bei Gedichten weiß ich: Sie sollen Gefühle wiedergeben.
    Bei Romanen weiß ich: Sie sollen das Leben oder Passagen aus dem Leben eines literarisch interessanten Menschen wiedergeben.


    Aber bei Kurzgeschichten? Weiß ich nicht. Weiß ich einfach nicht.


    Sie sollen einen kurzzeitig unterhalten?! :]


    Ich würde Kurzgeschichten als die Kurzfassung bzw. den kleinen Bruder des Romans beschreiben. Bzw. sie zeigen einen Ausschnitt aus dem Leben des Protagonisten.

  • Zitat

    Original von fictionmaster

    Ich würde Kurzgeschichten als die Kurzfassung bzw. den kleinen Bruder des Romans beschreiben. Bzw. sie zeigen einen Ausschnitt aus dem Leben des Protagonisten.


    Der kleine Bruder des Romans ist eher die Novelle (oder vereinfacht gesagt ein Erzählung, die nicht zum Roman reicht).


    Die Kurzgeschichte zeigt eher ein Ereignis, ein Moment, ein Ding, eine Situation.

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    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    von fictionmaster: Ich würde Kurzgeschichten als die Kurzfassung bzw. den kleinen Bruder des Romans beschreiben. Bzw. sie zeigen einen Ausschnitt aus dem Leben des Protagonisten.


    Hallo fictionmaster,
    danke! Das ist eine gute Definition, die mir weiterhilft.


    Zitat

    von Horst-Dieter: Damit sie gelesen werden.


    Hallo Horst-Dieter,
    das ist eine Motivation, aber hilft mir nicht unbedingt weiter. Ich wünsche mir, dass alle Geschichten, die ich schreibe, irgendwann lesertauglich werden, bin mir aber nicht immer sicher, wie da die Maßstäbe liegen. Gibt es Grenzen, ab denen ein Text unerträglich wird? Die Grenzen sind nach oben hin sicher offen. Ich denke, ich habe bald die Grenzen nach unten hin erreicht ...


    Ich bezog mich auf das Genre an sich. Auch wenn ich verstehen kann, dass ein freischaffender Künstler nicht immer gerne sein persönliches Wissen an alle weitergibt. Würd ich auch nicht ohne Weiteres tun. Schon gar nicht im Internet.


    Gruß,
    Sabrina Saskia

  • hallo saskia,


    abgesehen davon, dass dein verständnis von gedichten und romanen euphemistisch gesagt etwas eindimensional ist, kann eine kurzgeschichte z.b. dazu dienen, eine begebenheit zu erzählen, die irgendwas verdeutlichen soll. kurzgeschichten sind in sich abgeschlossen, konzentrieren sich auf eine sache. und das möglichst knapp und pointiert.


    gegenfrage: wieso hast du denn kurzgeschichten geschrieben, wenn du keinen sinn und zweck kennst?


    viele grüße,
    michael

  • Zitat

    Original von Saskia

    das ist eine Motivation, aber hilft mir nicht unbedingt weiter.


    Du hast gefragt, wozu Kurzgeschichten da sind, nicht, welchen Ansprüchen sie genügen müssen


    Zitat

    Ich bezog mich auf das Genre an sich.


    Ich auch :-)


    Zitat


    Auch wenn ich verstehen kann, dass ein freischaffender Künstler nicht immer gerne sein persönliches Wissen an alle weitergibt. Würd ich auch nicht ohne Weiteres tun. Schon gar nicht im Internet.


    Gruß,
    Sabrina Saskia


    Das verstehe ich nun nicht. Hast du den Verdacht, dass ich dir in Sachen kurzgeschichte etwas verheimliche?


    Das mit der Kurzgeschichte ist übrigens ganz einfach: Man muss sie nur wörtlich nehmen


    Kurz muss sie sein und eine Geschichte enthalten. Und wirklich nur eine, denn das Wort steht ja im Singular und nicht im Plural.


    Wer einen dreißigseitigen Text abliefert und behauptet, das sei eine Kurzgeschichte, der nimmt den ersten Teil des Wortes nicht ernst. Kurz geht anders.


    Wer einen Text schreibt, der keine Handlung hat, etwa die Beschreibung einer Blume, nimmt den zweiten Teil des Wortes nicht ernst. Die Beschreibung von irgend etwas ist keine Geschichte.


    Komplizierter muss man das nicht sehen (und auch nicht schreiben)


    Horst-Dieter

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    Emanuel von Bodmann



  • Herrlich, HD! So kann man es auch umschreiben. :freutanz

  • Hallo Horst-Dieter, hallo Saskia,


    das Anliegen einer Kurzgeschichte besteht nicht nur darin, in kurzer Form eine Geschichte zu erzählen. Vor allem soll die Kurzgeschichte in komprimierter Form ein "Problem" (im weitesten Sinne) darstellen.


    Das können Romane und Lyrik zwar auch (müssen sie aber nicht unbedingt), das Entscheidende an der Kurzgeschichte, so wie mir die Definition bekannt ist, ist aber immer die ausgesprochen konzentrierte Darstellungsform.


    Insofern sind Kurzgeschichten nicht einfach nur "kurze Geschichten", sondern eine literarische Form, die einigen Anspruch an den Autor stellt.


    Daneben gibt es auch kurze Geschichten, die würde ich aber genauso gut als "Erzählungen" etc. bezeichnen.


    Liebe Grüße
    Anja

  • Aus einer kurzen Geschichte, einer Kurzgeschichte, kann man nicht imer einen Roman machen - es ist nicht die Kurzversion.


    Es eine pointierte Geschichte, die kurz und knapp etwas (was auch immer) erzählt. Nicht beschreibt, nicht darstellt, sondern erzählt.

  • Die Kurzgeschichte ist eine eigenständige literarische Form. Otto Schumann definiert sie in seinem Lehrbuch: "Schreibkunst" folgendermaßen:


    Eine kurze Geschichte ist keineswegs eine Kurzgeschichte.
    Im Gegensatz zur klassischen Novelle, in der die narrative (erzählende) Sprache dominiert, sollte die Kurzgeschichte bildhaft, szenisch und dialogreich dargebracht werden. Ein Blitzlichtfoto, eine Momentaufnahme eines Ereignisses dargestellt werden. Möglichst alles muss in Handlung aufgelöst sein.
    In Kurzform:
    Eine Figur erwacht zum Leben, die Episode ereignet sich, die Geschichte ist zu Ende.


    Als Beispiel für eine perfekte Kurzgeschichte führt er die berühmte "Anekdote aus dem letzten preußischen Krieg", von Heinrich von Kleist an. Einer Geschichte, in der alles, aber wirklich alles in Handlung aufgelöst ist.


    Manuela :)

  • Zitat

    Original von Anja


    Daneben gibt es auch kurze Geschichten, die würde ich aber genauso gut als "Erzählungen" etc. bezeichnen.


    Liebe Grüße
    Anja


    Liebe Anja,


    ich habe nicht geschrieben, dass die Kurzgeschichte eine kurze Geschichte ist. Meine Aussage war (kann oben nachgelesen werden), die Kurzgeschichte ist


    - Kurz
    - und erzählt eine Geschichte


    Alles andere (wie) widerspricht dem nicht :D


    Horst-Dieter

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    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Manuela K.
    Die Kurzgeschichte ist eine eigenständige literarische Form. Otto Schumann definiert sie in seinem Lehrbuch: "Schreibkunst" folgendermaßen:


    Otto Schuman schrieb das Werk m.W. nach in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. es ist nicht falsch was da steht, aber doch etwas angestaubt


    Zitat


    Eine kurze Geschichte ist keineswegs eine Kurzgeschichte.


    wie schon Anja erwiedert: Ich haben nicht von einer kurzen Geschichte gesprochen.


    Zitat


    Als Beispiel für eine perfekte Kurzgeschichte führt er die berühmte "Anekdote aus dem letzten preußischen Krieg", von Heinrich von Kleist an. Einer Geschichte, in der alles, aber wirklich alles in Handlung aufgelöst ist.


    Manuela :)


    Stimmt zwar im Prinzip, aber das Beispiel fand ich schon immer daneben. Diese Kurzgeschichte ist eine Anekdote und damit eine besondere Form der Kurzprosa. Ich würde sie nicht als Musterbeispiel für eine Kurzgeschichte ansehen.


    Horst-Dieter

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    Emanuel von Bodmann


  • @H.D.


    Zitat

    wie schon Anja erwiedert: Ich haben nicht von einer kurzen Geschichte gesprochen.


    Hätte ich nie zu behaupten gewagt. 8-)


    Zitat

    Diese Kurzgeschichte ist eine Anekdote und damit eine besondere Form der Kurzprosa. Ich würde sie nicht als Musterbeispiel für eine Kurzgeschichte ansehen.


    Hmmh ... aber was die Auflösung des Textes in Handlung anlangt, gefällt sie mir geradezu großartig. Sicher gäbe es modernere Beispiele,da hast du schon recht.
    Dennoch sind meine Kg-Lieblingsautoren allesamt aus dem letzten Jahrhundert. Borchart, Böll, Zweig, T. Mann, Hemingway, R. Carver und so weiter und so fort ...


    Manuela :)

  • Zitat

    Original von Manuela K.
    @H.D.



    Hätte ich nie zu behaupten gewagt. 8-)


    Gut. Konzentriere ich mal meinen Zorn auf Anja.

    Zitat

    Hmmh ... aber was die Auflösung des Textes in Handlung anlangt, gefällt sie mir geradezu großartig.


    Gegen diese Anekdote oder Kleist generelle würde ich nie wagen zu Felde zu ziehen, da ich die Komposition der Kurzprosa von ihm geradezu atemberaubend findet, wohingegen allerdings sein Satzbau mich nicht immer überzeugt, da er oft den Erzählfluss hemmt dergestalt, dass ich manchen dieser Monster oft ein zweites oder drittes Mal lesen muss, jedoch nicht weil ich ihn nicht verstanden hätte, sondern weil er einfach so ideal konstruiert ist wie ich das niemals könnte.

    Zitat


    Sicher gäbe es modernere Beispiele,da hast du schon recht.
    Dennoch sind meine Kg-Lieblingsautoren allesamt aus dem letzten Jahrhundert. Borchart, Böll, Zweig, T. Mann, Hemingway, R. Carver und so weiter und so fort ...


    Manuela :)


    Borchert würde ich auch nicht draußen vor der Tür lassen :D seine Kurzgeschichten sind genial (immer noch geliebt die Geschichte mit dem Stiftzahn und dem Sahnebonbon im Kino oder Schischipus), Böll sowieso und Hemingway steht außerhalb der Kritik. Zweig und Thomas Mann sind für mich aber eher Beispiele für längere Erzählungen (wenn man von den Romanen einmal absieht). Vergessen ist heute leider Paul Schallück, nicht schlecht in Sachen Kurzgeschichten war auch Wolfdietrich Schnurre.


    Für ... und so weiter und so fort ... muss ich aber jetzt schon mächtig nachdenken, zumindest soweit es richtige Kurzgeschichten so ab den 80er Jahren von deutschen Autoren anbelangt.


    Horst-Dieter

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    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Borchert würde ich auch nicht draußen vor der Tür lassen breites Grinsen seine Kurzgeschichten sind genial (immer noch geliebt die Geschichte mit dem Stiftzahn und dem Sahnebonbon im Kino oder Schischipus),


    Auch "die traurigen Geranien" nicht zu vergessen, Geschichten aus dem Nachlass. Ich habe Borcherts "Gesamtwerk" geradezu verschlungen. Leider, leider ist es nur ein relativ schmales, er ist ja auf tragische Weise und viel zu, viel zu, viel zu jung gegangen. :down


    Anbei, bin immer wieder über dein enormes literarisches (und sonstiges) Wissen verblüfft.
    Meinen ehrlichen Respekt! :)

  • Zitat

    Original von Manuela K.


    Anbei, bin immer wieder über dein enormes literarisches (und sonstiges) Wissen verblüfft.
    Meinen ehrlichen Respekt! :)


    Das täuscht, ehrlich. Du triffst einfach nur immer gerade auf die richtigen Stellen.

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    Emanuel von Bodmann


  • Kurzgeschichten werden für Leser geschrieben die keine Zeit, keine Lust, keinen Nerv für längere Geschichten haben; die im Wartezimmer eine Illustrierte aufschlagen und statt den Nachrichten und dem Tratsch lieber etwas lesen von dem sie wissen, dass es erfunden wurde um sie zu unterhalten.
    Für Leser die gerne in einem Rutsch zu Ende lesen.


    Zitat

    Bei Gedichten weiß ich: Sie sollen Gefühle wiedergeben. Bei Romanen weiß ich: Sie sollen das Leben oder Passagen aus dem Leben eines literarisch interessanten Menschen wiedergeben.


    Weißt du auch etwas über die amerikanischen traditionellen Short Stories, Saskia?